Mit der Veröffentlichung der China-Strategie ist der Umgang mit dem Land verstärkt in den Fokus der deutschen Öffentlichkeit gerückt. Dabei ist das Thema nicht erst seit Kurzem relevant in der Sicherheits- und Entwicklungspolitik. In einer eigenen Sitzung zu dem Thema hat sich deshalb auch das Promotionskolleg Sicherheit und Entwicklung im 21. Jahrhundert unter der Leitung von Prof. Dr. Beate Neuss, stellv. Vorsitzender der KAS, dem Umgang mit der fernöstlichen Großmacht gewidmet. Unter dem Titel "Die Volksrepublik China: Großmachtvisionen und Systemrivalität" sprachen die Kollegiatinnen und Kollegiaten dabei über Chinas Außenpolitik und die damit verbundenen Herausforderungen. Dabei standen auch die geopolitischen Veränderungen und die Bedeutung einer differenzierten China-Politik für Deutschland und Europa im Fokus.
Ein zentrales Thema war die neue China-Strategie der Bundesrepublik Deutschland. Inhaltlich legt die Strategie dabei einen deutlichen Schwerpunkt auf die Kategorien Wettbewerb und systemische Rivalität, die seit der Nennung in einem Strategiepapier der EU-Kommission 2019 neben der Partnerschaft mit China zu zwei weiteren Eckpfeilern der europäischen Chinadiskussionen geworden sind. Die Diskutierenden waren sich einig, dass das Zielsein sollte, sowohl die Partnerschaft mit China glaubwürdig auszubuchstabieren, als auch die eigenen Interessen mit Blick auf Partnerschaften weltweitzu wahren und sich wo nötig auch klarer zu positionieren.
Thorsten Benner, Direktor des Global Public Policy Institute, betonte in seinem Vortrag die Notwendigkeit, militärische Eskalationen zwischen China und den USA zu verhindern, indem auch Europa die eigenen Abhängigkeiten verringern müsse und auch bereit sei, Friedenspolitik neu zu denken. Diese Überlegungen gewinnen vor dem Hintergrund der strategischen Neuausrichtung Deutschlands zusätzliche Bedeutung. Es wird deutlich, dass eine ausgewogene China-Politik nicht nur in Bezug auf Wirtschaft und Handel, sondern auch mit Blick auf sicherheitspolitische Aspekte essenziell ist.
In einem Diskussionsformat im Forum der KAS-Akademie diskutiertender Journalist Felix Lee, Manisha Reuter vom European Council of Foreign Relations sowie Magdalena Jetschgo-Morcillo von der KAS zudem die komplexen geopolitischen Zusammenhängeund die Notwendigkeit, diese auch in unserem Ansatz gegenüber China abzubilden. Die militärischen Operationen im Südchinesischen Meer und die in vielen Teilen hybriden Taktiken, denen sich Anrainer-Staaten in ihren territorialen Auseinandersetzungen mit China ausgesetzt sehen, verdeutlichen, wie China seine Macht- und Einflussfähigkeiten ausgeweitet, und dabei auf Instrumente zurückgreift, die häufig unterhalb der Schwelle zu klaren, gegen dasinternationales Recht verstoßenden Maßnahmen, bleiben. Ein Blick auf die strategische Ausrichtung vieler Anrainer-Staaten in Südostasien macht dabei deutlich, wie sehr die Länder Asien-Pazifiks versuchen China als wichtigen Handelsakteur und mächtigen Nachbarn anzuerkennen und gleichzeitig die eigenen sicherheitspolitischen Interessen wahren zu können.
Dr. Christian Stursberg vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sprach anschließend über die chinesische Wirtschafts- und Handelspolitik in Bezug auf Deutschland. Die Abhängigkeit Deutschlands von bestimmten Sektoren, wie der Chemie- und Elektronikindustrie sowie seltener Erden, verdeutlicht die Notwendigkeit eine auf Reziprozität beruhende, ausgewogenen wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China zu suchen. Die neue China-Strategie der Bundesrepublik Deutschland würde hierbei ein wichtiges Puzzleteil dafür sein, den richtigen Mix aus Wettbewerb und Kooperation finden zu können.
