รายงานสถานการณ์ในประเทศ
Mit bis zu 785 Millionen US-Dollar soll der brasilianische Bauriese Politiker und Beamte weltweit geschmiert haben – ein Großteil davon in Lateinamerika. In vielen Ländern wird mittlerweile gegen teils sehr prominente Vertreter aus Politik und Wirtschaft ermittelt. Das als einfache Betrugsermittlung in einer brasilianischen Autowaschanlage begonnene Beben (daher rührt der Name Lava Jato) erfasst sogar aktuelle und ehemalige Präsidenten. Dieser Bericht betrachtet insbesondere die innenpolitischen Auswirkungen des Caso Odebrecht in Ländern, die von dem Fall betroffen sind.
Brasilien
Niemals zuvor in der jüngeren brasilianischen Geschichte hat ein Strafverfahren derart massive und lang anhaltende Auswirkungen auf die Politik des größten südamerikanischen Landes gehabt. Dieser Befund hat im Wesentlichen zwei Gründe: das monumentale Ausmaß dieses Korruptionsskandals zum einen und zum anderen seine ebenso mutige wie seit knapp drei Jahren konsequent betriebene Aufdeckung und Aufarbeitung durch die brasilianische Justiz.
Mehrere Milliarden US-Dollar Schmiergelder sind in Brasilien geflossen. Für den brasilianischen Baukonzern Odebrecht, dem größten in Lateinamerika, gehörte die Bestechung von Politikern zum Geschäftsmodell. Auf diese Weise sicherte man sich fortlaufend lukrative Aufträge des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras – insbesondere für Infrastrukturprojekte.
Dutzende von Politikern und Managern sitzen inzwischen in Haft – bis hinauf in die obersten Führungsetagen. Einer der bekanntesten Strafgefangenen ist Marcelo Odebrecht selbst, der den Konzern früher leitete. Er wurde wegen Bestechung, Geldwäsche und Bildung einer kriminellen Vereinigung zu 19 Jahren Haft verurteilt. Dass eine derart prominente und einflussreiche Person inhaftiert werden würde, wäre in Brasilien noch vor kurzem undenkbar gewesen. Es ist allein der unerschrockenen Justiz zu verdanken, allem voran den von der Be-völkerung als Held gefeierten Bundesrichter Sergio Moro.
Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang allerdings auch die gezielte Anwendung von Kronzeugenregelungen. Insgesamt 77 Manager und weiteres Führungspersonal von Odebrecht haben im Rahmen der laufenden Ermittlungen ausführliche Aussagen gemacht und eine sehr große Zahl von Politikern bis hinauf zum brasilianischen Staatspräsidenten belastet. Im Gegenzug dürfen sie auf großzügige Strafnachlässe hoffen.
Angesichts dieses Szenarios befindet sich die brasilianische Politik bereits seit Monaten in einem Zustand der Angst und der Lähmung. Diejenigen, die überhaupt noch im Amt sind, haben in den Überlebensmodus umgeschaltet. Es geht ihnen längst nicht mehr primär um Problemlösung oder Politikgestaltung, sondern hauptsächlich um ihr eigenes politisches Überleben beziehungsweise das schlichte Verhindern von Strafverfolgung.
Auch was die künftige politische Entwicklung Brasiliens betrifft, könnten die Ermittlungen im Fall Odebrecht noch erhebliche Auswirkungen haben. Etwa wenn das Tribunal Superior Eleitoral (TSE), der höchste Wahlgerichtshof, zu der Überzeugung kommen sollte, Odebrecht habe im Vorfeld der Wahlen von 2010 und 2014 Staatspräsident Michel Temer illegale Parteispenden in Millionenhöhe zugesagt und diese in schwarze Parteikassen eingezahlt. Dann könnten die Wahlen von 2014 annulliert und Temer abgesetzt werden – nur wenige Monate nachdem er durch ein Amtsenthebungsverfahren gegen seine Vorgängerin Dilma Rousseff ins Amt gekommen war. Die politische Krise wäre perfekt.
