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Parlamentswahlen vor COP29

од Florian Binder, Stephan Malerius

Trotz vieler Hürden und eines vorhersagbaren Ergebnisses fordern unabhängige Kandidaten die Regierung Alijews heraus

Seit 1995 hat die Regierungspartei „Neues Aserbaidschan“ jede Wahl mit überwältigender Mehrheit gewonnen. Auch die vorgezogenen Parlamentswahlen am 1. September dürften keine Ausnahme bilden. Während das Land bei früheren Urnengängen noch westliche Wahlbeobachtungsmissionen zuließ, ist diesmal nur die OSZE eingeladen. Chinesische und russische Wahlbeobachter sind willkommen. Trotz großer Hindernisse treten aber auch unabhängige Kandidaten an. Einer von ihnen ist Shahriyar Majidzadeh, dessen Wahlbezirk Tartar auch Teile Bergkarabachs umfasst. Sein Slogan lautet: „Frieden, Klimaschutz, Geschlechtergerechtigkeit und Bildung“.

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COP als Vorwand – wählen, wann es Alijew passt

Die nächsten Parlamentswahlen in Aserbaidschan hätten eigentlich erst im November stattfinden sollen, doch Präsident Ilham Alijew entschied anders und zog sie auf den 1. September vor. Als Begründung hieß es, dass der ursprüngliche Wahltermin mit der von Aserbaidschan im November ausgerichteten UN-Klimakonferenz (COP29) kollidieren würde.

Das vom Regime kontrollierte Verfassungsgericht bestätigte die Verschiebung. Es sind die dritten aufeinanderfolgenden Wahlen, die nicht zum ursprünglich geplanten Termin stattfinden. Für die Opposition bedeutet dies eine verkürzte Wahlkampfphase, was die bereits bestehenden Herausforderungen im Wahlprozess verstärkt.

 

Wahlen, staatlich kontrolliert

Eines scheint bei diesen Wahlen absehbar: Der Wettstreit um die 125 Parlamentssitze wird weder transparent noch fair verlaufen. Alle relevanten Institutionen, einschließlich der Wahlkommission, sind fest in der Hand von Präsident Alijew. Bei vergangenen Wahlen hatten Wahlbeobachter wie die OSZE üblicherweise auf Unregelmäßigkeiten verwiesen, was ebenso üblich von der aserbaidschanische Regierung als „falsch“ und „nicht objektiv“ abgetan wurde.

Daneben werden auch diese Wahlen von Verhaftungen und Repressionen gegen Oppositionelle und unabhängige Journalisten begleitet. Bereits im April wurde der Menschenrechtsaktivist Anar Mammadli inhaftiert, sechs Mitarbeitende des unabhängigen Medienportals „Abzas-Media“ befinden unter Anklage, jetzt traf es auch noch den international anerkannten Akademiker und Friedensaktivisten Bahruz Samadov. Bei der Anhörung vor Gericht erklärte er, gewaltsam verhaftet worden zu sein.

Die Fälle von Gewalt und Willkür gegen Regimekritiker korrespondieren mit einem repressiven Wahlumfeld. Im „Freedom in the World“-Index 2024 von Freedom House erhält Aserbaidschan in der Sektion „Wahlablauf“ 0 von 12 Punkten, bei „Politischer Pluralismus und Partizipation“ sind es 2 von 12 Punkten. Große Teile der nicht-regierungstreuen Opposition, insbesondere die größte Partei, die „Aserbaidschanische Volksfront“ (AXCP), treten daher meist gar nicht erst an. Die zweitgrößte Oppositionspartei, „Musavat“, unterbricht dieses Mal ihren Boykott. An den Präsidentschaftswahlen im Februar hatte sie nicht teilgenommen.

 

Ein breites Feld an Kandidaten?

Auf den ersten Blick scheint das Feld der Parteien und Kandidaten, die bei den Parlamentswahlen antreten, breit. Insgesamt 1.052 Personen und 25 Parteien bei 125 Wahlbezirken wurden von der Wahlkommission registriert. Zwar zogen nach der letzten Wahl 2020 neben der Regierungspartei acht weitere Parteien ins Parlament ein, auf diese entfiel jedoch nur ein Bruchteil der Sitze. Zudem gelten viele von ihnen als „Systemopposition“, also als de-facto regierungstreu, wie etwa die „Mutterlandspartei“, „Unity Party“ oder „ADMP“.

