Chinas Verständnis von Soft Power
Das Konzept der Soft Power wurde erstmals in den späten 1980er Jahren von Harvard-Professor Joseph Nye eingeführt. Nach seiner Definition ist Macht („Power“) an sich die Fähigkeit, das Verhalten und die Präferenzen anderer Akteure (Staaten, Gesellschaften, Unternehmen) zur Förderung der eigenen Ziele zu beeinflussen. Nationen haben verschiedene Möglichkeiten, diese Macht auszuüben. Durch Soft Power können sie versuchen, erwünschte Verhaltensweisen und öffentliche Einstellungen durch Attraktivität, Überzeugung und konstruktive Mittel zu fördern. Die Soft Power eines Landes liegt in seiner internationalen Anziehungskraft. Diese ergibt sich aus seinen politischen Werten und Normen, der Legitimität und moralischen Autorität seiner Außenpolitik und seinem internationalen Ruf sowie der Reichweite und Bekanntheit seines kulturellen Angebots. Weitere Definitionen von Soft Power in den 2000er Jahren umfassten auch wirtschaftliche und diplomatische Machtinstrumente wie Auslandsinvestitionen, Handel und Entwicklungshilfe oder die Kapazität, in multilateralen Organisationen Koalitionen zu bilden und die Tagesordnung festzulegen.
Chinas Verständnis von Soft Power unterscheidet sich von dieser allgemeinen Definition: Während Joseph Nye Soft Power als ein Gut beschrieb, das in gewisser Weise unabhängig vom Staat Einfluss ausüben kann, setzt China sie eher als Werkzeug ein – als aktives Instrument des Staates und der Regierungspartei. Mit Top-down-Methoden versucht die chinesische Führung, Informationen und Meinungen über China im Ausland zu kontrollieren, ohne Einzelpersonen, dem Privatsektor oder der chinesischen Zivilgesellschaft die Möglichkeit zu geben, sich frei an dem Prozess zu beteiligen. Viele Elemente dieser Strategie sind in Südostasien zu beobachten.
Ergebnisse der Studie
Chinas Anziehungskraft und sein wachsender Einfluss
Die Regionalstudie zeigt, dass die Volksrepublik (VR) China unter Präsident Xi Jinping in allen vier untersuchten Bereichen - Regierungsführung und Diplomatie, Bildung und Kultur, Medien sowie Wirtschaft - erfolgreich eine vielschichtige Strategie der Öffentlichkeitsarbeit entwickelt und umgesetzt hat. Dies hat es der VR China ermöglicht, ihre Präsenz in den fünf untersuchten südostasiatischen Nachbarländern zu vergrößern und ihren Einfluss und in einigen Fällen ihre Anziehungskraft zu stärken. Pekings "Gastgeberdiplomatie" sowie seine Stipendien-Programme, seine Investitionen in Medien und sein wirtschaftliches Engagement in der Region scheinen besonders wirksame Instrumente zur Erreichung seiner Ziele zu sein. Die Abbildung 1 z.B. zeigt häufige Besuche von königlichen Familienmitgliedern und offiziellen Delegationen aus den fünf untersuchten südostasiatischen Staaten in China. Gegenseitige Besuche waren zwischen 2014 und 2019 auch üblich, allerdings in einem deutlich geringeren Umfang – Beamte der VR China waren in diesem Zeitraum deutlich häufiger Gastgeber als Gäste.
Es ist schwer zu beurteilen, ob die "Gastgeberdiplomatie" der VR China mit ihren zahlreichen Einladungen an politische Führer, Parteifunktionäre, Studierende, Akademiker und Journalisten direkt zu Soft Power-Gewinnen führt, also: Besuchern, die von ihren Reisen nach China mit einem verbesserten Bild des Landes und der Bereitschaft zurückkehren, aktiv zu dessen internationalem Prestige beizutragen. Aber dieser Ansatz hat sicherlich dazu beigetragen, wichtige Beziehungen in Schlüsselsektoren aufzubauen und den Einfluss der VR China in der Region sowie ihr Image als einflussreiches Land zu verbessern.
