活动情况介绍
Militarisierung von Staat und Gesellschaft in der DDR
Die 6. Belter-Dialoge:
Impulse zu Zivilcourage und Widerstand
Am Montag, dem 28. April 2014, fanden die 6. Belter-Dialoge der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. im Alten Senatssaal der Universität Leipzig statt. Diese widmeten sich dem Thema „Militarisierung von Staat und Gesellschaft in der DDR“. Die Belter-Dialoge werden einmal jährlich durchgeführt und sind nach dem Studenten Herbert Belter benannt, der 1951 zum Tode verurteilt und in Moskau erschossen wurde. Am Tag der diesjährigen Veranstaltung jährte sich der Todestag von Herbert Belter somit zum 63. Mal. Sein Name steht symbolisch für Widerstand und Zivilcourage in der ehemaligen DDR. Die Belter-Dialoge sollen Mahnung sein, sich für die Demokratie zu engagieren.
Dr. Joachim Klose, Leiter des Politischen Bildungsforums Sachsen und Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. für den Freistaat Sachsen, begrüßte die rund 50 erschienen Gäste. Klose zufolge widersprach die vorherrschende Friedensrhetorik der Militarisierung der gesamten Gesellschaft.
Karl Eduard von Schnitzler und die Folgen – Feindbilder und Feindbildvermittlung in der DDR
Prof. Dr. Rüdiger Steinmetz und Dr. Judith Kretzschmar, Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig
Zu Beginn seines Vortrags verwies Prof. Dr. Rüdiger Steinmetz zunächst auf wichtige biografische Stationen im Leben von Karl Eduard von Schnitzler. Dieser prägte und medialisierte mit der Moderation der DDR-Fernsehserie „Der schwarze Kanal“ die Ost-West-Beziehung wie kein anderer. Als überzeugter Kommunist und Sozialist wurde von Schnitzler gemeinsam mit anderen Sozialisten beim BBC ausgebildet und war mehrere Jahre beim Nordwestdeutschen Rundfunk tätig. Laut Dr. Steinmetz behandelte von Schnitzler die Themen sehr subjektiv und faktisch verzerrt.
Frau Dr. Judith Kretzschmar hingegen stellte die Heimatreportage von Schnitzlers in den Mittelpunkt ihres Vortrags. Hierbei wollte sich von Schnitzler von der BRD abgrenzen und die „Heimat“ DDR präsentieren, um ein Freundbild zum sozialistischen Patriotismus zu schaffen. In den 16 Heimatreportagen standen Begriffe wie Solidarität und Fleiß im Vordergrund, um die Leistungsfähigkeit der DDR zu verdeutlichen. Kretzschmar zufolge verwendete von Schnitzler immer nur das, was für ihn verwertbar erschien. Seine Sichtweise auf ein sozialistisches Vaterland sei realitätsfern, weshalb kritische Punkte völlig außer Acht gelassen und ein parteiisches Bild gezeichnet wurde. Die Heimatreportagen sollten zu einem ideologischen und moralischen Empfinden beitragen und das eigene Geschichtsbewusstsein stärken. „In beiden Sendungen drückt sich meine Liebe zur Heimat aus“. Damit beweist von Schnitzler die Verbindung zum „schwarzen Kanal“. Laut Judith Kretzschmar sei Karl Eduard von Schnitzler der Inbegriff eines maroden DDR-Journalismus. Durch seine verzerrte Darstellung der Realität, sowohl beim „Schwarzen Kanal“ als auch in seinen Heimatreportagen, unterstützte er das klassische Freund-Feind-Denken in der DDR.
