Veranstaltungsberichte
Die Veranstaltungsreihe "Transatlantischer Dialog in Erfurt" wurde am 12.09.2007 mit dem Teil 1 "Freiheit und Gemeinsinn" von Ministerpräsident Althaus MdL und US-Generalkonsul Mark Scheland eröffnet.
In dieser Veranstaltung (Teil 2) stand das Verständnis von Sozialverständnis und Solidarität im Vordergrund.
Gemeinwohl, Subsidiarität, Bürgerschaftliches Engagement und Solidarität sind Begriffe, die sowohl in Deutschland als auch in den USA gewichtige Bedeutung haben. Und dennoch ist das Sozialverständnis in beiden Ländern ein anderes. Auch hier gilt ähnlich wie im Freiheitsverständnis, dass in den USA die Gesellschaft mehr vom Individualismus geprägt ist; in Deutschland man jedoch eine größere Erwartungshaltung in der sozialen Absicherung gegenüber dem Staat hat.
Was steckt für eine geschichtliche Entwicklung hinter dem Sozialverständnis in den USA und Deutschland? Was hält die Gesellschaft wirklich zusammen? Warum wird die aktive Bürgergesellschaft für die Zukunft der amerikanischen und deutschen Gesellschaft eine immer größere Bedeutung erhalten?
Als Referenten waren Dr. Andreas Fuerst, Referent für Politik und Wirtschaft am US-Generalkonsulat in Leipzig Herr Holger Backhaus-Maul von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie Herr Dr. Joachim Zweynert vom Wilhelm Röpke-Institut e.V. in Erfurt geladen. Moderiert wurde die an die Vorträge anschießende Gesprächsrunde von der Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios, Frau Daniela Kuntze.
Dr. Fuerst führte die Beiträge der Vortragenden Holger Backhaus-Maul und Dr. Joachim Zweynert treffend mit dem Satz ein: „Everything is different“. Er betonte die Zwiespältigkeit der deutschen Sichtweise auf die USA: große Vertrautheit einerseits (siehe Medienpräsenz und Aufmerksamkeit auf die Vorwahlen in den USA), Fremdheit andererseits (vgl. Begriffsverständnis und Bedeutung von Parteien), welche in den unterschiedlichen Bedingungen, die in den beiden Ländern vorherrschen, liegen (USA = Einwanderungsland = im Gegensatz zu europäischen Ländern offene Verhältnisse vorfindend). Ziel des Transatlantischen Dialogs in Erfurt sei die Förderung des Verständnisses für „das Andere“ sowie eine Sensibilisierung für Alternativen zu den Lösungswegen in Deutschland.
Holger Backhaus-Maul von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ging in seinem Vortrag in treffender Weise auf die Rahmenbedingungen der Zivilgesellschaft in den USA ein und verdeutlichte somit die sich von Deutschland unterscheidende Auffassungsweise von Solidariät und Gemeinsinn. Die USA als Einwanderungsgesellschaft und die damit verbundenen größeren Freiheitsspielräume, das eng gekoppelte Verhältnis von individueller Entfaltung mit Erwerbsarbeit ermöglicht und fordert ein Mehr an Selbstorganisation von Gemeinschaften und Sozialintegration als Aufgabe der Bürger ein. Dies hat einen tendenziell schwächeren Staat und ein höheres zivilgesellschaftliches Potential als in Deutschland zur Folge. Hinzu kommt auch der Faktor der hohen gegenseitigen Anerkennung und des Respekts unter Fremden, was das Verständnis von Zivilcourage als weit verbreitete kulturelle Selbstverständlichkeit prägt und keiner staatl. Würdigung wie bsp. in Deutschland bedarf.
Im Unterschied zu Deutschland spielen zudem private Unternehmen eine große Rolle bei der Organisation von Zivilgesellschaft. Dies könnte als Anregung, als alternative Lösung für Deutschland dienen, bürgerschaftliches Engagement stärker mit der Wirtschaft und der eigenen Erwerbstätigkeit zu verknüpfen. Dieser Vortragspunkt wurde vom Publikum in der anschließenden Diskussion in Hinblick auf die dabei eine Rolle spielenden (als „egoistisch“ bezeichneten) Interessen der Unternehmen besonders kritisch begutachtet. Holger Backhaus-Maul betonte am Ende seines Vortrages, dass Resozialisierung von Individuen und sozialer Zusammenhalt nicht nur eine staatliche, sondern auch eine zivilgesellschaftliche Aufgabe sei.
Dr. Joachim Zweynert (HWWI) beleuchtete im Anschluss daran die unterschiedlichen ideologischen Konstrukte, die den beiden Nationen zu Grunde liegen. Deutschland grenzte sich dabei bis nach dem 2. Weltkrieg bewusst von jeglicher angelsächsischer Tradition ab. Die Modernisierung im Sinne der westlichen Welt bedeutete für Deutschland im 19. Jahrhundert vielmehr die Auflösung der kleinen Gemeinschaften sowie die Auflösung hierarchischer Beziehungen, was zu einer ideologischen Spaltung zwischen Reformbefürwortern und Modernisierungsgegnern führte, welche die Mehrheit stellten. Aufgrund dessen entstand nach dem 2. Weltkrieg die Soziale Marktwirtschaft als ein auf Deutschland zugeschnittenes Reformkonzept bezüglich der Verknüpfung von Freiheit und gleichzeitiger Eingebundenheit in überschaubare soziale Netzwerke.
Das anschließende, von Daniela Kuntze (ZDF) moderierte Gespräch, konzentrierte sich vor allem auf die Unterschiede des bürgerschaftlichen Engagements in den USA im Vergleich zu Deutschland hinsichtlich der Intensität und der Gestaltungsformen. Die darauffolgende Diskussion spiegelte das große Interesse des Publikums zu diesem Thema wieder und machte auch auf die in Thüringen erzielten Erfolge bezüglich des bürgerschafltichen Engagements deutlich.
Dieser kurzweilige und interessante Vortrags- und Gesprächsabend weckte das Interesse des Publikums am dritten Teil der Veranstaltungsreihe im September 2008 zum Thema "Religion und Werte".
Bereitgestellt von
Politisches Bildungsforum Thüringen
Über diese Reihe
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