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Der Aufbruch zur Demokratie ist krisenanfällig, aber nicht mehr zu bremsen

з Volker Mönikes
Mitte Mai 2000 steht fest: unter den gegenwärtigen Bedingungen kann es in Simbabwe keine fairen und freien Wahlen geben. Zugleich wird dieses Jahr den vorläufigen Höhepunkt einer seit drei Jahren schwelenden schweren Wirtschaftskrise markieren, die sich nunmehr nicht nur im Land selbst, sondern in der gesamten südafrikanische Region bemerkbar macht.

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Trotz dieser zur Zeit sehr düsteren Situation, die von Rechtlosigkeit, Gewalt und sozialer Not gekennzeichnet ist, etablieren die gegenwärtigen Auseinandersetzungen in Simbabwe vor allem einen weiteren wichtigen Meilenstein hin zum endgültigen Aufbruch Afrikas zu einem ernst zu nehmenden und die international anerkannten Spielregeln achtenden Global Player.

Es ist bedrückend zu sehen, was zur Zeit, wenige Wochen vor den verfassungsmäßig anstehenden Wahlen, in Simbabwe vorgeht. Gerade in diesem Land, das in den achtziger Jahren Trumpfkarte der Afrika-Optimisten in aller Welt war, hätte man eine Krise im jetzt beobachtbaren Ausmaß am wenigsten erwartet.

Das Land erlebt einen rapiden Niedergang des Rechtsstaates. Die von der Regierung - zumindest in den letzten 10 Jahren - sträflich vernachlässigte Korrektur der ungerechtfertigt einseitigen Landverteilung im Land zugunsten einiger Tausend weißer Bauern, schuf eine unhaltbare Situation in den ländlichen Gebieten. Diese von ihr selbst zu verantwortende Lage wird nun von der gleichen Regierung schamlos und einzig zu Wahlkampfzwecken ausgenutzt. Sie toleriert und ermuntert sogenannte Kriegsveteranen aus dem Unabhängigkeitskrieg, die Höfe weißer Bauern zu besetzen, dabei brutalst gegen die Bauern selbst und ihre Arbeiter vorgehend. Diese Aktionen, bereits zweimal von den höchsten Gerichten des Landes als unrechtmäßig verurteilt, hat bereits zu mehreren Todesopfern geführt. Dennoch ignoriert Präsident Mugabe die Beschlüsse der Gerichte und weigert sich, eine geordnete Lösung der gegenwärtigen Situation herbeizuführen.

Dabei gibt es Pläne genug, in einem geordneten Verfahren und mit der zugesagten Hilfe vieler westlicher Geber eine Landreform durchzuführen, die den Kriterien der Gerechtigkeit und der wirtschaftlichen Vernunft gleichermaßen gerecht würde, dabei rechtsstaatlich gesicherte Verfahren anwendend. Niemand in Simbabwe, auch nicht die weißen Bauern selbst, bestreitet die Notwendigkeit einer Landreform. Alle beteiligten Kräfte sind bereit, am Verhandlungstisch eine politisch und wirtschaftlich akzeptable Lösung herbeizuführen.

In Wirklichkeit geht es Mugabe aber gar nicht um die Landfrage. Vielmehr weiß der Präsident, seit er im Februar die Abstimmung über den von ihm willkürlich und gegen die erklärten Erwartungen der Bevölkerung manipulierten Entwurf für eine neue Verfassung verlor, dass er nicht mehr unangefochten ist, und dass die simbabwischen Wähler nicht mehr bereit sind, der Politik des wirtschaftlichen Niedergangs und der Verschwendung staatlicher Ressourcen, unter denen vor allem die arme Bevölkerung zu leiden hat, erneut eine Mehrheit zu geben. Mugabe hat erkannt, dass er unter fairen Bedingun-gen abgehaltene Wahlen nicht nur in den Städten, sondern auch in den meisten ländlichen Wahlkreisen verlieren würde. Die Menschen wollen nicht mehr das teure und opferreiche Engagement ihres Landes im Kongo, sie sind der täglichen Verschlimmerung der Korruption und der Verschwendung staatlicher Mittel für das Luxusleben der aufgeblähten Regierungsmannschaft aus der ZANU-PF überdrüssig. Wandel ist das zur Zeit am meisten benutzte Wort in Simbabwe, wo immer man den Gesprächen der Menschen lauscht.