Paradoxerweise hat der Odebrecht-Skandal aber eine innenpolitische Auswirkung gerade nicht nach sich gezogen, die man als unbefangener Beobachter eigentlich hätte erwarten können. Es ist nicht erkennbar, dass das politische Führungspersonal Brasiliens – und dies gilt für alle relevanten Parteien – ihn zum Anlass nehmen würde, eine Art Selbstsäuberung vorzunehmen. Es gibt keine Erneuerungsbewegung aus der Politik beziehungsweise aus den politischen Parteien heraus, keine nennenswerten Bemühungen, solche Skandale in Zukunft zu vermeiden, obwohl ein solches Signal an die Bevölkerung dringend nötig wäre. Oft scheint es den Betroffenen schon am schieren Unrechtsbewusstsein zu mangeln. Schließlich ist man in diesem korrupten System politisch sozialisiert worden.
Politik kann in einer Demokratie jedoch nur dann funktionieren, wenn die Bürger ein Mindestmaß an Vertrauen in ihre Repräsentanten haben. Der Fall Odebrecht hat in Brasilien einen massiven Vertrauensverlust nach sich gezogen und die brasilianische Politik scheint auch Monate später nicht in der Lage zu sein, daraus die geeigneten Konsequenzen zu ziehen. Inwieweit die Demokratie gerade auch dadurch beschädigt wird und ob sich dies als Nährboden für populistische Bewegungen bei den nächsten Wahlen erweist, lässt sich im Moment noch nicht absehen.
Argentinien
Der größte Korruptionsskandal Lateinamerikas hat auch Argentinien erreicht. Nach eigenen Angaben hat die brasilianische Baufirma Odebrecht zwischen 2007 und 2014 rund 35 Millionen US-Dollar Bestechungsgelder an argentinische Beamte und Politiker bezahlt. Zu den Empfängern zählen auch der ehemalige Transportminister Julio de Vido und der ehemalige Staatsekretär für den Bau öffentlicher Infrastruktur, José López. Damit belegt Argentinien den sechsten Platz auf der Liste der Empfängerstaaten der Schmiergelder. Im Gegenzug erhielt die Baufirma Aufträge im Wert von circa 278 Millionen US-Dollar. Die wichtigsten Projekte der insgesamt acht Baustellen von Odebrecht im Land sind ein Tunnelbau für eine Trinkwasserleitung und der Bau eines unterirdischen Schienennetzes der S-Bahn-Linie Sarmiento, beide in der Provinz Buenos Aires. Letzteres Projekt teilt sich Odebrecht mit der argentinischen Firma IESCA, deren Inhaber, Angelo Calcaterra, der Cousin des amtierenden argentinischen Präsidenten, Mauricio Macri, ist. Um nicht selbst in Verbindung mit den Korruptionsvorfällen gebracht zu werden, distanziert sich IESCA seit der Enthüllung des Skandals klar von Odebrecht. Obwohl alle Aufträge an Odebrecht während der Amtszeit von Nestor und Cristina Kirchner (2003-2015) vergeben wurden, wirft der Skandal nun auch einen Schatten auf Präsident Macris Regierung. Ein enger Vertrauter von ihm, der Geheimdienstchef Gustavo Arribas, wird bezichtigt, Bestechungsgelder angenommen zu haben. Oberste Priorität für Macri ist es nun, herauszufinden, wer in die Korruptionsaffäre involviert ist. Aus diesem Grund sendete die argentinische Regierung bereits Anfragen an die obersten Gerichtshöfe der Vereinigten Staaten und Brasiliens, die über Namenslisten der Geldempfänger verfügen. Anders als in anderen Ländern, betrifft der Skandal in Argentinien bisher keine ehemaligen und amtierenden Staatsoberhäupter direkt. Odebrecht führt außerdem seine Projekte in Argentinien fort, während es in anderen Ländern zu Vertragskündigungen kam.