Ein weiterer wichtiger Punkt war die Arbeit der Stiftung in China selbst. Gesetzliche Regeln, die den Rahmen für Arbeit von ausländischen Organisationen vor Ort setzen, erfordern eine starke Anpassung an die chinesischen Partner und deren politischen Spielraum im Land. Dieie KAS konzentriert sich dennoch auf wichtige Projekte im Bereich Umwelt- und Klimaschutz, den rechtswissenschaftlichen Austausch, die Themen Innovationen und soziale Inklusion und auf Formate, in denen aktuelle, globalpolitische Entwicklungen diskutiert werdenDie Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China in diesen Bereichen sei wichtig und könne einen positiven Einfluss auf beide Länder und die Welt haben, gerade auch um unterschiedliche Positionen und deren Auswirkungen deutlich zu machen, erklärte David Merkle.
Prof. Dr. Dr. Nele Noesselt sprach in einem abschließenden Vortrag über die verschiedenen Strategien und Instrumente, die China in seiner Außenpolitik einsetzt. Sie betonte, dass eine differenzierte China-Politik erforderlich sei, die wirtschaftliche Chancen nutzt und gleichzeitig die eigenen Interessen und Werte schützt. Sie wies darauf hin, dass die Sicherheitslage in Asien sowie die geopolitische Bedeutung Chinas weitere Herausforderungen darstellen, denen Deutschland und Europa begegnen müssen.
Im Anschluss an den Beschluss der neuen China-Strategie durch die Bundesregierung im Juli fand am 08.09. ein Online-Treffen des Promotionskolloquiums statt, bei dem der Asien-Pazifik-Experte Christian Echle, Leiter der Abteilung Asien / Pazifik der Konrad-Adenauer-Stiftung sowie Johannes Grünhage, Leiter des Chinareferats der Stadt Duisburg und Altstipendiat der KAS, ihre Einschätzungen zur neuen China-Strategie einem interessierten Publikum mitteilten. In seiner Bestandsaufnahme sprach Herr Echle eher von einem „Kompass“, den die Bundesregierung aufgesetzt hätte, als von einer Strategie. Die Ziele seien zwar klar definiert, es bleibe aber unklar mit welchen konkreten Maßnahmen die Bundesregierung diese Ziele erreichen wolle. Die Instrumente, mit denen Schwerpunkte gesetzt werden sollen, würden im China-Papier nicht ausgeführt und auch die Prozesse blieben in der Schwebe. Zudem sei eine der größten Schwächen des Pamphlets, dass es nicht mit ausreichend Budget hinterlegt sei. Auch das prominent formulierte Ziel des „De-Risking“ sei eher ein Appell an die Wirtschaft und weder mit konkreten Regelungen noch mit staatlichen Anreizen verknüpft. Dagegen sei das Positionspapier der CDU/CSU wesentlich schärfer formuliert und mit konkreten Forderungen verbunden. Herr Grünhage schloss sich dieser Einschätzung weitestgehend an und ergänzte seine Ausführungen mit wertvollen Einblicken zur aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage in China..
Die neue China-Strategie der Bundesrepublik Deutschland soll dabei helfen, eine klare Richtung für die zukünftige Zusammenarbeit und Auseinandersetzung mit China festzulegen. Die Ziele sind gesetzt und der Kompass führt in die richtige Richtung. Auf welche Wege man sich schließlich zur Erreichung der Ziele einigen wird, bleibt jedoch im Moment noch unklar. Angesichts der geopolitischen Veränderungen ist es von großer Bedeutung, dass Deutschland und Europa die eigenen Interessen und Werte wahren kann, während gleichzeitig über die Etablierung neuer Partnerschaften von großere Bedeutung bleibt, um globale Herausforderungen kohärent bewältigen zu können. Eine Ablösung des „Wandel-durch-Handel-Mantras“ war deshalb mehr als überfällig, kann zugleich jedoch nur als erster Schritt in die richtige Richtung bezeichnet werden.
Florian Eitzenberger, 15.09.2023
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