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„Die EU ist für die Ukrainer ein großes Vorbild“

Pöttering zur Situation in der Ukraine

Im Interview mit der Braunschweiger Zeitung äußert der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Dr. Hans-Gert Pöttering, seine Annahme, dass sich die Ex-Sowjetrepublik der EU annähern wird.

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Wie ordnen Sie die aktuellen Ereignisse in der Ukraine ein?

Ich bin glücklich darüber, dass das autoritäre Regime gestürzt worden ist. Für mich ist die Hauptbotschaft, dass die Europäische Union, die ja bei uns in Deutschland und in anderen Mitgliedsländern oft als unzulänglich beschrieben wird, bei den Menschen in der Ukraine ein großes Vorbild ist. Die EU ist eine Wertegemeinschaft, die sich auf der Würde des Menschen, auf Demokratie, auf Freiheit und Rechtsstaatlichkeit gründet. So erscheinen wir bei den Menschen in der Ukraine. Das ist eine wunderbare Botschaft.

Wie bewerten Sie die Rolle der Bundesregierung?

Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier machen das sehr umsichtig und ausgewogen. Sie sagen klar, dass die Zukunft der Ukraine in einer Demokratie liegt. Dieser Prozess sollte sich friedlich gestalten. Die Bundesregierung und die EU üben aber keinen geo- oder machtpolitischen Druck aus. Die Ukraine muss ihre zukünftige Rolle selbst bestimmen. Das sage ich gerade auch mit Blick auf unser partnerschaftliches Verhältnis zu Russland. Angela Merkel hat mit der ukrainischen Oppositionellen Julia Timoschenko, aber auch mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin telefoniert.

Wir erleben eine EU, die sich deutlich mehr einmischt als gewohnt. Ist die Ukraine eine Art Testfeld?

Die Ukraine ist ein bedeutendes Beispiel dafür, dass wir uns für unsere Werte und Interessen einsetzen, beides gehört zusammen. Wir müssen, vor allem in unserer Nachbarschaft, mehr Verantwortung übernehmen. Wir dürfen auch den Nahen Osten und Nordafrika nicht aus den Augen verlieren. Gerade auch deswegen, da sich die USA hier ein Stück zurücknehmen.

Wie geht der Machtkampf um die Ukraine zwischen Russland und der EU aus?

Ich glaube, dass sich am Ende die demokratischen Werte durchsetzen werden. Und die EU ist eine Wertegemeinschaft. Russland hat starke autoritäre Strukturen. Das Oligarchen-System ist ausgeprägt, die demokratischen Defizite sind nicht von der Hand zu weisen. Wir sollten aber nicht auf eine Konfrontation mit Russland aus sein. Das könnte zu Reaktionen führen, die wir nicht wollen. Am Ende müssen die Ukrainer über ihre Zukunft selber entscheiden. Es gilt aber auch: Die staatliche Souveränität der Ukraine darf nicht zur Disposition gestellt werden. In der jetzigen angespannten Lage rufe ich alle Seiten zu Augenmaß und Verantwortung auf.

Bei den Bürgern wirkt solch ein Verhalten zögerlich. Unser Leser Kurt Schlüter aus Vordorf fragt: Warum wird die EU als globaler Akteur immer weniger wahrgenommen?

Die Entwicklung in der Ukraine beweist eher das Gegenteil. Wir haben ja noch die Worte der US-Diplomatin Nuland im Ohr („Fuck the EU“, Anm. d. Red.). Wir hätten alle Berechtigung gehabt, diese Bemerkung zu erwidern. Da wir als Europäer aber einen gewissen Anstand haben, tun wir das gegenüber unseren amerikanischen Freunden nicht. Bei der Ukraine hat die EU ihre Handlungsfähigkeit bewiesen. Ich würde mir aber wünschen, dass wir innerhalb der EU gerade im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sehr viel stärker mit einer Stimme sprechen.

In drei Monaten ist Europawahl. Die Kandidaten sind weitgehend unbekannt, das Parlament ist weit weg. Warum lassen sich die Menschen so wenig für Europa begeistern?

Ich erwarte keine Begeisterung, aber eine Aufgeschlossenheit für eine europäische Politik, die immer wichtiger wird und Auswirkungen auf unser tägliches Leben hat. Ich weiß, dass Europaabgeordnete weniger bekannt sind als Bundestagsabgeordnete. Ich bin deshalb froh, dass die CDU mit David McAllister einen bekannten Spitzenkandidaten hat, der ein überzeugter Europäer ist. Es ist Aufgabe aller Parteien, aber auch der Medien, die Bedeutung der Wahl am 25. Mai darzustellen.

Ist es nicht paradox, dass der Einfluss des Europaparlaments immer mehr zugenommen hat, in gleichem Maße aber die Wahlbeteiligung zurückgegangen ist?

Das ist eine bedauerliche Entwicklung, weil die Menschen die Bedeutung der europäischen Politik geringer einschätzen. Ein Grund liegt auch darin, dass jedes Detail, das kritikwürdig ist, als wichtiger erachtet wird als das große Positive der Europäischen Union. Ich hoffe aber gleichwohl, dass etwa die Verschuldungskrise und die Stabilität des Euro verdeutlichen, wie wichtig Europapolitik geworden ist.

Müsste die EU nicht die eigenen Erfolge besser herausstellen – trotz aller berechtigten Befürchtungen um den Euro?

Eindeutig ja. Ich habe das große Privileg, seit 1979 dem Europäischen Parlament anzugehören – als mittlerweile einziger. Am 1. Juli scheide ich aus. Man muss sich nur mal vorstellen, wie Europa 1979 aussah: Deutschland geteilt, Europa geteilt. Wir haben heute einen freien Reiseverkehr von Tallinn bis nach Lissabon, von Warschau bis zum Atlantik. Das sind Entwicklungen, auf die man immer wieder hinweisen muss.

