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DIE BEDEUTUNG DES PRIVATSEKTORS BEI DER KLIMAFINANZIERUNG IN ITALIEN
Eine der Länderstudien, die im Rahmen des UN Environment Programme (UNEP), Untersuchung der Gestaltung eines nachhaltigen Finanzsystems, durchgeführt wurden, war die Studie des „Nationalen Dialogs für nachhaltige Finanzgeschäfte Italiens”, die im Februar 2016 startete und ein Jahr danach abgeschlossen war. Der Abschlussbericht „Financing the Future” wurde vom italienischen Ministerium für Umwelt, Landschafts- und Meeresschutz (MATTM) und dem UNEP mit Unterstützung von über 100 Experten aus den Bereichen Bankenwesen, Versicherung, Kapitalmärkte und Finanzmarktaufsicht sowie von Akademikern und Vertretern der Zivilgesellschaft herausgegeben. Gemäß dem Bericht „hat Italien die strategische Gelegenheit, sein Finanzsystem auf eine nachhaltige Entwicklung auszurichten. (…) Dies kann eine umfassendere finanzielle Stabilität und langfristig eine wirtschaftliche Erholung bewirken” (UNEP, 2016).
Bei den Stakeholdern aus dem Privatsektor, die an der umweltfreundlichen Finanzreform in Italien beteiligt sind, handelt es sich um Banken, institutionelle Anleger, private Eigenkapital- und Kapitalmärkte, wobei der Unternehmenssektor eine sehr wichtige Rolle spielt. Dieser zeichnet sich in Italien durch eine überwältigende Dominanz kleiner und mittelständischer Unternehmen aus; dabei ist die Zahl kleiner Unternehmen überproportional hoch (99,9 Prozent aller Unternehmen; davon haben 95 Prozent weniger als zehn Beschäftigte). Die meisten italienischen Unternehmen (laut OECD-Daten 42 Prozent) haben sich der umweltfreundlichen Produktion bzw. umweltfreundlichen Dienstleistungen verschrieben oder fortschrittliche Umweltstandards für ihre Produktionsprozesse oder Produktgestaltung übernommen. Umweltfreundliche Investitionen der italienischen Unternehmen werden hauptsächlich aus Imagegründen und durch wirtschaftliche Aspekte vorangetrieben. Der Bedarf, die Wettbewerbsfähigkeit auf inländischen und ausländischen Märkten zu verbessern, indem die Qualität von Produkten und Produktionsmodellen gesteigert wird, beruhte auf der Kenntnis der Auswirkungen durch Umweltzerstörung und durch den Klimawandel, die von einem herkömmlichen Wirtschaftssystem verursacht werden. Trotz der Finanzkrise ist die Zahl der italienischen Unternehmen, die zwischen 2007 und 2014 im Environmental Management System(EMAS) registriert wurden, um 74 Prozent gestiegen. Andererseits beruhte der Wechsel zu einem nachhaltigen Energiesystem hauptsächlich auf dem Effekt von Richtlinien und Investitionen, die auf die Eindämmung des Klimawandels abzielen. Zum Beispiel wurde das italienische Einspeisetarifsystem, das über einen Zeitraum von 20 Jahren Anreize für Stromenergie gewährt, die durch an das Netz angeschlossene solare Photovoltaikanlagen erzeugt wird, unter der Bezeichnung „Conto Energia” bekannt, erstmals im Jahre 2005 eingeführt und seither fünfmal modifiziert. Außerdem werden Einspeisetarife auch für Elektrizität gewährt, die durch Windkraft erzeugt wird oder aus anderen Quellen stammt.
Weitere wesentliche Akteure der Privatwirtschaft in Italien sind Banken und Versicherungsgesellschaften. Das italienische Finanzsystem beruht auf Banken: Weniger als 16 Prozent der Finanzvermittler waren im Jahr 2010 von Bankkonzernen unabhängig. Die italienischen Banken sind im weltweiten Vergleich relativ klein: Die größte italienische Bank steht weltweit auf Platz 28 (UniCredit), während das größte Versicherungsunternehmen Platz acht belegt (Generali). Durch die relativ geringe Größe der Finanzakteure werden die für eine nachhaltige Entwicklung benötigten Investitionen zu einer Herausforderung. Die italienischen Banken haben zwischen dem Jahr 2007 und 2014 Kredite in Höhe von 27 Milliarden Euro für erneuerbare Energien gewährt und mehr als 22 Prozent des italienischen Versicherungsmarkts besteht aus Unternehmen, die die UN Principles for Sustainable Insuranceunterzeichnet haben.
