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Thailand: Etappensieg im politischen Tauziehen

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Februar entschieden, zwei Drittel des Vermögens des vom Militär gestürzten Ex-Premiers Thaksin Shinawatra und seiner Familie festzusetzen. Nach dem Militärputsch im Jahr 2006 waren 76 Milliarden Baht (rd. 1,6 Mrd. Euro) des inzwischen ins Ausland geflüchteten ehemaligen Premiers eingefroren worden. Während die Regierung das Urteil als gerecht begrüßt, spricht das Thaksin-Lager von einem politisch motivierten Verfahren. Die Gräben in der thailändischen Gesellschaft vertiefen sich weiter.

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Justiz gegen Thaksin: ein Ende in Sicht?

Thaksins Privatvermögen hat sich während seiner Amtszeit vervielfacht, so die Anklage, was einen Missbrauch seines Amtes und somit einen Verstoß gegen das Korruptionsgesetz indiziert. Das Oberste Gericht sieht es als erwiesen an, dass Thaksin seine Machtstellung als Premierminister ausgenutzt hat, um seinem Konglomerat Shin Corporation unfaire Vorteile zu gewähren und sich damit persönlich zu bereichern. Das Gericht befand Thaksin in allen vorgebrachten Anklagepunkten für schuldig.

Die genauen Besitzverhältnisse des thaksinschen Vermögens sind etwas undurchsichtig, was der Entscheidung des Gerichts eine besondere Härte verlieh. Die 76 Mrd. Baht stammen aus dem Verkauf der Shin Corp an eine staatliche Holding in Singapur. In der Verteidigung der Thaksin-Familie heißt es, Thaksin habe seine Anteile nachweislich vor seinem Amtsantritt als Premierminister im Jahr 2001 an seine Kinder übertragen. Der Rest des umstrittenen Geldes gehöre seiner Ex-Frau Pojaman. Das Ehepaar hatte sich im vergangenen Jahr scheiden lassen, möglicherweise um die Konfiszierung des Gesamtvermögens zu verhindern. Dies half aber nicht.

In seiner achtstündigen Begründung stellte der Oberste Gerichtshof fest, dass 7 Milliarden Baht aus illegalen Dividendengewinnen und 39 Milliarden Baht aus dem rechtswidrigen Verkauf der Shin Corp. stammen und somit beschlagnahmt werden müssen. Der Rest des thaksinschen Vermögens sei bereits vor Amtsantritt in seinem Besitz gewesen.

Die verbleibenden 30 Milliarden Baht gehen jedoch keineswegs an Thaksin zurück, sondern bleiben festgesetzt, da mit weiteren Verfahren gerechnet werden muss. Präzise heißt das, dass die Nationale Anti-Korruptionskommission Forderungen an Thaksin stellt, da er erhebliche Schäden an der staatlichen Wirtschaft verursacht habe. Als Folge des Urteils bereiten inzwischen auch das Finanzministerium sowie staatliche Unternehmen zivile und strafrechtliche Klagen gegen Thaksin vor. Ebenso werden mindestens drei Gerichtsentscheidungen bezüglich fehlender Steuerzahlungen auf Thaksin zukommen. Sollten die Urteile hier ebenso zu Ungunsten Thaksins ausfallen, werden die 30 Milliarden Baht kaum ausreichen, um die Strafgelder abzudecken.

Das Urteil des Obersten Gerichtshofes war keine Überraschung. Die Entziehung des finanziellen Standbeins Thaksins stellt einen wichtigen Meilenstein auf dem seit 2006 eingeschlagenen Pfad der „Ent-Thaksinisierung“ dar. Dennoch wartete die gesamte Nation mit Spannung auf den Tag der Urteilsverkündung. Für die Anhänger Thaksins ging es einerseits um ihre finanzielle – ergo: politische – Schlagkraft, andererseits waren sie überzeugt, dass es keinen fairen Prozess geben würde. Für seine Gegner bedeutete das Urteil einen weiteren Etappensieg gegen den politischen Nachlass Thaksins. Das herrschende Establishment ist fest davon überzeugt, dass das Fehlen finanzieller Mittel der Thaksin-Bewegung den endgültigen Todesstoß versetzen wird.

Ob es in der Tat auch so kommen wird, ist anzuzweifeln. Inzwischen hat die Thaksin-nahe außerparlamentarische Opposition „United Front for Democracy Against Dictatorship“ (UDD), bekannt als die „Roten“, Massendemonstrationen angekündigt. Die Parteispitze der Thaksin-nahen Oppositionspartei Pheua Thai hält das Urteil für politisch motiviert und unfair. Thaksin selbst bezeichnet den Ton des Urteils als politische Rhetorik der Opposition und vermutet einen elitären Einfluss auf die Entscheidung.

