Nacionalni izveštaji
Noch am Dienstagmorgen, nach einer langen Debattennacht im serbischen Parlament, schienen die letzten Hoffnungen auf die Bildung einer demokratischen Regierung dahinzuschwinden. Der amtierende Parteivorsitzende der Radikalen Partei (SRS), Tomis Nikolic, wurde mit Unterstützung der Stimmen von der Demokratischen Partei Serbiens (DSS) von Ministerpräsident Kostunica, zum Parlamentspräsidenten gewählt. Damit gab es zum ersten Mal eine offensichtliche Koalition zwischen diesen beiden Parteien, die zuvor immer beteuerten, auf keinen Fall eine gemeinsame Regierung zu bilden.
Auch nach Nicolic´ Wahl blieben sie dabei. Beide betonten, die Mehrheit im Parlament meint nicht, dass damit auch eine Regierungsmehrheit bestünde. Seitens der SRS konnte man dies durchaus glauben, denn sie haben derzeit kein Interesse am Regieren. Noch nicht. Erst sollte der Kosovostatus entscheiden sein. Auch in Belgrad ist inzwischen genug Realismus eingekehrt um zu erkennen, dass das Kosovo künftig nicht mehr Teil Serbiens sein wird. Dafür möchten die Radikalen keine Verantwortung tragen. Das Kalkül seitens der DSS zu verstehen, fällt dagegen schon schwerer. Man konnte davon ausgehen, dass die DSS jeden möglichen Druck auf die Demokratische Partei (DS) des Präsidenten Tadic ausüben würde. So hatte man die Drohung, Nikolic Wahl zum Parlamentspräsidenten zu unterstützen, als ein weiteres Element dieser Drohkulisse interpretieren können. Ihn aber auch wirklich zu wählen, war ein Schritt zuviel.
Das damit durch die DSS eingegangene Risiko, war sehr hoch. Im Normalfall wäre damit jegliche weitere Regierungsverhandlung beendet. Zumal die dritte Partei im Bunde, G17plus mit Dinkic als Parteivorsitzenden, angekündigt hatte, dass sie nicht mehr für eine Regierung zur Verfügung stünde, sollte Nikolic gewählt werden. Ohne die G17plus reichen aber die Stimmen nicht für eine Regierungsbildung. Folgerichtig hätte Präsident Tadic die Pflicht, am Mittwoch Neuwahlen festzusetzen. Die letzte Frist für eine neue Regierung läuft am 15. Mai um Mitternacht ab. Alle demokratischen Parteien hätten in diesem Fall befürchten müssen, zu verlieren, am meisten wohl die DSS. Deshalb wurden sofort Spekulationen wiederbelebt die davon ausgehen, dass in Wirklichkeit die DSS doch eine Koalition mit den Radikalen anstrebe.
Nun scheint es so, dass Kostunica alles darauf gesetzt hat, dass die DS in jedem Fall an die Macht will. Serbien ist eben kein Normalfall. Schon nach der Wahl des Parlamentspräsidenten war es überraschend, dass die DS keine klare Aussage darüber machte, dass sich weitere Gespräche damit erübrigen. Vielmehr gab es Hinweise, dass weiterhin um eine Regierungsbildung mit der DSS gerungen wurde. Gestern am späten Nachmittag entschied der Parteivorstand der DS förmlich, weiter zu verhandeln. Voraussetzung dafür sollte aber sein, dass die Bedingungen für eine neue Regierung aufrechterhalten werden müssten. Das meinte vor allem sicherzustellen, dass eine Regierung unter Beteiligung der DS voll mit dem Haager Tribunal kooperiert und damit den Weg in Richtung EU weitergeht. Dafür braucht die DS den Zugriff auf die Sicherheitsdienste.
Genau daran waren aber die bisherigen Gespräche gescheitert. Denn die DSS wollte Ihren Einfluss auf die Sicherheitsapparate nicht verlieren Es war schon anmaßend, dass sie trotz der Stimmenverluste bei der Parlamentswahl am 21. Januar und der deutlich geringeren Parlamentssitze als die DS sie hat, auf den Posten des Ministerpräsidenten bestand. Ebenso wollte sie um keinen Preis den Innenminister abgeben. Sicher mag ein Grund dafür sein, dass Kostunica sich nie mit der Existenz des Haager Tribunals abfinden konnte und deshalb die Bereitschaft zur Kooperation begrenzt war. Viel mehr dürfte aber gewogen haben, dass Jocic, der derzeitige Innenminister, für Kostunica ein wichtiger Mann ist. Vor diesem Hintergrund ergibt sich wieder eine Logik: Wenn die Forderung über die Maßen groß sind, muss auch die Risikobereitschaft, sich durchzusetzen, über die Maßen hoch sein.