Von Kindesbeinen an – Wehrerziehung und Militarisierung der Gesellschaft
Prof. Dr. Klaus Fitschen, Institut für Kirchengeschichte der Universität Leipzig
Die Kindererziehung in der DDR sei von einer sozialistischen Wehrerziehung geprägt gewesen, so Prof. Dr. Klaus Fitschen. Die Vorbereitung auf den allgemeinen Wehrdienst als Bestandteil aller Bildungsinstitutionen habe dazu geführt, dass das Militärische als Selbstverständlichkeit angesehen und dadurch gleichermaßen Konformität erzwungen wurde. Das Einschärfen eines Feindbildes in der DDR habe die Stabilisierung der SED zum Ziel gehabt. Die Militarisierung sei mehr als eine getarnt aufgestellte Armee gewesen. Dies wurde unter anderem durch paramilitärische Strukturen wie die Kampfgruppe oder die Gesellschaft für Sport und Technik verwirklicht. Folge dessen war, dass sich Mentalitäten gebildet haben und sich auch Kinder und Jugendliche den militärischen Indoktrinationen nicht entziehen konnten. In der DDR sei das Bildungswesen ein Erziehungswesen zu einer bestimmten Art von Mensch gewesen.
Auch die Kirchen erlebten Phasen der Militarisierung. Die erste Phase fand in den 1950er Jahren statt und die zweite in der Zeit des Mauerbaus. Hier stellte sich die Kirche immer öfter die Frage, welche Position sie nach außen vertreten und welche Haltung sie einnehmen solle. Der Soldat müsse nach Meinung der Kirche als Individuum vor seinem Gewissen seinen Dienst verantworten können. In dieser Zeit boten die Kirchen einzelnen Verfolgten immer wieder Schutz und Rückhalt.
Nach einer Mittagspause wurde in einem weiteren Schwerpunkt die Wehrerziehung, speziell der Aspekt der Militärdienstverweigerung in der DDR, thematisiert. Unter dem von Joachim Klose formulierten Leitgedanken „minimaler Kompromiss vs. uneingeschränkter Gehorsam“ wurden von den Referenten vor allem persönliche Erfahrungen und Eindrücke dargestellt.
Ablehnung der Reserveoffiziersausbildung vs. vollständige Anpassung
Roman Schulz, Sächsische Bildungsagentur, Regionalstelle Leipzig
In diesem Zusammenhang berichtete Roman Schulz vom gelenkten studentischen Alltag während seines Lehramtsstudiums in den 1980er Jahren. Dabei stand insbesondere seine Entscheidung der Ablehnung der Reserveoffiziersausbildung in Mittelpunkt der Betrachtungen. Trotz parteipolitischem Druck und der damit verbundenen Androhung einer Exmatrikulation ließ sich Schulz nicht von seinem Standpunkt abbringen und konnte dennoch sein Studium beenden. Damit wollte er grundsätzlich herausstellen, dass eine Ablehnung der militärischen Ausbildung durchaus die Weichenstellung für das weitere Leben explizit beeinflussen konnte. Andererseits verdeutlichte seine unnachgiebige Haltung die direkte Möglichkeit der Unterscheidung zwischen aktiver Beteiligung und Ablehnung der damaligen politischen Praktiken. Schulz verwies zusätzlich darauf, dass in seinem Fall glücklicherweise keine nachhaltigen negativen Folgen für den Verlauf und den Ausgang seines Studiums entstanden, was jedoch nicht die Regel war und oftmals weitreichendere Konsequenzen nach sich zog.
Möglichkeiten der Wehrdienstverweigerung in der DDR und deren Folgen – Zur Rolle der Bausoldaten
Dr. Martin Böttger, ehemaliger Leiter der BStU-Außenstelle Chemnitz
Ergänzend dazu schilderte Dr. Martin Böttger seine Erfahrungen als Bausoldat in der DDR. Mit seiner Entscheidung, sich nach seinem Studium als Bausoldat zum Militärdienst zu melden, waren grundlegende negative Auswirkungen auf seinen weiteren persönlichen Werdegang verbunden. Er berichtete darüber, dass ihm dadurch sowohl die Möglichkeit einer universitätsinternen Promotion als auch direkte Aufstiegs- bzw. Karrierechancen in seinem späteren Beruf verwehrt wurden. Böttger zog jedoch auch eine positive Bilanz seines Dienstes als Bausoldat. Schließlich ermöglichte ihm dieser, wichtige Kontakte zu Oppositionellen herzustellen. Böttger betonte, dass sein späteres Engagement im oppositionellen Bereich grundsätzlich durch die während dieser Zeit geschaffenen Verbindungen beeinflusst wurde. Er stellte ebenfalls explizit heraus, dass „die Entwicklung von Zivilcourage nur in kleinen Schritten erlernt werden kann und grundsätzlich von der Bereitschaft des Einzelnen, die Konsequenzen seines widerständigen Handelns zu tragen, abhängt“.