Der Präsident, die eigenen Minister wie Schuljungen abkanzelnd, wenn sie Widerspruch wagen, hat den Menschen keine glaubwürdigen Rezepte mehr anzubieten. Er und der offensichtlich immer kleiner werdende Zirkel von Unterstützern wollen den Wandel nicht. Sie halten sich für unersetzbar, ja für unfehlbar. Weil sie aber spüren, dass sie Fehler gemacht haben und dass sie nun von der eigenen Bevölkerung für ersetzbar gehalten werden, ziehen sie zum letzten Mal alle Register der antiwestlichen und antikolonialen Rhetorik und des gewaltgeprägten Kampfes, mit denen sie vor 20 Jahren an die Macht gelangten und die sie noch einmal ausspielen wollen. Dabei ist die Landfrage in der Rhetorik der Herrschenden das wirksamste Mittel, lassen sich daran doch all die alten Parolen des Kampfes gegen Rassismus und Imperialismus anknüpfen. Mit dieser scheinbaren Legitimation wird die Gewalt gegen alle andersdenkenden Simbabwer auf dem Land und in den Städten organisiert. Wenn sie genügend Einschüchterung hervorgebracht hat, wird Mugabe einen Termin für die Wahlen verkünden. Verfassungsmäßig hat er Zeit bis zum August; wahrscheinlich benötigt er für seine Kampagne nur einige Wochen, so dass der am 15. Mai für den 24./25. Juni angekündigte Termin einhaltbar erscheint.

Der eigentliche Hintergrund: Mugabe hat es zum ersten Mal, seit er vor zwanzig Jahren an die Regierung gelangte, mit einer Opposition zu tun, die große Aussichten hat, eine Mehrheit zu gewinnen, und dies trotz des von der Regierung stärker als in jedem anderen Land der Region kontrollierten und schamlos eingesetzten Apparates der staatlichen Medien, trotz eines Wahlgesetzes, das für den Machterhalt der ZANU-PF maßgeschneidert wurde, trotz aller Möglichkeiten, welche die verschwenderische und nicht budgetierte Nutzung der staatlichen Mittel für Zwecke der Partei lässt.

Die Opposition müsste dazu 76 der 120 Wahlkreise im Lande gewinnen, denn 30 Abgeordnete des aus 150 Mandatsträgern bestehenden Parlaments werden nicht von der Bevölkerung gewählt, sondern vom Präsidenten eingesetzt. Seit dem Sieg der oppositionellen Kräfte im Verfassungsreferendum erscheint selbst diese Mehrheit für den Wandel möglich. Und deshalb sind Einschüchterung, Lüge, Mord und Hasstiraden die einzige vom Präsidenten genutzten Mittel zum Machterhalt, koste es, was es wolle.

Und es kostet Unsummen, nicht nur den Niedergang von Rechtsstaat und demokratischen Prinzipien, sondern auch - in der Folge - die rasante Zerstörung der wirtschaftlichen Ressourcen des Landes.