China-Experten betonen auch, dass Chinas Eliten-Diplomatie in Ländern Südostasiens und des Pazifiks, in denen die Beziehungen zum Westen durch dessen werteorientierte Diplomatie belastet werden können, auf fruchtbaren Boden treffen kann. Pekings Politik der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten seiner Nachbarn, seine Steuerung der Entwicklung von oben nach unten und seine Politik der Einschränkung von Forderungen nach politischen Reformen zugunsten des wirtschaftlichen Fortschritts passen besonders gut zu den unterschiedlichen autoritären/demokratischen Systemen in der Region.[1]
Handelswachstum, gekoppelt mit großen Investitionsprojekten wie der Belt-and-Road-Initiative (BRI), und die hohe Zahl chinesischer Touristen, die die Welt bereisen wollen, tragen ebenfalls zur Attraktivität der VR China als Partner bei und verbessern ihren Status unter den ausgewählten südostasiatischen Ländern. Darüber hinaus hat sich Chinas Strategie, seine sozioökonomischen Errungenschaften zu präsentieren, insbesondere durch die umfassende Kommunikation über seine Fähigkeit, Millionen von Menschen aus der Armut zu befreien, zweifellos bewährt. Dieser Kraftakt sorgt für Respekt und demonstriert die Attraktivität seines Modells, insbesondere in Kreisen, in denen eine starke Führung oder wirtschaftlicher Interventionismus hoch angesehen sind. Beliebte chinesische Marken und Unternehmen in Südostasien, wie Oppo, Vivo, Xiaomi und Huawei für den Smartphone-Markt, tragen ebenfalls ihren Teil dazu bei, ein positives Bild Chinas im Ausland zu pflegen.
[1] Siehe zum Beispiel Joshua Kurlantzick, "China's Charm Offensive in Southeast Asia", Current History, University of California Press, September 2006, Band 105, Ausgabe 692, S. 270-276, hier S. 272, https://doi.org/10.1525/curh.2006.105.692.270
Auch aufgrund seiner militärischen Macht ist die VR China de facto ein wichtiger Akteur in Asien, der von seinen Nachbarn ernst genommen werden muss. Darüber hinaus hat China vor allem in Kambodscha, Malaysia und Thailand ein umfangreiches Ökosystem von Medien etabliert, die seine Botschaften verbreiten. Die Pro-Peking-Berichterstattung in staatlichen chinesischen Sendern (wie China Central Television, CCTV, und China Radio International, CRI) und in lokalen Medien mit Verbindungen zu China trägt dazu bei, die Öffentlichkeit von der Wahrhaftigkeit und Gültigkeit der Botschaften der VR China zu überzeugen. Die langfristigen Vorteile sind potenziell beträchtlich, insbesondere was Chinas Fähigkeit betrifft, lokale Medien zu nutzen, um den Diskurs über außenpolitische Themen, die Chinas eigene Interessen berühren, zu informieren und zu beeinflussen. Ein aktuelles Beispiel dafür, wie China dieses Netzwerk zu seinem eigenen Vorteil nutzt, sind die sich häufenden Belege dafür, dass chinesische Botschaften zum Krieg in der Ukraine die Öffentlichkeit in der Region dazu gebracht haben, die russische (und chinesische) Propaganda zur Rechtfertigung dieses Konflikts eher zu akzeptieren. Ausländische Einmischung, Propaganda und Desinformation sind jedoch keine Soft Power und sollten daher anders betrachtet werden.
Der greifbarste Erfolg von Chinas Soft Power liegt sicherlich im kulturellen Bereich, von den chinesischen "Klassikern" bis zur populären Unterhaltung. Zur ersten Kategorie gehören u.a. die klassische chinesische Literatur und Musik, der Konfuzianismus, die traditionelle Medizin und Feste, die Kulinarik, die Kalligrafie, die Architektur und Kampfkünste - alles traditionelle Elemente der chinesischen Kultur und Gesellschaft, die von einem breiten Publikum sofort als typisch chinesisch identifiziert werden können. Zur zweiten Kategorie gehören Riesenpandas, populäre (und gelegentlich chauvinistische) Filme und Fernseh-sendungen, Liebesromane oder Internetberühmtheiten wie der YouTube-Star Li Ziqi, die ihren idealisierten traditionellen ländlichen Lebensstil mit Millionen von Anhängern weltweit teilt. Diese nicht-politischen Aspekte der chinesischen Kultur sind aufgrund ihrer großen Beliebtheit in weiten Teilen der südostasiatischen Gesellschaften nach wie vor Chinas erfolgreichste Instrumente zur Ausübung von Soft Power.
