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Finanz- und Politikkrise in der Türkei

của Dr. Wulf Eberhard Schönbohm
Der öffentlich gewordene Streit zwischen Staatspräsident und Ministerpräsident hat die Türkei in eine der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrisen ihrer Geschichte gestürzt. Die Abwertung der Türkischen Lira um 30-40%, Preissteigerungen um 30% werden die Folge sein. Die 3-Parteien-Koalition unter Ministerpräsident Ecevit steht deshalb unter großem politischen Druck, will aber nicht zurücktreten. Da es derzeit auch keine Alternative zu dieser Koalition gibt, befindet sich das Land in einer politischen Krise.

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"Verehrter Herr Staatspräsident, wie ist der Besuch in Ägypten verlaufen? Haben Sie Gelegenheit gehabt, die Pyramiden zu besichtigen?" - mit diesen Worten soll Ministerpräsident Bülent Ecevit auf der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates in dieser Woche Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer begrüßt und dieser soll ihm freundlich geantwortet haben. Dies war für die türkischen Medien der Beleg, dass der Streit zwischen Staatspräsident und Ministerpräsident, der in der vorangegangenen Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates vor einer Woche durch den Ministerpräsidenten bekannt wurde und zu einer schweren Finanz- und Politikkrise geführt hat, wieder beigelegt sei. Die Botschaft war: business as usual. Wichtigstes Thema dieser Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates war die Verabschiedung des Nationalen Programms - die Antwort der Türkei an die EU, wie sie die Kopenhagener Kriterien erfüllen will, ein 1500-seitiges Dokument.

Anlass des Streits im Nationalen Sicherheitsrat war die kritische Frage von Sezer an Ecevit gewesen, warum seine Regierung den Kampf gegen die Korruption nicht genügend unterstütze, denn Sezer hatte einige Tage zuvor seine ihm unterstellten Prüfbeamten zur Kontrolle in einige Staatsbanken gesandt, was Ecevit öffentlich kritisiert hatte. Niemand in der Türkei unterstellt Ecevit, er sei korrupt. Aber es wird spekuliert, dass Energieminister Cumhur Ersümer von der ANAP, deren Vorsitzender Mesut Ylmaz ist, korrupt sei und dass der stellv. Ministerpräsident Hüsamettin Özkan von der DSP krumme Bankgeschäfte gemacht habe. Eine Entlassung dieser Politiker würde jedoch - so wird vermutet - die politische Stabilität der jetzigen Koalition gefährden.

Dass es Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Staatspräsidenten und Ministerpräsidenten gibt, wobei die Kompetenzen des ersteren nach der Verfassung nicht immer ganz klar sind, das ist nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist, dass der Ministerpräsident einen derartigen Streit in die Öffentlichkeit trägt und von einer "schweren Staatskrise" spricht; noch ungewöhnlicher ist, dass es deswegen zu einer schweren Finanz- und Währungskrise und in deren Folge einer Politikkrise kommt.

Die Finanz- und Währungskrise entstand, weil der schwere Konflikt zwischen Staatspräsident und Ministerpräsident die Instabilität und den möglichen Rücktritt der Regierung Ecevit signalisierte. Die Folge war, dass ausländische Investoren Milliarden Dollar aus der Türkei abzogen und inländische Geldanleger aus der Türkisch Lira in Devisen flüchteten, was zu einer TL-Knappheit führte. Außerdem sollen einige große Staatsbanken wie HALK und ZIRAAT BANK ihre TL-Schulden nicht bezahlen haben können, da sie sich zu stark in Devisen engagiert hatten.

Der Regierung blieb daher nichts anderes übrig, als den seit fast zwei Jahren festgelegten Wechselkurs der Türkischen Lira freizugeben mit der Folge, dass bis heute die türkische Währung um ca. 30% abgewertet ist. Damit ist gleichzeitig ein zentraler Pfeiler des wirtschaftlichen und finanziellen Stabilisierungsprogramms der Regierung weggerissen. Jetzt sind die türkische Regierung, die Weltbank und der internationale Währungsfonds dabei ein neues wirtschaftliches Stabilisierungsprogramm zu erarbeiten.

Schon jetzt ist klar, dass wegen der neuen Währungsparitäten die Preise steigen werden und dass das ursprünglich für 2001 gesetzte Inflationsziel von ca. 10% in keinem Falle erreicht wird, sondern mit ca. 25-30% gerechnet werden muss. Die Preise für Alkohol und Zigaretten sind bereits um 10% erhöht worden, entsprechende Preiserhöhung für Gas, Strom, Wasser und Benzin werden folgen mit fatalen Auswirkungen für Wirtschaft und Verbraucher.

Diese Krise hat insofern beinahe tragische Aspekte, als die jetzige Regierung bisher erstaunlich stabil war und auch gut gearbeitet hat, weil sie die zentralen Probleme des Landes, die die Vorgängerregierungen nur vor sich her geschoben hatten, mutig aufgriff:

  • Bekämpfung der Inflation und der zu hohen Staatsausgaben,
  • Bekämpfung der Korruption,
  • Sanierung der sozialen Sicherungssysteme,
  • politische Reformen zur Erfüllung der Kopenhagener Kriterien.
Die entscheidende Ursache für die Finanz- und Politikkrise sind die instabilen türkischen Banken, die in der Vergangenheit auf ausgesprochen bequeme Art und Weise sehr viel Geld verdienten durch den Handel mit Staatsobligationen, die satte Zinssätze aufgrund der hohen Inflation garantierten; und weil es von Seiten des Staates keine effiziente Kontrolle der Banken gab, wurden zahlreiche Banken von teilweise kriminellen Unternehmern ausgeraubt oder als billiges Finanzierungsinstrument für ihre eigenen Aktivitäten bis zur Pleite missbraucht.