Da ist zunächst der Niedergang der landwirtschaftlichen Exportwirtschaft als wichtigstem Wirtschaftsbereich. Aufgrund der Besetzungen der Großhöfe kann die Tabakernte nicht wie gewohnt vermarktet werden. Der Verkauf des bereits in den Scheuern gelagerten Tabaks macht für die Bauern keinen Sinn, haben sie es doch mit einem vom Präsidenten aus Wahlkampfgründen künstlich hochgehalten Kurs der Landeswährung zu tun. Während sie den Kauf der für die Produktion notwendigen Inputs auf dem Parallelmarkt um etwa 20-25% über dem festgesetzten Kurs des Simbabwe-Dollars finanzieren mussten, erhalten sie für ihre Produkte nur Geld zur offiziellen Rate. Weil daraus ein völlig untragbares Defizit entstehen würde, halten die Bauern den Tabak zurück. Die Folge: die bisherige Tabakvermarktung liegt um über 70% unter den Durchschnittswerten der Vorjahre. Damit entfällt der zu dieser Jahreszeit wichtigste Devisenbringer für das Land. Die ohnehin auf weniger als einen Tagesbedarf geschrumpften Devisenreserven gehen weiter zurück. Treibstoffe und Energie können nicht mehr importiert werden. Eine chronische Unterversorgung ist die Folge, die ihrerseits auch die industrielle Produktion nachhaltig beeinträchtigt. Der Aktienindex in Simbabwe fiel daher in den ersten Maiwochen drastisch um über 30%. Die wirtschaftliche Rezession hat ein bedrohliches Ausmaß angenommen.

Auch die Eigenversorgung des Landes mit Nahrungsmitteln ist bedroht. Das Ausbringen des Saatgutes, vor allem für Winterweizen, ist unmöglich; der gesamte landwirtschaftliche Zyklus ist unterbrochen.

Der zweitwichtigste Faktor für die Wirtschaft, das Tourismusgewerbe, kam gleichzeitig aufgrund der Unsicherheit im Lande nahezu völlig zum Erliegen. Hotels und andere Betriebe der Branche, die in den einzigartigen Tourismusgebieten des Landes tätig sind, haben noch eine Auslastung von unter 10%, gegenüber 75-80%, die normalerweise durchschnittlich in dieser Jahreszeit erreicht wurden.

Die Besetzung der Farmen und der Mord an einigen Bauern und ihren Arbeitern schaffen nun einen Zustand, in dessen Folge sich auch andere Formen von Kriminalität und hassgeprägten Aktionen entwickeln. Berichte von Vergewaltigungen und Raubüberfällen tauchen auf und tragen zur allgemeinen Einschüchterung nicht nur bei Simbabwern, sondern natürlich auch bei Touristen und insbesondere bei potenziellen Investoren bei. In der Folge wandern ganze Betriebe und zudem gerade jene Fachkräfte ab, die das Land so sehr benötigt.

Der Präsident will nicht begreifen, dass Rechtssicherheit die wichtigste Bedingung für das Anwerben ausländischer Investitionen ist, die das an einer geringen Inlandssparleistung und hoher Auslandsverschuldung leidende Land bitter notwendig hat. Banken können und wollen in dieser Situation vernünftigerweise keine weiteren Kredite vergeben. Einerseits sind sie durch das Ausbleiben der Kreditrückzahlungen durch die Großbauern ohnehin in einer tiefen Krise, andererseits kann in Simbabwe angesichts der die wirtschaftlichen Notwendigkeiten ignorierenden Wirtschafts- und Rechtspolitik der Regierung niemand mehr Garantien für Investitionskredite übernehmen.

Hinzu kommt, dass gerade Wirtschaftsleute einem besonderen Druck der Regierung ausgesetzt sind. Geheimlisten von simbabwischen Regimekritikern kursieren, auf denen die Namen erfolgreicher einheimischer Unternehmer stehen. Weil man nicht will, dass eine offene Gesellschaft entsteht, in der Erfolg und Einfluss ohne Verbindung zur Günstlingswirtschaft der Staatspartei erarbeitet werden, müssen entsprechende Kräfte eingeschüchtert und ausgegrenzt werden. Kapital und potenzielle Investitionen liegen brach oder wandern in andere Länder in der Region, zunehmend aber auch außerhalb derselben ab.

Daraus entsteht zunehmend Schaden auch für die anderen Länder im südafrikanischen Wirtschaftsraum. Einerseits ist das allgemeine Investitionsklima in der Region durch die in Simbabwe herrschende Rechtlosigkeit im Niedergang, anderseits fällt Simbabwe auch als wichtiger und zuverlässiger Handelspartner für seine Nachbarn weg. Zugleich weiß niemand, ob sich die Vorgänge im Rahmen der Landbesetzungen in Simbabwe nicht anderenorts wiederholen können. Schon gibt es dafür Anzeichen in Südafrika und in Kenia.