Die Grenzen der chinesischen Strategie
Die lokalen Beobachtungen der KAS-Studie kommen zu dem Schluss, dass Chinas effektive Kulturdiplomatie (mit klassischer Literatur, Festivals, Fernsehsendungen, usw.) nicht zur Anerkennung der VR China als globaler Akteur, zur stärkeren Unterstützung ihres politischen und wirtschaftlichen Modells oder zur Akzeptanz ihrer regionalen und internationalen Politik führt. Mit anderen Worten: Die unmittelbare Rendite von Chinas Soft Power in diesem Bereich ist, zumindest im Moment, im Hinblick auf direkte außenpolitische Vorteile eher begrenzt.
Die VR China kämpft auch darum, ihre Attraktivität in Bereichen zu erhöhen, in denen andere Staaten, insbesondere westliche Länder oder Japan und Korea, fest etabliert sind. Dies gilt für akademische Austauschprogramme, trotz der Ausgabe zahlreicher Stipendien für ausländische Studierende. So zeigt Abbildung 4, dass der Zustrom von Studierenden aus den fünf ausgewählten südostasiatischen Ländern in den Jahren vor der COVID 19-Pandemie im Durchschnitt leicht steigend war. Meinungsumfragen und Immatrikulationszahlen zeigen aber, dass chinesische Universitäten weniger beliebt sind als die Konkurrenz in den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich, der EU oder Australien. Die einzige bemerkenswerte Ausnahme in diesem Bereich scheint Kambodscha zu sein, wo China bei weitem die erste Wahl für eine Hochschulausbildung im Ausland ist.[1] Das Gleiche gilt für den Tourismus: Im Jahr 2021 waren die beliebtesten Urlaubsziele in den fünf Ländern unserer Studie Japan, die EU und die ASEAN-Staaten. China wurde unter den Top 3 nur in Kambodscha genannt - an erster Stelle.[2] Weitere Beispiele sind das anhaltende Interesse am Erlernen europäischer und anderer Fremdsprachen, an Popkultur, Lifestyle und Sport oder an neuen Technologien und Marken, wie z. B. im Automobilsektor, wo „Made in Germany" oder „Designed in California" nach wie vor hervorragende Verkaufsargumente sind.
[1] Sharon Seah et al., The States of Southeast Asia: 2022, ISEAS-Yusof Ishak Institute, Singapur, 2022, S. 53, https://www.iseas.edu.sg/articles-commentaries/state-of-southeast-asia-survey/the-state-of-southeast-asia-2022-survey-report/
[2] Ebd., S. 54.
China kann seine Soft Power-Bemühungen in der Region gelegentlich durch seine eigenen Geschäfts-praktiken, seine Sicherheitspolitik im Südchinesischen Meer oder sein politisches Durchsetzungsvermögen gegenüber ausländischen Partnern unterminieren. So verbessern beispielsweise Wirtschaftsinvestitionen in den fünf Ländern dieser Studie nicht unbedingt das Image Chinas vor Ort, da die Durchführung vieler Megaprojekte zu Unmut in der Bevölkerung führen kann. Gründe sind u.a. Sorgen über Souveränitätsfragen, die Gefahr wachsender Schulden und damit einhergehender Abhängigkeiten, negative ökologische und soziale Auswirkungen, fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten für einheimische Arbeitnehmer, technologische Probleme und daraus resultierende Rechtsstreitigkeiten. Soft Power ist wenig hilfreich, wenn Chinas Handlungen wesentliche wirtschaftliche, sicherheitsrelevante oder politische Interessen seiner südostasiatischen Partner und deren Bevölkerung bedrohen.
Chinesische Touristen sind in den Ländern dieser Studie willkommen, weil sie das Wirtschaftswachstum ankurbeln, aber ihr Ausbleiben während der COVID 19-Pandemie hat auch die wirtschaftliche Abhängigkeit mehrerer Staaten in dieser Hinsicht und die negativen Auswirkungen des Massentourismus auf die Umwelt deutlich gemacht.
