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Neue Importrestriktionen in Argentinien

von Dr. Bernd Löhmann, Désirée Schad
Bereits Ende des vergangenen Jahres ergriff die argentinische Regierung rigide Maßnahmen, um Devisen im Land zu behalten. Damals wurde vor allem der Tausch von Pesos in Dollar deutlich erschwert und unter intensive Aufsicht der Finanzbehörden gestellt.

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Seit Februar 2001 gelten nun neue Bestimmungen für den Import von Waren und Dienstleistungen, die nach offizieller Lesart dem Schutz der einheimischen Wirtschaft dienen, aber erneut wohl hauptsächlich auf die Eindämmung des Kapitalabflusses bedacht sind. Einheimische Unternehmer zeigten sich verunsichert. Aus der Nachbarschaft des Mercosur kamen missbilligende Reaktionen. Mehr als 40 Länder, darunter die USA und die EU-Staaten, haben bei der Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organisation) Beschwerde gegen die argentinischen Importrestriktionen eingelegt. Von einem wachsenden Mangel bei verschiedenen Waren - beispielsweise Haushaltsgeräten – ist bereits die Rede gewesen. Selbst bestimmte Medikamente scheinen inzwischen knapp zu werden.

Mit der Resolution 3252 führte die Regierung am 1. Februar 2012 neue Importkontrollmaßnahmen ein. Neben der üblichen Zollerklärung (LNA; Licencias No Automáticas) ist nun zusätzlich eine Genehmigung der Finanzbehörde AFIP (Administración Federal de Ingresos Públicos) notwendig, die im Wege einer so genannten DJAI (Declaración Jurada Anticipada de Importación), d.h. einer „vorgezogenen eidesstattlichen Erklärung für den Import“, zu einzuholen ist. Die Bearbeitungszeit soll drei, in Ausnahmefälle bis zu zehn Tage in Anspruch nehmen. Die wenig später nachgeschobene Resolution 3255 beschreibt das administrative Procedere, das vor allem durch einen elektronischen Zugang zur AFIP („única ventanilla electrónica“) einfach und überschaubar sein soll.

Laut dem Text der Anordnungen entspricht die „DJAI“ den Empfehlungen der Weltzollorganisation WCO (World Customs Organization), indem sie „den globalen Handel absichern und erleichtern“ solle. Sprecher der AFIP erklärten, das neue Verfahren sorge für „mehr Transparenz und Voraussicht“ im Außenhandel und helfe Bedrohungen wie die Geldwäsche abzuwehren.

Eine weitere Barriere für die Wareneinfuhr stellen die eher informellen Eingriffe des Staatssekretärs für Binnenhandel, Guillermo Moreno, dar. Offenbar wird verlangt, dass die Importeure ihn per E-Mail über ihre Einfuhrwünsche informieren. In der Praxis scheint er das entscheidende Wort zu haben, ob und wie viele auswärtige Güter eingekauft werden dürfen. Die Kriterien dieser Entscheidungen bleiben im Dunkeln. Allein eine Affinität zu Tauschhandelsgeschäften, die argentinische Außenhandelsbilanz unangetastet lassen, ermöglicht eine gewisse Voraussicht. So wurde beispielsweise den deutschen Firmen Porsche und BMW im vergangenen Jahr die Einfuhr ihrer Fahrzeuge unter der Bedingung erlaubt, dass sie zum entsprechenden Wert argentinische Produkte – Wein bzw. Reis – exportieren.