Wie sensibel die umliegenden Wirtschaften darauf reagieren, zeigte sich am 10.Mai, als der durch die Krise in Simbabwe erheblich geschwächte südafrikanische Rand zum ersten Mal leicht an Wert gewann, weil Präsident Mbeki im südafrikanischen Parlament unmissverständlich klarstellte, dass sich die Verhältnisse von Simbabwe in Südafrika nicht einstellen werden.

In Malawi brachte die Regierung aus Sorge um ein mögliches Übergreifen der simbabwischen Situation eilig eine Gesetzgebungsinitiative für eine kleine Landreform ein. Darüber hinaus ist der kleine nördliche Nachbar Simbabwes, der sich aufgrund von Ressourcenarmut und hoher Bevölkerungsdichte wirtschaftlich ohnehin in einer viel schwierigeren Lage befindet, auch deshalb von der Krise in Simbabwe betroffen, weil große Mengen simbabwischen Tabaks zur Vermarktung über die Grenze nach Malawi gebracht wurden, wo sie den Preis für den malawischen Tabak, auch dort wichtigstes Exportprodukt, aber von geringerer Qualität als der simbabwische, zeitweilig stark nach unten drückten. Entsprechend deutlich fiel auch die Mahnung des malawischen Präsidenten Muluzi an Staatschef Mugabe aus, die Krise in Simbabwe durch Dialog und im Rahmen rechtsstaatlicher Bedingungen zu lösen.

Selbst die Führer Botswanas, des ökonomisch deutlich potenteren südlichen Nachbars Simbabwes, zeigen sich in klaren öffentlichen Stellungnahmen besorgt über die Zunahme des Flüchtlingsstroms in ihr Land und über das negative Image, welches die Krise in Simbabwe für die ganze Region bewirkt.

In der Tat bildet Simbabwe, geographisch und historisch bedingt, einen Knotenpunkt im südlichen Afrika. Wichtige Handelswege und Entwicklungskorridore können ohne Stabilität in Simbabwe nicht einwandfrei funktionieren. Länder wie Mosambik und Sambia werden unweigerlich wirtschaftlich negative Folgen zu verkraften haben, wenn sich in Simbabwe nicht bald eine Lösung findet.

Die teils heftige, teils besonnene Kritik von Führern einiger Oppositionsparteien im südlichen Afrika - DTA (Namibia), RENAMO (Mosambik), NNP und DP (Südafrika) - machen deutlich, wie groß die Sorge in der ganzen Region ist. Demonstrationen von Freunden Simbabwes in London und in Kapstadt belegen ebenfalls, wie alarmierend sich die Situation für viele Beobachter darstellt. Und die in einem offenen Brief der kenianischen Anwaltskammer vom 11. Mai an Präsident Mugabe geäußerte Kritik lässt ebenfalls nichts an Deutlichkeit und Klarheit vermissen.

In dieser Lage schauen deshalb viele vor allem auf die Regierung Südafrikas, der zentralen Macht im südlichen Afrika und auf seinen Präsidenten Mbeki. Dieser hat einen lange geplanten Staatsbesuch in Simbabwe abgesagt, und auch seine Äußerungen zur Situation, zuvor von Vorsicht und afrikanischer Solidarität geprägt, werden deutlicher. Die Probleme, die Mbeki zur Zeit mit der Gewerkschaftsbewegung im eigenen Land hat, tragen aber sicherlich nicht zu seiner Entschlossenheit bei, in der aus einer Gewerkschaftsbewegung entstandenen großen simbabwischen Oppositionspartei MDC die einzige solide Option für die Zukunft zu sehen. Es scheint, als setze man in Südafrika noch immer auch auf die Erneuerungskraft innerhalb der ZANU-PF. Außerdem hat die Landfrage in Südafrika ein noch größeres explosives Potenzial als in Simbabwe. Dessen sind sich die Verantwortlichen sehr bewusst.

