Ülke raporları
Nachdem der von den bulgarischen Sozialisten (BSP) unterstützte Luftwaffengeneral Rumen Radev im November vergangenen Jahres die Präsidentenwahl für sich entschieden hatte, war Ministerpräsident Bojko Borissov (GERB, „Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“, EVP-Mitglied) zurückgetreten. Versuche, eine neue Regierung zu bilden scheiterten, das Parlament wurde aufgelöst. Die Regierung Borissov blieb zunächst geschäftsführend im Amt, bis der neue Staatspräsident Rumen Radev nach Antritt seines Amtes am 27. Januar eine neue Interimsregierung ernannte.
Der Erfolg Radevs gab den bulgarischen Sozialisten einen Schub in der Wählergunst. Hatten sie bei im Jahr 2016 erhobenen Meinungsumfragen stets zwischen 15 und 16 Prozent der Wählerstimmen erzielt, so liegen sie in jüngsten Umfragen bereits bei knapp 30 Prozent und liefern sich mit GERB ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
Damit zeichnet sich eine Kräfteverschiebung in der Nationalversammlung ab. Bei der Parlamentswahl im Jahr 2014 war GERB mit 32,7 Prozent mit Abstand stärkste Partei geworden, während die BSP mit 15,4 Prozent ein Debakel erlebt hatte. Die Partei der ethnischen Türken DPS hatte 14,8 Prozent erzielt, der Reformblock, ein Bündnis kleinerer bürgerlicher Parteien, von denen die meisten der EVP angehören 8,9 Prozent, die nationalistische und populistische „Patriotische Front“ 7,9 Prozent, die Partei “Bulgarien ohne Zensur“, die nicht wieder antritt 5,7 Prozent, die nationalistische Ataka 4,5 Prozent und die sozialistische Partei ABW des Ex-Staatspräsidenten Georgi Parwanov 4,2 Prozent. GERB, der Reformblock und die ABW gingen eine Koalition ein; nach dem Ausscheiden der ABW aus der Regierung im Frühjahr 2016 wurden von Fall zu Fall Mehrheiten zusammen mit anderen Partnern gebildet.
Auch wenige Tage vor der Wahl lässt sich nicht vorhersagen, welche Partei am Ende die Nase vorn haben und damit als erste den Auftrag erhalten wird, eine Regierung zu bilden.
Sollte GERB stärkste Partei werden, so wird dieser Auftrag an Bojko Borissov gehen. Er war erstmalig von 2009 bis 2013 Ministerpräsident des Landes und nach kurzer Zeit in der Opposition erneut nach dem Wahlsieg seiner Partei ab 2014. GERB verweist im Wahlkampf auf die positive wirtschaftliche Entwicklung des Landes: Das Wirtschaftswachstum liegt bei 3,6 Prozent, die Arbeitslosigkeit ist mit 7 Prozent niedriger als im EU-Mittel, die Staatsverschuldung liegt nur bei 28 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Auch kann GERB auf Erfolge beim Ausbau der Infrastruktur des Landes verweisen. Der Partei ist gleichwohl bewusst, dass der Lebensstandard vieler Bulgaren unverändert niedrig ist und dass es Unzufriedenheit wegen ausgebliebener Reformen im Bildungs- und Gesundheitssektor und bei der Korruptionsbekämpfung gibt. Dies wird GERB und dem Reformblock angelastet, auch wenn dieses Bündnis im Parlament über keine absolute Mehrheit verfügt hat. Das Wahlkampfmotto von GERB lautet daher: “Verwandeln wir die Ängste der Menschen in eine Hoffnung für die Nation!“. Die Partei steht für eine Vertiefung der Integration innerhalb der EU, lehnt wie die anderen Parteien auch ein „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ ab, ist für eine strategische Partnerschaft mit den USA, bekennt sich eindeutig zur NATO-Mitgliedschaft des Landes, sie befürwortet eine enge Zusammenarbeit des Nordatlantischen Bündnisses mit der Ukraine und spricht sich für die Aufnahme neuer Mitglieder im Pakt aus. Kontakte zu Russland sollen im „Rahmen der Prinzipien von EU und NATO“ gepflegt werden. GERB strebt den Beitritt Bulgariens zur Schengenzone und die Einführung des EURO an. GERB erwartet von der EU Unterstützung bei der Sicherung der Grenze mit der Türkei, um Flüchtlinge daran zu hindern, nach Bulgarien zu gelangen. Die Partei fordert eine Änderung des Dublin-Abkommens mit dem Ziel, dass Asylanträge künftig nicht mehr in den Ländern an der EU-Außengrenze, sondern in den Zielländern gestellt und bearbeitet werden sollen.
