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Prof. Eberhard Sandschneider gehört zu den aktuell einflussreichsten außenpolitischen Denkern in Deutschland. Mit seiner These vom "relativen Abstieg Europas" hat er ein notwendige Diskussion über eine neue Weltordung und die Rolle Europas angestoßen.
Zu Beginn seines Vortrages machte er eindrucksvoll deutlich, wie sich die Gewichte in der Welt bereits verschoben haben – und weiter verschieben werden. Während in Europa vor 50 Jahren noch knapp 20% der Weltbevölkerung lebten, werden dies nach aktuellen Prognosen 2050 nur noch knapp 4% sein. Aufstrebende Staaten wie China, Indien und Brasilien werden dann maßgeblichen Einfluss auf das Weltgeschehen nehmen. „In den Vereinten Nationen haben wir bereits heute keine Mehrheit mehr“, so Sandschneider.
Wenn auch Politik und Gesellschaft in den westlichen Staaten, insbesondere in Europa, diese Entwicklung als dramatisches Szenario ansehen würden, so seien solche Vorgänge in der Weltgeschichte nichts ungewöhnliches. Als historisches Beispiel führte Sandschneider dabei das Vereinigte Königreich an, das Anfang des 20. Jahrhunderts seinen Platz für die aufstrebenden USA freigemacht habe. Man müsse beispielsweise auch an die Expeditionen der chinesischen Flotte unter Admiral Zheng He zu Beginn des 15. Jahrhundert, als China schon vor den europäischen Seemächten den östlichen Teil der Welt bereiste und den Seehandel ausweitete. Doch folgte dieser kurzen Phase der Öffnung die Schließung und der fortdauernde Verfall des chinesischen Einflusses auf der Weltbühne. Erst die Reform- und Öffnungspolitik in den 1980 hat zu einem Wiederaufstieg des Landes geführt.
Die Kunst, mit solchen Veränderungen unzugehen, sei, so Sandschneider, ähnlich wie beim Bergsteigen: Es genüge nicht das Erklimmen des Gipfels, der Berg und damit die Herausforderung sei erst dann bezwungen, wenn auch der Abstieg erfolgreich gemeistert ist. Gegenwärtig befänden wir uns bereits in einer multipolaren, vielleicht bereits in einer polyzentrischen Welt — eine Weltordnung also, in der viele verschiedene und wechselnde Staaten(verbünde) den Ton angeben. Einen einzigen Stabilitätsanker gebe es dabei bereits heute nicht mehr. Weder Europa noch die USA, aber auch nicht Russland oder China seien finanziell, politisch, wirtschaftlich und sozial stabil, und könnten diese Aufgabe als "Weltpolizist" meistern.
Für die europäische Politik sei jedoch die Einsicht entscheidend, dass ein weltweiter Machtverlust zwar einen (relativen) Abstieg, nicht jedoch den Untergang Europas bedeuten müsse. Europa msüse eine neue strategische Position im Staatengefüge finden. Wegen zunehmender Instabilitäten müssten verlässliche Partnerschaften mit verschiedenen Staaten gepflegt. Man müsse sich von den Lebenslügen und Gebetsmühlen lösen, die sich vor dieser neuen Weltordnung verschließen, forderte Sandschneider. Ob die Zentren in 20, 50 oder 100 Jahren China, Indien oder ein anderes Land sein werden könne man heute nicht sagen. Das Weltgeschehen werde nicht von großen, lange geplanten Strategien bestimmt, sondern meist von kurzen und unerwarteten Ereignissen, die Handlungen und damit Verschiebungen auslösen. Dessen, so Sandschneider, müsse man sich bewusst werden. Der Wandel der Welt sei längst in vollem Gange, auch wenn einige, gerade in den westlichen Staaten ihre Augen noch davor verschließen würden. Nun komme es darauf an, dass man, wie beim Bergsteigen, auch den Abstieg sicher bewältige. Dies beginne bei der Erkenntnis, dass sich die Welt gewandelt habe und weiter wandeln werde, Europa aber erst seinen Platz darin finden müsse.