Um solche Vorkommnisse in Zukunft zu verhindern, hat Argentinien in Anlehnung an die brasilianische Gesetzgebung im Oktober das sogenannte Ley del Arrepentido verabschiedet. Es beinhaltet eine Regelung zur Strafmilderung, wenn ein Beschuldigter Namen anderer Beteiligter nennt. Ferner wurden die öffentlichen Ausschreibungen mit Hilfe einer Onlineplattform transparenter gestaltet.
Ecuador
Auch Ecuador ist vom riesigen Korruptionsnetzwerk des Baukonzerns Odebrecht erfasst worden. Mehr als 35 Millionen US-Dollar sollen hier gezahlt worden sein, um unter anderem Bauaufträge zu erhalten. Rafael Correa, bekennendes Mitglied der kleiner werdenden Gruppe linkspopulistischer Präsidenten auf dem Kontinent, kündigte Anfang des Jahres an: „Hoffentlich geben sie uns bald die Namen der Korrupten, dann werden wir das Gesetz mit aller Härte anwenden.“
„Sie“, das sind die Vereinigten Staaten. Washingtons Justizministerium hatte noch am 29. Dezember 2016 um Unterstützung bei der Aufklärung des Korruptionsskandals um den familiengeführten Weltkonzern gebeten. Allerdings erklärte die Regierung in Quito auch, dass man die Aussagen der Odebrecht-Mitarbeiter nicht einfach hin-nehmen werde. Sie sollten Beweise liefern, dass sich ecuadorianische Amtsträger tatsächlich hätten bestechen lassen. In Ecuador hat Odebrecht ohnehin keinen guten Ruf. Correa hatte die Brasilianer 2008 enteignet und sämtliche Angestellten entlassen, damals wegen „Unregelmäßigkeiten“ beim Bau eines Wasserkraftwerks. Correa selbst ließ die Firma jedoch zwei Jahre später wieder ins Land, nachdem sie alle Konditionen der Nationalen Regierung akzeptiert hatte. Jene 35 Millionen Dollar, die das US-Justizministerium als Bestechungssumme ermittelt hat, sind zwischen 2007 und 2016 geflossen, also genau in den Regierungsjahren des dreimaligen Staatsoberhaupts Correa. Odebrecht wiederum habe im Gegenzug 116 Millionen Dollar verdient.
Viel hängt in Ecuador derzeit anscheinend von den Namen ab, die genannt werden. In der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 19. Februar 2017 ging Correas Vertrauter und früherer Vizepräsident Lenín Moreno zunächst als Sieger hervor, muss nun aber in die Stichwahl gegen den Oppositionellen Guillermo Lasso, dem in der zweiten Runde gute Chancen eingeräumt werden. Morenos Kandidat für den Stellvertreterposten ist der derzeitige Vizepräsident Jorge Glas. Dieser wiederum steht nun im Zentrum des Skandals um Odebrecht. Allerdings dürfte die Regierung kaum etwas unversucht lassen, diese Tatsache herunterzuspielen. Schwer ist das in Ecuador nicht. Die politische Maschinerie läuft, die traditionellen Medien haben sich entweder ins Internet zurückgezogen oder dienen weitgehend dem Staat. Denn unter der Regierung Correa wurden Pressefreiheit und unabhängiger Journalismus massiv eingeschränkt.
Guatemala
Seit 2015 sitzen der ehemalige Staatspräsident Otto Pérez Molina, die ehemalige Vizepräsidentin Roxana Baldetti und weitere ehemalige Amtsträger wegen verschiedener Korruptionsvorwürfe in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft und die Internationale Kommission gegen Korruption und Straflosigkeit in Guatemala CICIG decken seit Mitte 2015 immer neue Fälle von Korruption und Amtsmissbrauch in Regierung, Kongress und Justiz auf, sodass der Fall Odebrecht letztlich „nur noch“ ein weiterer unter zahlreichen Fällen ist, wenn auch mit beachtlichen Dimensionen.
