Mit der Eingangsfrage „Warum ist ein Jude Jude?“ wandte sich Ionescu zunächst an die Schülerinnen und Schüler. Sie konnten die Frage richtig beantworten, eine Person, die eine jüdische Mutter hat, wird als Jude geboren. Dies wurde vor Jahrhunderten in Folge von Vergewaltigungen an jüdischen Frauen während Kriegszeiten festgelegt, da die Vaterschaften in diesen Fällen nicht festgestellt werden konnten. Es ist auch möglich, zum Judentum zu konvertieren, der Prozess wird auf Hebräisch „Gijur“ genannt. Drei Rabbiner oder Rabbinerinnen beurteilen anhand von mehreren Gesprächen, ob die Person genügend Wissen besitzt, um konvertieren zu können, auch die Notwendigkeit der Konvertierung wird hinterfragt. Die „Gijur“ kann bis zu einem Jahr andauern, bevor man eine offizielle Antwort erhält. Ionescu erklärte, dass all dies Vorsichtsmaßnahmen seien, um keine Personen mit falschen Absichten in Gemeinden aufzunehmen.
Jüdisch zu sein ist also eine Abstammung. Häufig werden Juden als „Menschen jüdischen Glaubens“ bezeichnet. Eine solche pauschale Umschreibung sollte jedoch gemieden werden, denn nicht alle Juden in Deutschland sind gläubig. Nur rund die Hälfte aller Juden in Deutschland gehören einer Gemeinde an. Zudem sind die Gemeinden Teil verschiedener Strömungen. Liberale Juden, zu denen Mircea Ionescu gehört, glauben daran, dass alle Menschen göttlich seien. Im Gegensatz zum orthodoxen Judentum sind Mann und Frau gleichgestellt. Herkunft, Hautfarbe, sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität spielen bei liberalen Juden ebenso keine Rolle.
Während seines Vortrages fragte Ionescu in die Runde, ob Vorurteile gut oder schlecht seien, es wurden gemischte Reaktionen hervorgerufen. Um es besser veranschaulichen zu können, führte Ionescu Beispiele auf, wie Juden seien reich und würden die Weltbanken regieren oder sie seien Blutsauger. Sobald Narrative in die Welt gesetzt werden, verbreiten sie sich wie ein Lauffeuer. Laut Ionescu ist Antisemitismus „wie ein Geruch“, er kann nicht angepasst und auch nicht mit Argumenten widerlegt werden. Des Weiteren benötige man keine Juden, um antisemitisch zu sein. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten mehr als drei Millionen Juden in Polen. Nur etwa 10% überlebten den Holocaust, die meisten wanderten danach aus. In der Nachkriegszeit verbesserte sich die Situation für Juden kaum. Insbesondere 1968 kam es im Zuge einer antisemitischen Kampagne zu massenhaften Ausbürgerungen von jüdischen Menschen.
Mircea Ionescu wies auf die Tatsache hin, dass antisemitische Vorfälle immer dann zunehmen, wenn es im Vorfeld größere Angriffe auf das jüdische Volk gab. Das jüngste Beispiel, der 07. Oktober 2023, zeige dies klar und deutlich. Er verurteilte die Terrorattacke der Hamas scharf und erläuterte, dass insbesondere die Kibbuze in Grenznähe zu Gaza vielen Palästinenser und Palästinenserinnen Hilfe leisten, sei es mit Nahrung oder gesundheitlicher Versorgung. Ergänzend äußerte Ionescu, dass pro-palästinensische Demonstrationen nicht direkt antisemitisch seien und ein Verbot dieser Demos ebenso falsch sei. Es kommt immer auf die Art und Weise an, wie und was kommuniziert wird.
Bei der Frage nach einer Lösung äußerte Ionescu den Wunsch nach einer friedlichen Zwei-Staaten-Lösung. Gleichzeitig betonte er, wie vielschichtig und kompliziert dieser Krieg sei, da unzählige Akteure beteiligt seien.
Auf Nachfrage erzählte Mircea Ionescu, dass er aufgrund seiner Bekanntheit weniger von antisemitischen Vorfällen betroffen sei. Er habe kein Problem mit Konfrontationen und spricht mit den Menschen, sofern es die Möglichkeit gäbe. Ionescu trägt auch bewusst keine Kippa in der Öffentlichkeit und ein Davidschild hat er ebenfalls nicht am Haus angebracht.
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