KONKRETE INITIATIVEN
Eine der wichtigsten von Italien ergriffenen Initiativen ist das Umweltschutzgesetz, das im Januar 2015 eingeführt wurde und Ende 2017 in Kraft treten soll und dessen Geltungsbereiche nach wie vor diskutiert werden. Das Umweltschutzgesetz regelt die effiziente Nutzung natürlicher Ressourcen, den Schutz von Ökosystemen und die Finanzierung von Entwicklungsmaßnahmen, mit denen eine nationale nachhaltige Finanzstrategie strukturiert werden soll. Abgesehen vom Umweltschutzgesetz ist noch die EU-Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung, 2014/95/EU, und ihre Umsetzung in Italien durch die Gesetzesverordnung 254/2016 erwähnenswert. Unternehmen, die auf regulierten Märkten verzeichnet sind, Banken sowie große Versicherer und Rückversicherer sind verpflichtet, jährlich einen nichtfinanziellen Bericht zu erstellen, der Informationen in Bezug auf die Nutzung von Energieressourcen (erneuerbare Energien vs. nicht erneuerbare Energien), den Wasserverbrauch, Treibhausgasemissionen und die Luftverschmutzung sowie Informationen über die Auswirkung der Hauptrisiken auf die Umwelt, die mit den Aktivitäten der Unternehmen zusammenhängen, enthält.
Eine weitere wichtige Initiative wurde im Jahr 2015 vom italienischen Parlament ergriffen: Sie forderte die Regierung auf, mittels Gesetz 221/2015 eine tiefgreifende Erneuerung der nationalen Strategie für nachhaltige Entwicklung aus dem Jahr 2002 vorzunehmen. Artikel 68 sieht einen nationalen Katalog von umweltschädlichen Subventionen vor. Das italienische Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung hat in Bezug auf Subventionen einen Untersuchungsausschuss geschaffen, der einige umweltfreundliche Reformen der Fiskalpolitik vornehmen soll. Dies könnte kleine und mittelständische Unternehmen dazu bewegen, in nachhaltigere Geschäftsmodelle und Managementsysteme zu investieren und schrittweise umweltschädliche Subventionen einzustellen (geschätzt drei Billionen Euro).
In Italien gibt es ein starkes Engagement der Zivilgesellschaft für nachhaltige Entwicklung. Die italienische „Allianz für nachhaltige Entwicklung”(ASviS), die im Jahr 2016 gegründet wurde, über 160 Einrichtungen der italienischen Zivilgesellschaft vereinigt und darauf abzielt, die italienische Gesellschaft für die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) zu mobilisieren, verdient besondere Erwähnung. Der im Jahr 2016 von der ASviS veröffentlichte Bericht zur Situation in Italien in Bezug auf das breite Spektrum an wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, umweltbezogenen und institutionellen Zielen, die in der Agenda 2030 aufgeführt sind, enthält mehrere Vorschläge, um diese Verpflichtung in den Mittelpunkt der Debatte für das gesamte Land zu rücken und zur neuen italienischen Strategie für nachhaltige Entwicklung beizutragen, die aktuell auf Regierungsebene untersucht wird.
Seitens der Forschung hat die Fondazione Eni Enrico Mattei(FEEM) das Projekt „Offenlegung, Messung, Management und Abschwächung klimabezogener Risiken für Unternehmen”(De Risk-CO) durchgeführt, das eine auf Forschung basierte öffentliche Debatte zu klimabedingten Risiken für italienische Unternehmen anregen soll. Die Forschungsergebnisse werden das Thema eines abschließenden Workshops sein, bei dem besprochen wird, wie wissenschaftliche Erkenntnisse dabei unterstützen können, die Fähigkeit von Firmen zur Steuerung klimarelevanter Risiken zu verbessern. Außerdem wird die FEEM-Publikation „Rischi climatici: mitigazione e disclosure nelle imprese italiane” thematisiert.
