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Länderberichte

Zypern vor den Europawahlen

von Marian Wendt, Vasilis Karydas-Yfantis

DISY und AKEL in engem Wettstreit, zentrale Themen Erdgas, Migration und Ukraine-Krieg, Einzug der rechtsextremen ELAM ins Europäische Parlament besorgniserregend

Am 9. Juni wählen über 700.000 Zyprioten das Europaparlament und kommunale Vertreter. Zentrale Themen sind die ungelöste Zypernfrage, Erdgasvorkommen, Migration und der Einfluss des Ukraine-Kriegs. Zyperns Beziehungen zu Griechenland, Israel und Ägypten intensivieren sich. Die Prognosen und Umfragen vor den Europawahlen zeigen einen intensiven Wettstreit zwischen der Rechtspartei DISY und der Linkspartei AKEL um den ersten Platz. Im Vorfeld der Europawahlen hat die DISY ihre Positionen zu sechs Schlüsselfragen dargelegt, während sie mit der AKEL offenbar nur in einigen Zypern betreffenden Fragen übereinstimmt. Besorgniserregend ist, dass der Einzug der rechtsextremen ELAM in das Europäische Parlament als sicher gilt.

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Politische Rahmenbedingungen der bevorstehenden Europawahlen

Rund 700.000 Bürgerinnen und Bürger werden am 9. Juni über die Europa- und Kommunalwahlen auf Zypern entscheiden. Die Wahlkampagnen der Parteien, die zwar unabhängig voneinander sind, was die Kommunalwahlen und die Europawahlen betrifft, verlaufen in der Praxis parallel und oft zeitgleich. Fünfzig Jahre nach der Teilung bleibt die Zypernfrage für die Inselrepublik ein ungelöstes Problem, das weiterhin die politische Landschaft dominiert. Eine baldige Lösung scheint jedoch in weiter Ferne, da die türkische Seite ihre Haltung verhärtet und auf einer dauerhaften Teilung sowie der internationalen Anerkennung der "Türkischen Republik Nordzypern" besteht. Das zukünftige Verhältnis zur Türkei wird entscheidenden Einfluss auf zentrale politische Bereiche und die Stabilität im östlichen Mittelmeer haben. Südlich der Insel wurden umfangreiche Erdgasvorkommen entdeckt, die eine bedeutende Rolle für die europäische Energieversorgung und die zypriotische Wirtschaft spielen könnten. Deren Förderung wird jedoch durch den Widerstand der Türkei erschwert, die selbst Erkundungsbohrungen in umstrittenen Gewässern durchführt. Zudem sieht sich die Republik Zypern mit der Herausforderung der Migration konfrontiert. Die UN-Resolutionen, die eine Pufferzone statt einer klaren Grenze zwischen dem Süden und Norden festlegen, begünstigen den Zustrom von Migranten aus dem Norden in den Süden. Der Krieg im Gazastreifen und die geografische Nähe zu Syrien, dem Libanon und Israel führen zu einem rapiden Anstieg der auf dem Seeweg ankommenden Menschen. In diesem Kontext hat Zypern seine Zusammenarbeit mit Griechenland, Israel und Ägypten, insbesondere in den Bereichen Energie und Sicherheit, intensiviert. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine stellte ebenfalls eine erhebliche Herausforderung dar. Russland hatte über Jahre hinweg wirtschaftlichen und politischen Einfluss auf der Insel gewonnen. Die Teilnahme Zyperns an den EU-Sanktionen gegen Russland, trotz der wirtschaftlichen Kosten, und die kontroverse Vergabe von "goldenen Pässen" haben die politische Szene zusätzlich belastet.

 

Prognosen und Umfragen: Politische Landschaft vor den Europawahlen

Die meisten Parteien haben ihre Ziele für die Europawahlen klar formuliert. Einige streben den ersten Platz an, andere einen zweistelligen Prozentsatz, während wieder andere einen bestimmten Stimmenanteil erreichen wollen, um einen Sitz zu erhalten. Bei den Kommunalwahlen hingegen ist die Lage weniger eindeutig, da viele Kandidaten unabhängig sind und lediglich von Parteien unterstützt werden. Daher können die Parteien nicht allein anhand der Prozentsätze bewertet werden, die die von ihnen unterstützten Kandidaten erzielen. Stattdessen werden sie danach beurteilt, welche Entscheidungen sie getroffen haben und ob diese die Erwartungen und Wünsche der Gesellschaft erfüllen.