Der Fall Odebrecht bringt bis jetzt vor allem Mitglieder der ehemaligen Regierung Pérez in (weitere) Bedrängnis. Vor allem der ehemalige Minister für Kommunikation und Infrastruktur, Alejandro Sinibaldi, wird in der öffentlichen Meinung mit dem Straßenbauprojekt der Firma Odebrecht und den Schmiergeldzahlungen in Verbindung gebracht. Sinibaldi wird bereits wegen eines anderen Falls im Zusammenhang mit millionenschweren Geschenken an Präsident Otto Pérez mit internationalem Haftbefehl gesucht und ist seit Juni 2016 untergetaucht.
Brisant kann der Fall für derzeitige Mitglieder des Kongresses werden, die Ende 2012 zwei Kredite für das betroffene Straßenbauprojekt bewilligt haben. Es wird angenommen, dass auch hier Zahlungen geflossen sind. Staatsanwaltschaft und CICIG kooperieren mit der brasilianischen Justiz im Fall Odebrecht. Somit ist davon auszugehen, dass die Serie von Aufdeckungen von Korruptionsfällen, in die sich jetzt auch Odebrecht einreiht, in Guatemala noch nicht abgeschlossen ist.
Honduras
Honduras steht bisher nicht auf der Liste der Länder, in denen Zahlungen flossen. Aufgrund der Tatsache, dass im Jahr 2009 in Honduras ein Abkommen zwischen Odebrecht und der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft ENEE zum Bau von zwei Wasserkraftwerken geschlossen wurde, nahm die Staatsanwaltschaft am 21. Februar 2017 aber Ermittlungen auf. Das Abkommen wurde in der Regierungszeit von Manuel Zelaya geschlossen, der Mitte 2009 abgesetzt wurde. Unter den Nachfolgeregierungen von Übergangspräsident Micheletti und Staatspräsident Porfirio Lobo erfuhr das Abkommen Änderungen, wurde wegen fehlender Finanzierung jedoch nie umgesetzt. Im September 2016 schloss Odebrecht seine Zweigstelle in Honduras.
Die Regierung Hernández, die die Korruptionsbekämpfung als eines ihrer Ziele nennt, kann durch die Ermittlungen zeigen, dass sie auch dieses Thema angeht. Mögliche Straftaten im Zusammenhang mit der Angelegenheit würden voraussichtlich die
Vorgängerregierungen betreffen, besonders die Regierung Zelaya, in deren Amtszeit das ursprüngliche Abkommen mit Odebrecht fällt. Gerade im Wahljahr 2017 wäre eine Verwicklung von Zelaya, der die größte Oppositionspartei LIBRE anführt, besonders kritisch für dessen politische Ambitionen.
Kolumbien
Die zahlreichen Reaktionen der Medien auf den Fall Odebrecht in Kolumbien stellen insbesondere die Zahlung von Bestechungsgeldern an öffentliche Funktionäre der beiden letzten Regierungen der Präsidenten Álvaro Uribe und Juan Manuel Santos in den Mittelpunkt. Doch nicht nur die Präsidenten sollen betroffen sein, sondern auch die vielversprechendsten Präsidentschaftskandidaten bei der vergangenen Wahl 2014. Dies war neben dem Wahlsieger Santos der Politiker Oscar Iván Zuluaga. Zunächst galt dieser bis vor kurzem auch noch als aussichts-reicher Kandidat des Centro Democrático (CD) für die anstehenden Präsidentschaftswahlen 2018. Jedoch dürfte er durch den vermutlichen Fluss von Geldern der Firma Odebrecht in seinem Wahlkampf 2014 nun aus dem Rennen sein. Entsprechende Vorwürfe an Zuluaga aus den eigenen Reihen des CD ließen nicht lange auf sich warten. Nun werden die Karten neu gemischt und andere mögliche Kandidaten des Uribismus genannt, wie zum Beispiel Iván Duque.
Der zweite Betroffene ist der kolumbianische Staatspräsident Santos. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass eine direkte Verwicklung des Präsidenten in den Korruptionsskandal nachgewiesen werden kann – bis jetzt deuten die Aussagen mehr auf eine indirekte Zahlung durch einen Mittelsmann an seinen Wahlkampfleiter hin. Aber auch in diesem Fall ist die Legitimität der aktuellen Regierung angegriffen und egal ob direkt oder nur mittelbar betroffen, hinterlässt der Fall mindestens einen faden Beigeschmack mit Blick auf den Friedensnobelpreisträger.
