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„Mehrkämpfe“ und „Ehrensachen“

од Prof. Dr. Michael Braun

Neue Bücher der KAS-Literaturpreisträger zur Buchmesse

„Der Grund, warum die Mehrheit aller Leute Gedichte, Romane und Stücke liest, liegt darin, dass sie sie vergnüglich findet“. So hat jüngst ein amerikanischer Kritiker gegen den Irrglauben protestiert, Bücher taugten nur etwas, wenn man aus ihnen auch lernen kann. Nun, auf der Frankfurter Buchmesse, die in der zweiten Oktoberwoche mit neuen Superlativen an Büchern, Autorenpräsentationen, Verlagsständen aufwartet, wird es viele Leser geben, die das Vergnügliche in der Literatur suchen, ohne auf das Lehrreiche verzichten zu wollen. Ihnen kann geholfen werden: mit einigen ausgewählten Literaturempfehlungen, darunter vor allem die Neuerscheinungen der Literaturpreisträger der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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Burkhard Spinnen (Literaturpreisträger 1999) hat erstmals einen Kriminalroman publiziert. „Mehrkampf“ beginnt wie ein Tatort. Ein ehemaliger Hochleistungssportler wird vor einem Bürogebäude in einer rheinischen Stadt angeschossen, dem ermittelnden Hauptkommissar fehlen Augenzeugen, Spuren, Verdächtige. Die Konstellation ist pikant: Der Angeschossene ist ein ehemaliger Zehnkämpfer, der seine Karriere verpatzt hat durch dreimaliges Übertreten bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles (man erinnert sich: der „Fall“ von Jürgen Hingsen), und auch der Kommissar ist ein verhinderter Hochleistungssportler und passionierter Spieler. Auf mehreren Ebenen inszeniert Spinnen die Dämonologie von Wettkämpfen, die längst nicht nur sportlich sind, die Doppeltragödie von einstmals hochbegabten Kindern und die trügerische Perfektion des Mittelmaßes: in der Sportart des Mehrkampfs trumpft der auf, der die „größte Fülle der Möglichkeiten“ auszuschöpfen weiß.

 

 

Sarah Kirsch (erste Preisträgerin der KAS 1993) sendet neue „Nachrichten vom Weltrand“: poetische Tagebuchnotate aus den Jahren 2003 und 2004. Neben Miniaturen aus dem Alltagsleben in der Marsch finden sich in dem schmalen, aber gehaltvollen Band „Regenkatze“ Naturbeobachtungen und Reflexionen über sich, die Welt und die Katze Emily. Kontemplation und Kritik der politisch-sozialen Zeitlage schließen sich dabei nicht aus.

 

 

Thomas Hürlimann (Preisträger 1997) hat seine Übersetzung des „Einsiedler Welttheaters“ nochmals überarbeitet. Das Stück wurde im Sommer in einer Inszenierung von Volker Hesse, mit 500 Komparsen, auf dem Klostervorplatz in Einsiedeln aufgeführt. Wichtigste Änderung gegenüber der Erstaufführung von Hürlimanns Calderón-Adaption: der Autor als Schöpfer des Werks verschwindet und wird ersetzt durch die „Frau Welt“, die eingangs alle Personen aus ihrem riesenhaften roten Mantel ins Leben entlässt und sich am Ende als Tod zeigt. Hoffnung, wenn überhaupt, bleibt nur in Form von Liebe und Erinnerung.

 

 

Louis Begley (Preisträger der KAS 2000) hat einen ebenso spannenden Roman geschrieben; die deutsche Übersetzung ist seit ein paar Monaten auf dem Markt. „Ehrensache“ erzählt – am Beispiel einer zerbrechlichen Lebensfreundschaft zwischen drei Harvard-Studenten – von der Entzauberung des American Dream, der Mesalliance zwischen Judentum und vermeintlich „guter Gesellschaft“ und der komplizierten Identitätssuche hochbegabter junger Menschen.

 

 

Patrick Roth, der seit über 30 Jahren in der Filmstadt Los Angeles lebt und zur Jury des „Golden Globe“ gehört, hat als Mainzer Stadtschreiber den obligatorischen Auftrag erfüllt, einen Film zu drehen: das elektronische Tagebuch „In my life“ (ZDF). Es geht in 12 Sequenzen den Lebens- und Schreibstationen des Autors in Los Angeles nach, was nicht immer einfach war, wenn der Autor mit der ZDF-Crew an die Türen früherer Wohnungen pochte, um an diesen Orten seine Erinnerung zum Sprechen zu bringen. An Originalschauplätzen kommentiert Roth die großen und kleinen Filmlegenden um Chaplin, Dustin Hoffman, Charles Bukowski und John Ford, die auch für sein eigenes schriftstellerisches Wirken wichtig sind.

 

 

Überhaupt tritt der Film als gleichberechtigter Medienpartner des Buches endlich aus dem Schatten der Messe heraus. Im Forum Ebene 0 bekommt der Film eine große Plattform, Literaturverfilmungen nach Vorlagen von Stifter („Bergkristall“) und Walser („Ein fliehendes Pferd“, Kinostart 20.9.) stehen neben Edgar Reitz’ drittem Teil von „Heimat“.

 

 

 

Und hier die (unvollständige) Liste empfehlenswerter Bücher:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  • Louis Begley: Ehrensache. Roman (Suhrkamp)
  • Durs Grünbein: Strophen für übermorgen. Gedichte (Suhrkamp)
  • Julia Franck: Die Mittagsfrau. Roman (S. Fischer)
  • Thomas Hürlimann: Das Einsiedler Welttheater 2007. Nach Calderón de la Barca (Ammann Verlag)
  • Sarah Kirsch: Regenkatze. Prosa (Deutsche Verlags-Anstalt)
  • Katja Lange-Müller: Böse Schafe. Roman (Kiepenheuer & Witsch)
  • Michael Lentz: Pazifik Exil (S. Fischer)
  • Katja Oskamp: Die Staubfängerin. Roman (Ammann)
  • Dirk von Petersdorff: Lebensanfang (S. Fischer)
  • Gregor Sander: abwesend. Roman (Wallstein)
  • Burkhard Spinnen: Mehrkampf. Roman (Schöffling)
  • Arnold Stadler: Komm, gehen wir. Roman (S. Fischer)
P.S. Aus dem Bereich der Sachbücher seien drei Novitäten hervorgehoben, die mit manchen liebgewordenen Legenden aufräumen und auf ebenso spannende wie lehrreiche Weise zu kritischer Relektüre anhalten: Helmuth Kiesels Ernst Jünger-Buch (Ernst Jünger. Die Biographie, Siedler Verlag), Rüdiger Safranskis „Romantik. Eine deutsche Affäre“ (Hanser) und Gerhard Schulz’ Kleist-Biographie (C.H. Beck).

 

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erscheinungsort

Berlin Deutschland

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