Angesichts dieser schwierigen Ausgangslage für Thabo Mbeki und aufgrund der offensichtlichen Unmöglichkeit für den Westen, mit Appellen an die Vernunft Mugabes durchzudringen, wird es immer deutlicher, dass nur in der Ermöglichung baldiger relativ frei und fair verlaufender Wahlen ein nächster Schritt zur Lösung der Krise liegt. Da aber Mugabes Politik der gewaltsamen Einschüchterung der Wähler in ländlichen Gebieten und in den städtischen Randbezirken am Ende doch dazu führen muss, tatsächlich eine gewisse Mutlosigkeit bei vielen Bürgerinnen und Bürgern zu bewirken, die ja bereits massiv unter der schwierigen sozialen Lage im Lande leiden, werden sich die Bemühungen darauf konzentrieren müssen, durch exakte und massive Beobachtung des Prozesses, entsprechende Berichterstattung und nicht nachlassenden diplomatisch-politischen Druck zur Lösung der Krise beizutragen. Nur so wird auch der bisher geradezu vorbildlich zurückhaltenden Opposition die notwendige Rücken-deckung gegeben werden können, um ihren sachlich und argumentativ geführten Kampf für einen Wandel im Land durchzuhalten.

Ein Wahlboykott der Opposition, begründet in der Sorge um menschliches Leben und bereits einmal vom Oppositionsführer als mögliche Option angedeutet, wäre zur Zeit der wohl größte denkbare Rückschlag für Simbabwes Demokratieprozess. Ohne entschiedene Unterstützung von außen und allein gelassen mit dem Machtapparat des Präsidenten, kann aber die Opposition in Simbabwe ihren Kurs nicht durchhalten.

Auch die Hoffnung , dass die bekannte Zunahme innerparteilicher Kritik in der Regierungspartei öffentlich ausgedrückt wird, was eine ganz bedeutende Veränderung der Gesamtlage bewirken würde, kann nur durch hohe und konsequente internationale Präsenz genährt werden.

Im Moment ist Robert Mugabe nur zu verbalen Zugeständnissen bereit. Er verhandelt über gewaltfreie Lösungen, lässt aber die Besetzungen von Farmland weitergehen. Zuletzt wurde am 13.Mai offenbar der Hof des früheren Rhodesienpremiers Ian Smith eingenommen - eine Maßnahme, die nicht gerade friedensfördernd wirkt. Und am gleichen Tag wurde ein friedlicher Marsch der Opposition für gewaltfreie Wahlen schon im Vorfeld von Schlägertruppen der Regierungspartei verhindert. Die Polizei zeigte sich dabei keineswegs auf der Seite des Rechtsstaates. Niemand hält zur Zeit mäßigende Statements von Präsident Mugabe für glaubwürdig. Zu häufig hat er Versprechen gebrochen, zu deutlich zeigt er, dass er nur noch am nackten Machterhalt interessiert ist.

Für viele im Westen ist die Lage in Simbabwe Grund zur Bestätigung der These, dass Afrika unbelehrbar und nicht in der Lage ist, mit seinen eigenen Problemen auf politischem und auf wirtschaftlichem Gebiet fertig zu werden. Und in der Tat kann man, auf der Basis einer verantwortungsbewussten wirtschaftlichen Analyse und angesichts der politischen Konstellation, z.Zt. niemandem zu Investitionen in Simbabwe raten. Zu unsicher ist die jetzige Phase des Demokratieprozesses.

Aber diese Bewertung der bitteren Situation, zu deren wirtschaftlicher Aufarbeitung es sicher vieler Jahre bedarf, greift dennoch viel zu kurz, denn auch die folgenden Beobachtungen stehen ja für die gegenwärtigen Veränderungen in Simbabwe.