Der Streit zwischen Staatspräsident Sezer und Ministerpräsident Ecevit war nicht der erste, sondern der bisher letzte in einer langen Reihe von Konflikten. Sezer war bis zu seiner überraschenden Wahl zum Staatspräsidenten Präsident des Verfassungsgerichts und hat keinerlei politische oder administrative Erfahrung. Er hat seine Prüfungs- und Genehmigungskompetenzen als Staatspräsident von Anfang an sehr ernst genommen und auch ohne Rücksicht auf die Regierung interpretiert und gehandhabt mit der Folge, dass mehrere Verordnungen und Gesetze von ihm nicht gegengezeichnet wurden und dadurch nicht in Kraft traten.

Dieses für türkische Verhältnisse ungewöhnliche Verhalten des Staatspräsidenten hat Ecevit mehrfach zu öffentlicher Kritik am Staatspräsidenten veranlasst. Ecevit, der seine eigene Partei und Fraktion wie ein Sultan führt, scheint es schwer zu fallen, zu akzeptieren, dass der Staatspräsident nicht mehr automatisch jede Entscheidung der Regierung mitträgt, sondern diese unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten prüft und ggf. korrigiert. Das Verhalten von Sezer wird offensichtlich von der Bevölkerung hoch geschätzt, weil sie in ihm eine Persönlichkeit sieht, die unabhängig und objektiv ihr Amt im Interesse des Staates wahrnimmt und zu Kompromissen nicht so leicht bereit ist. Dies wird in einem Land, in dem die Korruption und Staatsausbeutung, der Missbrauch von Ämtern und Gesetzen verbreitet sind sehr positiv beurteilt. Die Popularität von Sezer soll nach Umfragen auf über 80% angestiegen sein, womit er mehr Vertrauen genießt als bisher das Militär, das sonst immer an der Spitze stand.

Die Folge dieser Krise ist, dass das Ansehen der gesamten Regierung, insbesondere aber auch von Ministerpräsident Bülent Ecevit, sehr gelitten hat. Es wird der jetzigen Regierung nicht mehr zugetraut, ohne eine Kabinettsumbildung, die nicht nur von der Opposition sondern auch von wichtigen Wirtschafts- und Gesellschaftsgruppen gefordert wird, das erforderliche Vertrauen zurückzugewinnen. Dies wäre aber zur Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise notwendig. Ecevit hat eine Regierungsumbildung bisher abgelehnt, stattdessen wurde der Rücktritt des Präsidenten der Zentralbank und des Staatssekretärs im Schatzamt angenommen. Die Neubesetzung von zwei wichtigen Bürokratenposten wird aber nicht als ausreichend angesehen.

Es ist daher nicht auszuschließen, dass eine Kabinettsumbildung noch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen wird. Staatspräsident Sezer hat auf der letzten Sitzung des nationalen Sicherheitsrats dem Ministerpräsidenten Material überreicht, das Korruption und Unregelmäßigkeiten in verschiedenen Bereichen der staatlichen Verwaltung belegt. Es ist nicht auszuschließen, dass als Ergebnis dieser Untersuchungen Minister-Rücktritte erforderlich sind.

Der Ansehensverlust der Regierung und der sie tragenden Parteien ist gleichzeitig verbunden mit einem Ansehensgewinn für den Staatspräsidenten und für das Militär, das sich in diesem Streit völlig zurückgehalten und auf beide Seiten mäßigend eingewirkt hat. Mit einem in der Türkei ansonsten üblichen Koalitionswechsel ist kurzfristig nicht zu rechnen, weil es zur jetzigen Koalition schwerlich eine Alternative gibt. Der stärksten Oppositionspartei, der islamischen Fazilet, droht ein Verbot durch das Verfassungsgericht und die bürgerlich-konservative Oppositionspartei DYP unter Tansu Çiller ist durch frühere Korruptionsvorwürfe belastet. Erschwerend kommt für die Regierung hinzu, dass Bülent Ecevit offensichtlich krank ist, worüber inzwischen auch in den türkischen Medien berichtet und spekuliert wird. Aber bisher ist kein Politiker in Aussicht, der ihn als Ministerpräsident mit vergleichbarer Autorität ersetzen könnte.

Trotz all dieser Schwierigkeiten und Probleme kann davon ausgegangen werden, dass die Regierung ihren pro-europäischen Kurs beibehalten und alles tun wird, um die Kopenhagener Kriterien zu erfüllen, wenngleich dies noch mit heftigen innenpolitischen Auseinandersetzungen verbunden sein wird. Falls die Regierung mit Unterstützung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds ein neues wirtschaftliches und finanzielles Stabilisierungsprogramm erarbeitet und konsequent umsetzt, könnte sich die türkische Wirtschaft sehr schnell wieder erholen. In jedem Fall ist die letzte Krise kein Anlass für die Befürchtung oder Hoffnung, dass sich die Türkei von Europa abwenden wird.

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Ngày 18 tháng 6 năm 2001
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