Die Dimokratikos Synagermos (DISY) hat ihr Ziel für die bevorstehenden Europawahlen klar definiert und wiederholt es kontinuierlich: den ersten Platz zu erreichen und einen hohen Stimmenanteil zu erzielen. Dieses Ziel soll signalisieren, dass die Partei das schlechte Ergebnis der Präsidentschaftswahlen überwunden hat. DISY ist überzeugt, dass sie ein starkes Kandidatenteam hat, das sowohl die Vorwahl gewinnen als auch einen hohen Prozentsatz sichern wird, und sie ziehen nicht in Erwägung, einen ihrer beiden Sitze zu verlieren. - Zypern hat sechs Sitze im Europäischen Parlament - Für die linke AKEL ist das Ziel ebenso klar: den Wahlsieg zu erringen. Alles andere als ein Sieg würde von der Parteiführung als Misserfolg gewertet.

Die letzte Sigma-Umfrage zeigt einen intensiven Wettstreit zwischen DISY (22%) und AKEL (22%) um den ersten Platz, ohne einen klaren Favoriten. Um den dritten und vierten Sitz ringen die rechtsextreme ELAM (10.5%) und die zentristische DIKO (10%). Bemerkenswert ist, dass eine überwältigende Mehrheit der zyprischen Bürger (76%) unzufrieden mit der gleichzeitigen Durchführung der Kommunal- und Europawahlen ist.

 

Wahlkampfagenda und Schlüsselfragen vor den Wahlen

Im Vorfeld der Europawahlen hat die DISY ihre Positionen zu sechs zentralen Themen vorgestellt: Wirtschaft, Sicherheit, Migration, Zypernfrage, nachhaltige Entwicklung und Jugend. Die Partei betont, dass sie die Einzige ist, die durch ihre Verbindungen zur Europäischen Volkspartei, der größten politischen Partei Europas, die nötige Dynamik und Stimme für Zypern in Europa bieten kann. Die DISY setzt auf die Wirtschaft als erste Priorität und lehnt neue Steuern ab. Zum Zypern-Problem erklärt die Partei: "Alle Institutionen müssen dem Dialog verpflichtet bleiben, um politischen Druck auszuüben und den inakzeptablen Vorschlag der Türkei und Tatar für eine Zweistaatenlösung zu bekämpfen." In der Migrationsfrage plädiert die DISY für schnellere Asylverfahren, geschlossene Unterbringungseinrichtungen für abgelehnte Asylbewerber, deren sofortige Ausreise, spezielle Kontrollteams zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und eine verstärkte Überwachung der Küsten und der Grünen Linie.

Der Kampf um die Europawahlen war in der Vergangenheit für die AKEL herausfordernd, doch heute scheint das Momentum ideal, um möglicherweise den ersten Platz zu erreichen. Die Linkspartei liegt in greifbarer Nähe zur DISY und muss sich im Gegensatz zu anderen Parteien nicht mit internen Fragen auseinandersetzen, wie etwa der Rolle in der Opposition (angesichts der Tatsache, dass Präsident Christodoulides von der Demokratischen Partei kam). Man könnte daher eine klarere Strategie erwarten. In den Bereichen Wirtschaft und Einwanderung verfolgt die AKEL entgegengesetzte Ansätze zur DISY, während sich beide großen Parteien in der Frage der Überfremdung der Insel durch die aktuelle Migrantion einander anzunähern scheinen.

In der aktuellen Debatte werden die Positionen der Parteien zur Zukunft Zyperns in Europa und die Erwartungen der Kandidaten zu zentralen Europäischen Themen wie der EU-Verteidigung gegen sichtbare Bedrohungen, der EU-Außenpolitik, der Situation im Gaza-Streifen und dem Ukraine-Krieg erörtert, die aufgrund der geopolitischen Lage Zyperns auf der Tagesordnung der innenpolitischen Szene stehen.

 

Der Einzug der rechtsextremen ELAM in das Europäische Parlament

Das Phänomen des Aufstiegs der extremen Rechten scheint gesamteuropäisch zu sein. Im Hinblick auf die Europawahlen 2024 in Zypern scheint die ELAM in das Europäische Parlament einzuziehen. Ein Bericht von Politico beleuchtet die kürzlich auf Zypern abgehaltene Konferenz europäischer Rechtsextremer und Konservativer. Laut dem Bericht fungierte die ELAM de facto als Gastgeber der dreitägigen Veranstaltung, während die Europäische Konservative und Reformer (ECR) eine zukünftige Zusammenarbeit anstreben. Die rechtsextreme zypriotische Partei, die in der Vergangenheit Verbindungen zur verbotenen griechischen Neonazi-Partei Goldene Morgenröte hatte, schließt eine solche Möglichkeit nicht aus. Ein charakteristischer Vorfall war die Entscheidung des stellvertretenden DISY-Vorsitzenden Marios Pelekanos, sich an der ELAM-Wahlkampagne für die Europawahlen zu beteiligen, was eine harsche Reaktion der DISY-Vorsitzenden Annita Demetriou zur Folge hatte, die ihn aus der Partei ausschloss.

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Marian Wendt

Leiter des Auslandsbüros Griechenland und Zypern

marian.wendt@kas.de

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