Die Bulgarische Sozialistische Partei (BSP), die sich von ihrer kommunistischen Vergangenheit nie völlig gelöst hat, wird von Kornelia Ninova angeführt, die im Mai 2016 nach einer Kampfabstimmung zur Parteivorsitzenden gewählt worden war. Unter dem Motto „Sei für den Wandel! Regeln, Sicherheit, Gerechtigkeit“ führt die Partei einen „Anti-Establishment-Wahlkampf“ mit dem Ziel, die Stimmen der unteren Einkommensschichten zu gewinnen und lenkt damit gleichzeitig davon ab, dass die reichsten Menschen Bulgariens größtenteils dieser Partei angehören oder nahestehen. Sie behauptet, dass sich die Menschen in Bulgarien und in ganz Europa gegen die Eliten gerichtet hätten, die 97 Prozent des Reichtums besäßen und verlangt, dass den Ärmeren „ihre Würde“ zurückgegeben werden müsse. Sie verspricht Einkommenszuwächse, Rentenerhöhungen und Verbesserungen im Gesundheitswesen, unterscheidet sich dabei aber nur im Detail von anderen Parteien. Monatliche Einkommen bis zu 10.000 Leva (ca. 5.000 Euro) sollen nach den Vorstellungen der Partei weiterhin linear mit 10 Prozent besteuert werden; für höhere Einkommen soll der Steuersatz künftig 20 Prozent betragen. Die BSP stellt die Mitgliedschaft des Landes in EU und NATO nicht in Frage, fordert jedoch, die bulgarische Außenpolitik stärker an „nationalen Interessen“ auszurichten und beklagt, Bulgarien lasse sich zu sehr von der EU und anderen EU-Ländern bevormunden. Die BSP plädiert für die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland. Sie strebt eine Revision des Dublin-Abkommens an und fordert eine Rückführung derjenigen Migranten, die keine Flüchtlinge sind.
Unsicher ist, ob der bürgerliche Reformblock die 4-Prozent-Hürde überwinden wird. Dieses Bündnis führt seinen Wahlkampf unter dem Motto „Gemeinsame Anstrengungen = Sicherer Erfolg“. Der Reformblock wirbt für eine aktive Mitarbeit Bulgariens in EU und NATO, den Beitritt zum Schengenabkommen und zur Eurozone. Das Bündnis wirft Russland und der Türkei zudem vor, sich in die inneren Angelegenheiten Bulgariens einzumischen. Den Kampf gegen die Korruption will der Reformblock verstärken.
Zwischen zehn und zwölf Prozent können die Vereinten Patrioten erwarten. Dieses Bündnis besteht aus der „Inneren Mazedonischen Revolutionären Organisation“ (WMRO), die nach 1878 zunächst für die Befreiung Mazedoniens von türkischer, nach 1912 dann von serbischer Herrschaft und für einen Anschluss an Bulgarien kämpfte. Die Partei ist nationalistisch und populistisch. Ebenfalls für die Vereinten Patrioten tritt diesmal Ataka an, die an der letzten Wahl noch als eigenständige Kraft teilgenommen hatte. Sie ist antieuropäisch, antitürkisch, antiamerikanisch und prorussisch. Abgespalten von der Ataka hatte sich 2011 die Nationale Front zur Rettung Bulgariens (NFSB) und war dann mit der WMRO ein Bündnis eingegangen. Sie vertritt ähnliche Positionen wie Ataka, ist aber gemäßigter und versucht, seriöser zu wirken. In ihrem Wahlprogramm sprechen sich die Vereinten Patrioten für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht und die Wiederherstellung der nach 1989 aufgelösten Raketenstützpunkte im Süden des Landes aus, gegen die Teilnahme Bulgariens an internationalen Militäreinsätzen, gegen ausländische (sprich: amerikanische) Militärbasen im Land und gegen eine Aufnahme der Türkei in die EU. Aussagen zur EU- bzw. NATO-Mitgliedschaft Bulgariens macht das Wahlprogramm nicht.