Während die breite Mittelschicht geschlossen hinter dem Gerichtsurteil steht, gibt es auch einige kritische Stimmen, die auf die Implikationen des Urteils für die thailändische Justiz hinweisen. Der renommierte Politikwissenschaftler Thitinan Pongsudhirak befürchtet, dass das Urteil einen Präzedenzfall schafft, der viel Raum für politische Machtkämpfe lässt. Denn Amtsmissbrauch sei eine Grauzone. Schließlich würden Politiker bzw. Mitglieder wichtiger politischer Institutionen von ihren Positionen profitieren.

Ist die „Ent-Thaksinisierung“ abgeschlossen?

Mit dem aktuellen Urteil sind mittlerweile drei gegen den Ex-Premier vorgebrachte Verfahren wegen Korruption, Amtsmissbrauchs und Steuerhinterziehung zu seinen Ungunsten entschieden worden. Thaksin war bereits in 2008 wegen Amtsmissbrauch zu zwei Jahren Haftstrafe verurteilt worden, inzwischen hat er seinen thailändischen Pass verloren und ist auf Listenplatz fünf der weltweit meistgesuchten Wirtschaftsverbrecher des Forbes Magazines.

Zweifelsohne war Thaksin korrupt, hatte einen autoritären Führungsstil und betrieb eine Klientelpolitik, die an der Elite des Landes vorbeiging. Seine Politik – gestützt auf eine parlamentarische Mehrheit – machte der alteingesessenen Elite aus konservativen Militärs, Technokraten und Bangkoker Geldadel ihren Einfluss streitig. Thaksin verkörperte aber auch den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt, und er war der erste Premier in der Geschichte Thailands, der eine Art Sozialpolitik initiierte. Seine Amtszeit brachte ihm viel Popularität bei der ärmeren ländlichen Bevölkerung wegen seiner Sozialprogramme ein. Wirtschaftlich verfolgte er eine erfolgreiche Politik des freien Marktwachstums kombiniert mit der Ausdehnung des Wohlstands auf Thailands unterentwickelten Landwirtschaftssektor. Thaksin ist in der thailändischen Gesellschaft umstritten wie keine andere Person. Für die einen ist er ein Verbrecher, für die anderen ein „Robin Hood“.

Es steht außer Frage, dass die tiefe politische Spaltung in Thailand nicht – wie von der traditionellen Elite propagiert – in der Person Thaksin gründet, sondern eine Konsequenz fundamentaler Mängel des politischen Systems Thailands ist, in der Zerwürfnisse zwischen Arm und Reich, das extreme Gefälle zwischen Stadt und Land, zwischen Privilegierten und Benachteiligten, d.h. die offensichtlichen sozialen und politischen Spannungen, zu lange verdrängt worden sind.

Das politische Establishment in Thailand macht es sich zu einfach, indem es die Proteste und Demonstrationen der Roten in den letzten Jahren allein auf die Anstachelung durch Thaksin zurückführt und ihnen Leichtgläubigkeit, Dummheit und finanziell begründeten Opportunismus unterstellt. Gewiss agiert Thaksin auch aus dem Exil als „politischer Puppenspieler“ im Hintergrund der Roten, gibt finanziellen und ideologischen Input, steuert und organisiert die Struktur. Allerdings deutet inzwischen vieles darauf hin, dass die Bewegung der Roten nicht als Thaksins Rachefeldzug unterschätzt werden sollte. Sie trägt immer mehr Züge einer zivilgesellschaftlichen Demokratiebewegung. Die Agenda der Roten beschränkt sich nämlich nicht mehr nur auf die Unterstützung von Thaksin.

Ein großer Teil der Roten stammt aus armen Regionen des Nordens und Nordostens. Ihnen geht es hauptsächlich um Thaksin und seine populistische Politik, um den finanziellen Mehrwert einer von ihnen gewählten Regierungspolitik. Zu den Roten gehören aber auch immer mehr Menschen aus der Bildungselite, bei denen es sich nicht um Thaksin-Anhänger handelt, sondern die immer lauter die Einhaltung von demokratischen Regeln und Normen einfordern. Zu den politischen Forderungen gehören u.a. die Schwächung der bürokratischen Dominanz, Gleichheit vor dem Gesetz und Wiedereinführung der Verfassung von 1997. Damit symbolisieren die Roten ein wachsendes politisches Bewusstsein innerhalb der Bevölkerung.

