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"Das ICH in der Demokratie, das braucht immer auch ein WIR"

ของ Magdalena Falkner

Stärken, was uns verbindet: Pflichtzeit für unsere Gesellschaft

Unter dem Titel "Stärken, was uns verbindet: Pflichtzeit für unsere Gesellschaft" diskutierten am 3. Dezember Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Gesellschaft in einem voll besetzten Auditorium der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung. Prof. Dr. Norbert Lammert eröffnete die Veranstaltung und begrüßte den Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier, der sich in seinem Impuls erneut für eine "Soziale Pflichtzeit" aussprach. Im anschließenden Panel diskutierten Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Johannes Winkel, Bundesvorsitzender der Jungen Union, Dr. Eva Högl, Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, und Vanessa Michalski, Reservistin und ehemalige Freiwilligendienstleistende bei der Bundeswehr, über Chancen und Möglichkeiten einer Pflichtzeit.
Wir setzen uns seit mehreren Jahren mit dem Thema "ChancenZeit" auseinander – unter anderem durch Veranstaltungen wie diese. Ganzjährig bieten wir verschiedene Angebote zum Gesellschaftsjahr an, zum Beispiel Workshops, Informationsveranstaltungen und Publikationen.

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Welche Möglichkeiten bietet ein Gesellschaftsjahr, etwa bei der Bundeswehr, bei zivilen Hilfsorganisationen, im sozialen, ökologischen, kulturellen, politischen oder karitativen Bereich? Wo und wie ergibt sich ein Mehrwert für die, die sich engagieren? Was spricht für, was gegen einen verpflichtenden Dienst? Soll die Dienstpflicht eine neue Wehrpflicht ergänzen? Diese Fragen rund um eine Pflichtzeit werden regelmäßig intensiv diskutiert. Und das ist auch notwendig, denn eine solche Pflichtzeit stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Verantwortungsbewusstsein und begegnet gleichzeitig auch dem Fachkräftemangel in sozialen und sicherheitsrelevanten Bereichen. 

Aus unserer Sicht wäre ein Gesellschaftsjahr vor allem eine ChancenZeit – und deshalb öffnen wir den Raum für die Debatte rund um einen Pflichtdienst. Bei der Eröffnung zeigte unser Vorsitzender Prof. Dr. Norbert Lammert auf, wie intensiv und seit vielen Jahren die Stiftung die Debatte rund um ein Gesellschaftsjahr fördert. Exemplarisch nannte er die ChancenZeit-Kampagne, die bundesweit umgesetzt wurde. Rund 2.000 Personen wirkten mit, darunter 700 junge Menschen im Alter von 14 bis 19 Jahren. In seiner Rede betonte er das gemeinsame Anliegen der Stiftung wie auch des Bundespräsidenten: "Zu stärken, was uns verbindet" - darum gehe es in einem Gesellschaftsjahr. Denn: "Eine Gesellschaft braucht beides: individuelle Entwicklung, aber auch das aufeinander zugehen, gemeinsam etwas zu bewirken." In Bezug auf die viel diskutierte Zumutbarkeit von Pflichten machte Lammert deutlich, dass er hier kein Dilemma sehe, denn es stelle auch niemand die Schulpflicht infrage. Lammert betonte mit einem Zitat des Soziologen Steffen Mau: "Deutschland ist weiter als seine Debatten". Man müsse nun in die Umsetzung von Lösungen kommen.  

 

Der Bundespräsident Frank-Walter Steinmer wendete sich in seinem Impuls an das junge Publikum aus verschiedenen Berliner Schulen: "Oft gibt es Anlass, sich über das Debattenklima in unserem Land zu beklagen." Bei der Diskussion um die Pflichtzeit sei dies anders. Steinmeier betont, wie offen und vielschichtig die Diskussion um ein gesellschaftliches Pflichtjahr geführt wird. Auch seine Rolle ordnete er ein: Er verstehe sich selbst nicht nur als "präsidialer Beobachter" der Debatte, sondern bringe sich gerne aktiv in die Debatte ein. Ihn beeindruckten die Offenheit und der Ernst in der Debatte rund um eine Pflichtzeit – "denn davon lebt eine Demokratie", so Steinmeier. Auf Nachfrage der Moderatorin Maria Grunwald gab Frank-Walker Steinmeier auch einen persönlichen Einblick: Wäre er heute nochmals vor die Frage gestellt, ein Gesellschaftsjahr zu absolvieren, dann im sozialen Bereich, zum Beispiel im Krankenhaus oder in der Altenpflege.  

"Wir alle erleben, wie unsere Demokratie derzeit auf die Probe gestellt wird", so Steinmeier. Dazu nannte er mehrere Beispiele. Der Krisenmodus wirke sich auf unseren Alltag und auf unser Zusammenleben aus und auch der Ton in den gesellschaftlichen Debatten werde zunehmend schärfer. Umso wichtiger sei es, über Lösungen nachzudenken, damit die Gesellschaft nicht weiter auseinandertreibe. Er machte deutlich: "Ich halte das ganz entscheidend für die Zukunft unserer Demokratie." Mit der gesellschaftlichen Alterung blieben viele ehrenamtliche Aufgaben unbesetzt, weil sich keine Nachfolge finden lasse. Steinmeier betonte, dass sich viele Menschen heutzutage eher projektbezogen engagierten als über mehrere Jahre hinweg. Er verwies zudem auf eine Ipsos-Umfrage, in der 79 Prozent der Deutschen ein verpflichtendes Gesetz befürworten. Für einige sei eine Pflicht dieser Art jedoch nicht vereinbar mit dem Begriff der Freiheit. Hier bezog der Bundespräsident klar Stellung: "Unsere liberale Demokratie lebt von individueller Freiheit." Aber damit diese Freiheit für alle lebbar ist, brauche sie gesellschaftliche Bindung. Kurzum: "Das Ich in der Demokratie, das braucht immer auch ein Wir." 

