Nacionalni izveštaji
Die ersten Anzeichen in den USA und Europa mit der Immobilienkrise vor anderthalb Jahren sind hier nicht ins öffentliche Bewusstsein gelangt. Und auch die tiefe Finanzkrise, die seit einigen Wochen immer mehr um sich greift, ist der breiten serbischen Öffentlichkeit in ihrer Dramatik nicht bewusst. Es entsteht der Eindruck, dass die Krise anderswo, weit entfernt vor sich geht und nicht hier in Serbien.
Ein Grund dafür mag sein, dass die Medien sehr spät mit der Berichterstattung über Probleme mit Hypotheken in den USA, die sich auf Europa schon bald ausweiteten, angefangen haben. Außerdem waren die alltäglichen politischen Themen, wie Kosovo und die Aktivitäten Serbiens im VN-Sicherheitsrat, die Spaltung der Radikalen Partei oder die mühsame Parlamentsarbeit so präsent, dass sie die volle Aufmerksamkeit der serbischen Bevölkerung in Anspruch nahmen. Es kann aber auch daran liegen, dass die Politik den Eindruck erweckt, dass Serbien von der Finanzkrise nicht betroffen ist. In der Kabinettsitzung am 16. Oktober 2008, die anlässlich 100 Tage Regierung teilweise öffentlich war, sagte Ministerpräsident Cvetković, dass die Regierung die Konsequenzen der globalen Finanzkrise beurteilt hat und er sagte weiter: ‚die Situation im serbischen Bankensektor ist stabil und die Bürger können beruhigt sein.’ Somit haben sich die Menschen in Serbien weniger Sorgen wegen der Finanzkrise in der Welt gemacht. Sein Stellvertreter, Božidar Đelić sagte bereits am 12. Oktober 2008 gegenüber der serbischen Nachrichtenagentur Tanjug: "Our financial system is well capitalized, the foreign currency reserves of our central bank are very significant, and they are covering the savings of the citizens."
In diesem Fall könnte das Vertrauen der Bevölkerung in die Worte der Politik ein Vorteil sein. Die katastrophale Hyperinflation in der Mitte der 90er Jahre ist den Menschen in Serbien noch allzu gut in Erinnerung. Die Preissteigerungen auf dem Höhepunkt der Krise mit mehr als 313 Millionen Prozent im Januar 1994 waren Ausdruck einer der schlimmsten Inflationen in Europa, die zudem mit fast zwei Jahren zu einer der längsten gehörte. Es wäre nicht auszuschließen, dass panische Reaktionen, die sich aus den Erinnerungen dieser jüngsten Vergangenheit speisten, die Situation auf dem serbischen Markt sehr belasten könnte.
Die serbische Finanzkrise führte dazu, dass heute eine sehr strickte Geldpolitik verfolgt wird. Man kann es als Paradox bezeichnen: Serbien ist einerseits ein Land mit hohem Defizit und großem inflatorischen Druck. Die Inflation in den letzten 12 Monaten von September 2007 zu September 2008 betrug 10,2%. Andererseits ist der Banksektor einer der stabilsten in der Region. Die Ursache liegt eben darin, dass sich der Banksektor erst in den letzten Jahren entwickelt hat (nach dem Absturz in den 90-er Jahren). Die Banken erzielen hier große Profite. Als solche sind sie immer noch sehr interessant für Investoren. Laut der slowenischen Fachzeitschrift „Finance“, hat die Belgrader Börse die besten Wachstumsaussichten in der Region.
Vor allem die unpopulären Maßnahmen des Gouverneurs haben dazu beigetragen, die Geldstabilität und das Vertrauen in die Banken zu bewahren. So wurden den Banken strikte Regeln aufgelegt, die ein leichtfertiges Spekulieren auf ausländischen Märkten nahezu unmöglich machen. So müssen die Banken obligatorisch hohe Reserven bei der Nationalbank hinterlegen. Für jeden Euro Spareinlage müssen sie 0,40 Euro bei der Nationalbank deponieren. Alle Banken in Serbien sind unabhängige Geschäftssubjekte, also keine reinen Filialen der ausländischen Banken. Ein Kapitalabfluss ist rechtlich begrenzt. Vorgeschrieben ist zudem ein konservativer und restriktiver Kreditprozess, der eine Kreditübernahme erschwert, gekoppelt mit strengen Kriterien für die Kreditabsicherung. (Quelle: National Bank Serbien) Die Überwachung der Banken funktioniert in Serbien ebenfalls sehr gut. In diesem Fall ist es ein Vorteil, dass Serbien nicht dem europäischen Regelwerk unterliegt und somit seine eigenen Regeln aufstellen kann, strenger als im EU-Raum.