Kritische Stimmen in Argentinien

Zwar gibt es eine nicht unbeträchtliche Zahl argentinischer Unternehmer, insbesondere aus der Metallindustrie, die zum Schutz der nationalen Produktion aufrufen. Zumindest unter vorgehaltener Hand ist das neue Importregime in Unternehmerkreisen aber weitgehend auf Kritik gestoßen. Eine Reihe von Großunternehmern sowie mittelständische Firmen haben sich auch öffentlich über den Mangel an Informationen sowie die kurzfristige Implementierung der neuen Einfuhrregelungen beklagt. Die argentinische Handelskammer bat um Gewährung einer Art „gnadenvoller Übergangszeit“ für die Umsetzung der neuen Importregelungen. Der ansonsten sehr auf Ausgleich mit der Regierung bedachte Chef der Industrievereinigung UIA (Unión Industrial Argentina), José Ignacio De Mendiguren, gab zu Bedenken, dass Verzögerungen bei der Einfuhr von Produktionsgütern, die zur Weiterverarbeitung gebraucht würden, zu Engpässen und somit zu einem Rückgang der lokalen Produktion führen könnten.

Oppositionelle Politiker befürchteten negative Folgen für die regionale Integration des MERCOSUR. Die regierungsfeindlich eingestellte Tageszeitung „Clarín“ rückte einmal mehr die ausufernde Macht des Guillermo Moreno in den Vordergrund.

Es scheint, als sei die Regierung einigen Forderungen aus dem Unternehmerlager entgegengekommen. Offenbar werden Importe von Produkten zur Weiterverarbeitung im Allgemeinen bevorzugt genehmigt, während die Anträge auf Einfuhren von Verbrauchsgütern schlechtere Chancen haben. Im Focus der Kontrollen von AFIP und Moreno stehen wohl rund sechstausend größere Spielzeug-, Textil-, Schuh- und Lederimporteure, die im Vorjahr Waren im Wert von 500.000 Dollar eingeführt haben. Kurzzeitig war auch die Einfuhr von Druckerzeugnissen stark eingeschränkt. Nach Protesten ist man davon wieder abgerückt. Laut Berichten der argentinischen Handelskammer wurden seit dem In-Kraft-Treten der Resolution 3252 insgesamt 30 Prozent der Anträge nicht genehmigt.

Internationale Reaktionen

Am 30. März 2012 haben 40 Länder eine Beschwerde bei der WTO gegen Argentinien eingereicht. Darunter befinden sich die USA, alle EU-Staaten, Japan, Taiwan, Süd-Korea und Australien sowie – aus Lateinamerika – Mexiko und Panama. Später schlossen sich Chile, Kolumbien, Peru, China, Hong Kong und Malaysia der Beschwerde an. In dem zweiseitigen Dokument, das der WTO vorgelegt worden ist, wird die Intransparenz der Importkontrollmaßnahmen bemängelt und die Praxis im Umgang mit Importlizenzen infrage gestellt. Explizit ist von Anrufen von Regierungsbeamten die Rede, bei denen Unternehmer aufgefordert werden, ein „Gleichgewicht“ zwischen Ex- und Importen herzustellen.

Um eine Beilegung des Streitverfahrens herbeizuführen, wird Argentinien nachweisen müssen, dass seine Importrestriktionen im Einklang mit den WTO-Regeln stehen. Sollte das nicht der Fall sein, droht eine formelle Verurteilung, die mit kommerziellen Repressalien verbunden sein kann.

Bereits im Zusammenhang mit ausstehenden Zahlungen an amerikanische Gläubiger hatte US-Präsident Barack Obama Argentinien vorgeworfen, „nicht mit guter Absicht“ zu handeln. Die neuen Importkontrollen haben zu einer weiteren Belastung des Verhältnisses geführt. Seitens der amerikanischen US-Regierung wurden sie als „ernstes Hindernis“ für die bilateralen Beziehungen gewertet. Vorher hatten die US-Handelskammer und verschiedene Unternehmerverbände einen Beschwerdebrief ans Weiße Haus gesandt, in dem die argentinische Außenhandelspolitik als „inakzeptabel“ und „einem Mitglied der G20 nicht entsprechend“ gebrandmarkt wurde. Inzwischen hat die US-Regierung ihrer Position dadurch Nachdruck verliehen, dass sie Argentinien aus der US-Wirtschaftspräferenzzone ausgeschlossen hat. Die argentinische Regierung hat diesem Schritt keine große Bedeutung beigemessen.