Die gravierendste politische Folge ist aber zweifellos, dass die Welle des Korruptionsskandals das Thema „Frieden” mit sich gerissen hat. Das geht sogar so weit, dass die momentane Umsetzung der Friedensvereinbarungen mit der FARC, ebenso wie jede mögliche Unterstützung für das Thema im Wahlkampf 2018, gefährdet sein könnte. In der öffentlichen Meinung und der gesamten Bevölkerung ist ein Überdruss gegenüber der politischen Klasse zu beobachten. Vor diesem Hintergrund gewinnen zumindest kurzfristig die Stimmen einiger politischer Führer immer mehr an Bedeutung, die sich das Thema Korruptionsbekämpfung für den Wahlkampf 2018 auf ihre Fahnen geschrieben haben.
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Panama
In Panama wird die gesamte Politik derzeit von dem Fall Odebrecht in Verbindung mit den (illegalen) Geschäften des Anwaltsbüros Mossack Fonsecca und der panamaischen FPB-Bank, deren brasilianische Niederlassung am 10. Februar 2017 im Rahmen der sogenannten Lava-Jato-Ermittlungen durchsucht wurde, überlagert. Nach derzeitigen Erkenntnissen stellte die FPB das Bindeglied zwischen den anonymisierten Konten illegaler Geldanleger und Mossack Fonsecca dar. Gegen eine Vertreterin von Mossack Fonsecca, Maria Mercedes Riano, wurde in Brasilien Haftbefehl erlassen. Panama hat damit zwei, gleichwohl miteinander verflochtene, Finanzskandale in Verbindung mit Geldwäsche in großem Umfang sowie Korruption und Bestechung.
Fast alle Parteien und deren führende Politiker scheinen in diese Skandale verwickelt. Besonders betrifft das die Partido Revolucionario Democrático (PRD), beide Flügel der faktisch gespaltenen Cambio Democrático (CD) sowie die Partido Panamenista.
Von Odebrecht ist bestätigt, dass insgesamt 59 Millionen US-Dollar Bestechungsgelder im Zeitraum von zehn Jahren nach Panama geflossen sind. Das bedeutet, dass die letzten drei Regierungen involviert waren beziehungsweise sind. Die meisten Gelder sind nach jetzigem Kenntnisstand an die Regierung Ricardo Martinellis (2009-2014) geflossen. Die vergebenen Aufträge belaufen sich in diesem Zeitraum auf 10 Milliarden US-Dollar. Allerdings beendete die Regierung von Präsident Juan Carlos Varela diese Zusammenarbeit nicht. Vielmehr wurden nicht nur bestehende Vorhaben fortgeführt, sondern sogar neue Aufträge im Zusammenhang mit dem weiteren Ausbau der U-Bahn von Panama Stadt an Odebrecht vergeben.
Hartnäckig halten sich die Anschuldigungen gegen Präsident Varela, sein Wahlkampf sei auch durch Spenden der brasilianischen Baufirma finanziert. Varela streitet dies vehement ab, was allerdings gewagt scheint, angesichts der Höhe an Spendengeldern, die die Panamenistas im letzten Wahlkampf erhielten.
In dieser Situation fordern 22 einflussreiche Gruppen der Zivilgesellschaft eine unabhängige internationale Kommission unter Beteiligung der Vereinten Nationen oder der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) mit der Untersuchung des Lava-Jato-Falls zu beauftragen. In einem Radiobeitrag lehnte der Minister im Präsidialamt, Álvaro Alemán, diese Forderung jedoch ab und verwies auf negative Erfahrungen mit solchen Kommissionen in benachbarten Ländern. Inzwischen werden Unterschriften für eine entsprechende Petition gesammelt, um die Untersuchungen voranzutreiben.