Die Möglichkeit eines freiwilligen Jahres erreiche bei weitem nicht alle jungen Menschen. Milieu-übergreifende Wirkung, das hätten Untersuchungen gezeigt, seien bisher zu wenig sichtbar geworden. Das habe Gründe, da sich viele einen solchen Dienst an der Gesellschaft über einige Monate hinweg schlicht und einfach nicht leisten können. Steinmeier appellierte deshalb: "Wir müssen Strukturen aufbauen, die es für jeden möglich machen, sich einzubringen." Wenn es nur noch Rückzug in die eigene Blase gebe, dann drohe Mitgefühl und Verständnis für diejenigen verloren zu gehen, die ganz anders denken. Die Pflichtzeit führe dazu, dass man sich "mindestens einmal im Leben für einen Zeitraum anderen Menschen widmet", mit denen man "im Alltag nichts oder nur ganz wenig zu tun hat". Steinmeier machte aber auch klar: "Eine Entscheidung für eine soziale Pflichtzeit braucht eine gesellschaftliche und politische Mehrheit." Und er forderte: "Diese Debatte sollte nicht erneut im Sande verlaufen, sondern mit einer Entscheidung enden."

 

Im anschließenden Panel wurde die Kernfrage der Debatte diskutiert: Pflicht oder keine Pflicht für ein Gesellschaftsjahr? Vanessa Michalski, die selbst einen Freiwilligendienst bei der Bundeswehr geleistet hat, gab Einblick in ihre Erfahrungen. Für sie steht der hohe Mehrwert eines solchen Jahres fest. Sie habe in der Bundeswehr durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Menschen, die alle ihre eigene Perspektive und Biografie mitbringen, auch viel soziale Kompetenz erlernt. Es sei ebenfalls wichtig, die verschiedenen Angebote übersichtlich und niedrigschwellig zugänglich zu machen. 

Johannes Winkel, Bundesvorsitzender der Jungen Union, erläuterte die Idee der Jungen Union Deutschlands einer Kontingent-Wehrpflicht. In seinen Augen funktioniert die Freiwilligkeit im Bereich des Wehrdienstes nicht, weshalb auch mit Blick auf aktuelle Bedrohungslagen es zu einer Verpflichtung kommen müsse. "Ich finde, der viel größere Eingriff in das Freiheitsrecht einer jungen Generation ist, wenn sich ein Land dauerhaft nicht verteidigen kann." Er verwies dabei auf ein Zitat von Dr. Wolfgang Schäuble: "Wir müssen uns verteidigen können, um uns nicht verteidigen zu müssen."

Dr. Eva Högel, Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, prangerte an: "Wir sprechen über Pflichtzeit und lassen parallel aber zu, dass das System der freiwilligen Dienste schlicht kaputtgespart wird." Högel sprach sich für ein Jahr statt sechs Monate aus, eine Flexibilisierung der Altersgrenzen und die Ansprache von Männern und Frauen – auch wenn es dafür eine Grundgesetzänderung brauche.  

Die Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa sieht die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres kritisch. Sie begründete dies damit, dass die vorhandenen Strukturen nicht die Kapazität hätten, um eine solche Menge an jungen Menschen aufzunehmen, wie es durch einen Pflichtdienst erforderlich wäre: "Wie sollen wir die Menschen finden, die die Leute gut anleiten?". Auch sie betonte, man müsse "auf alle Generationen schauen" - nicht nur auf Jugendliche. Aktuell setzt sich Welskop-Deffaa für einen Rechtsanspruch auf ein "FSJ" ein, denn: "Jeder Mensch sollte die Chance haben, ein solches absolvieren zu können."

Nach den Wortbeiträgen der Podiumsgäste hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, eigene Fragen und Erfahrungen einzubringen. Von dieser Möglichkeit machten einige Gebrauch, wodurch eine lebhafte und konstruktive Diskussion entstand. Unter anderem wurden Fragen zur Finanzierbarkeit oder dem Umgang mit Personen, die den Dienst verweigern, gestellt. Die Schülerinnen und Schüler brachten ihre Perspektive ein, was sie sich selbst von einer Zeit erhoffen würden, oder wie wichtig es für sie sei, sich auch eine eigene Wohnung während einer solchen Pflichtzeit finanzieren zu können. Inhaltlich waren sich alle einig, dass diese wichtige Aufgabe in der nächsten Legislaturperiode dringend angegangen werden muss. 

Wir schaffen deswegen ganzjährig Räume für die Debatte rund um eine Pflichtzeit, wie beispielsweise mit der Podcast-Reihe "ChancenZeit - der Podcast zu Wehrpflicht und Gesellschaftsjahr", aber auch mit einer kreativen Auseinandersetzung wie der von Bas Böttcher. Der Poetry-Slammer und Schriftsteller stellte lyrisch Ideen vor, wie die Gesellschaft das "Opfer bringen" der Dienstleistenden wertschätzen könnte, wenn auf Rente, Generationenvertrag, Geldwertstabilität und soziale Absicherung kein Verlass mehr sei. Man müsse nicht nur "Danke sagen, sondern Dank auch zeigen". 

Beim anschließenden Empfang kamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer weiter ins Gespräch. Der Live-Mitschnitt der Veranstaltung ist auf dem YouTube-Kanal verfügbar. 

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