China hat versucht, seine Soft Power mit Hilfe von „Impfdiplomatie“ zu fördern, während es auf Kritiker mit „Wolf Warrior"-Kampfgeist reagierte. Diese Taktik, die darin besteht, aggressiv auf Kritik zu reagieren, hat nicht immer zu positiven Ergebnissen geführt. Obwohl die chinesischen inaktivierten Impfstoffe in den fünf untersuchten Ländern frühzeitig eingeführt wurden, erwiesen sie sich bald als weniger beliebt als andere Alternativen. Die Öffentlichkeit war sich darüber im Klaren, dass die chinesischen Impfstoffe weniger wirksam waren als die aus dem Westen stammenden, und sie war sich auch größtenteils darüber im Klaren, dass es sich mit wenigen Ausnahmen nicht um Spenden handelte - ihre Regierungen kauften sie von China zu Höchstpreisen. Die „Wolf Warrior"-Taktiken chinesischer Diplomaten haben in einigen Gebieten oft Spott oder Widerstand hervorgerufen – wie die Entstehung der so genannten Milk Tea Alliance unter den Netizens in Hongkong, Taiwan, Thailand und anderen ASEAN-Ländern zeigt.[1]
Schließlich scheitern Chinas Versuche, soziale Medien als Plattform für Soft Power zu nutzen, oft daran, ein jüngeres Publikum zu erreichen oder zu überzeugen. Die Gründe dafür sind einfach: Pekings übermäßig kontrollierte Kommunikation ist stark ideologisch aufgeladen (man denke nur an die Verbreitung von Xi Jinpings Gedanken in der Schriftenreihe The Governance of China). Sie zielt darauf ab, Chinas staatliche Narrative und nationale Prioritäten im Ausland zu fördern und konzentriert sich auf Technologien aus dem 20. Jahrhundert (staatliche chinesische Sender, Übernahme lokaler Medien, Meinungsartikel, Buchpräsentationen). Für viele junge Menschen in Südostasien ist dies einfach weder „fun" noch glaubwürdig und findet online keine große Beachtung oder „Likes".
Politische Empfehlungen für Deutschland und die EU
Die EU genießt ein hohes Maß an Vertrauen in der Öffentlichkeit der in der Studie untersuchten Länder. Die Führungsrolle der EU in Menschenrechts- und Umweltfragen sowie ihr Image als verantwortungs-bewusster Akteur, der das Völkerrecht respektiert und aufrechterhält, haben dazu geführt, dass viele Menschen in Südostasien darauf vertrauen, dass EU-Länder „das Richtige tun" werden, um zu Frieden, Sicherheit, Wohlstand und guter Regierungsführung weltweit beizutragen.[2]
Dieser Bericht schließt mit einigen politischen Empfehlungen für Deutschland und die EU, die sich aus den Beobachtungen in der Studie ableiten, um Europas Präsenz, Anziehungskraft und seine eigene Soft Power in Südostasien zu fördern.
1. Investitionen in hochrangige diplomatische Besuche
Mit dem Abklingen der weltweiten COVID 19-Krise sollten führende Politikerinnen und Politiker in Europa und Deutschland hochrangige, persönliche Besuche in den Ländern Südostasiens zur Priorität erklären. Diplomatie von Angesicht zu Angesicht ist wichtig, um Vertrauen aufzubauen und zu zeigen, dass Europa die ASEAN-Länder als wichtige Partner betrachtet. Die durch solche Besuche ausgelöste Berichterstattung würde die EU ebenfalls sichtbarer machen und die Bedeutung ihrer Strategischen Partnerschaft mit ASEAN (Dezember 2020), der EU-Strategie für die Zusammenarbeit im indopazifischen Raum (Oktober 2021) und der Global-Gateway-Strategie (Dezember 2021) hervorheben.
