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"Der elegante Ausweg ist die Erhöhung der Lebensarbeitszeit"

Lebensarbeitszeit, Beitragssätze, Rentenniveau – Auf dem Weg zur Mindestsicherung?

Die Gesetzliche Rentenversicherung steht trotz vieler richtiger Reformschritte in den letzten zwei Jahrzehnten weiterhin unter dem Druck der demographischen Entwicklung. Vor allem ab dem Jahr 2030 droht ein rascher Anstieg des Beitragssatzes bei gleichzeitigem Abfall des Rentenniveaus. Diese Entwicklung stellt die Legitimation des beitragsfinanzierten Umlagesystems für die jüngeren Generationen in Frage. Welche Reformen können das gesetzliche Rentenversicherungssystem stützen? Oder sollten wir einen Systemwechsel zu einem Mindestsicherungssystem aktiv vorantreiben?

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„Die demographische Welle rollt erst auf uns zu“

Die demographische Entwicklung in Deutschland wird das Verhältnis zwischen Rentnern und erwerbsfähiger Bevölkerung drastisch verschieben. Der Altersquotient wird sich bis 2060 verdreifachen, so Professor Werding von der Ruhr-Universität Bochum in seinem Impuls. Wenn wir keine Anpassungen vornehmen, wird dadurch der Beitragssatz im Jahr 2060 einen Wert von 27 Prozent erreichen. Im gleichen Zeitraum werde das Rentenniveau auf unter 43 Prozent sinken. Die Rentenversicherung ist aufgrund der ambitionierten Reformpolitik der letzten 25 Jahre derzeit in einer sehr guten Situation, betonte Konrad Haker, Referatsleiter im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Allerdings rollt „die demographische Welle“ erst noch auf uns zu, und schlage ab 2030 voll zu, so Haker. Wir müssen daher stärker die Jahre nach 2030 in den Blick nehmen.

„Mindestsicherung wäre ein Scheitern der Politik“

Eine Antwort auf die prognostizierte Entwicklung könnte ein frühzeitiger Systemwechsel hin zu einer reinen Mindestsicherung – eine Einheitsrente für alle – sein. Mit einem Systemwechsel würden aber keine Probleme gelöst, darin war sich das Panel einig. Für die Übergangszeit käme gar eine doppelte Belastung auf die Versicherten zu, so Dr. Reinhold Thiede, Geschäftsbereichsleiter Forschung und Entwicklung der Rentenversicherung Bund. Man solle sich daher darauf konzentrieren, das bestehende System zukunftsfest zu machen. Dazu braucht es Reformen, die die Legitimation des beitragsfinanzierten Umlagesystems gerade für die jüngere Generation stärken. Wenn das Verhältnis zwischen Höhe des Beitragssatzes und des Rentenniveaus weiter aus dem Gleichgewicht gerät, wird gerade für die Jüngeren das System ihre Berechtigung verlieren. Entscheidend sei dabei die Höhe des Rentenniveaus, bzw. die sogenannte „interne Rendite des Rentensystems“, betonte Thiede. Um diese Rendite für die Jüngeren zu verbessern, kommen mehrere Stellschrauben in Frage.

„Der elegante Ausweg ist eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit“

Die interne Rendite kann durch eine Senkung des Beitragssatzes oder eine Erhöhung des Rentenniveaus verbessert werden. Allerdings müsse in einem umlagefinanzierten System ein höheres Rentenniveau immer durch mehr Beiträge finanziert werden, so Werding. Solange nur an diesen beiden Stellschrauben gedreht würde, gleiche die Situation einer „zu kurzen Bettdecke“. „Entweder es frieren die Füße, oder sie ist oben zu kurz“, veranschaulichte Werding. Auch die Erweiterung des Kreises der Beitragszahler helfe langfristig nicht. Dies würde zwar zunächst eine breitere Finanzierungsbasis schaffen, aber, „wenn wir nur den Versicherungskreis ausweiten, dann verschieben wir nur das Problem“, argumentierte Werding. Der eleganteste Ausweg sei die Erhöhung der Lebensarbeitszeit.

„Flexibilisierung heißt Schaffung von Handlungsspielräumen“

Die Diskussion sei aber nicht nur über die Erhöhung des fixen Regelalters zu führen. Die Menschen altern unterschiedlich, über Flexibilisierungen geben wir ihnen Handlungsspielräume, so Thiede. Diese Spielräume sollten allerdings nicht auf Kosten anderer geschaffen werden. Eine Möglichkeit wäre – ausgehend von einer Regelaltersgrenze – durch versicherungsmathematisch begründete Ab- und Zuschläge sowohl einen früheren als auch einen späteren Renteneintritt zu ermöglichen. Am besten sollte dabei die Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung gekoppelt und in Tradition des Nachhaltigkeitsfaktors automatisch angepasst werden. Rentenpolitik müsse sich nach der großen Masse richten und gleichzeitig Regelungen für Sonderfälle finden, so Werding. Die Erwerbsminderungsrente muss dazu noch weiter verbessert und vor allem in Bezug auf die Hinzuverdienstregelungen flexibilisiert werden, ergänzte Thiede.

Anhebung Renteneintrittsalter: Politische Sackgasse?

Die Erhöhung der Lebensarbeitszeit ist bei Fachleuten eine unumstrittene Notwendigkeit, bei den Menschen jedoch unbeliebt. So hat eine Umfrage der Bertelsmann Stiftung ergeben, dass die Menschen zwar erwarten mit 69 Jahre in Rente zu gehen, das gewünschte Renteneintrittsalter liege jedoch bei 63. Die Moderatorin, Eva Rindfleisch, stellte daher die Frage, ob zu erwarten sei, dass die Menschen immer zum längeren arbeiten gezwungen werden müssten oder ob es Möglichkeiten gäbe, längeres Arbeiten attraktiver zu machen? Das Panel war sich einig, dass sich das gewünschte Renteneintrittsalter mit der Zeit automatisch erhöhen werde. So zitierte Thiede eine noch unveröffentlichte Studie, die einen Zusammenhang zwischen den Eintrittswünschen einer Bevölkerung und dem aktuellen Regeleintrittsalter nahelege. Man solle daher mit der Debatte um eine erneute Erhöhung warten, bis sich das tatsächliche Renteneintrittsalter nach oben angepasst habe, dann würden sich auch die Wünsche verändern, spekulierte Thiede.

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Laura Naegele KAS
Stefan Strunk KAS

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Berlin Deutschland

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