Das Amt für Rechnungsprüfung (Contraloría de la República) forderte die Abgeordneten der Nationalversammlung (Asamblea Nacional) auf, schnellstmöglich das Gesetz Nr.245 zu verabschieden, das die Parteienfinanzierung und insbesondere den Zufluss von privaten Spenden neu regeln soll. Vielfältig werden eine ausschließlich öffentliche Finanzierung der Parteien und ein Verbot von privaten Spenden gefordert.
Die Regierung, Politiker und Parteien haben massiv an Vertrauen eingebüßt und werden kaum mehr mit positiven Attributen bewertet. Mit Streiks und Straßensperren drücken die Menschen in der Hauptstadt ihren Missmut aus. Von politischen Analysten und den Politikern selbst wird offen die Meinung vertreten, dass heute niemand mit Sicherheit sagen könne, wer in einigen Monaten noch ein politisches Amt bekleiden wird.
Peru
Der Odebrecht-Korruptionsskandal hat in Peru hohe politische Wellen geschlagen, die andere Themen derzeit medial in den Hintergrund treten lassen. Dies gilt insbesondere seit dem Erlass eines internationalen Haftbefehls gegen den ehemaligen Präsidenten Alejandro Toledo (2001-2006) am 9. Februar 2017. Er wird beschuldigt, 20 Millionen US-Dollar Schmiergeld in Verbindung mit dem Bau einer Fernstraße angenommen zu haben. Bereits im Dezember 2016 hatte das US-Justizministerium erklärt, die Firma Odebrecht habe zwischen 2005 und 2014 öffentliche Aufträge im Infrastrukturbereich durch die Zahlung von mindestens 29 Millionen US-Dollar an hohe peruanische Funktionsträger erkauft. Es erscheint nicht aus-geschlossen, dass in Folge der derzeitigen Ermittlungen der peruanischen Staatsanwaltschaft die drei letzten peruanischen Präsidenten (neben Alejandro Toledo auch Alan García und Ollanta Humala) belastet werden könnten – ganz zu schweigen von bereits erfolgten Anklagen gegen hohe Beamte der jeweiligen Regierungen. Juristische Anklagen gegen derart einflussreiche Persönlichkeiten hat es in Peru in dieser Form bisher nicht gegeben. Der amtierende Präsident Pedro Pablo Kuczynski, ehemals Premierminister unter Toledo, versprach in einer Fernsehansprache am 12. Februar eine Reihe von Sofortmaßnahmen gegen die Korruption. So sollen betroffene Firmen von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen und die Beschäftigung von wegen Korruption belangten Personen durch den Staat verboten werden.
Ob derartige Ankündigungen geeignet sind die Wogen nachdrücklich zu glätten, darf bezweifelt werden. Der Odebrecht-Skandal erodiert das ohnehin schon recht geringe Vertrauen der Peruaner in ihre Politiker weiter und leistet einer Stimmung Vorschub, wonach alle Politiker jedweder Couleur als Teil einer korrupten Elite angesehen werden. Diese Stimmung könnte einen zunehmend fruchtbaren politischen Nährboden für populistische Angebote bieten. Derweil schwächt sie die ohnehin mit sinkenden Umfragewerten kämpfende Mitte-Rechts-Regierung weiter und stellt zudem ihr Wahlversprechen einer deutlichen wirtschaftlichen Belebung in Frage. Finanzminister Alfredo Thorne sah sich gezwungen, das erwartete Wirtschaftswachstum für 2017 aufgrund der Auswirkungen des Odebrecht-Skandals – etwa Verzögerungen bei ursprünglich an die Baufirma vergebene Infrastrukturprojekten – von 4,8 auf 3,8 Prozent nach unten zu korrigieren.
Venezuela
Nach Brasilien ist Venezuela das Land in Lateinamerika, in dem Odebrecht nach der vom US-Justizministerium veröffentlichten Liste die zweithöchste Summe an Bestechungsgeld in Höhe von 98 Millionen US-Dollar bezahlt hat.