DAS POTENZIAL LÄNDERÜBERGREIFENDER FOREN
Im Rahmen der chinesischen G20-Präsidentschaft im Jahr 2016 wurde eine Green Finance Study Group(GFSG) gegründet, die von China und dem Vereinigten Königreich geleitet wird, um Optionen zur „Verbesserung des Finanzsystems zur Mobilisierung privaten Kapitals für umweltfreundliche Investitionen” (G20, 2016) auszuarbeiten. Die Tatsache, dass Deutschland angekündigt hat, die Arbeit der GFSG während seiner G20-Präsidentschaft im Jahr 2017 fortzuführen, wurde von der italienischen Finanzgemeinschaft sehr positiv aufgefasst. In Italien ist das Thema umweltfreundlicher Finanzen jedoch nicht nur im Rahmen der G20 relevant, sondern auch insbesondere in Bezug auf die aktuelle G7-Präsidentschaft Italiens, in deren Rahmen die Rolle von Finanzinstituten beim Thema Nachhaltigkeit und die Rolle von kleinen und mittelständischen Unternehmen bei der Umsetzung der Agenda 2030 untersucht werden wird.
Im Jahr 2014 hat eine Versammlung der G7-Energieminister, die in Rom stattgefunden hat, mit einer gemeinsamen Erklärung geendet, bei der vereinbart wurde, mit Einrichtungen wie der Internationalen Energieagentur (IEA), der Internationalen Agentur für erneuerbare Energie (IRENA) und internationalen Finanzinstituten zusammenzuarbeiten, um Gelder des Privatsektors mit einzubeziehen, damit erneuerbare Energien entwickelt werden und die Energieeffizienz verbessert wird. Die Bedeutung multilateraler Entwicklungsbanken (MDBs) für die Verbesserung von qualitativen Energieinvestitionen wurde bei der G7-Energiekonferenz, die in Kitakyushu (Japan) im Jahr 2016 stattfand und von italienischen Finanzakteuren bekräftigt wird, erneut thematisiert.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Debatte über umweltfreundliche Finanzen und die Rolle des Privatsektors in Italien sehr lebhaft ist, sowohl auf staatlicher Ebene als auch unter Finanzakteuren, in der Zivilgesellschaft und in Forschungszentren. Angesichts des beschränkten öffentlichen Finanzbudgets ist die Mobilisierung von Privatkapital enorm wichtig. Ein eindeutiger aufsichtsrechtlicher Kontext, optimierte Verwaltungsprozesse und eine stabile langfristige politische Strategie würden Investoren ein positives Signal für die Zukunft ihrer Kapitalrendite geben und Risiken im Zusammenhang mit Politik und Regelungen begrenzen. Öffentlich-private Partnerschaften sollten stark gefördert werden, da sie wichtige Investitionen von Privatkapital, die erforderlichen öffentlichen Bürgschaften sowie die Expertise des Privatsektors in Bezug auf technische Innovationen und Management der Finanzierung von Projekten beitragen würden. Schließlich könnte das Umweltschutzgesetz eine neue Chance bieten, die Steuerbelastung von Unternehmen und Mitarbeitern verstärkt an den Aspekten der Umweltbelastung und des Ressourcenverbrauchs auszurichten.
ÜBER DIE AUTORIN
Dr. Isabella Alloisio ist leitende Wissenschaftlerin bei der Fondazione Eni Enrico Mattei.
WEITERFÜHRENDE LITERATUR
SviS 2016: Italy and the Sustainable Development Goals, ASviS Report.
Italienisches Ministerium für Umwelt, Landschafts- und Meeresschutz (MATTM)/United Nations Environment Programme (UNEP) 2017: Financing the Future, Report of the Italian National Dialogue on Sustainable Finance, in: http://bit.ly/2u958JH (06.07.2017).
MATTM/UNEP 2017: Financing the Future: Report of the Italian National Dialogue on Sustainable Finance, in: http://bit.ly/2u0bURs (06.07.2017).
Pareglio, Stefano (Hrsg.) 2017: Rischi climatici: mitigazione e disclosure nelle imprese italiane, FEEM, Collana Percorsi, in: http://bit.ly/2tzelcX (10.07.2017).
University of Toronto: Communiqué. G20 Finance Ministers and Central Bank Governors Meeting. Chengdu, China, July 24, 2016, in: http://bit.ly/2tG0i3x (06.07.2017).
Virdis, Maria Rosa et al. 2015: Pathways to Deep Decarbonization in Italy, Sustainable Development Solutions Network (SDSN / Institute for Sustainable Development and International Relations, in: http://bit.ly/2v3kXhu (06.07.2017).