国家报道
von Jonas Blüdorn und Dr. Daniel Schmücking
Schwierige Ausgangslage
Die Startbedingungen für einen politischen Wandel in der Mongolei standen nach 70-jähriger sozialistischer Herrschaft denkbar schlecht. Die Kaderpartei MRVP hatte über Jahre die mongolische Politik zentral geleitet. Der kommunistische Staat ließ weder eine vertikale noch eine horizontale Gewaltenteilung zu. Dies führte wiederrum zu einer zentral organisierten Staatsverwaltung, die der ständigen Kontrolle der Partei unterlag. Neben Gesetzten, die jegliches dezentrales Handeln verhinderten, wurde der politische Nachwuchs nach sozialistischer Ideologie erzogen. Bis ins Jahr 1990 waren alle wichtigen Staatspositionen in der Mongolei von Personen besetzt, die im Ostblock ausgebildet wurden. Eine alternative Meinung zur sowjetischen Ideologie sowie Oppositionsparteien waren verboten. Daher mussten sich die Revolutionäre von 1990 damit abfinden, dass viele politische Funktionäre nach der Revolution ein Überbleibsel des alten Regimes waren. Zudem fehlte der Mongolei die historische Erfahrung mit der Demokratie. Die Ausgangslage für die Transformation war deutlich schwieriger, als in anderen Ländern die sich 1989/90 für die Demokratie entschieden wie zum Beispiel Polen oder Tschechien. Die Erarbeitung von demokratischen Ideen und Strukturen war deshalb eine besondere Herausforderung.
Entwicklung seit 1990
Mit der friedlichen Revolution und dem Zusammenbruch des sowjetischen Hegemonialblocks wurde innerhalb der Mongolei der Ruf nach Reformen und Veränderungen laut. Am 10. und 11. Mai des Jahres 1990 schuf die Mongolei eine Basis, um die gewünschten Veränderungen zu verwirklichen. So wurde neben der Einführung von freien Wahlen auch die Teilung der Staatsgewalt beschlossen. Dies ermöglichte die wechselseitige Begrenzung sowie Kontrolle der Staatsmacht. Der Anstoß erfolgte durch die kommunistische Kaderpartei selbst. Die Funktionäre hatten erkannt, dass das Volk entschlossen war, Reformen einzuleiten. Den Prozess zu gestalten, war eine Möglichkeit und Hoffnung weiterhin politischen Einfluss zu behalten. Die Entwicklung führte letztendlich zu freien Wahlen, an der zahlreiche neu gegründete Parteien teilnahmen. So saßen nach den ersten Wahlen im Jahr 1990 bereits Mitglieder aus vier unterschiedlichen Parteien im Parlament. Der Grundstein eines Mehrparteiensystems war damit gelegt. Mittels der Verabschiedung der neuen Verfassung im Jahr 1992 setzte die Mongolei ein Zeichen des politischen Wandels. Ein Verständnis der kommunalen Selbstverwaltung wurde erstmals in der Konstitution verankert. In den Reformen wurde eine Untergliederung der Mongolei in territoriale Einheiten festgesetzt. Administrativ teilt sich die Mongolei in Aimags (Bezirke), Khoros (Stadtteile der Hauptstadt), Sums (Kreise) und Bags (Gemeinden). Innerhalb dieser Einheiten leiten demokratisch gewählte Organe die Angelegenheiten der lokalen Verwaltung. Diese sollen sich für die lokalen Interessen einsetzen und die Entwicklung fördern. Die neue Verfassung sichert den administrativen Ebenen einen gewissen Grad der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit zu.