In Brasilien, dem wichtigsten Handelspartner Argentiniens, stießen die neuen Importbestimmungen im ersten Moment auf eine heftige Ablehnung. Der Vorwurf lautete, Argentinien setze dem Freihandel ein Ende und wende sich damit von der Grundidee des MERCOSUR ab. Der brasilianische Minister für Entwicklung, Industrie und Außenhandel, Fernando Pimentel, übte grundsätzliche Kritik und stellte das Verhältnis zu Argentinien als „schon immer problematisch“ dar. Wohl angesichts der Tatsache, dass Brasilien 2011 im Handel mit Argentinien einen Überschuss von 5,8 Mrd. US-Dollar erwirtschaftete – was einen Zuwachs von ca. 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutete –, kehrten bald wieder ruhigere Töne ein. Paulo Skaf, Vorsitzender des Industrieverbandes FIESP (Federação das Indústrias do Estado de São Paulo), distanzierte sich von der harschen Kritik an Argentinien und äußerte sogar Verständnis. Er lud dazu ein, dass argentinische Firmen als Zulieferer beim Bau von Transportschiffen für die Ölgesellschaft Petrobras einbezogen werden könnten. Die argentinische Industrieministerin Débora Giorgi hat diesen Vorschlag nicht ausgeschlagen.

Die uruguayische Regierung reagierte besorgt auf die argentinischen Maßnahmen. Argentinien ist Uruguays zweitwichtigstes Abnehmerland. Etwa 17 Prozent seiner Exporte gehen auf die andere Seite des Río de la Plata. Präsident José Mujica sprach von einer „komplizierten Beziehung“ und beauftragte eine eigens einberufene Kommission mit der Überwachung der Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern. Das Ganze solle auf „Verhandlungsbasis“ geschehen, so dass sich „die Firmen untereinander unterstützen“ und der Dialog offen bleibe. Mittlerweile spricht sich Mujica immer deutlicher für eine intensivere Zusammenarbeit mit Brasilien aus. Allgemein scheint im politischen Raum Uruguays die Begeisterung für den MERCOSUR weiter nachzulassen.

CEPAL (Economic Commission for Latin America and Caribbean), die für Lateinamerika zuständige UNO-Wirtschaftskommission fürchtet, dass Argentinien aufgrund der derzeitigen Kontrollen des Auslandkapitals sowie der Importrestriktionen an Attraktivität für Auslandsinvestoren einbüßen könnte. Schon in der jüngeren Vergangenheit ist der ernorme Zuwachs der Auslandsdirektinvestitionen in Lateinamerika weitgehend an Argentinien vorbeigegangen. Das Land liegt bei den Auslandsinvestitionen weit abgeschlagen auf Rang sechs der lateinamerikanischen Länder.

Für eine Reihe von Experten steht mit den Importhemmnissen Argentiniens internationale Wettbewerbsfähigkeit auf dem Spiel. Eine andere Betrachtungsweise ergibt sich, wenn man bedenkt, dass der inzwischen weit davon geeilte Nachbar Brasilien seit vielen Jahren kontinuierlich eine restriktive Importpolitik betrieben hat, deren Erfolge nicht von der Hand zu weisen sind. Allerdings haben es die Brasilianer verstanden, ihre Partner im Vollzug dieser Politik nicht vor den Kopf zu stoßen. Ähnliches Geschick scheint die argentinische Regierung gegenwärtig nicht zu haben. Die gerade beinahe triumphal verkündete Verstaatlichung des mehrheitlich in spanischem Besitz befindlichen Energiekonzerns YPF droht die Geduld mit Argentinien weiter zu strapazieren. Für manche Beobachter wird die Mitgliedschaft des Landes im exklusiven Club der G 20, der sich in der Finanzkrise zur Abwehr des Protektionismus zusammengefunden hatte, immer fragwürdiger.

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5. April 2012
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