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Martin Reuber

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Stresstest für die liberalen Demokratien

Argumente gegen die totalitäre Versuchung

Was ist an den Vorwürfen gegen die liberalen Demokratien, sie seien nicht effizient genug und zu langsam, dran? Sind die autoritären politischen Modelle den Demokratien tatsächlich überlegen?

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Dem britischen Kriegspremier Winston Churchill wird das Wort zugesprochen, dass die Demokratien die schlechteste aller Staatsformen sei, mit Ausnahme aller anderen. Mit diesem Gedanken kann man den stillen Konsens einer Online-Diskussion beschreiben, die sich mit den Vorwürfen auseinandersetzte, die aus der Mitte pluralistischer Gesellschaften zuweilen gegen die Demokratie erhoben werden.

Anlass der Online-Diskussion des Büros Bundesstadt Bonn am 13. Dezember 2022 mit dem frisch ins Amt gewählten JU-Vorsitzenden Johannes Winkel und dem Politikchef des Brüsseler Think Tanks „Wilfried Martens Centre für European Studies“ Dr. Peter Hefele über den „Stresstest der liberalen Demokratien“ war der „Gipfel der Demokratie“, den Joe Biden vor einem Jahr, am 9./10. Dezember 2021, aus der Taufe gehoben und dazu weltweit die Staats- und Regierungschefs der Demokratien eingeladen hatte. 

Nachdem der Westen aufgrund der Zeitenwende 1989/1990 zu selbstsicher geworden sei und sein politisches Modell der liberalen Demokratie weithin als alternativloses Vorbild anerkannt wurde, fehle es ihm in der aktuellen Systemrivalität mit China nunmehr zuweilen an Selbstbewusstsein, so Johannes Winkel.

Beide Gesprächspartner betonten, dass die Stärke der liberalen Demokratie darin liege, immer wieder eine Balance zwischen Werten und Interessen, Rechtssicherheit und Effiziens, Vielfalt und Orientierung herzustellen. Der entscheidende Vorzug des liberalen politischen Modells liege in der Bindung des Staates an Grundwerte (Rechtsstaat), der Partizipation und Repräsentation des Volkes, dem Schutz von Minderheiten vor Übergriffen der Mehrheit und einem Mechanismus der Selbstkorrektur (demokratische Wahlen) fehlerhafter Entscheidungen.

Die in der Öffentlichkeit immer wieder hervorgehobene Schnelligkeit von Entscheidungen in autoritären Systemen stellten beide in Frage. Sie verwiesen auf die Anpassungsfähigkeit liberaler Demokratien. Dadurch würden die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernster genommen. Autoritäre Regierungen reagierten auf veränderte gesellschaftliche Verhaltensweisen zur Sicherung der Macht mit der gewaltsamen Unterdrückung von Demonstrations-, Meinungs- und Pressefreiheit. Auch wenn China gelernt habe, Richtungsänderungen, wenn sie unausweichlich seien, vorzunehmen – erinnert sei an die jüngste 180-Grad Kehrtwende aufgrund der Proteste gegen eine rigide No Covid-Strategie – so fielen diese immer unvermittelt und intransparent aus, wie Peter Hefele betonte. Wie die aktuell stark ansteigenden Infektionszahlen in China belegen, gerieten bei einer überhasteten Anpassung der Politik die Folgen für viele Menschen aus Sorge vor dem Machtverfall der Regierung aus dem Blick. 

Die Missachtung der Freiheitsrechte, so die feste Hoffnung von Johannes Winkel, bleibe auf lange Sicht ein entscheidender Nachteil Chinas gegenüber der liberalen Demokratie. Allerdings erinnerte er die Politik daran, dass die Demokratien sich auf diese Erwartung nicht verlassen sich damit nicht herausreden dürften. Um die Glaubwürdigkeit in den Augen der Wählerinnen und Wähler nicht zu verlieren, müssten Staat und Politik an einer Beschleunigung von Verfahren und politischen Entscheidungen sträker und sichtbarer arbeiten. Peter Hefele fügte hinzu, dass gerade eine christlich demokratische Politik mit ihren Vorrang problem- und bürgernaher Entscheidungsfindung (Grundsatz der Subsidiarität) freiheitserhaltende und passgenauere Antworten auf die Herausforderungen der Gegenwart geben könne - aber eben auch müsse.

Immer wieder wurde der Vorwurf erhoben, dass die Dauer der Wahlperioden in den Demokratien den Blick auf langfristige Probleme wie den Klimaschutz verstellten. Regierungen, die sich hingegen nicht in regelmäßigen Abständen dem Wählervotum stellen müssen, weisen nach der Überzeugung beider Gesprächspartner aber keine erfolgreichere Bilanz im Klimaschutz auf. Das Gegenteil sei vielmehr der Fall. Außerdem müsse der Preis für politische Entscheidungen, die angeblich „schnell“ getroffen wurden, offen und öffentlich genannt und in den Blick genommen werden. „Angeblich“, weil wir von Außen nicht hinter die sorgsam vor der Öffentlichkeit abgeschirmten Abstimmungsprozesse hinter den Kulissen autoritärer Regierungen blicken könnten, so Peter Hefele, der viele Jahre für die Konrad-Adenauer-Stiftung in China und Hong Kong tätig war. Die Ergebnisse politischer Entscheidungen würden vermeintlich „schnell“ getroffen, weil sie ohne Beteiligung der Öffentlichkeit und der von den Entscheidungen Betroffenen gefällt würden und sich am Ende alleine auf die Durchsetzungsgewalt des Staates und die Kontrolle der Medien stützten. „Schnelle“ Entscheidungen können eben auch in die falsche Richtung gehen und brauchten entweder wegen fehlender Wahlen sogar mehr Zeit zur Korrektur oder nähmen umgekehrt eine Korrektur geradezu umsturzartig vor, wie das aktuell in china zu beobachten ist.

Auch „effizient“ könnten Entscheidungen autoritärer Regierungen nur in einem sehr oberflächlichen Sinne bezeichnet werden. Politische Beteiligung und rechtliche Garantien stehen eben nicht in Konkurrenz zur wirtschaftliche Effizienz.

 

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Prof. Dr. Martin Reuber

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Referent Europa- und Bildungspolitik, Büro Bundesstadt Bonn

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