Natürlich haben die Banken in Serbien die Instabilität auf den Finanzmärkten schon viel früher als die Öffentlichkeit wahrgenommen und intern entsprechend darauf reagiert. So erfolgte eine Konzentration auf lokale Anlagen. Die Tatsache, dass die Bevölkerung ihr Vertrauen den Banken nicht entzogen hat, verschaffte den Banken diesen Handlungsspielraum. Inzwischen ist im Straßenbild Belgrads die Werbung für Anlagen in Dinar mit attraktiven Konditionen für jeden augenscheinlich. Bislang haben die Menschen ihr Geld möglichst in Euro angelegt, weil man dem Dinar nicht traute.
Laut einer Darstellung des Gouverneurs Jelašić vom 9. Oktober 2008 auf der Homepage der Nationalbank ist der Bankensektor in Serbien zahlungsfähig, sodass alle Sparguthaben sicher sind. Mit Reserven von 9,7 Milliarden Euro kann die Nationalbank alle privaten Anlagen absichern. Die Nationalbank hat ihre Reserven hauptsächlich als Anlagen bei anderen Nationalbanken deponiert und als staatliche Wertpapiere, deren Emittenten hoch entwickelte Länder (Deutschland, Großbritannien, Kanada) mit AAA Kredit-Rating sind (wobei man heute weiß, dass dies nicht immer was bedeuten muss), wie auch Wertpapiere bei Internationalen Finanzinstitutionen (Europäische Investitionsbank, Weltbank, Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung). So wird der Gouverneur nicht müde öffentlich zu erklären, dass die Banken in Serbien in besonderer Weise gesichert sind und sich die Krise hier nicht wie anderswo auswirken wird.
In den Geschäften in Serbien spiegelt sie sich allerdings schon wider. So rutschte auf der Belgrader Börse der Marktwert aller Aktien Ende September auf 12,1 Milliarden Euro ab, um am 10. Oktober schließlich bei nur noch 11,6 Milliarden zu liegen. Ende 2007 war der Wert noch bei 15,4 Milliarden. Immerhin, am 17. Oktober hatte der BELEX ein Plus von 2,93%. In Geschäfts- und Bankkreisen werden Gespräche und Beratungen mit der Nationalbank Serbiens geführt, aber die Reaktionen sind verhalten, Maßnahmen der Politik wurden bisher nicht ergriffen.
Bevor die Politik auf die Finanzkrise antwortet, will sie erst einmal die Auswirkungen der Maßnahmen der EU-Länder abwarten. Man hofft, dass durch die europäischen Aktivitäten eine Intervention in Serbien nicht notwendig ist. Der Ministerpräsident Cvetković sagte am 30. September 2008 der RTV Vojvodina sinngemäß, dass die Regierung aufmerksam und interessiert die Weltfinanzkrise verfolgt. In Serbien spürt man fast keine bedeutsamen Auswirkungen dieser Krise. Trotzdem hat die Regierung ein Expertenteam eingesetzt, das aus dem Finanzminister, dem Gouverneur der National Bank Serbien und einigen Wirtschaftexperten für Makroökonomie besteht. Das Team wird auf längere Zeit die Entwicklung der Finanzkrise verfolgen und mögliche Auswirkungen auf die serbische Wirtschaft analysieren. Dadurch ist die serbische Regierung in der Lage, viel aus der aktuellen Weltfinanzkrise zu lernen und dabei die neuesten Prinzipien des Risiko-Managements anzuwenden. Als zwei gute Beispiele für den ungebremsten Schwung der serbischen Wirtschaft hat Cvetković den Vertrag mit dem italienischen Automobilhersteller Fiat und die Gespräche mit dem schwedischen Möbelgiganten IKEA genannt. Diese Geschäfte würden sogar andere Investoren nach Serbien locken.
Das heißt aber nicht, dass Serbien auf einer Insel liegt, die nichts anfechten kann. Letztlich werden Auswirkungen der Finanzkrise auch in Serbien zu spüren sein, davon wird allgemein ausgegangen. Vor allem ist einer Änderung des Investitionsklimas zu erwarten. Im letzten Jahr wuchs die Wirtschaft noch um 7,5%. Realistischer Weise wird dieses starke Wachstum für die nächste Zeit nicht mehr zu halten sein.
So wird nach Aussagen der Nationalbank in jedem Fall mit einer Steigerung der Zinsen der Nationalbank und damit einer Minderung des Kreditumfangs im Land gerechnet. Die Finanzkrise in der Welt hat schon jetzt die Möglichkeit einer Verschuldung auf dem internationalen Finanzmarkt verringert, weil das Kapital im Ausland zu teuer geworden ist. Serbien hat ein hohes Außenhandelsdefizit, allein in den ersten beiden Monaten dieses Jahres 1,2 Milliarden Euro (Quelle: Ekonomist Serbien vom 30.3.2008). Deshalb zählen die Ökonomen Serbien zu eines der stark gefährdeten Länder in Osteuropa. Das Defizit lässt sich nicht über Nacht verringern. Die serbische Wirtschaft ist immer noch hoch importabhängig. Ein großer Teil des Defizits wurde durch Verschuldung im Ausland gedeckt (laut des Statistik-Bulletins vom Juli 2008 29,447 Milliarden Dollar) Dies wird sich aufgrund hoher Zinsen in der nächsten Zeit nicht mehr einfach realisieren lassen. Die Empfehlung der Banken ist, dass Maßnahmen realisiert werden, die den nicht aufhaltbaren Verbrauch verringern, wie zum Beispiel den Kapitalabfluss begrenzen und die Rebilanzierung der Geldquellen, die wegen des großes Defizits bis jetzt durch Verkauf von Staatsfirmen und -eigentum und neue Kredite finanziert wurden. Je schneller dieser Plan realisiert wird, desto geringer werden die Konsequenzen in Serbien und desto besser kann man die Stabilität des Finanzsystems bewahren.
