บทความเดี่ยว
Schon im Mai 2014 hatte die Analyse „LiquidFriesland – ein gescheitertes Experiment“ der Konrad-Adenauer-Stiftung eine breite Diskussion ausgelöst. Trotz der schon damals kaum messbaren Beteiligung setzte der Landkreis Friesland die Plattform mit der Hoffnung auf eine höhere Beteiligung fort, erklärte sich aber immerhin zu einer detaillierten Evaluierung bereit. Der entsprechende Bericht wurde am 19. August 2015 mit folgenden Zahlen vorgelegt:
- Seit dem Start der Plattform im November 2012 haben sich von über 80.000 dazu Berechtigten lediglich 583 Bürger bei der Plattform angemeldet, davon haben in diesen fast drei Jahren nur 382 Bürger die Plattform wenigstens einmal genutzt.
- Noch geringer ist die Zahl derer, die auf der Online-Plattform tatsächlich eigene Vorschläge gemacht haben. Im Evaluierungsbericht 2015 heißt es als Bilanz von fast drei Jahren nüchtern: „30 verschiedene Bürgerinnen und Bürger sind Urheber dieser 76 Initiativen.“ Dabei dominierten zwölf Nutzer mit jeweils zwei oder mehr Online-Initiativen.
- In den letzten zwölf Monaten zwischen Mitte 2014 und Mitte 2015 wurden überhaupt nur noch fünf Initiativen zur Abstimmung gestellt, keine davon erhielt mehr als elf Ja-Stimmen. Die höchste Abstimmungsbeteiligung lag bei 19 Stimmen.
Aber der Landkreis Friesland, der die Online-Plattform mit Steuergeld betreibt, ignoriert diese Realität und will aus dem Scheitern offenbar keine Konsequenzen ziehen. Die Gründe dafür wurden im Kreistag durchaus offen ausgesprochen: „Der Landkreis Friesland werde sich den Vorteil, die erste Kommune in Deutschland gewesen zu sein, die diese Plattform nutze, nicht nehmen lassen - bis das System möglicherweise völlig zusammenbreche.“ LiquidFriesland habe sich tatsächlich als eines der besten Marketingkonzepte für den Landkreis erwiesen. Die Region sei bundesweit bekannt geworden. Günstiger sei ein Marketingkonzept kaum machbar, hieß es auf einer Sitzung des Kreistages. Und weiter: „Die bisherige Beteiligung rechtfertige die Fortführung von LiquidFriesland im Grunde nicht. ... LiquidFeedback stelle allerdings eine sehr preiswerte PR-Aktion für den Landkreis Friesland dar. Bei rd. 7.000 Euro Kosten jährlich wecke man das Interesse der gesamten bundesrepublikanischen Presse- und Fernsehlandschaft.“
Selten wird von den Befürwortern so offen zugegeben, dass Bürgerbeteiligung im Internet kaum mehr ist als ein potemkinsches Dorf und geschickter Marketing-Coup. Begünstigt wird dies dadurch, dass sich bei Online-Beteiligungsprojekten ein merkwürdiges Ritual der Wahrnehmung und Berichterstattung etabliert hat. Beim Startschuss werden sie enthusiastisch gefeiert, ihr Verlauf bleibt weitgehend unbeachtet und ihr Ende wird ignoriert.
Tatsächlich ist die Bilanz von Online-Beteiligungsverfahren insgesamt vernichtend. Vor Jahren noch als Eintritt in ein neues demokratisches Zeitalter gefeiert, zeigen die Bürger solchen Angeboten unverdrossen die kalte Schulter. Trotz niedrigster Zugangsschwellen und intensiver Öffentlichkeitsarbeit mussten die beteiligten Kommunen bei sog. Online-Bürgerhaushalten regelmäßig eine Mitwirkung von nur 1-2 Prozent zugeben. Die tatsächlichen Beteiligungszahlen sind noch geringer, weil bei der Registrierung lediglich nach einer E-Mail Adresse gefragt wird und so der Manipulation durch die Teilnahme Ortsfremder und Mehrfachregistrierungen Tür und Tor geöffnet ist. Das galt auch für das Adhocracy-Angebot der Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages. Dort wurden 2011 bis 2013 bundesweit (!) lediglich 12.579 E-Mail-Adressen registriert.
Selbst bei der Piratenpartei, die sich über den Umgang mit dem Internet definiert und die kontinuierliche Meinungsbildung und Entscheidungsfindung im Netz als eine ihrer zentralen Forderungen propagiert, stößt die parteiinterne Abstimmungsplattform ‚LiquidFeedback‘ nur auf sehr begrenztes Interesse. Von den 23.833 Mitgliedern der Piratenpartei sind (weil beitragszahlend) 5.380 stimmberechtigt, aber nur 322 bei LiquidFeedback aktiv, d. h. haben sich innerhalb der letzten sechs Monate wenigstens einmal eingeloggt (Stand jeweils 15. Februar 2015). An den Einzelabstimmungen beteiligt sich dort nur ein harter Kern von weniger als fünf Prozent der Gesamtmitgliedschaft.
Noch ungeschminkter ist die Wahrheit bei „LiquidFriesland“, weil zur Registrierung die Angabe von Name, Ort und Geburtsdatum in einem Internet-Formular notwendig sind und nach Überprüfung der Daten nur tatsächlich Berechtigte einen Zugangscode erhalten. Trotz intensiver Öffentlichkeitsarbeit bleibt nun seit drei Jahren die Bürgerresonanz praktisch völlig aus.
Nur wer diese Fakten aus der Online-Welt ignoriert, kann bestreiten, dass unter dem Etikett „Bürgerbeteiligung im Internet“ privilegierte kleine Internet-Eliten auf Kosten der großen Mehrheit der Bürger agieren. Deshalb fehlt Abstimmungsergebnissen aus solchen von Online-Beteiligungsverfahren die demokratische Legitimität.
Wer die Chancen des Internets für Bürgerbeteiligung sinnvoll nutzen will, muss die Grenzen des Netzes ebenso kennen wie seine Möglichkeiten. Nur eine sachliche und nüchterne Betrachtung verhindert Irrwege im Cyberspace. Die Faszination über die technischen Möglichkeiten des Internets entbindet nicht von der Frage nach den Chancen und Gefahren für die Demokratie. Zur Technikfaszination muss Medienkompetenz kommen und in einer freiheitlichen Gesellschaft zur Medienkompetenz zwingend die Demokratiekompetenz. Dazu gehört es auch, das Verhalten der Bürger ernst zu nehmen – auch wenn es wie im Fall LiquidFriesland nicht den Erwartungen von Politik und Verwaltung entspricht.