Die große Aufgabe war es damals, zu dezentralisieren und den Staat dennoch handlungsfähig zu halten. Bei der Aufteilung von Kompetenzen und Verantwortungen auf lokale Institutionen durfte die Qualität des staatlichen Handelns nicht verloren gehen. Hierzu entwickelte die mongolische Regierung nach neuseeländischem Vorbild ein Konzept des „Public Sector Management and Finance Act“. Dieser Ansatz zur Koordinierung und Verbesserung lokalen Handelns sieht vor, den gesamten öffentlichen Sektor zu liberalisieren und ein privatwirtschaftliches Management sowie entsprechende Budgetierungsmethoden einzuführen. Durch Privatisierungen sollte die Qualität staatlichen Handelns gesichert und verbessert werden. Ein weiterer Reformansatz erfolgte im Jahr 2001 durch einen Vorschlag des Parlaments. Der Entwurf sah einen Zusammenschluss der 21 mongolischen Provinzen zu vier Regionen vor. Zudem sollten diese Regionen mit größeren Kompetenzen und Rechten ausgestattet werden. Dies sollte die Dysbalance zwischen Zentralregierung und Lokalverwaltung ausgleichen. Der Vorschlag wurde jedoch ausschließlich diskutiert und kam nie innerhalb des Parlamentes zur Abstimmung. Insgesamt betrachtet erzielte die Mongolei im Vergleich zum alten sozialistischen Regime im Bereich der Dezentralisierung große Fortschritte und doch gibt es am Status Quo noch einigen Verbesserungsbedarf.
Status Quo
In Artikel 58 (I) der mongolischen Verfassung heißt es „Aimags, die Hauptstadt, Sums und Stadtbezirke sind administratives, territoriales, wirtschaftliches und soziales Gebilde mit einer jeweils gesetzlich vorgegebenen Rahmenordnung und eigener Verwaltung“. Dies zeigt, dass die kommunalen Einheiten der Mongolei nicht als juristische Personen oder Gebietskörperschaften zu verstehen sind. Die Provinzen, Gemeinden und Kreise verfügen somit juristisch betrachtet über keine Rechte und Pflichten. Ein Bürger ist nicht in der Lage Ansprüche an seine Gemeinde zu stellen, da diese aufgrund ihres rechtlichen Status nicht zu einer Leistung gegenüber dem Bürger verpflichtet ist. Die Kommunen sind z.B. gegenüber ihren Bürgern rechtlich nicht verpflichtet, Dienstleistungen, wie die Müllentsorgung und die Versorgung mit Strom und Wasser, zu gewährleisten. Die Kompetenzen und Pflichten der einzelnen Ebenen sind stattdessen unklar ausgelegt und stark eingeschränkt. Das nationale Parlament ist rechtlich dazu befugt, jegliche auf lokaler Ebene getroffene Entscheidung zu negieren. Das Subsidiaritätsprinzip findet sich nur in eingeschränkterer Weise in der mongolischen Verfassung wieder. Die kleineren Ebenen sind per se nicht für sich selbst verantwortlich und dürfen Entscheidungen nicht eigenständig treffen. Um die ländliche Entwicklung des Landes zu fördern ist dies aber wichtig, denn derzeit findet eine demographische Zentrierung in der Hauptstadt Ulaanbaatar statt. Der Übergangsprozess von der nomadischen Viehwirtschaft in die sesshafte Zivilisation ist der Trend der letzten 25 Jahre. Zurzeit leben bereits 50 Prozent der Bevölkerung in der Hauptstadt. Einer der Gründe dafür ist die schlecht ausgebaute Infrastruktur im ländlichen Raum. Die mangelhafte Strom- und Wasserversorgung, sowie eine sehr schlechte Straßenanbindung erschweren das nomadische Leben auf dem Land in erheblichem Maße. Die Familien sind dazu gezwungen ihre Kinder auf Internate in größere Städte zu schicken, da eine örtliche Schulausbildung nicht immer gewährleistet werden kann. Zudem schaffen Naturkatastrophen weitere Risiken für die ländliche Bevölkerung. Durch winterliche Stürme können Nomaden große Teile ihrer Herde verlieren und in die Armut abrutschen. Der niedrige Lebensstandard und das harte Nomadenleben erhöhen den Migrationsdruck in die Städte. Großstädte bieten aus der Perspektive Vieler das Potenzial einer abgesicherten Zukunft. Um den Fortschritt in ländlichen Gebieten zu fördern und den Bevölkerungsstrom in die Hauptstadt abzuschwächen, braucht es Menschen mit Entscheidungskompetenzen vor Ort. Diese können die lokale Lage deutlich besser einschätzen und beurteilen. Gelder können zielorientiert und punktuell eingesetzt werden. Zu ergreifende Maßnahmen können von lokalen Experten koordiniert und geleitet werden.
