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Häufige Änderungen der Mediengesetze, Privatisierungen der Medienhäuser, nicht seltene Fluktuierung von Journalisten u. ä. finden seit dem demokratischen Wechsel in 2000 ständig statt. Wie – und ob - die serbischen Medien ihre Funktion eines wirksamen und unabhängigen Kontroll- und Korrektivfaktors in der serbischen Gesellschaft erreichen können und welche Rolle dabei die Politik spielen sollte - darüber haben ausgewählte Vertreter aus Presse und Fernsehen, Politik und Wissenschaft bei einem Workshop der KAS-Belgrad in Cadenabbia diskutiert.
Unter Voraussetzung, dass politische Parteien in Serbien innere Demokratie erlebt haben und diese in ihrem täglichen parlamentarischen und öffentlichen Leben praktizieren sowie unter Voraussetzung, dass Medien in Serbien ihre professionelle, ausgewogene Berichterstattung im Interesse der Bevölkerung/Wähler ausüben, so befänden sich dann beide Akteure in keinem spannungsvollen und umstrittenen Verhältnis. Serbische Medien erhalten aber bedeutende Einnahmen gerade von Regierungs- und Staatsinstitutionen (wie Ministerien und öffentlich-rechtliche Dienste), indem diese in Zeiten der Wirtschaftskrise durch teuer bezahlte Anzeigen und promovierende Texte das Überleben der Redaktion sichern. Angeblich mit dem Ziel, die Arbeit und Leistungen dieser Institution transparent mittels Medien zu machen, läuft ein Prozess der politischen Einflussnahme auf die Medien von Seiten des Staates, politischer Parteien oder Wirtschaftsbossen. Diese Faktoren bestimmen „ob Medien als Watch-Dogs oder als Pudel gegenüber der Politik bestehen“, so Prof. Dr. Miroljub Radojkovic, Medienexperte und Professor an der Fakultät der Politikwissenschaften an Belgrader Universität. Regierung, politische Parteien und Wirtschaftsbosse stellen vor allem in Serbien also potentielle Störfaktoren für die objektive Berichterstattung dar.
Themen und Inhalte der serbischen TV-Sender und Printmedien werden in bedeutender Maße von der weit verbreiteten Autozensur der Journalisten bestimmt. Dabei beeinflussen die Faktoren Geld und Angst die Berichterstattung am häufigsten. Im Prozess des Agendasettings stehen daher wirtschaftlich schwache Medien oft alleinig als Transmitter der politischen Tagesordnung. Besonders problematisch wird es, wenn Medien und Politik mit den verfassungsverankerten Rechten der Bevölkerung auf Informationsfreiheit kollidieren, hob Milorad Ivanovic, Chefredakteur vom „Neuen Magazin“ hervor. Aktuelle gesellschaftspolitische Probleme, die von Medien und Politik unangesprochen blieben, hat dann nämlich aktive Vertreter der Zivilgesellschaft ans Tageslicht befördert, fügte Milos Djajic aus der Demokratischen Partei (DS) und Exekutivdirektor des „Zentrums für moderne Fertigkeiten“ zu. Denn auch das Kommunikationsmanagement der politischen Parteien ist seiner Meinung nach amateurhaft. Von Gruppenbildung auf dem Facebook oder Blogtexten zu einer aktuellen Problematik, über größere oder kleinere Demos an Marktplätzen, schließlich bis zur Berichterstattung bewies sich die serbische Zivilgesellschaft in einigen wichtigen Fällen als erfolgreicher Agendasetter.
Dass die gegenseitige Abhängigkeit von Medien und Politik nicht in Frage gestellt werden sollte, meinte Herr Christian Spahr, Leiter des Medienprogramms SOE der KAS, und erläuterte diese Auffassung am Fall Deutsch-land. Laut Spahr sind die Grundfaktoren für die Unabhängigkeit der Medien in Deutschland die Einhaltung der Gesetze, der relative Wohlstand bei Bevölkerung und Verlagshäusern, sowie insbesondere das geschärfte Bewusstsein der Öffentlichkeit über Bedeutung freier und unabhängiger Medien. In dieser Situation ist bezeichnend, dass deutsche Politiker, anders als in Serbien, Konsequenzen aus Skandalen ziehen und müssen zurücktreten.