Ähnlich verhält es sich bei den Kandidaten bzw. Kandidatinnen, die zur Wahl antreten: Zwar bildeten nominell unabhängige Abgeordnete hinter denen der Regierungspartei die zweitgrößte Abgeordnetengruppe (41 Sitze), allerdings sind praktisch alle von ihnen faktische Unterstützer der Regierung. Es wird auch bei diesen Wahlen davon ausgegangen, dass es lediglich Systemkandidaten sind, die den Einzug ins Parlament schaffen. Darunter sind in diesem Jahr zumindest vier Kinder von gegenwärtigen oder ehemaligen Parlamentsabgeordneten, was auf einen Generationenwechsel in der politischen Elite Aserbaidschans hindeutet.

 

Ein Unabhängiger Kandidat im Profil

Ungewöhnlich ist, dass einige tatsächlich unabhängige Oppositionskandidaten registriert wurden. Einer von ihnen ist Shahriyar Majidzadeh für den Tartar-Aghdara-Goranboy Wahlbezirk. Majidzadeh kommt aus einer hochangesehenen Familie, die sich über Generationen für eine demokratische Entwicklung Aserbaidschans eingesetzt hat. Bereits sein Onkel Isgandar Hamidov, Innenminister unter dem ersten Präsidenten Elchibey, plädierte für die Loslösung Aserbaidschans von der Sowjetunion und stellte sich später gegen Heydar Aliyev, den Vater des jetzigen Präsidenten, der 1993 durch einen von Russland unterstützten Militärputsch an die Macht kam. 1995 wurde Hamidov inhaftiert und war vom Europarat als politischer Gefangener anerkannt.

Der Tradition seiner Familie folgend betätigte sich Shahryar Majidzadeh bereits früh in der Zivilgesellschaft, gründete Nachrichtenportale, organisierte Proteste und war politisch aktiv. Bei den Lokalwahlen 2015 trat er an, verlor aber. Nun fordert Majidzadeh die Regierung erneut heraus und kandidiert als Unabhängiger für das nationale Parlament. Sein Engagement hat vor allem symbolischen Charakter, aber es gelingt ihm, die Menschen in der Region zu mobilisieren, und er findet sehr großen Zuspruch in den sozialen Medien. Im Gespräch macht er sich allerdings keine Illusionen, dass er erfolgreich sein könnte.

Majidzadehs Wahlbezirk umfasst auch Gebiete, die zur Region Bergkarabach gehören. Tartar war bis zum zweiten Karabachkrieg 2020 direkt an der Kontaktlinie, auch deshalb lautet einer der zentralen Punkte in Majidzadehs Programm „Frieden“. Damit unterscheidet er sich auffällig von der oft martialischen Rhetorik, die Präsident Alijew pflegt. In die seit September 2023 von Aserbaidschan kontrollierten Gebiete in Bergkarabach darf er nicht fahren, die Regierung verweigert die Erlaubnis.

 

Westliche Beobachtung unerwünscht

Bei der Beobachtung der Wahlen werden westliche Wahlbeobachtungsorganisationen Majidzadeh nicht helfen können. Offiziell haben vor allem die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, die Organisation für Islamische Zusammenarbeit und die Organisation der Turkstaaten Wahlbeobachter entsandt. Die OSZE wird mit einem Kernteam aus elf Expertinnen vertreten sein, die von 28 weiteren Langzeitbeobachtern unterstützt werden. Für eine umfassende Beobachtung der 125 Wahlbezirke reicht das nicht.

Die Nicht-Einladung der meisten westlichen Wahlbeobachter ist ein weiteres Zeichen für Aserbaidschans Abwendung vom Westen und die Hinwendung zu verwandten autoritären Systemen wie in Russland. Der Besuch von Wladimir Putin in Baku am 18. und 19. August legt auch in diesem Zusammenhang ein beredtes Zeugnis ab.

 

Ein Anker der Stabilitiät?

Ob trotz des bemerkenswerten Engagements von Kandidaten wie Shahriyar Majidzadeh diese Wahl Überraschungen bereithält? Nach den Wahlen 2020 hatte die zentrale Wahlkommission die Ergebnisse in vier Bezirken wegen vermeintlichem Wahlbetrug annullieren lassen. Die Entscheidung kam, nachdem Alijew öffentlich davon gesprochen hatte, dass Aserbaidschan gegen seine Reputation von gefälschten Wahlen vorgehen müsse.

Im Rahmen der COP im November jedenfalls wird die aserbaidschanische Regierung die Gelegenheit haben, sich so darzustellen, wie sie gerne wahrgenommen werden möchte: als Stabilitätsanker und wichtiger Partner in einer unruhigen Region.

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Stephan Malerius

Stephan Malerius

Leiter des Regionalprogramms Politischer Dialog Südkaukasus

stephan.malerius@kas.de +995322459112
+995322459113

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