2. Den Ansatz des "dritten Weges" nutzen
Gemeinsam mit ASEAN können die EU und Deutschland eine Alternative zu den zunehmenden bipolaren Spannungen zwischen China und den USA bieten, die viele Länder in der Region spüren. Beide Seiten haben mit ihren inklusiven Ansätzen für die Region - Deutsche Leitlinien, EU-Indopazifik-Strategie, ASEAN Outlook on the Indo-Pacific (AOIP) - den Grundstein dafür gelegt. Die EU könnte ihre Soft Power und das lokale Vertrauen ihr gegenüber nutzen, um diesen integrativen, multilateralen Ansatz zu vertiefen. Meinungsumfragen in den Jahren 2020 und 2021 zeigen, dass die EU bei Vertretern der Regierung, der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft, der NGOs, der Medien und des Privatsektors in ASEAN die erste Wahl als vertrauenswürdiger strategischer Partner ist, um sich gegen die Unwägbarkeiten der strategischen Rivalität zwischen den USA und China abzusichern. Die EU sollte auf diesem Vertrauen aufbauen, sonst könnte Japan - der zweitvertrauenswürdigste Partner hinter der EU in dieser Hinsicht - bald die Führung übernehmen.[3]
3. Enge Zusammenarbeit bei gemeinsamen dringenden Fragen
Die EU muss ihre angekündigten Absichten in Bezug auf den indopazifischen Raum sowie ihre Ambitionen in Bezug auf den Green Deal und die Global Gateway-Strategie umsetzen und eine engere Zusammenarbeit mit Ländern in Südostasien anstreben, die über ihren Fokus auf Handel und maritime Sicherheit hinausgeht. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und den Regierungen der ASEAN-Länder, um den Handel und das Wirtschaftswachstum nach der COVID 19-Pandemie anzukurbeln, die Digitalisierung zu stärken, weiche und harte Infrastrukturen zu entwickeln, den Klimawandel abzuschwächen und auf die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung hinzuarbeiten. Mehrere Länder Südostasiens sind reformorientiert und würden eine konkretere Zusammenarbeit mit der EU bei gemeinsamen Herausforderungen begrüßen.
4. Über die Entwicklungshilfe hinausgehen
Langfristig sollte Europa über eine Geber-Empfänger-Beziehung zu den südostasiatischen Ländern hinausgehen und für einheitliche Wettbewerbsbedingungen sorgen. Zu diesem Zweck sollte der Schwerpunkt auf engeren Handels- und Investitionsbeziehungen liegen, wobei man sich zu klaren Grundsätzen in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung, Menschenrechte, Nachhaltigkeit, Offenheit und Gegenseitigkeit verpflichten sollte. Beide Seiten sollten die Errichtung eines Freihandelsabkommens zwischen den Regionen anstreben, europäische ausländische Direktinvestitionen und den entsprechenden Rahmen dafür fördern und die Entwicklungshilfe auslaufen lassen.
5. Bestehende Kooperationsmechanismen relevanter gestalten
Um ihre diplomatische und technische Zusammenarbeit zu verstärken, sollten die EU und ASEAN bestehende Mechanismen, wie das ASEM (Asia-Europe Meeting) oder das ARF (ASEAN Regional Forum) überarbeiten oder stärken. Ein stärkeres Engagement zwischen Menschen auf der Ebene der NGOs oder der sogenannten Track II - und Track III -Ebene würde der EU und ASEAN ebenfalls zugutekommen. Dies würde mehr Kanäle für eine direkte Kommunikation bieten, zur Vertiefung der bilateralen Zusammenarbeit beitragen und wichtige institutionelle und zivilgesellschaftliche Beziehungen aufbauen.
6. Verstärkung des akademischen Austauschs
Die EU sollte sich auf Südostasien konzentrieren, um ihre Ziele für den indopazifischen Raum und des Global Gateway in den Bereichen Stipendien, Bildung und Forschung umzusetzen. Europa ist für viele Studierende in der Region ein Traumziel. Verschiedene Hindernisse, wie der Mangel an Finanzmitteln und Stipendien sowie administrative Hürden bei den Zulassungs- und Visaprozessen, müssen abgebaut werden, damit mehr südostasiatische Studierende dieses Ziel verwirklichen können. Um die persönlichen Beziehungen zu stärken, sollten Studierenden und Akademikern im Rahmen von Austauschprogrammen außerdem mehr Möglichkeiten geboten werden, sich mit politischen Entscheidungsträgern, lokalen Führungskräften oder Vertretern der Medien und des Wirtschaftssektors in Europa zu treffen und zu vernetzen.
