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Etwas komplizierter sieht es mit der Therapie aus. Offenbar scheint es kein Patentrezept zu geben, wie immer komplexer werdenden politischen Prozessen, überzogener Erwartungshaltung beim Wähler und einer immer egoistisch und ängstlicher werdenden Gesellschaft begegnet und Nähe wiederhergestellt werden kann. Zu diesem Ergebnis könnte man zumindest kommen, wenn man dem intensiven und hochkarätig besetzten ersten Tag der „9. Internationalen Konferenz für Politische Kommunikation“ der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin zugehört hat. Experten aus Norwegen, Schweden und Frankreich berichteten von ihren Erfahrungen und versuchten sich als Mutmacher.
Falter: "Brauchen verändertes Wahlsystem"
Zunächst aber oblag es den Politikwissenschaftlern Prof. Jürgen Falter und Prof. Hanspeter Kriesi etwas, wie Falter es ausdrückte, „empirisches Wasser in den normativen Wein zu kippen“. Er brauchte nur wenige Zahlen, um ein düsteres Bild von der Zukunft der Volksparteien zu zeichnen: Bei der vergangenen Bundestagswahl wählten laut Statistik nur noch 40 Prozent der Wahlberechtigten CDU, CSU oder SPD. Im Gegensatz zu den 70er Jahren ist dieser Wert um 30 Prozent gesunken und wird weiter nach unten gehen. Neben dem Wegbrechen der traditionellen Milieus gab Falter dem bestehenden Wahlsystem die Hauptschuld daran. Laut Falter produziert ein Fünf- bis Sechsparteiensystem Verdrossenheit, weil Koalitionen unkalkulierbar werden. Ausdruck dessen seien die Großen Koalitionen 2005 im Bund oder die wahrscheinliche im jetzigen Berliner Abgeordnetenhaus. Die Wunschkonstellation des Wählers sei beide Male eine andere gewesen. Falters Empfehlung ist denn auch folgerichtig: „Wir brauchen ein verändertes Wahlsystem bei einer gleichzeitigen Stärkung der direkten Bürgerbeteiligung.“
Kriesi wirbt für Volksabstimmungen
Wer wissen will, wie so etwas aussehen kann, muss gar nicht weit blicken. Die Schweizer setzen bereits seit 1521 auf das Element der Volksabstimmung. Kein Wunder also, dass Kriesi in der direkten Demokratie eine große Chance für die Parteien sieht, müssten sich diese dann in der öffentlichen Debatte doch klar positionieren und würden dadurch stärker wahrgenommen werden. Kriesi gab den Volksparteien eine Mitschuld an ihrem Niedergang. Anliegen und Probleme der Wähler würden oftmals nicht wahrgenommen. Am Schlimmsten aber sei, dass die Rahmenbedingungen für die Politik und ihre Akteure immer schwieriger würden. Handlungsspielraum schrumpfe, weil internationale Stakeholder und Europa die nationale Agenda diktierten. So ist ein Staat wie Griechenland längst nicht mehr Herr seiner Wirtschaftspolitik. Stattdessen bestimmt die Troika, wohin die Reise geht.
Norwegen: Erfolgreich trotz Krise
Auch in schwierigen Situationen und Krisen der eigenen Linie und den eigenen Inhalten treu bleiben, Lösungen anbieten und nicht immer nur den politischen Gegner zu kritisieren – diese Mixtur verabreichten Nikolai Astrup, Parlamentsabgeordneter der konservativen Høyre-Partei in Norwegen und ihr Kommunikationsleiter, Sigbjørn Aanes dem Patienten. Obwohl die Anschläge von Oslo und Utoya Ende Juli 2011 den laufenden Kommunalwahlkampf in Norwegen jäh unterbrachen und es kurzzeitig so aussah, als würden die Sozialdemokraten einen Erdrutschsieg einfahren, sah das Ergebnis dann ganz anders aus. Høyre konnte knapp neun Prozent zulegen und lag mit 27,9 Prozent nur knapp hinter der Arbeiterpartei. Lohn für einen langen Atem: Denn bereits fünf Jahre zuvor hatte sich die Parteiführung für einen scharfen Strategiewechsel entschieden. „Der Wähler hatte genug von politischer Zänkerei. Was seitdem für uns zählt, sind die Probleme der Menschen“, so Aanes und ergänzte: „Wir bieten echte Lösungen für echte Probleme.“ Immerhin räumte er ein, dass das schon sehr einfach klingt. Aber wer Erfolg hat, ist wohl im Recht.
Schweden: Von der Rechts- zur modernen Mitte-Rechts-Partei
Geht es nach Per Schlingmann, Staatssekretär im Büro des schwedischen Ministerpräsidenten, ist Vertrauen die Medizin, die dem Patienten Volkspartei am ehesten hilft. Er muss es wissen, gelang doch der „Moderaterna“, also den Konservativen, Historisches. Erstmalig in Schwedens Geschichte wurde eine Regierung im Amt bestätigt. Ähnlich wie bei den Kollegen in Norwegen, war Ausgangspunkt für diese Erfolgsgeschichte ein Neustart. Gaben der Partei 2002 gerade noch 15 Prozent der Wähler das Vertrauen, so waren es acht Jahre später 30 Prozent. Die Partei erfand sich neu, was sich nicht nur im Namen niederschlug. Die „Neuen Konservativen“ entwickelten sich von einer alten Rechts- hin zu einer modernen Mitte-Rechts-Partei. Entscheidend sei gewesen, so Schlingmann, dass „wir nicht mehr auf die Sozialdemokraten geblickt haben, sondern auf Schweden und auf uns.“ Ein enger Wählerkontakt, der wöchentliche Visiten von Ministerpräsident Fredrik Reinfeld in der Region, einschließt, sowie die Zusammenarbeit mit anderen Parteien und eine neue Perspektive auf die Gesellschaft hätten in die Erfolgsspur zurückgeführt.
Videomitschnitte der Konferenz finden Sie auf der rechten Spalte dieser Seite.
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