In der Adventslesung im 17. Studio online erklärte die Autorin, ehemalige Stipendiatin aus dem EHF 2010-Stipendienprogramm der Stiftung, ihre Begeisterung für die menschlichen Zwischentöne und stellte den aus mehreren Ländern, auch Brasilien, zugeschalteten Zuhörenden zwei Kapitel aus ihrem Roman vor.
Es geht darin um Frauen, die sich kurz nach dem letzten Pandemie-Lockdown im Gemeindesaal einer evangelischen Kirche in Stuttgart treffen, um zu singen, endlich ohne Maske und in Gemeinschaft. Nichts Professionelles, die Sängerinnen sind Laien und haben nur zwei Auftritte im Jahr, beim Sommerfest und beim Adventsbasar. Gesungen werden Lieblingslieder, von Bach über die schwäbische Romantik bis zum Ohrwurm „Marmor, Stein und Eisen bricht“. Das Singen macht gleich, egal, ob jung oder alt, reich oder arm, fit oder gehandicapt. Der Chor: Modell einer funktionierenden Gemeinschaft, ein Demokratiegewinn in den Schönen Künsten?
Aber es ist eben nicht alles gut in Anna Katharina Hahns Roman. Der Chor ist kein Kirchenchor und die Welt draußen keine friedliche. Jede der Frauen hat eine belastende Backstory. Untereinander gibt es zwar Nächstenhilfe und Fürsorglichkeit, aber auch Repressionen und Ressentiments. Die „Karrierefrau“ Alice sorgt sich um die erkrankte achtzigjährige Lena, aber gegen Geld, und vermeidet es, die nach der Chorprobe mit Plastiktüten vom Discounter bepackte Cora in ihrem Audi mitzunehmen. Stattdessen kommt sie der jungen, „kaninchenhaft“ wirkenden Studentin Sophie näher, die in einer Wohnung mit „maßloser Tierhaltung“ haust.
Die Wunderlandsuche im Chor führt zu Enttäuschungen, die erschreckend sind und schön, widersprüchlich eben und auf poetische Weise lehrreich. Anna Katharina Hahns Roman ist so eine Stichprobe ins Selbstgefühl einer bürgerlichen Gesellschaft. Sie erzählt von dem, was Solisten und Egoisten, „Narzissten, Lügnerinnen, Querulantinnen“ zusammenhält. Und das ist, immerhin, das tätige, doch nicht fehlerfreie und schon gar nicht rundum harmonische Zusammenwirken in einem kulturellen Rahmen. Auch für die Figuren des Romans geht das von Krisen umstellte Leben weiter, mit oder ohne Maske. Nach der Pandemie ist vor dem Krieg.
Aber es gibt, ganz am Ende, einen „winzigen roten Punkt“ in der Düsternis. Das Licht eines Feuerzeugs ist es, mit dem Anna Katharina Hahn ihre Romanfiguren und die Lesenden entlässt. Kommt der Hoffnungsfunke aus der Literatur? Die Literaturpreisträgerin der Konrad-Adenauer-Stiftung 2025 Iris Wolff zitiert einmal Adam Zagajewski, auch der ein Preisträger der Stiftung, mit dem Satz, dass Dichter und Schriftsteller das, was ist, „im Licht eines Streichholzes“ betrachten.
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