Innerhalb der EU braucht es mehr akademische Programme mit Englisch als Unterrichtssprache, damit ausländische Studierende problemlos daran teilnehmen können. Im Vergleich zu den USA und dem Vereinigten Königreich sind Universitäten in der EU weniger attraktiv für Südostasiaten. Mehr Beteiligung an Werbeveranstaltungen und die direkte Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen in der Region würden ihre Sichtbarkeit und Popularität erhöhen.
7. Zusammenarbeit mit lokalen Multiplikatoren
Die EU und Deutschland sollten verstärkt mit wichtigen Influencern in Südostasien zusammenarbeiten, darunter Akademikern an Universitäten und Think Tanks, Journalisten, führenden Vertretern der Zivilgesellschaft und Persönlichkeiten der sozialen Medien. Dies würde vor allem dazu beitragen, die EU und ihre Mitgliedsstaaten in der Region sichtbarer zu machen und ihre politischen Werte und Normen sowie ihre Außen- und Entwicklungspolitik zu fördern. Der Schwerpunkt sollte auf Themen von gemeinsamem Interesse liegen, wie z. B. Klima- und Umweltschutz, Konnektivität in den Bereichen Energie, Verkehr und digitale Technologie oder Lebensmittelsicherheit und die Prävention von Pandemien. Die wichtigste Zielgruppe für eine solche Öffentlichkeitsarbeit sollten die jüngeren Generationen sein, die international besser vernetzt sind, gute Englischkenntnisse haben und für einen multilateralen und wertebasierten Ansatz zur Lösung von Problemen empfänglicher sind.
8. Kategorisierung der Einflussnahme Chinas
Die in der Regionalstudie beschriebenen chinesischen Einflussbemühungen fallen – wie sonst überall in der Welt – in ein breites Spektrum von Maßnahmen. Einige sind legal und legitim; sich über diese zu beschweren würde eine Voreingenommenheit zeigen, die unser eigenes Image und unser Engagement für die Meinungsfreiheit auf lange Sicht untergraben würde. Andere sind legal, aber fragwürdig in Bezug auf ihre Absichten; in einigen Fällen können sie auch illegal sein. Für Europa und Deutschland wäre es aus mehreren Gründen sinnvoll, diese Einflussnahme zu beobachten und zu kategorisieren. Dies würde die politische Führung, die Medien und die breite Öffentlichkeit für chinesische Beeinflussungstaktiken sensibilisieren, insbesondere für solche, die mit ausländischen Einmischungs-, Propaganda- und Desinformationsbemühungen verbunden sind. Schließlich könnten diese Beobachtungen zu einem Leitfaden führen, der Regierungen und Bürgern dabei hilft, Chinas Einflussbemühungen zu erkennen und wirksam darauf zu reagieren, indem er angibt, wie auf die einzelnen Arten von Aktionen reagiert werden kann. Im Idealfall könnten alle EU-Mitgliedsstaaten diesen Leitfaden nutzen, um eine gemeinsame Antwort zu entwickeln.
[1] Die Milk Tea Alliance hat ihren Namen von dem in Taiwan und außerhalb des chinesischen Festlandes verbreiteten Brauch, dem Tee Milch beizumischen. Diese Online-Bewegung, die zunächst in Taiwan, Hongkong und Thailand entstand, zeichnet sich durch ihre antiautoritäre Stimmung aus. Siehe: Patpicha Tanakasempipat, “Young Thais join 'Milk Tea Alliance' in online backlash that angers Beijing”, 15. April 2020, Reuters, https://www.reuters.com/article/us-thailand-china-internet-idUSKCN21X1ZT
[2] Sharon Seah et al., The States of Southeast Asia: 2022, ISEAS-Yusof Ishak Institute, Singapore, 2022, S. 44-45 and p. 26-27, https://www.iseas.edu.sg/articles-commentaries/state-of-southeast-asia-survey/the-state-of-southeast-asia-2022-survey-report/
[3] Ibid., S. 33-34.
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