Das Regime in Venezuela lässt eine unabhängige Untersuchung nicht zu. Vier Journalisten (zwei Venezolaner, zwei Brasilianer) wurden bei ihren Recherchen vom Geheimdienst SEBIN verhaftetet. Stattdessen behauptet Präsident Nicolas Maduro, die nationale Regierung sei nicht in den Korruptionsskandal verwickelt. Vielmehr habe der Gouverneur eines Bundesstaates Bestechungsgelder angenommen und werde ins Gefängnis kommen. Maduro beschuldigt damit direkt den Gouverneur von Miranda, Henrique Capriles, der der Oppositionspartei Primero Justicia (PJ) angehört. Capriles weist die Anschuldigungen entschieden zurück. Er habe niemals ein Dokument mit der Firma Odebrecht unterzeichnet, weder als Bürgermeister von Baruta (2000-2008), noch als Gouverneur in Miranda seit 2008. Alle diese Verträge kämen aus der Zeit seines Vorgängers Diosdado Cabello, welcher der Regierungspartei PSUV angehört. Er sei bereit, alle Archive zu öffnen und die Beweise vorzulegen.
Der Abgeordnete und Vorsitzende des Kontrollausschusses der Nationalversammlung (Asamblea Nacional), Juan Guaido (PJ), hinterfragte die wahre Absicht hinter der polizeilichen Untersuchung der Räumlichkeiten von Odebrecht in Venezuela. Wenn es der Regierung ernst sei mit der Aufklärung, müsse diese nur mit dem Parlament zu-sammenarbeiten, wozu dieses jederzeit bereit sei.
Bei der Höhe des Betrages ist davon auszugehen, dass Mitglieder der Regierung, der PSUV, des Militärs und andere in den Korruptionsskandal involviert sind. Die Absichten des Maduro-Regimes sind klar: Eine un-abhängige Untersuchung wird es nicht geben. Das Parlament bleibt außen vor. Mit der Beschuldigung der Opposition werden Falschinformationen und Misstrauen gestreut. Ob Verhaftungen und Verurteilungen von Oppositionspolitikern durch die regimetreue Justiz erfolgen, bleibt abzuwarten.
Falls keine Nachweise von außen (etwa durch Kronzeugenaussagen des Managements von Odebrecht, durch die brasilianische Justiz oder die US-Justiz) aufkommen, wird eine Aufklärung sehr wahrscheinlich nicht erfolgen.
Fazit
Zweifellos reichen die Erschütterungen des Korruptionsfalls rund um Odebrecht weit über Brasiliens Grenzen hinaus. Zwar unterscheidet sich die Höhe der Bestechungsgelder von Land zu Land ebenso wie der politische Personenzirkel, der die Gelder erhalten hat. Festzuhalten ist jedoch, dass Politiker jeder Couleur betroffen sind. Gemein ist allen Ländern zudem das weiter wachsende Misstrauen in die politischen Eliten, welche infolge des Skandals primär um ihr politisches Überleben kämpfen, anstatt politische Inhalte konstruktiv auszuarbeiten.
Dass Korruptionsfälle dazu führen, dass selbst höchste Amtsträger aus Politik und Wirtschaft nicht vor Strafverfolgung gefeit sind, ist in vielen Ländern ein Novum und könnte langfristig zu einem Wandel in der politischen Kultur führen, in der Bestechung oftmals als „Kavaliersdelikt“ abgetan wird, das keine ernsthaften Konsequenzen nach sich zieht. Dazu müsste eine politische Erneuerungsbewegung einsetzen, die sich bisher jedoch nicht abzeichnet. Inwieweit die durch den Korruptionsskandal beschädigten Demokratien Nährboden für populistische Bewegungen bieten, bleibt genauso abzuwarten wie die Effektivität aktueller Gesetzesvorhaben zur Verhinderung vergleichbarer Vorkommnisse. Letztlich wird dies entscheidend vom politischen Willen der Politiker selbst sowie von couragierten Richtern und Staatsanwälten abhängen. Der Erfolg oder Misserfolg der aktuellen Ermittlungen wird auch als Indikator für die Qualität der Demokratie und der Gewaltenteilung in den einzelnen Ländern dienen.
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Auslandsbüro Brasilien
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