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Lichtgestalt oder auch tragische Figur - wie wird Helmut Kohl in die Geschichtsbücher eingehen?
Bernhard Vogel: Er wird als zweiter großer Staatsmann der Bundesrepublik
Deutschland nach Konrad Adenauer in Erinnerung bleiben. Er hat viel bewegt.
Helmut Kohl hat frühzeitig die historische Chance der
Deutschen Einheit erkannt und alles dafür getan, dass sie genutzt wurde.
Menschen machen gelegentlich aber auch Fehler. Auch Helmut Kohl hat Fehler
gemacht. Aber er bleibt eine der wenigen wirklich herausragenden
Politikerpersönlichkeiten der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Vor genau 30 fahren wurde Kohl Bundeskanzler. Ging es ihm damals allein um die Macht oder hatte er eine politische Vision?
Vogel: Helmut Kohl wurde vor allem deshalb Bundeskanzler, weil Helmut
Schmidt gescheitert war. Er hatte es nicht vermocht, seinen Kurs in der SPD
durchzusetzen. Helmut Kohl ist auch in CDU und CSU von nicht wenigen
unterschätzt worden. Als er vor 30 Jahren antrat, wurde ihm nur eine kurze
Amtszeit vorhergesagt. Da haben sich viele getäuscht. Herbert Wehner hat
jedenfalls Recht behalten mit seiner Einschätzung, dass Kohl eine lange
Amtszeit beschert sein würde.
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Kohl kündigte die „geistig-moralische" Wende an. War das nicht nur ein politisches Schlagwort?
Vogel: Helmut Kohl hatte eine Vision. Er trat als Erneuerer der
Christlich-Demokratischen Union an. Kohl verstand unter der
geistig-moralischen Wende die Rückgewinnung der Glaubwürdigkeit der
Bundesrepublik. Es gab im westlichen Bündnis erhebliche Irritationen über
den außenpolitischen Kurs der Bonner Regierung. Und die Bundesrepublik
befand sich zudem auch noch in einer tiefen wirtschaftlichen Krise. Kohl,
Hans-Dietrich Genscher und der Koalition aus CDU, CSU und FDP gelang es,
nach der politischen Wende von 1982 eine wirkliche Aufbruchstimmung zu
erzeugen.
Kohl regierte 16 Jahre, war erster Kanzler des wiedervereinigten Deutschlands. Und doch bleibt sein Umgang mit der CDU-Spendenaffäre hoch
umstritten. Wäre es nicht unbedingt notwendig gewesen, die Spendernamen zu nennen?
Vogel: Ich kenne die Spendernamen nicht und kann die Frage daher nicht
beantworten. Natürlich war die Spendenaffäre ein Ärgernis. Sie belastet das
öffentliche Bild von Helmut Kohl. In der Gesamtrückschau auf sein
politisches Lebenswerk aber wird die Spendenaffäre zu recht in den
Hintergrund rücken. Persönlich bereichert hat er sich nicht, nicht mit einem
einzigen Pfennig.
Seit der Affäre ruht der CDU-Ehrenvorsitz - wäre es Zeit, Helmut Kohl das Amt wieder anzutragen?
Vogel: Ich halte nichts von solchen Debatten. Helmut Kohl sind im Herbst
seines Lebens gesundheitliche Beschwerden leider nicht erspart geblieben.
Die Frage nach dem Ehrenvorsitz stellt sich nicht mehr.
Werden die Verdienste Helmut Kohls zu wenig gewürdigt?
Vogel: Er verfügt über hohes Ansehen, auf allen Ebenen der Partei. Wo auch immer ich unterwegs
bin und CDU-Veranstaltungen besuche, ist das zu spüren. Er ist nicht nur der
Kanzler der deutschen Einheit, sondern auch der Europäischen Einigung. Die
europäischen Verträge mögen vielleicht gewisse Konstruktionsfehler
enthalten, auch mit Blick auf die gemeinsame Währung. Aber das Projekt der
Vertieften europäischen Integration ist ohne Alternative. Ich würde mir
wünschen, dass Helmut Kohls Verdienst als Europäer stärker zur Kenntnis
genommen wird. Es wäre längst an der Zeit gewesen, Helmut Kohl für seine
historischen Leistungen mit dem Friedensnobelpreis zu würdigen.
Angela Merkel war schon unter Helmut Kohl Ministerin. Was unterscheidet den
Regierungsstil der beiden?
Vogel: Frau Merkel ist eine erfolgreiche Schülerin von Helmut Kohl. Sie hat
wie er die Gelassenheit, abzuwarten und nicht immer sofort zu entscheiden.
Wenn sie sich einmal festgelegt hat, agiert sie als Bundeskanzlerin genau so
entschlossen wie Helmut Kohl.
Kritiker sprechen davon, Kohl werde von seiner jetzigen Frau streng abgeschottet und er habe sich selbst von engen Weggefährten distanziert. Wie erleben Sie die Situation?
Vogel: Frau Kohl-Richter ist dafür zu danken, dass sie Helmut Kohl in aufopferungsvoller Weise pflegt und begleitet. Das
ist für mich das Wichtigste. Alles andere steht dahinter zurück. Die
Öffentlichkeit sollte sich mit dem politischen Wirken und der Lebensleistung
Helmut Kohls auseinandersetzen und nicht auf Veröffentlichungen über sein
Familienleben ausweichen.
Mit freundlicher Genehmigung der Passauer Neuen Presse.