Die Unabhängigkeit der Kommunen wird zusätzlich durch Eingriffe übergeordnete Instanzen in den administrativen Aufbau der Provinzen, Gemeinden und Kreise geschwächt. Die Leiter der Bürgerversammlungen müssen stets von der administrativ höheren Ebene bestätigt werden. Infolgedessen kommt es zu einer Kettenbestätigung, an deren Ende immer das nationale Parlament steht. Das Parlament ist rechtlich dazu fähig die Führung der verschiedenen Ebenen nach eigenem Ermessen zu bestimmen. Die Gouverneure als Vorstand der verschiedenen Verwaltungseinheiten werden von den Ministerien kontrolliert und überprüft. Ein Gouverneur hat Entscheidungen, die in den Sitzungen der Bürgerversammlung fallen, seiner höher gestellten Ebene mitzuteilen und zu erklären. Dieser Sachverhalt lässt die Frage aufwerfen, ob von einer politischen Eigenständigkeit wirklich die Rede sein kann.
Ebenso problematisch ist die finanzielle Unabhängigkeit. Alle Einnahmen, die die Provinzen, Gemeinden und Kreise erwirtschaften, fließen an das Finanzministerium. Dieses nimmt im Anschluss eine Umschichtung vor und verteilt das Geld auf die 21 Provinzen der Mongolei. Geldmittel zur Verwirklichung lokaler Projekte müssen zunächst vom Parlament bestätigt und beschlossen werden. Eine finanzielle Eigenständigkeit kann dementsprechend auch nicht ausgemacht werden, da Geldmittel zur Finanzierung lokaler Projekte stets aus dem Staatshaushalt fließen.
Lösungsansätze
Um die Situation zu verbessern, werden immer wieder verschiedene Ansätze diskutiert. Es herrscht Einigkeit darin, dass eine grundlegende Neujustierung der Verwaltung nur durch eine Verfassungsänderung möglich ist. Derzeit ist eine Arbeitsgruppe des Parlaments unter der Führung von Batbayar Nyamjav damit befasst, einen Entwurf für eine Verfassungsänderung zu erstellen. Der aktuelle Entwurf legt jedoch keinen Fokus auf die Dezentralisierung, sondern erschwert sogar die jetzige Lage. Es ist vorgesehen, dass bei zukünftigen Kommunalwahlen keine Parteien mehr antreten dürfen. Dies wird die Koordinierung der kommunalen Kräfte weiter schwächen. Parteien sind nötig, um die Interessen der ländlichen Interessen zu bündeln und zur Geltung zu bringen. Außerdem stellt sich die Frage, wer anstatt von Parteien bei kommunalen Wahlen antreten wird. Die für die Demokratie wenig positive Alternative könnten Unternehmen oder Familienclans sein.
Insgesamt bedarf es einer Förderung der Eigenständigkeit und Selbstständigkeit der administrativen Einheiten. Die Befugnisse dieser Ebenen sollten ausgeweitet und unter eigene Kontrolle gestellt werden. Dabei sollte eine Verankerung der Rechte und Pflichten der Provinzen, Gemeinden und Kreise erreicht werden, sodass ein Anspruch gegenüber staatlichen Leistungen seitens des Bürgers erfolgen kann. Außerdem darf es zu keiner finanziellen Abhängigkeit kommen. Die administrativen Einheiten müssen in der Lage sein ihr eigenes Kapital durch Steuern zu erwirtschaften.
