Die Covid-19-Pandemie macht Großveranstaltungen unmöglich und zwingt zu alternativen, und das heißt oft, digitalen Begegnungsformen. Dies betrifft auch den Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) 2021, der vom 13. bis 16. Mai nahezu vollständig digital stattfindet. Die Kirchen haben im zurückliegenden Jahr viele Erfahrungen mit digitalen Formaten gemacht und sind hierbei vielfach neue Wege gegangen. Einen Kirchentag über den Bildschirm aber gab es noch nicht. Kirchentage leben von unmittelbarer Begegnung und gelebter Gemeinschaft. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat deshalb deutlich gemacht, wie sehr die Verlegung ins Digitale „schmerzt“. Aber wie kann Gemeinschaft und Ökumene im Coronajahr 2021 gelingen? Die Präsidentin des diesjährigen ÖKT vonseiten des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Bettina Limperg, führt als Argument für den digitalen Kirchentag an: „Aber absagen kann ja jeder.“ Tatsächlich wäre eine Absage die einzige Alternative zum digitalen Weg gewesen. Neben diesem sehr praktischen Argument sprechen aber noch drei grundsätzliche Überlegungen für die digitale Ökumene.
Kontinuität der Ökumene
Im interkonfessionellen Dialog zwischen Katholischer und Evangelischer Kirche hat sich in den vergangenen Jahrzehnten viel getan. Dies gilt ebenso für die noch junge, aber erfolgreiche Geschichte des ÖKT, den der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, als „kräftiges Zeichen der Ökumene“ beschreibt. Seit dem ersten ÖKT im Jahre 2003 ist das Interesse groß. Nachdem die Stadt Frankfurt am Main im November 2020 signalisiert hatte, dass das Hygienekonzept für den ÖKT 2021 nicht für ein Ereignis dieser Größenordnung zulässig sei, entschied sich das Organisationsteam für eine vorwiegend digitale und dezentrale Durchführung. Eine vollständige Absage des ÖKT wäre ein Bruch in der ökumenischen Kontinuität zwischen den christlichen Konfessionen gewesen und hätte ein falsches Signal gesendet. Gerade in einer Welt, in der Christen gezwungenermaßen auf Distanz gehen müssen, ist jede Chance auf ökumenische Gemeinschaft wichtig.
Gemeinschaft im Digitalen
Inwiefern Gemeinschaft digital überhaupt möglich ist, wird in der aktuellen medienethischen Forschung kontrovers diskutiert. Sicher ist, dass die Chance auf Gemeinschaft dort am größten ist, wo Begegnung stattfindet. Wie aber lässt sich Begegnung in digitalen Formaten ermöglichen? Grundsätzlich gilt, dass die digitale Wirklichkeit immer nur eine Abbildung oder eine Vermittlung der nichtdigitalen Wirklichkeit darstellt. Begegnung in der digitalen Sphäre kann sich also ausschließlich vermittelt vollziehen. Dies „schmerzt“, weil das Christentum grundsätzlich die Ganzheit des Menschen und damit die Unmittelbarkeit betont. Andererseits ist eine vermittelte Begegnung aber auch immer grundsätzlich besser als keine. Das wenig besser als nichts ist, entspricht durchaus der ökumenischen Arbeitsmethode. Diese funktioniert immer schon nach einer Grundhaltung, die den Kompromiss positiv bewertet. Bettina Limperg betonte diesbezüglich: „Wir wissen um die Hoffnung der Menschen auf Begegnung und gelebte Gemeinschaft. Deshalb werden wir alles daransetzen, um diese mit neuen Formaten zu erfüllen.“
Kirche kommt nach Hause
Die Möglichkeit zur Erprobung neuer Formate ist die dritte Überlegung, die für den digitalen ÖKT spricht. Begreift man ihn nicht nur als situationsabhängige Notlösung, verweist er auch auf eine mögliche Zukunft digitaler Begegnung zwischen Gläubigen. Sowohl die Katholische als auch die Evangelische Kirche haben seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie viel Erfindungsreichtum in den Bereichen der Verkündigung, der Seelsorge, aber auch der Gemeindeorganisation bewiesen. Online-Gottesdienste, Livestreaming, die Gelegenheit mit Christinnen und Christen vom anderen Ende der Welt nicht nur zu beten, sondern auch Erfahrungen auszutauschen sowie die Neugründung von digitalen Gemeinden sind dabei nur einige Beispiele für diese Entwicklung. Diesbezüglich kann die Entscheidung, den 3. Ökumenischen Kirchentag digital und dezentral stattfinden zu lassen, auch als Erweiterung der kirchlichen Handlungsoptionen für die post-pandemische Zukunft betrachtet werden. Digitale Formate sind Distanzformate und machen das Erleben von Gemeinschaft schwerer. Aber sie haben den unschätzbaren Vorteil, dass sie die Menschen zuhause in ihrer direkten Lebensumwelt erreichen und eine vermittelte Begegnung gewährleisten. Für den ÖKT-Präsidenten vonseiten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, liegt gerade hier die große Chance des digitalen ÖKT: „Da die Menschen nicht nach Frankfurt kommen können, kommt der dritte ökumenische Kirchentag zu ihnen nach Hause.“
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