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Serbien und die Eurasische Wirtschaftsunion

од Norbert Beckmann-Dierkes, Lucas Maximilian Schubert

Bericht zum Inkrafttreten des Freihandelsabkommens zwischen Serbien und der EAWU am 01.Oktober 2019

Das im Jahr 2015 entstandene Vertragssystem der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU), dem die Russische Föderation, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan und Armenien angehören, wird oft landläufig als das „östliche Gegenstück“ zur Europäischen Union bezeichnet. Seit Oktober gilt nun ein Freihandelsabkommen zwischen der EAWU und der Republik Serbien.

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Der Inhalt des Abkommens

 

Zunächst ist es wichtig festzuhalten, dass die Republik Serbien nicht der EAWU beitreten wird, sondern mit dieser ein Freihandelsabkommen zum 25.10.2019 rechtswirksam wird – falls dies an diesem Stichtag unterzeichnet werden sollte. Es gibt keine politische Einbindung in die Institutionen der Eurasischen Wirtschaftsunion, es handelt sich lediglich um die Ablöse bestehender Verträge durch ein einzelnes, erweiterndes Abkommen. Der genaue Wortlaut des Dokuments liegt noch nicht vor, deswegen sind nur die ungefähren Dimensionen in der Öffentlichkeit bekannt geworden.

 

Dimensionen der Handelsmöglichkeiten

Serbien mit einer Bevölkerung von ungefähr 7,2 Millionen erhält die einmalige Chance mit diesem Abkommen seinen Zugang zu einem Markt der 182 Millionen Konsumenten umfasst und ein jährliches BIP von 1,63 Billionen Euro generiert, zu vergrößern.

 

Exportmöglichkeiten für die serbische Landwirtschaft

Das Freihandelsabkommen wird vor allem Unternehmer aus dem Agrarsektor in Serbien mit neue Exportmöglichkeiten eröffnen. Im Paket der freigegebenen Waren befinden sich unter anderem Alkohol- und Tabakerzeugnisse, sowie Milchprodukte. Dies stellt eine deutliche Erweiterung der Liste der zollfreien Waren dar, die bis jetzt Papiererzeugnisse und Pumpsysteme beinhalteten.

Im Falle des Export-Warenkorbes für Milchwaren sind die Regelungen so ausgelegt, dass unbegrenzt zollfrei Ziegen- und Kuhmilchprodukte in den Raum der EAWU ausgeführt werden können. Auch im Bereich der Fruchterzeugnisse und der damit verbundenen Alkoholproduktion wird es lukrative Exportchancen geben. Zwar waren bereits Äpfel zollfrei ausführbar nach Russland, Belarus oder Kasachstan, jetzt erhält Serbien die Möglichkeit auch seine enorme Produktion an Zwetschgen, Birnen, anderen Früchten und den daraus herstellbaren Alkoholwaren in die EAWU auszuführen.

Chance zur Reindustrialisierung

Während der „wilden Privatisierung“ der 00`er Jahre, machte Serbien eine Phase der De-Industrialisierung durch, tiefgreifend war und zu Massenentlassungen und dem Abriss von ganzen Fabriken führte. Die Russische Föderation verfügt über reiche Bodenschätze, jedoch nur eingeschränkt über die industriellen Möglichkeiten zu deren Weiterverarbeitung. Im Gegensatz dazu besitzt Serbien, zwar eine veraltete und vielenorts marode Schwerindustrie, die jedoch trotz allem weiterhin produziert und wiederaufbaufähig ist, wie das Beispiel des Stahlwerks Smederevo zeigt.

 

Serbien führt aus der Russischen Föderation Eisen-, Kupfer- und Aluminiumerze ein, die in z.B. im Walzwerk Užice, im Stahlwerk Smederevo und auch in Gornji Milanovac sowie in Čačak weiterverarbeitet werden. Diese kostengünstigen Rohstofflieferungen ermöglichen es den serbischen Unternehmen auf dem internationalen Markt konkurrenzfähig zu werden. Mit dem Inkrafttreten des Freihandelsabkommen, wird diese Entwicklung eine umfassende Vertiefung erfahren.

Die Ausfuhrmöglichkeiten für diese Halbfabrikate und Endprodukte ist nicht nur der Raum der EAWU. Der immer weiter steigende Bedarf an Rohstoffen und aufbereiteten Ressourcen der Volksrepublik China sorgt dafür, serbische Metall- und die noch stärker nachgefragten Buntmetallprodukte in Ostasien vermarkten zu können.

 

Veränderung in der Haltung zur Europäischen Union?

Rasim Ljajić, Handels- und Kommunikationsminister Serbiens, betonte, dass sich am Verhältnis des Landes zur Europäischen Union und dem Ziel der Integration nichts verändert habe. Man hätte lediglich ein weiteres Handelsabkommen abgeschlossen, wie dies auch mit der Türkei, der CEFTA Gruppe oder mit der Volksrepublik China bestünde.

Trotzdem stellt sich die Situation nicht ganz so einfach dar. Die Europäische Union hat, aufgrund der Krise in der Ukraine, gegen Russland Sanktionen ausgesprochen. Man erwartet von den Beitrittskandidaten, dass sie sich dieser Haltung zu Moskau anschließen. Vor allem das Kapitel 31 der Beitrittsverhandlungen sieht vor, dass sich Serbien mit seiner Außenpolitik an die Position Brüssels anpasst. Ein Umstand, der mit dem Abschluss des Freihandelsabkommens wohl kaum zum Abschluss dieses Verhandlungspunktes beitragen wird.

Dennoch ist die Strategie Belgrads nachvollziehbar. Als Land dessen Wirtschaft sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess befindet, ist es kaum möglich Angebote auszuschlagen, welche zu einer Verbesserung des eigenen BIP, der Senkung der Arbeitslosigkeit und Aufschwung führen.

Während die Europäische Union derzeit eher mit sich selbst beschäftigt ist, die Beitrittsperspektive Serbiens immer weiter verschoben wird und auch in der außenpolitischen Handlungsweise oft kaum Stringenz erkennbar ist, wittern andere Akteure derzeit ihre Möglichkeit zur Einflussnahme. Bewusst verzichten hierbei Staaten wie die VR China, die Türkei oder eben auch die EAWU auf Bedingungen an Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit oder Transparenz und bieten Investitionen ohne politische Voraussetzungen.

Diese Strategie zeigt schnellere Resultate und stößt damit auf eine offene Haltung in der Region. Es wäre Zeit für die Europäische Union, als starker und aktiver Faktor in Serbien ein „Comeback“ zu erleben – insofern man sich die Eindämmung des Einflusses von wenig demokratischen Akteuren in Südosteuropa wünscht.

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Norbert Beckmann-Dierkes

Norbert Beckmann-Dierkes bild

Leiter der Auslandsbüros Bulgarien

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