Die Partei „Wolja“ kann den Umfragen zufolge mit sechs bis acht Prozent rechnen. Hinter dieser Partei steht der Unternehmer Wesselin Mareschki, der im Land über ein Netz von Apotheken und Tankstellen verfügt und mit Rabatten für Medikamente und niedrige Benzinpreise ein gewisses Maß an Beliebtheit gewonnen hat. Wolja hat bisher kein Wahlprogramm veröffentlicht. Mareschki hatte am 9. März erklärt, er wolle Bürgern sein Wahlprogramm zur Verfügung stellen, die schwören, „ehrlich und anständig“ damit umzugehen, da andere Parteien, insbesondere die BSP, ständig seine Ideen kopieren und stehlen würden.
Die große Mehrheit der ethnischen Türken wird auch diesmal die Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS) wählen. Sie wird jedoch voraussichtlich Stimmenverluste verzeichnen – nach den Umfragen kann sie mit sieben bis neun Prozent rechnen. Nachteilig wirkt sich für die DPS zum einen aus, dass sie im Gegensatz zur vorherigen Parlamentswahl diesmal nicht als Regierungspartei antritt und keine Wahlgeschenke verteilen konnte. Zum anderen wird sie Stimmen an die neugegründete Pro-Erdogan Partei DOST verlieren, die die 4 Prozent-Hürde aber wohl nicht überwinden wird. Die DPS ist für die europäische Integration Bulgariens, hat aber auch enge Kontakte zu Russland. Sie kann sich auf eine treue Stammwählerschaft verlassen, für die ihr Programm keine Rolle spielt. Im Gegensatz zu DOST ist die Haltung der DPS zur türkischen Regierung kritisch. Der Ehrenvorsitzende der DPS Achmed Dogan, der im Hintergrund noch immer die starke Führungspersönlichkeit in der Partei ist, hat am 16. März eine Botschaft mit Kritik an der türkischen Führung veröffentlicht. Darin bezeichnet er das Referendum in der Türkei über die Ausweitung der präsidialen Vollmachten als Versuch zur „Umwandlung der kemalistischen Republik Türkei in ein Sultanat“, was „Wahnsinn“ sei.
Wenig Chancen die 4 Prozent-Hürde zu überwinden, werden auch der neuen Partei „Ja, Bulgarien“ zugerechnet, obwohl diese Partei in den sozialen Medien starke Beachtung findet. Sie wurde Ende 2016 vom ehemaligen Justizminister Hristo Iwanov gegründet und fordert eine stärkere Korruptionsbekämpfung, eine Reform der Justiz und stärkere Beachtung des Rechtsstaatsprinzips.
Auch dem ebenfalls neugegründeten Bündnis "Neue Republik" wird nicht zugetraut, genügend Stimmen für den Einzug in das Parlament zu gewinnen. Diese Koalition besteht im Kern aus der DSB (Demokraten für ein starkes Bulgarien), einer Partei, die der EVP angehört, aber aus dem Reformblock ausgetreten ist. Die Neue Republik ist entschieden pro-westlich, wirft den anderen bürgerlichen Parteien vor, zu wenig „Charakter“ zu zeigen, die Politik von GERB hingegen ist ihrer Meinung nach in vielen Bereichen nicht typisch für eine bürgerliche Kraft. Die Neue Republik kritisiert scharf die Politik Russlands.
Alle anderen Parteien gelten den Umfragen zufolge als chancenlos.
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