Prof. Oskar Niedermayer, Parteien- und Wahlforscher an der Freien Universität Berlin, sieht nach der Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden die Spaltung der Partei fortbestehen. Das sagte er bei einem Facebook-Live-Gespräch des Politischen Bildungsforums Brandenburg am 18. Januar 2021. Allerdings geht er nicht von stärkeren Absetzbewegungen aus der Union heraus aus. Ebenso gibt er einer neuen Parteigründung keine Chance, weil die es erfahrungsgemäß sehr schwer hätte, Fuß zu fassen.
Der neue CDU Vorsitzende, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, müsse allerdings - und wolle das nach eigener Aussage auch - die Anhänger eines Kurses der Kontinuität, die ihn gewählt hätten, und die eines Aufbruchs, die Merz unterstützten, durch inhaltliche Angebote und Köpfe in seinem Personaltableau integrieren. Nach Ansicht vieler Beobachter, zu denen sich Niedermayer auch selbst zählt, sei unter der Parteivorsitzenden Angela Merkel die Balance zwischen den inhaltlichen Säulen der Union, der christlich-sozialen, der wirtschaftsliberalen und der konservativ-rechtsstaatlichen „verrutscht“. Bei der Kernkompetenz der Union, der Wirtschaftspolitik, sei die Partei sozialdemokratischer geworden, in der Gesellschaftspolitik „ergrünt“. Thematisch hält der Parteien- und Wahlforscher deshalb vor allem eine „Revitalisierung“ in der Wirtschaftspolitik, eine klare Kante in der Steuerpolitik und bei der Sicherheitspolitik für angezeigt sowie ein eigenständiges Profil bei den Zukunftsthemen Klima und Digitalisierung. Niedermayer rechnet damit, dass nach einem Abflauen der Corona-Pandemie im Sommer wieder andere Themen mit Kraft nach oben kommen werden, darunter die Frage, wie es wirtschaftlich weiter gehe, und unter Umständen auch wieder die Flüchtlingsfrage. Da brauche die Union klare Positionen und Perspektiven.
Sinnvoll wäre es vor diesem Hintergrund gewesen, laut Niedermayer, wenn sich Friedrich Merz ins Präsidium der CDU hätten wählen lassen, um aus dem Führungsgremium der Partei heraus gerade den wirtschaftspolitischen Markenkern und die Zukunftskompetenz der CDU zu stärken - auch im Hinblick auf die kommenden Landtagswahlen und ein neues Kabinett nach den Bundestagswahlen. Mit seinem „vergifteten Angebot“, bereits jetzt als Wirtschaftsminister in die Regierung einzutreten, habe Merz diese Chance einer gemeinsamen Aufstellung zunächst einmal vertan. Aber mit Blick zum Beispiel auf ein zukünftiges Schattenkabinett blieben Möglichkeiten dennoch offen.
Für eine Kanzlerkandidatur Laschets hält Niedermayer fünf Bedingungsfaktoren für entscheidend: 1. die Geschlossenheit der CDU, was eine Einbindung von Merz und seiner Unterstützer voraussetze; 2. ein Führungsprofil mit dem der CDU-Vorsitzende sein Zauderer-Image ablege und 3. ein eigenes Profil neben der Bundeskanzlerin gewinne; 4. akzeptable Wahlergebnisse bei den Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Mitte März sowie 5. ansprechende Umfragewerte. Wenn dagegen Markus Söder zum Kanzlerkandidaten auserkoren würde, müsste die CDU ihm diese Kandidatur schon geschlossen antragen.
Um als Kandidat der Kontinuität dennoch eine Aufbruch-Stimmung zu erzeugen, geht Niedermayer davon aus, dass Armin Laschet sich vor allem auf die Zukunftsaufgaben und die Zukunftskompetenz der Union konzentrieren werde. Während die Grünen wahrscheinlich mit der jungen Spitzenkandidatin Annalena Baerbock versuchen würden zu punkten, könnten CDU und CSU auf eine größere Stammwählerschaft bauen, auf ein breiteres Personaltableau erfahrener Politiker sowie auf ihre spezifische Themenkompetenz, was ihr die Kanzlerschaft sichern sollte. Erfolg könne die Union aber nur gemeinsam und geschlossen haben.
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