Es wird sich allerdings erst zeigen, ob sich die Roten zu einer wirklichen Demokratiebewegung transformieren können. Die große Schwäche der Roten liegt darin, dass sie über keine Leitfigur im Land verfügen, die Thaksin als treibende Kraft ablösen und die lose Formation in Richtung einer Demokratiebewegung anführen könnte. Entscheidend bleibt dabei nicht nur die Frage nach den künftigen politischen Zielen, sondern v.a. auch nach der finanziellen Absicherung.

Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil der finanziellen Unterstützung der Roten aus Thaksins Privatvermögen stammt. Die Festsetzung seines seit 2006 eingefrorenen Vermögens könnte längerfristig die finanzielle Grundlage der Roten schwächen. Schwindet die finanzielle Unterstützung der Rothemden durch Thaksin selbst, wird auch sein zukünftiger Einfluss auf Proteste und Demonstrationen schrumpfen und eventuell versiegen. Das heißt aber nicht, dass Thaksin als Symbol von der politischen Bühne Thailands verschwinden wird. Die Politikrichtung, für die Thaksin bzw. die Roten stehen, weist seit 2006 eine Kontinuität und eine große Unterstützung auf, die nicht aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen verschwinden werden.

Chancen für eine nationale Versöhnung

Zunächst stehen Massenproteste auf der Tagesordnung. Die Roten haben angekündigt, Mitte März mit einer Millionen Menschen in Bangkok aufzumarschieren. Interessanterweise sollen die geplanten Demonstrationen nicht als Reaktion auf das Gerichtsurteil im Fall des Vermögens von Thaksin Shinawatra stattfinden, sondern sollen eine „Dilemma-Situation“ für Premier Abhisit kreieren. Die Regierung müsse entweder das Parlament oder die Massendemonstration auflösen. Die Roten sprechen Abhisit Legitimität ab und wollen Neuwahlen. Es ist nicht auszuschließen, dass es zu blutigen Auseinandersetzungen kommt. Die Anwendung des Nationalen Sicherheitsgesetzes (Internal Security Act), welches dem Militär die Oberhand im Umgang mit den Demonstranten überlassen würde, ist bereits in der Diskussion. Paradox wirkt allerdings die Tatsache, dass die Abhisit-Regierung selbst durch eine Kombination von gewaltsamen Protesten der Anti-Thaksin-Bewegung, einer Entscheidung des Verfassungsgerichts und der Unterstützung des Militärs an die Macht kam.

Von großer Bedeutung für die innenpolitische Stabilität des Landes wird sein, wie das herrschende Establishment mit den „Roten“ umgeht. Wenn die politische Krise der letzten Jahre ihre Ursache in Thaksins Regierungsführung, seinem Machtmissbrauch und der Korruption hatte, so müssten nun konstruktive Wege für eine Versöhnung der polarisierten Gesellschaft gesucht werden.

Premierminister Abhisit Vejjajiva hatte dem Land bei Amtsantritt nationale Versöhnung versprochen, war aber nicht willens oder nicht in der Lage, durch eine konstruktive Politik dazu beizutragen. Im Gegenteil: Seine Regierungspolitik zeichnet sich durch reaktive Einzelmaßnahmen gegen die politische Agenda der „Roten“ aus. Und so tendieren die Chancen auf eine nationale Versöhnung derzeit gegen Null. Hinzu kommt, dass das politische Überleben des Premierministers nicht gesichert ist. Es hängt vom Willen der royalistisch-militärischen Institutionen ab. Gelingt es Abhisit nicht, die Situation unter Kontrolle zu bringen, kann ein erneuter militärischer Eingriff nicht ausgeschlossen werden.

Seit über drei Jahren versuchen Militärs, Bürokratie und Adel das politische Vermächtnis Thaksins, das offenbar tiefe Spuren hinterlassen hat, mit verschiedenen Mitteln zu eliminieren. Zugleich werden fundamentale gesellschaftliche Probleme ignoriert. Hierzu gehört in erster Linie die Einbindung der armen Landbevölkerung in den politischen und wirtschaftlichen Prozess durch ein aktives politisches Mitspracherecht und sozioökonomische Gerechtigkeit.

Die Aussichten für eine nachhaltige Stabilisierung des Landes sehen schlecht aus. Ein in großen Teilen der Bevölkerung verbreitetes Unrechtsgefühl, dass das Recht nicht für alle gleichermaßen gilt, kann nicht mit Sicherheitsmaßnahmen beantwortet werden. Die Herausforderung für die Gegner Thaksins besteht daher darin, auf die Forderungen und Erwartungen der Roten einzugehen, aber auch erfolgreiche politische Ansätze des Ex-Premiers aufzugreifen. Das ist auch der einzige Weg für die Regierung, das eigene Überleben zu sichern.

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