Die mongolische Politik zeigt sich durchaus bemüht diese Defizite auszubessern. Besonders Präsident Elbegdorj hat auf seiner Agenda, die Dezentralisierung innerhalb der Mongolei weiter voran zu bringen. Es gibt verschiedene Förderprojekte, die auf seinen Anstoß hin in Bewegung gebracht wurden. So wurde der Local Development Fund ins Leben gerufen, der lokale Projekte fördern soll und die Entscheidungsgewalt über den Einsatz der Mittel bei der lokalen Bevölkerung lässt. Die Bürger kommen dazu in Versammlungen zusammen und treffen eigene Entscheidungen. Im Fokus dieser lokalen Projekte steht meist die schlechte Infrastruktur, wobei sich das Projekt an den Zielen der Millennium Development Goals orientiert. Das verfügbare Budget beläuft sich auf etwa 2.3 Mio. US-Dollar. Der Fond macht die bessere Koordinierung von finanziellen Mitteln durch lokale Experten möglich. Gelder werden an den notwendigen Stellen ausgegeben und möglichst sinnvoll verwendet. Zudem ist eine Zustimmung des Parlaments für die Verwirklichung lokaler Projekte nicht erforderlich und verleiht den Provinzen, Kreisen und Gemeinden eine gewisse Eigenständigkeit. Es konnten bereits viele Wasser- und Stromversorgungssysteme installiert werden. Durch die geringe Summe des Fonds und die Größe des Landes ist das Projekt aber mehr ein Symbol des Auftakts als eine nachhaltige Unterstützung.
Neben dem Local Development Fund ist das Projekt der „Citizenhalls“ im Jahr 2009 ins Leben gerufen worden. Der Zweck des Projektes ist die Verbesserung der politischen Partizipation. Bürger sollen sich zu politischen Entscheidungen sowie Gesetzesentwürfen äußern und diese diskutieren. Es gilt die Meinungen der gesamten Bürgerschaft einzufangen und ein Diskurs zwischen Politik und Bevölkerung herzustellen. Zum anderen fördert das Projekt die Vernetzung unter der mongolischen Bevölkerung. Es können Interessensgemeinschaften gebildet werden und es wird eine öffentliche Bühne für Diskussion auf einer bürgernahen Ebene geschaffen. Am wichtigsten ist es jedoch ein Forum zu schaffen, um über die Nutzung der finanziellen Mittel des Local Development Funds zu debattieren. Jeder Mongole hat Teilnahme- und Rederecht. In der Idealvorstellung fördern die „Citizenhalls“ die Teilhabe der Bevölkerung. Die Teilnehmerzahlen sind bisweilen noch zu gering, um von einem Erfolg zu sprechen. Dennoch sind Verbesserungen in diesem Bereich erkennbar. Viele NGOs bemühen sich zudem die Teilnehmerzahlen der „Citizenhalls“ zu erhöhen und die Regierung hat teilnahmefördernde Kampagnen auf den Weg gebracht.
Fazit
Nach 70 Jahren sozialistischem Zentralismus standen die Zeichen für einen demokratischen Wandel denkbar schlecht. Dennoch war 1990 das Ziel klar: Demokratie. Es folgten viele Schritte, um das System zu reformieren. Dabei sind einige Erfolge zu verzeichnen, wie die Einführung Gewaltenteilung, die Schaffung des Mehrparteiensystem und der Beginn der Dezentralisierung. Dennoch gibt es noch einige Probleme. Die aktuelle Verfassung bietet noch keinen wirklichen Raum für dezentrale Entscheidungen. Die Bemühungen der Mongolei eine Änderung herbeizuführen sind erkennbar, doch fehlt es noch an der richtigen Durchschlagskraft. Der Local Development Fund ist ein wichtiger und richtiger Schritt, um eine Verbesserung herbeizuführen. Insgesamt hat sich die Mongolei der großen Aufgabe gestellt, die zentralen Strukturen aufzulösen. Dabei hat sie viele Hürden nehmen müssen und bereits eine gute Basis geschaffen. Der Prozess ist aber noch lange nicht abgeschlossen.
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