Kaderschmiede der Stasi? Die Leipziger Journalistenausbildung im „Roten Kloster“ in der Ära Ulbricht
Dr. Daniel Siemens, University College London
Im Anschluss an diesen Themenkomplex, widmete sich Dr. Daniel Siemens in einer wissenschaftlichen Perspektive der Kaderschmiede der Fakultät für Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig. Seinen Untersuchungszeitraum bildeten die 1950er und 1960er Jahre. Siemens unterstrich seine Ausführungen dabei mit Zitaten der ehemaligen Studentin Helga Novak. In einer ersten grundlegenden These verwies er auf den hohen Stellenwert der journalistischen Ausbildung für die SED-Führung und deren Ziel, die Fakultät und deren Studenten aktiv für den Meinungskampf im Kalten Krieg sowie die sozialistische Propaganda einzusetzen. Des Weiteren thematisierte er die Rolle der Stasi bei der Umsetzung der parteipolitischen Indoktrination der Studenten. Die Beeinflussung der Studenten ging dabei so weit, dass gravierende Eingriffe in das Privatleben der jungen Menschen vorgenommen wurden, wobei zwischenmenschliche Solidarität insbesondere dann vermisst wurde, wenn Studenten gegen die staatliche Grundeinstellung bzw. gegen die offizielle Parteilinie antraten. Indem diesen mitunter inhumanen Praktiken nachgegangen wurde, wurden Studenten, welche eigentlich für den Sozialismus gewonnen werden sollten, jedoch abgestoßen. Gleichzeitig machte Siemens darauf aufmerksam, dass die Stasi, aufgrund ihrer geringen Kapazitäten von offiziellen wie inoffiziellen Mitarbeitern im universitären Bereich in Leipzig in den 1950er Jahren nicht in der Lage, war alle Studenten der Fakultät zu erfassen. Dass die Stasi aber dennoch ein bestimmender und vor allem durchdringender Faktor für die allgemeinen Aufgaben, Ziele und Arbeitsweisen der Fakultät war, daran konnte laut Siemens gewiss kein Zweifel bestehen. In einem letzten wesentlichen Punkt sprach Siemens den Zusammenhang zwischen den unmenschlichen Indoktrinationspraktiken und der Entstehung bzw. Unterstützung einer Dissidenz im Kreis der damaligen Journalistik-Studenten an. In diesem Zusammenhang verwies er somit auf die Möglichkeit, dass nicht nur linientreue Journalisten geformt werden konnten.
Militärischer Eid oder Gewissen? Die Schwierigkeit der DDR mit dem 20. Juli 1944
Dr. Jürgen Danyel, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Einleitend stellte Dr. Jürgen Danyel fest, dass die DDR und die BRD nach dem Zweiten Weltkrieg vor einem ähnlichen Problem standen: die Verstrickung der Wehrmacht in die NS-Verbrechen. In der BRD habe es lange Zeit gedauert, bis der 20. Juli 1944 in den militärischen Kontext einbezogen wurde. In der DDR galt bis 1990 das gescheiterte Attentat zwar als historisches Datum und habe nachholend eine symbolische Bedeutung eingenommen, jedoch ist es nie dazu gekommen, den ethischen Gehalt zu klären und zu reflektieren. Einen Grund dafür sieht Dr. Danyel darin, dass die DDR dazu mental nicht in der Lage war. Der Nationalsozialismus habe in den Köpfen vieler Menschen noch nachgelebt. Widerstandsgruppen spielten bei der Neuorientierung allgemein keine Rolle. Auch das führte zu einer Fremdheit des 20. Juli in der sowjetischen Besatzungszone. Die DDR-Gesellschaft war voller Interessenskonflikte und so kann das Militär als Spiegel der ostdeutschen Gesellschaft gesehen werden. Danyel zufolge müsse das gescheiterte Attentat im deutsch-deutschen Beziehungsgefüge betrachtet werden. Es kam zwar zu einer gegenseitigen Reaktion, allerdings ist die Erinnerung an den Widerstand dann in verschiedenen Bahnen verlaufen. Die Spaltung der deutschen Staaten habe ebenso zu einer Spaltung der eigenen Geschichte geführt. Die Erinnerungslücken und das Verdrängen seien auf beiden Seiten erheblich. In seinem Fazit fasst Dr. Jürgen Danyel noch einmal zusammen, das der 20. Juli 1944 ein zentrales und identitätsstiftendes Merkmal implizierte. Jeder ist jedoch anders damit umgegangen. Die DDR habe in der Ära Honecker versucht, ihr sprödes Verhältnis zur Geschichte abzulegen. Darüber hinaus habe die Macht der gesteuerten Medien letztlich dazu geführt, dass das Attentat an seinem 40. Jahrestag als eine patriotische Tat gefeiert wurde. Die SED-Führung wehrte sich dagegen, das Vergangene aufzuarbeiten. Durch diesen Umgang mit dem 20. Juli 1944 wurden letztendlich auch die Symptome von Untergang und Zerstörung der DDR hervorgerufen, so Danyel.
