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„Grundsätzlich hängt die Wahlentscheidung von drei Faktoren ab: Parteibindung, Kandidat und Sachkompetenz“, mit dieser Einleitung eröffnete Prof. Niedermayer das Stadtteilgespräch. Die ‚psychologische Parteimitgliedschaft‘, die meist in der Familie übermittelt werde, führe zu einer langfristigen Bindung an eine Partei. Diese Verbundenheit sei weniger interessegeleitet sondern eher ein Gefühl. ‚Partei ist dann Heimat‘“, so der Politikwissenschaftler. Dies sei der einzige langfristig wirkende Faktor. Die beiden anderen Faktoren wirkten beim Wähler hingegen kurzfristig. „Jeder betrachtet im Wahlkampf Sachkompetenz, Glaubwürdigkeit, Führungsqualität und Sympathie der Kandidaten und bildet daraus seine Kanzlerpräferenz, die sich in der Regel dann in die Wahl der entsprechenden Partei übersetzt.“
Weniger Parteibindung und spätere Entscheidungen
Seit Jahren beobachten Wahlforscher jedoch zwei grundsätzliche Veränderungen im Wahlverhalten der Deutschen. Erstens gingen immer weniger Menschen eine langfristige Bindung an eine bestimmte Partei ein, wodurch dem Wahlkampf eine zunehmend wichtige Rolle zukommt, um die Menschen zu überzeugen. Zweitens nehme die Gruppe jener zu, die sich erst in den letzten Tagen vor der Wahl entscheiden, ob sie wählen gehen und wenn ja, wen. „Diese Gruppe der ‚Spätentscheider‘, die dieses Mal 32 Prozent betrug, gilt es für Parteien zu mobilisieren“, so der Politikwissenschaftler.
Aber auch die Mobilisierung der eigenen Anhänger sei von entscheidender Bedeutung. „Angela Merkel konnte die eigenen Anhänger mit 96 Prozent fast komplett hinter sich versammeln, während nur drei Viertel der SPD-Sympathisanten für Peer Steinbrück stimmten.“ Wie wichtig das Ansehen des Kandidaten sein kann, belege auch die Wahltagsbefragung, der zufolge 40 Prozent der Unionswähler angaben, CDU wegen der Person Angela Merkels zu wählen und nur acht Prozent wegen der politischen Inhalte der Partei. Bei der SPD waren es hingegen nur acht Prozent, die wegen Steinbrück für die SPD votierten und 55 Prozent wegen der Inhalte.
„Um politisch glaubwürdig zu sein, müssen Parteien vor allem ihren Markenkern besetzen“, so Niedermayer. Bei der CDU sei das seit Ludwig Erhard die Wirtschaftskompetenz, bei der SPD die soziale Gerechtigkeit, bei den Grünen die Umwelt und bei der FDP die Bereiche Steuern und Mittelstand. In diesen jeweiligen Bereichen werde den Parteien die höchste Problemlösungskompetenz zugeschrieben. „Für die SPD war es ein Problem, dass sie es nicht vermochte, nach ihrem schlechten Abschneiden 2009 in den Augen der Wähler diese Kompetenz in der Zeit der Opposition zu erhöhen und von 43 auf 44 Prozent beinahe stagnierte.“ Anders bei der CDU, die in dieser Zeit beim Thema Wirtschaftskompetenz die Zustimmung von 47 auf 58 Prozent steigern konnte. „In einer Zeit, in der um uns herum die Wirtschaft lahmt, aber hierzulande lediglich zehn Prozent der Wähler angeben, ihnen gehe es wirtschaftlich schlecht, war die Ausgangslage für die regierende CDU damit besser“, so der Politikwissenschaftler.
Wie weiter?
Rechnerisch stünden nach der Bundestagswahl nun vier Regierungsszenarien zur Option: eine erneute Große Koalition, Schwarz-Grün, Rot-Rot-Grün oder eine Minderheitsregierung der Union. Richten sich die Parteien jedoch nach den Wünschen der Wähler, sieht Niedermayer lediglich eine Konstellation hoch im Kurs. "Laut Umfragen spricht sich eine Mehrheit von 58 Prozent für eine Große Koalition aus und 72 Prozent sind gegen eine Minderheitsregierung."
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