Wie geht es in Frankreich weiter? Die Resultate der beiden Runden der Parlamentswahlen sind für die „Grande Nation“ eine Zäsur. Wird Frankreich unregierbar, wie manche Pressestimmen vermuten? Mit dem französischen Politologen und Germanisten Prof. Dr. Henri Ménudier hatte das Regionalbüro Südbaden der Konrad-Adenauer-Stiftung am Donnerstagabend einen profunden Kenner der französischen Politik und eine Koryphäe der deutsch-französischen Zusammenarbeit in der Alten Universität in Freiburg zu Gast. Er ordnete die neue politische Ausgangslage ein und erörterte Perspektiven der französischen Innen- und Europapolitik.
Zum besseren Verständnis des französischen politischen Systems begann Ménudier mit einem historischen Rückblick und erklärte dabei zunächst die Etappen Frankreichs von der Französischen Revolution 1789 bis zur aktuellen V. Republik seit 1958. Er zeigte, dass sich die I. Republik nicht nahtlos bis zur heutigen V. Republik entwickelte. Das zweite Kaiserreich, die Julimonarchie und die dritte Republik sind nur einige der Zwischenstationen. Letztere - das ist für das deutsch-französische Verhältnis interessant - entstand im Kontext der Niederlage Frankreichs gegen Preußen 1870 bei Metz und Sedan, überdauerte zwei Weltkriege und endete mit einer erneuten Niederlage gegen Deutschland im Jahr 1940. Das heutige politische System der V. Republik mit der herausragenden Stellung des Präsidenten wird erst im Kontrast zur IV. Republik (1946-1958) mit ihren politischen Verwerfungen und ihrer Instabilität verständlich: Es steht im Kontrast zur starken institutionellen Stellung eines über das Verhältniswahlrecht zusammengesetzten, stark fragmentierten Parlaments in der IV. Republik, das zu 25 verschiedenen Regierungen und bis zu 13 Wahlgängen pro Wahl eines Premierministers geführt hatte. Destabilisierend wirkten sich zudem der verlorene Indochinakrieg und der daran anschließende Algerienkrieg aus. Die auf General Charles de Gaulle zugeschnittene Verfassung der V. Republik stattete den Präsidenten gegenüber dem Parlament dagegen mit einer Vielzahl an Kompetenzen aus.
Die Präsidentschaft Emanuel Macrons seit 2017 stellt für das französische Parteiensystem der V. Republik einen bedeutenden Einschnitt dar. Im Gegensatz zu den Parteien in Deutschland, so Ménudier, wechselten die Parteien in Frankreich häufig ihren Namen und seien in der französischen Gesellschaft nicht stark verankert. Die Traditionsparteien der V. Republik, Sozialisten und Gaullisten (die sich mittlerweile: Les Républicains nennen), spielen im aktuellen politischen Wettbewerb nur noch eine randständige Rolle. In diesem, sich in starker Veränderung befindenden und hoch polarisierten System versammelte Macron mit seiner Bewegung La République en Marche 2017 die Stimmenmehrheit hinter sich; die Registrierung als Partei erfolgte aus taktischen Gründen zur Erstattung der Wahlkampfkosten und Parteienfinanzierung. Das Resultat der Präsidentschaftswahlen und die Zustimmung für Macron im April 2022 seien dem Mangel an wählbaren Alternativen geschuldet gewesen.
Die institutionell vorgesehene Bestätigung des Präsidenten in den Parlamentswahlen 2022 habe nicht stattgefunden. War bei den Präsidentschaftswahlen noch das rechtsextreme Rassemblement National von Marine Le Pen die stärkste Opposition gegen Macron, so ist bei den Parlamentswahlen die extreme Linke, das Bündnis NUPES von Sozialisten, Kommunisten, Trotzkisten und Grünen unter Führung des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon gestärkt worden. Macron verlor in der Nationalversammlung die absolute Mehrheit. Marine Le Pen gelang eine Vervielfachung ihrer Parlamentssitze von acht auf über 80 Sitze. Während sich früher in der Nationalversammlung zwei Lager gegenüberstanden, gibt es nun drei Lager: die extreme Linke, die Mitte, die von Macron repräsentiert wird und die extreme Rechte. Die Programme beider extremer Parteien von links wie rechts werben für einen europafeindlichen, national- und sozialpopulistischen Kurs, der Grund zur Besorgnis gibt.
Frankreich werde deswegen nicht gleich unregierbar, wie einigen Pressestimmen der vergangenen Tage zu entnehmen war, so Ménudier. Für das Land historisch und systemisch untypisch, müssten nun Koalitionen geschmiedet werden oder - analog zum präsidentiellen System der USA - je nach Gesetzesvorhaben parlamentarische Mehrheiten in der Nationalversammlung gesucht werden. Das könnte einerseits dem Parlament mehr Bedeutung verleihen, aber andererseits wegen der Zerstrittenheit der Parteien untereinander zu politischer Instabilität führen. Sorge bereitet dem renommierten Politikwissenschaftler die niedrige Wahlbeteiligung, insbesondere bei jungen Menschen.
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