Etkinlik raporları
Wie steht es mit den Menschenrechten in der Türkei? Gibt es einen aufrichtigen Willen, die Türkei in die EU aufzunehmen? Welche Rolle spielt der Spracherwerb für das Leben türkischstämmiger Menschen in Baden-Württemberg? Unser Diskussionsabend „Die Türkei am Scheideweg?“ mündete am Mittwoch in eine engagierte Debatte zwischen fast 80 Gästen im Haus der Geschichte, viele davon selbst mit türkischen Wurzeln. In das Thema eingeführt hatten unter der Moderation von Frau Dr. Susanne Kaufmann, SWR, Dr. Bernhard Lasotta MdL, integrationspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Dr. Yasar Aydin von der Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, und Senol Kilicaslan, Türkische Akademiker Deutschland.
“Brauchen Platz für Themen der Türkei!“
Dr. Lasotta hatte in seiner Einführung zunächst auf die von ihm wahrgenommenen Spannungen in der türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg verwiesen, die rund um die aktuelle Politik der Türkei entstünden. Was in der Türkei geschehe, sei „entscheidend für den Weg in die Türkei“, so der Abgeordnete. Es gehe um die Frage der Meinungsfreiheit, der Redefreiheit und der demokratischen Rechte. Zugleich warnte Lasotta vor dem Rückzug türkischstämmiger Menschen „in die eigene Welt eines Teils der türkischen Gemeinde“. Die Themen Aufstieg, Sprache, Bildung, wirtschaftlicher Erfolg und politische Beteiligung seien eng miteinander verknüpft. Dies bedeute aber, dass die Themen der Türkei auch einen Platz im öffentlichen Bewusstsein der hiesigen Bevölkerung Platz fänden.
Türkei: „Modernisierungsverlierer tragen Konservative“
Dr. Yasar Aydin zeigte die historischen Ursachen der aktuellen Debatte innerhalb der Türkei auf. Die Modernisierung der Türkei sei ein „Top-Down-Prozess“ gewesen, der dem Ziel der Staatselite verpflichtet gewesen war, den Anschluss an Europa zu erlangen, um den Zerfall des Osmanischen Reichs zu verhindern. Die Folgen des Aufeinandertreffens von Moderne und Tradition samt deren autochtonem Wirtschaftssystem seien bis heute nicht überwunden. Das resultierende antieuropäische Ressentiment sei bis heute deutlich spürbar. Der von vielen als schmerzhaft empfundene Versuch, die Rolle der Religion in der Öffentlichkeit zurückzudrängen, habe eine islamistische Gegenbewegung seit den 60-er Jahren hervorgerufen. Heute stützten sich konservative Parteien der Türkei auf die von der Modernisierung benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Die aktuelle Bilanz falle ambivalent aus. So sei es etwa gut, dass die Rolle des Militärs an Bedeutung verloren habe. Problematisch sei jedoch der Versuch, Menschen nach einem konservativen Weltbild zu formen.
“Brauchen Platz für Themen der Türkei!“
Senol Kilicaslan beschrieb am eigenen Beispiel die Verbundenheit mit mehreren Kulturen: „Ich habe einen deutschen Pass, rechne auf Türkisch. In der Küche kochen wir querbeet – türkisch, deutsch, italienisch. Und ich höre zuhause türkische Musik.“ Die empfundene Spaltung der türkischen Gemeinde rund um die Proteste am Taksim-Platz und der Reaktion der türkischen Regierung sei Grund für die Initiative gewesen, die zur Gründung des Vereins Türkische Akademiker Deutschland geführt habe.
Die Diskussion führte im Anschluss durch viele Themengebiete: Gesellschaftliche Pluralisierung in der Türkei; Migrationsbewegungen zurück in de Türkei; die mittlerweile mögliche Existenz kurdischer Fernsehsender und kurdischen Sprachunterrichts. Über die Bewertung der demokratischen Kultur in der Türkei stellte sich die Frage nach deren „EU-Tauglichkeit“. Dass diese Diskussion mitunter kulturalistisch geführt werde, so Dr. Aydin, führe zu Resignation und Kommentaren wie: „Egal, was man macht – die wollen uns nicht haben!“ Über weitere Konfliktfelder wie Kopftuchverbot, Beschränkungen im Alkoholverkauf in der Türkei, Erdogans Kritik an gemischten Studentenwohnheimen gelangte die von gegenseitiger Wertschätzung geprägte Debatte auch zum Thema Integration in Deutschland. Mit dieser hätten die wenigsten ein Problem, so ein Gast, der sich aber gegen moralisierende Unertöne wandte: „’Du musst...!’ klingt blöd!“
Die engagierte Debatte, die aufgrund der Komplexität der Themen nicht zu ende geführt worden konnte, zeigte einen klaren Kommunikationswunsch zwischen „alten“ und „neuen“ Deutschen. Im kommenden Jahr plant die KAS Stuttgart, einzelne Themen erneut aufzugreifen, um die Diskussion fortzusetzen.
Die Publikation der KAS zur Kopftuch-Debatte finden Sie hier >>.
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