Wer vor 3 Monaten vorausgesagt hätte, dass im Mai 2000 eine massive politische Bewegung dieses sonst manchmal schläfrig wirkende Land prägen würde, dass politisches Interesse nicht nur beim Hochschullehrer, sondern auch beim Bauarbeiter, bei der Hotelangestellten, ja selbst bei der Landbevölkerung deutlich spürbar ist, dass unter normalen Bedingungen ein Wahlkampf das Land beherrschen könnte, dessen Ausgang mit Sicherheit ein deutliches Zeichen zum Aufbruch wäre und der daher an Spannung nichts zu wünschen übrig lässt, den hätte man für einen Afrika-Sentimentalisten gehalten. Simbabwe ist eindeutig in einer Transformations-phase und die Bewusstseinslage wandelt sich rasant. Die Mehrzahl der Simbabwer ist bereit zu diesem Wandel, unter Inkaufnahme der mit ihm verbundenen Probleme.

Es ist erstaunlich, wie viele Simbabwer sich trotz der massiven Bedrohung weiter offen für die Ziele von Rechtsstaat, Verfassungsreform und Demokratie einsetzen. Bei einer Diskussionsveranstaltung zur Programmatik verschiedenster Oppositionsgruppierungen am 11.Mai in einem der großen Hotels Harares füllten über 700 Menschen den Saal und diskutierten engagiert und sachbezogen über die Bedingungen zum Neuaufbruch. Ähnliches wiederholt sich ständig an verschiedenen Orten des Landes.

Und bei diesem Willen zur Veränderung sind keine rassischen Grenzen erkennbar, wie es Mugabes diabolische Rhetorik glauben machen will. Vielmehr arbeiten in allen Gruppierungen der Zivilgesellschaft ebenso wie in den Parteien weiße und schwarze Simbabwer eng und vertrauensvoll zusammen.

Es gibt eine Opposition mit einem durchdachten und von gut ausgebildeten Experten vertretenen Programm. Deren inhaltliche Aussagen zur Wirtschaftslage, zur Verfassungsfrage, zur Landreform, zum Wahlrecht, zu den schwierigen Problemen im Gesundheits- und Bildungsbereich kommen in der öffentlichen Berichterstattung viel zu kurz. Es scheint manchmal, als sei es besonders den westlichen Medien nur an einer massiven Krisenberichterstattung gelegen. Es liegen aber konstruktive simbabwische Lösungsmodelle für die Krise vor, sie werden nur nicht ernst genommen, und das, obwohl sie vertreten werden von einer Schicht brillanter, der Globalisierung gewachsener Analytiker und Politiker.

Auch darf nicht übersehen werden, dass immer noch die Gerichte des Landes funktionieren. Alle im Rahmen der Krise getroffenen Urteile waren sachbezogen und rechtskonform. Meist wurden sie übrigens von schwarzen Richtern gefällt.

Und auch in Simbabwe erweist sich wieder einmal: die Kirchen, angeführt von simbabwischem Klerus, bleiben stabile Faktoren. Zwar reagieren sie gelegentlich langsam, dafür aber überlegt, sensibel, in sachkundiger und verantwortungsbewusster Weise. Ihre Aussagen sind eindeutig und uniform: der gegenwärtige Kampf darf nicht auf-, den Einschüchterungskampagnen nicht nachgegeben werden. In der jetzigen Situation liegt, so die Kirchenführer, die Saat für das neue Simbabwe.

Die Demokratiebewegung in Simbabwe ist trotz andauernder Provokation bisher ruhig, besonnen und weitestgehend gewaltfrei geblieben.

Der regionale Staatenbund SADC reagiert achtsamer, sachgerechter und am Ende wahrscheinlich effizienter als erwartet. Zwar wird Mbeki, Nujoma und anderen prompt Prinzipienlosigkeit vorgeworfen. Prinzipien aber zeichnen sich dadurch aus, dass sie Geltung außerhalb des kurzfristigen Interesses der internationalen Medienwelt beanspruchen. Und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass forsche öffentliche Stellungnahmen zur Zeit in der Region eher einen Flächenbrand, letztlich verursacht von der Hassrhetorik Mugabes, zur Folge haben würden, als dass sie zu konstruktivem Aufbruch führten. Dass die regionalen Märkte sensibel auf die Krise in Simbabwe reagieren, zeigt nachgerade, dass national oder gar auf ethnischem oder regionalem Niveau angesiedelte Verrücktheiten eben keinen Platz mehr haben - auch nicht in Afrika. Die Führer der SADC kalkulieren dies ein.