Die Verhältnisse innerhalb der EU sind unterschiedlich. Unser Leser Helmut Käss aus Braunschweig fragt: Wie bekommen wir die extreme Jugendarbeitslosigkeit im Süden Europas in den Griff?

Der Schuldenabbau muss verbunden werden mit Impulsen für wirtschaftliches Wachstum. Das geschieht zum Beispiel dadurch, dass die Banken den Unternehmen zinsgünstige Kredite geben, besonders dem Mittelstand. Das schafft Arbeitsplätze. Wir sollten Wege finden, dass jungen Menschen, die in ihrer Heimat keine Arbeit finden, temporär in einem anderen Land eine Stelle angeboten wird. Die Arbeitsmärkte müssen hierbei flexibler werden. Zum Binnenmarkt gehört nicht nur der Austausch von Waren und Dienstleistungen, sondern auch, dass sich Arbeitnehmer frei bewegen können – begrenzt auf eine bestimmte Zeit, bis die Verhältnisse in der Heimat wieder besser sind.

Welche persönlichen Bindungen haben Sie zu Europa?

Mein Vater ist im Februar 1945 gefallen. Er galt Jahre als vermisst. Ich bin im September 1945 geboren, habe ihn also nie kennengelernt. Diese Tragik war die Treibfeder dafür, dass ich mich seit meiner Jugend für die europäische Einigung und den Frieden in Europa politisch engagiere. Vor drei Jahren war ich auf einem Soldatenfriedhof in der Nähe von Stettin, wo möglicherweise mein Vater beerdigt ist. Zwei Drittel der

18.000 Soldaten, die dort liegen, sind gar nicht identifiziert. Nach dem Besuch des Friedhofs habe ich an der Universität Stettin mit jungen Polen über gemeinsame Werte gesprochen. Dieses Bewusstsein, warum wir heute in Europa hier sind, woher wir kommen, das dürfen wir nie vergessen.

Sie sollen einen besonders guten Draht zu Frankreichs Ex-Präsident Sarkozy haben.

Ich war 1999 Fraktionsvorsitzender von Nicolas Sarkozy im Europäischen Parlament. Ich habe einmal zu ihm gesagt: „Nicolas, du hast mich nicht als deinen Fraktionsvorsitzenden gewählt.“ Er darauf: „Wieso?“ Ich sagte: „Weil du nicht anwesend warst.“ Wir lachten daraufhin beide. Er schied im September 1999 aus dem Parlament aus, seitdem haben wir immer Kontakt gehalten. Im Mai 2007 war er gerade zum französischen Präsidenten gewählt worden, ich war Präsident des Europäischen Parlaments. Ich habe ihn anlässlich der Veröffentlichung meiner politischen Autobiografie gestern nach Berlin eingeladen. Er hat eine Rede über Frankreich, Deutschland und Europa gehalten.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung setzt sich international für Frieden und Demokratie ein. Welche Aufgabe kommt Ihnen dabei zu?

Mit unseren 80 Auslandsbüros unterhalten wir ein weltweites Netzwerk. Erst vergangene Woche war ich in Asien unterwegs. In Myanmar, dem früheren Birma, haben wir als Stiftung eine Vertretung eröffnet. Ich bin dort mit Mitgliedern der Regierung zusammengekommen. Beeindruckend war die Begegnung mit der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Sie wird im April Deutschland besuchen und hat mir erklärt, wie dankbar sie für das Bemühen Deutschlands ist, Myanmar beim Aufbau eines demokratischen Staates zu unterstützen. Anschließend war ich auf den Philippinen, wo wir das 50-jährige Jubiläum unserer Vertretung begangen haben. Unsere Präsenz und Demokratiearbeit dort war gerade auch während der Marcos-Diktatur sehr wichtig.

Zum Teil sind die Arbeitsbedingungen für Ihre Mitarbeiter im Ausland gefährlich.

Ja, in Ägypten haben wir negative Erfahrungen gemacht. Dort wurden zwei Mitarbeiter zu fünf und zwei Jahren Haft verurteilt, obwohl sie nur ihre Arbeit gemacht haben. Wir haben sie vorher nach Deutschland in Sicherheit gebracht. Anhänger des alten Regimes wollten vor allem amerikanische Stiftungen der Republikaner und Demokraten treffen. Da sind wir mit ins Visier geraten. Ich habe im Februar 2011 mit der damals zuständigen Ministerin gesprochen. Sie sagte: „Wir sind aber Freunde.“ Ich antwortete: „Wir sind keine Freunde. Wir können aber wieder welche werden.“ Die Gerichtsurteile bestehen weiter, deswegen können wir in Ägypten derzeit nicht arbeiten.

Und wie steht es mit der Ukraine?

Dort fördern wir die demokratischen Parteien. Wir veranstalten Seminare, wir veranschaulichen die Bedeutung einer freien Presse, wie ein Rechtsstaat funktioniert, welche Vorteile die soziale Marktwirtschaft hat. Wir machen das mit den Parteien von Vitali Klitschko und Julia Timoschenko, aber auch mit den demokratischen Kräften innerhalb der bislang herrschenden Partei der Regionen. Vor Weihnachten habe ich mit Klitschko telefoniert. Er teilt unsere europäischen Werte.

Mit freundlicher Unterstützung der Braunschweiger Zeitung. Das Gespräch Armin Maus und Andre Dolle.

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1 березня 2014
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