Abendliche Festveranstaltung: Aufklären und sich Einmischen – Zur Aufgabe der Bildungsinstitutionen bei der Erziehung mündiger Bürger
Dr. Thomas Feist, Leipzig, Mitglied des Deutschen Bundestages
Im Anschluss an die musikalische Eröffnung durch die Pianistin Konstanze Hollitzer begrüßte Dr. Joachim Klose, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., die rund 80 erschienenen Gäste, im Besonderen die verbliebenen Mitglieder der Belter Gruppe, Siegfried Jenkner, Werner Gumpel sowie Peter Eberle. Klose stellte heraus, dass Bildung ein zentrales Mittel sei, sich kritisch mit politischen und gesellschaftlichen Sachverhalten auseinanderzusetzen und deren Bedeutung sowie Geltung zu hinterfragen.
Prof. Dr. Matthias Schwarz, Prorektor für Forschung und Nachwuchsförderung von der Universität Leipzig, machte in einem anschließenden Grußwort deutlich, dass sich die Universität seit mehr als fünf Jahren im öffentlichen Diskurs mit dem Thema des Widerstands auseinandersetze. Doch wie kann sich der Einzelne gegen staatliche Willkür zur Wehr setzen?
Im nachfolgenden Vortrag von Dr. Thomas Feist, Mitglied des Deutschen Bundestages, ging es um das Thema „Aufklären und sich Einmischen – Zur Aufgabe der Bildungsinstitutionen bei der Erziehung mündiger Bürger“. Gleich zu Beginn machte er die anhaltende Spannung zwischen Gewissen und staatlichem Druck deutlich. Die Schule sei für ihn ein Erziehungsort sozialistischer Ansichten gewesen. „Die Kinder von heute, die Soldaten von morgen.“ Dieses Zitat zeige deutlich die vormilitärische Erziehung, die schon im Kindergarten durch Kriegsspielzeug angefangen habe. Dr. Feist stellte sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie viel Erziehungsarbeit der Staat in Anspruch nehmen solle/dürfe. In der DDR wurde die Erziehung der Kinder durch die Eltern unter jegliche staatliche Kontrolle gestellt. Auch das Schulsystem war straff zentralistisch gegliedert. Die SED durchdrang nahezu alle Bereiche und verstand es als das Ehrenrecht aller Bürger, die DDR militärisch zu verteidigen. Feist zufolge müsse das Streiten über gute Bildung vorurteilsfrei und frei von Ideologien sowie anderen Zwängen erfolgen. Ferner brauche es eine Erziehung, die sich gegenseitiges Vertrauen, sowohl das Elternhaus als auch der Staat, entgegenbringe, um mündige Jugendliche zu erziehen.
In der anschließenden Diskussion mit den Teilnehmern wurde noch einmal über Bildung und Bildungschancen sowie über die staatliche Kontrolle nachgedacht und Fragen dazu geäußert.
Bei einem anschließenden Empfang bot sich den Teilnehmern erneut die Gelegenheit, intensiver miteinander ins Gespräch zu kommen.
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