Die geringere Liquidität in der Welt könnte Serbien ebenfalls treffen. Sie wird möglicher Weise den Privatisierungsprozess verlangsamen und Investitionen abhalten. Auch wären geplante Infrastrukturprojekte, wie beispielsweise der Ausbau der Autobahn von Ungarn nach Bulgarien, bei einem Andauern der Krise vielleicht gefährdet. Das Projekt soll mit Hilfe der Weltbank realisiert werden. Vertreter der Weltbank machten darauf aufmerksam, dass die makroökonomische Stabilität eine Kondition für die Kreditierung solcher Projekte ist. (Quelle VIP 24. September 2008) Und nicht zuletzt die zu erwartende geringere Nachfrage nach Produkten, mit denen Serbien auf dem ausländischen Markt ist, könnte sich negativ auswirken. So werden sinkende Metall- und Nahrungspreise erwartet, wobei genau diese Produkte 1/5 des serbischen Exports ausmachen. Deshalb gehen die Ökonomen davon aus, dass die Rezession, die zu erwarten ist, den serbischen Export negativ beeinflussen wird.
Die Regierung hinterlässt den Eindruck, sich ernst mit dieser Problematik beschäftigen zu wollen. Aber es ist offensichtlich, dass Angst besteht, offen in den Medien über die eventuellen Konsequenzen zu sprechen. Eine Generaldebatte über das Wirtschafts- und Finanzsystem findet nicht statt. Serbien hat als Transformationsland auch keine Tradition eines marktwirtschaftlichen Systems, das man jetzt in Frage stellen könnte. Und dass eine sozialistische Planwirtschaft keinen Wohlstand schafft, hat man im früheren Jugoslawien bereits erfahren.
Aber es ist sichtbar, dass sich die Politik als ein Akteur versteht. Es findet eine enge Abstimmung zwischen den Regierungsmitgliedern und der Nationalbank statt. Es ist sicher hilfreich, dass nicht nur die Finanzministerin Diana Dragutinović etwas von Finanzen versteht, sondern auch der Wirtschaftsminister Mlađan Dinkić, der früher selbst Gouverneur der Nationalbank Serbiens und später Finanzminister war und auch der Ministerpräsident selbst, der eine zeitlang bei der Weltbank gearbeitet hat. Diese sind in dieser Situation um eine strikte Haushaltsdisziplin bemüht, die auch ausdrücklich der IWF Serbien empfohlen hatte. Einfach ist dies nicht, denn die mitregierende Rentnerpartei hatte ihren Wählern eine deutliche Rentenerhöhung versprochen und die Umsetzung des Versprechens zur Bedingung für die Regierungsbeteiligung gemacht. "Das ist zurzeit unmöglich und verantwortungslos da die Finanzkrise viele Ungewissheiten mit sich bringt." Mit diesen Argumenten versucht der Wirtschaftsminister die Ausgaben für die Rentner zu verschieben und so das Budget zu retten.
Auch wenn von außen der Eindruck einer stabilen pro-europäischen Regierung besteht, so ist sie doch ein Zusammenschluss von 8 inhomogenen Parteien, mit einer dünnen Mehrheit. Die Androhung eines kleinen regionalen Koalitionspartners, die Koalition zu verlassen und damit die Regierungsmehrheit zu gefährden sollte es keine plausible Begründung für die drastische Erhöhung der Gaspreise um 60% geben, ist nur ein weiteres Beispiel aus jüngsten Tagen für die Herausforderungen des Bündnisses.
Das Jahr 2009 wird vielleicht ein kritisches Jahr in Serbien sein, weil der Zufluss von Geld nicht zustande kommen könnte. Dieses war der Hauptquelle für die Stabilität des Dinars, wie auch die Kredite aus dem Ausland. Da dies aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr der Fall sein wird, wird die Nationalbank ihre Reserven nutzen müssen. Dies ist aber nur für einen begrenzten Zeitraum möglich. Deswegen kann man erwarten, dass die Finanzkrise, von der die ganze Welt betroffen ist, spätestens im nächsten Jahr auch Serbien erreicht.
Claudia Crawford
Leiterin
KAS Serbien
18. Oktober 2008