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Seine Interviews über die Situation von Eltern hätten teilweise Therapie-Charakter gehabt, erzählte Dr. Carsten Wippermann von Sinus Socivision am Anfang seiner Präsentation. So dankbar seien die Eltern dafür gewesen, dass sich jemand für ihre Situation interessiert, ohne gleich mit Rezepten aufzuwarten. In der Tat war das Forschungsteam um Wippermann im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung bei der ersten Sinus-Elternstudie zunächst einmal nur darauf fixiert, die Lebenswirklichkeit von Eltern in Deutschland möglichst genau zu untersuchen und darzustellen. Einen kleinen Ausblick auf die Ergebnisse der Studie gewährte Wippermann als Einstieg in die Podiumsdiskussion über die Leistungsträger unter Druck.
Verschiedene Quellen des Drucks
Aus Sicht von Wippermann sind es sogar Hochleistungsträger, die sich da um die Erziehung des Nachwuchses in Deutschland kümmern. Grundüberlegung der Studie ist, dass sich Elternschaft in den vergangenen Jahrzehnten deutlich geändert hat. Wo das Aufziehen von Kindern früher eine Regel war, ist heute daraus eine Option geworden, in die die unterschiedlichsten Überlegungen mit einfließen. Diejenigen, die diese Option wählen, setzen sich den verschiedensten Drucksituationen aus. Bei der Erziehung herrscht Zeitdruck, Leistungsdruck, Erfolgsdruck und finanzieller Druck, wie Wippermann ausführte. Für die nähere Betrachtung dieser Situation wählte er drei soziale Milieus: von den wohlsituierten Etablierten über die bürgerliche Mitte bis zu den finanziell unterversorgten Konsum-Materialisten.
Bei den Etablierten ergab die Studie laut Wippermann folgendes Bild: Die Mutter versteht sich als Erziehungsmanagerin, während der Vater als Familienvorstand und –lenker auftritt. Ihr gemeinsames Ziel ist es, das Kind zu fördern und auf die richtige Schiene zu setzen, damit es später an der gesellschaftlichen Position der Eltern anknüpfen kann. In ihm wird daher in erster Linie ein Nachfolger und Stammhalter gesehen. In der bürgerlichen Mitte gilt das Kind dagegen eher als Investitionsgut und ist in den meisten Fällen eine Lebensaufgabe für die Frau. Diese übernimmt die Rolle der allzuständigen Beschützerin und Förderin, während der Vater vor allem als Feierabendpapa zur Verfügung steht. Im Milieu der Konsum-Materialisten ist ein Kind oft Zeichen für die Angleichung an den Mainstream. Oft wird es als finanzielle Belastung gesehen. Äußerlich wird es von seiner Mutter gut versorgt, die emotionale Nähe ist allerdings Schwankungen unterworfen. Der Vater hat dagegen die Rolle des Familienchefs und ist Geldverdiener.
Diese Milieu-Verteilung stellte für die Experten der anschließenden Diskussionsrunde keine große Überraschung dar. Auch sie hielten es viel mehr für zentral, die Situation der Eltern mehr in den Mittelpunkt der Diskussion über die Entwicklung der Gesellschaft zu stellen. Marie-Luise Lewicki, die Chefredakteurin der Zeitschrift Eltern, wählte dazu ein Bild aus dem Bereich der Flugreise: „Bei Druckabfall soll man die Maske immer zuerst sich selbst über den Mund ziehen, bevor man Kindern hilft. Wenn das richtig ist, dann müsste auch bei der Erziehung zuerst den Eltern geholfen werden.“ Lewicki sprach über den enormen Druck, den Eltern aus der Mittelschicht durch die Konkurrenzsituation zu den etablierten fühlen. Privatschulen und Haushaltshilfe lässt der finanzielle Spielraum nicht zu, was nur durch mehr Arbeit und mehr Beschäftigung mit dem Kind auszugleichen ist. Zudem entstehe das Gefühl, dass die Politik diese Eltern ignoriert, weil ihre Kinder keine Probleme verursachten. Zudem sei die Leistung der Kindeserziehung gesellschaftlich nach wie vor zu wenig geachtet, so dass sich die Mütter besonders oft zu profilieren versuchten, indem sie ihren Nachwuchs zu besonderen Höchstleistungen antreiben und so den Druck weitergeben.
Mögliche Hilfestellungen
Kurt Hahlweg, Psychologie-Professor von der Universität Braunschweig, warb für nierdrigschwellige Angebote zur Erziehungshilfe. Hier sah er vor allem im Bereich der neuen Medien Entwicklungspotential. 20 bis 25 Prozent der erziehenden Mütter durchleben nach seinen Untersuchungen eine depressive Phase, die sich oft auch auf die Gesundheit der Kinder auswirkt. Auch in der weiter anwachsenden Scheidungsrate sieht er Indizien für die Zunahme der Belastung für Eltern. Jedes fünfte Kind zwischen drei und sechzehn Jahren leidet nach Hahlweg an einer psychologischen Krankheit wie ADS oder Depressionen.
Einen möglichen Ansatz zur Problemlösung und Unterstützung der Eltern benannte Heidrun Kohl. Sie ist Koordinatorin der Sozialarbeit an der Hauptschule Frankenthal und berichtete über die Anstrengungen der Schule, Erziehungsfunktionen zu übernehmen und Eltern damit zu entlasten. Dies geschieht beispielsweise mit einem Regelwerk, das es verbietet, Opfer irgendeiner Art zu produzieren. Die zusätzliche Sozialarbeit ist nur durch erhöhten finanziellen Aufwand möglich, hat aber den Erfolg, dass die Situation an der Schule einen geregelten Unterricht erlaubt und somit auch die Chance auf einen guten Abschluss erhöht. Wichtig sei es aber weiterhin, die Eltern über Gespräche mit ins Boot zu holen.
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