Damit haben sich Kostunicas Nerven wieder einmal als die Stärkeren erwiesen. Es ist das wiederholte Mal, dass er sich mit seinem Taktieren gegenüber Tadic durchsetzt. Möglich ist das nur, weil sich der Präsident einerseits objektiv in einer schwächeren Position befindet, denn für ihn gibt es keinen anderen Koalitionspartner. Andererseits räumte er selbst diese Schwäche durch seine Entscheidungen zu früh ein. So konnte man sehr schnell den Eindruck gewinnen, dass die Nominierung von Djelic als Ministerpräsidentenkandidat nie ernst gemeint war. Hätte er wirklich eine starke Verhandlungsposition haben wollen, hätte er selbst antreten müssen. Dafür war ihm das persönliche Risiko anscheinend zu hoch.
Mit dem nun gefundenen Kompromiss können allerdings letztendlich beide Seiten zufrieden sein. Präsident Tadic wird Vorsitzender eines zu bildenden Sicherheitsrates. Kostunica bleibt Ministerpräsident, Jocic Innenminister. Die Geheimdienste bekommen eine doppelte Führung durch einen DS- und einen DSS-Vorsitz. Die DS stellt den Verteidigungsminister und auch den Vorsitz der Armeegeheimdienste. Illic von Neues Serbien, deren Partei eine gemeinsame Wahlliste mit der DSS hatte, bleibt Infrastrukturminister. Mit der Einigung wird auch die Neuwahl des Parlamentspräsidenten möglich, sodass die G17plus wieder im Boot ist. Damit sind die Hauptbedingungen für die DSS und die DS erfüllt. Jetzt bleibt nur noch, die übrigen Ministerien mit konkreten Personen zu besetzen. Auch das gibt noch genügend Anlass für Streit und birgt ein gewisses Restrisiko.
Zu fragen bleibt, warum die Parteien nicht in der Lage waren, schon früher solch einen Kompromiss zu finden. Mehrmals wurden Vorschläge präsentiert, die nicht sehr weit von dem jetzt gefundenen Ergebnis abwichen. Denn trotz der jetzigen Einigung sind beide Parteien beschädigt, da sie ein weiteres Mal Vertrauen eingebüßt haben. Was es bedeutet hätte, einen Einfluss der Radikalen auf die serbische Politik zuzulassen, demonstrierte Nikolic unmittelbar nach der Wahl im Parlament. Am Mittwochabend erläuterte er, dass man aufgrund der kritischen Situation im Kosovo den Ausnahmezustand ausrufen könne. Das Parlament hat die Befugnis, dies mit einfacher Mehrheit zu beschließen. Damit wären Neuwahlen unmöglich geworden. Vielleicht gab dies einen Anstoß für die DSS, das Spiel mit dem Feuer zu beenden und beiden Parteien den ausreichenden Willen, sich auf einen Kompromiss zu einigen.
Für Serbien ist dieser Kompromiss dringend. Seit einem Jahr ruhen die Verhandlungen mit der EU über den Abschluss eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA), der Vorbedingung für den Kandidatenstatus ist. Über ein dreiviertel Jahr stagniert wegen einer fehlenden Regierung die serbische Politik. Dabei kann sich das Land angesichts vieler ungelöster Probleme und des unbefriedigenden Lebensstandards für die Menschen einen Stillstand nicht leisten.
Die letzten Signale der EU sind deshalb ermutigend. Sollte es zu einer demokratischen Regierung kommen, die auch deutlich machen kann, dass die Kooperation mit dem Haager Tribunal ernsthaft erfolgt, ist die umgehende Wiederaufnahme der SAA-Verhandlung möglich. Und der Erweiterungskommissar Olli Rehn stellte in Aussicht, dass schon 2008 der Kandidatenstatus erreicht sein könnte. Jetzt ist nur zu hoffen, dass die Regierungsarbeit der künftigen DS-DSS-G17plus-Koalition in einer besseren Weise erfolgt, als die Koalitionsverhandlungen und die EU ihre Ankündigungen auch umsetzt. Die Erfahrungen lehren, dass beides keine Selbstläufer sind.