Medien üben im Zusammenhang mit der Politikvermittlung unterschiedliche Funktionen aus: ein deutliches Verständnis für die Rolle der beiden Akteure muss aber in Serbien noch geschaffen werden. Suzana Trninic, 2012 zur Journalistin des Jahres gewählt, schilderte die aktuelle Rollenverteilung: Politiker nutzen ihre Macht, Journalisten mittels finanzieller Abhän-gigkeit zu beeinflussen; die Journalisten wollen im Gegenzug Politiker mit Veröffentlichungen von „Skandalen“ unter Druck setzen. Das Ni-veau dieser Beziehung hängt zu weiten Teilen von Angebot und Nachfrage von (mehr oder weniger anspruchsvollen) Medieninhalt des Durchschnittsbürgers ab. Vor diesem Hintergrund erläutert Zoran Panovic, Chefredakteur der Tageszeitung „Danas“, die ausufernde Tabloidisierung der Medien, die oft zur Bekämpfung der unliebsamen Opposition eingesetzt wird. Resultat dieser beobachteten Entwicklungen ist eine Atmosphäre von Misstrauen, fast Paranoia, im Verhältnis zwischen Medien und Politik. Diskutiert wurde im Anschluss die Frage, wie man in unserer heutigen Gesellschaft Politik in den Medien interessant und lesenswert darstellen kann, auch in den Boulevardblättern. Es benötigt aber ein Mindestmaß an Verständnis des Lesers über politische Prozesse. Daraus würde schließlich auch die Forderung nach der Übernahme von politischer Verantwortung bzw die Ablegung von Rechenschaft stehen, die bisher – zum Vorteil der Politiker – weitgehend ausbleibt.
Welche Voraussetzungen sollen demzufolge Medien und Politik erfüllen, damit man über professionellen Journalismus, objektive Berichterstattung, sowie verantwortungsvolle Politik in Serbien sprechen kann? Neben der Erkenntnis, dass sich ethische und kulturelle Aspekte des medialen und politischen Wirkens in keinen Gesetzen fassen lassen, geht es hier mehr um die Erfüllung von ordnungspolitischen Bedingungen. Ognjen Gogic, Stipendiat der KAS und Mitglied der Regierungspartei „Union der Regionen Serbiens“(URS) hob mehrmals hervor, dass die prioritäre Voraussetzung dafür – auf der Seite der Politik - innerparteiliche Demokratie ist. Professor Radojkovic sieht eine Korrelation zwischen politischem und gesell-schaftlichen, sprich: Medienpluralismus. Das Verständnis demokratischer Grundwerte ist Grundvoraussetzung für beides. Doch sind im heutigen Serbien die politischen Parteien eigentlich schon dezentralisiert, auch Meinungsvielfalt existiere, widerspricht Marko Selakovic, Pressesprecher URS. Leider interessierten sich die Medien aber nur für die Aussagen der politischen Stars, kaum aber für die Haltung/Programmatik einer Partei gegenüber konkreten Fragestellungen.
Für die (Weiter)Entwicklung der serbischen Gesellschaft ist die (Weiter)Bildung des politischen und journalistischen Nachwuchses über demokratische Werte und Regelungsmechanismen von großer Wichtigkeit. Unsere Teilnehmer waren sich darin einig, dass der politischen Bildung in den letzten Jahren zwar größere Aufmerksamkeit zugekommen ist, sie darf sich aber nicht auf Erreichung von politischen Fertigkeiten beschränken, sondern muss sich auch auf das Verständnis programmatisch-ideologischer Werte und Inhalte richten. Journalisten, obwohl gut ausgebildet, sollten ihre Fachkenntnisse vertiefen, eigenen Mut beweisen und gemeinsam mit Berufsverbänden sich den politischen und wirtschaftlichen Einflüssen widersetzen können.
Dass Medien ein bedeutendes Agens in der politischen Bildung sind, zeigt sich am Beispiel des deutschen Parlamentskanals, das neben der Übertragung von Bundestagssitzungen auch politische Bildungsprogramme ausstrahlt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass diese dreitägige Gesprächsrunde deutliche Beiträge zur Verbesserung des wechselseitigen Medien-Politik-Verhältnisses ermöglichte und gleichzeitig wichtige Themen ansprach, die die KAS im Rahmen ihrer weiteren politischen und medialen Bildung behandeln will.