International kommt mutige Unterstützung für die Veränderungsbemühungen in Simbabwe gerade von afrikanischen Demokraten. Bereits jetzt nehmen regionale Wahlbeobachter entschlossen die Herausforderung an, welche die Situation in Simbabwe darstellt.

Und schließlich: neben erstarkenden, programmatisch soliden und Rechtsstaatlichkeit und die Einhaltung der demokratischen Verfahren in den Vordergrund stellenden Parteien gibt es in Simbabwe auch eine wache, unsentimentale, aktive, kritische, aber zugleich eigenständige und auf afrikanische Lösungen setzende Zivilgesellschaft. Diese hat sich innerhalb weniger Wochen zu Netzwerken formiert, die zwar internationale Unterstützung erhalten, deren Antriebskraft aber eigene feste Überzeugung und Mut zur prinzipientreuen Wahrnehmung ihrer Aufgabe sind. Dabei beobachten sie im übrigen die Opposition ebenso genau wie die Regierung. Die Existenz dieser Gruppen ist eine wichtige Voraussetzung für den Fortgang des Wandlungsprozesses auch in Zukunft, wie schnell oder langsam, mit welchen Brüchen und Schwierigkeiten, Erfolgen und Rückschlägen er auch immer verlaufen wird.

Und es gibt Intellektuelle, die an Lösungen für die langfristigen Probleme arbeiten. Gerade erst wurde in Simbabwe ein Institut für die Aufarbeitung rassischer und ethnischer Konflikte gegründet, ein wichtiger Beitrag zu einer langfristigen Versöhnungsinitiative im Land, welche die Hasstiraden des jetzigen Präsidenten hinter sich lässt. Gleiches gilt für die solide und engagierte Arbeit der simbabwischen Abteilung von Transparency International, die wesentliche Beiträge zur Bekämpfung der Korruption erarbeitet.

An der Krise in Simbabwe gibt es nichts zu beschönigen, im Gegenteil: sie stellt, was ihre kurzfristigen Folgen angeht, Anlass zu tiefer Sorge dar. Aber der gegenwärtige Ablauf der Dinge ist Bestandteil eines unaufhaltsamen Gesamtprozesses. Auch freie und faire Wahlen wären dabei kein Endpunkt, sondern nur ein allerdings wesentlicher Bestandteil. Viele weitere politische und wirtschaftliche Krisensituationen werden auch in Zukunft entstehen.

Es kann aber nicht bestritten werden, dass nach den Demokratiebewegungen in Benin und Mali, in Senegal und Ghana, in Malawi und Südafrika, die, neben anderen, alle bereits erhebliche Fortschritte im Demokratieprozess bewirkt haben, nun gerade der entschiedene Wille vieler Simbabwer, ein neues und demokratisches Land zu schaffen, einschließlich der darin liegenden Provokation für den unbelehrbaren Diktator, die krisenhafte Dimension des gegenwärtigen Simbabwe hervorgebracht hat.

Und das wirtschaftliche Potenzial Simbabwes gibt genügend Grund, nach der Lösung der politischen Krise auch neue wirtschaftliche Chancen erwarten zu können.

Wer weiß, mit wie viel Mühe und Opfern Rechtsstaat und Demokratie, Meinungsfreiheit und Pluralismus, Marktwirtschaft und eine solide Sozialpolitik in anderen Ländern und auf anderen Kontinenten erkämpft wurden, hat daher kein Recht, den jetzigen Zustand Simbabwes zum Anlass für Resignation und Afropessimismus zu nehmen. Vielmehr sollte gerade jetzt und in den kommenden Jahren zunächst die Solidarität der Demokraten und später auch der Unternehmergeist ausländischer Investoren für Simbabwe zum Tragen kommen. Manuskript abgeschlossen am 15.05.2000

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