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Auslandsinformationen

Bodenschätze und Seewege in der Arktis

von Arild Moe

Ein Überblick über Vorkommen, Zugangswege und die Politik dahinter

Der Reichtum an Bodenschätzen in der Arktis – sowohl an Kohlenwasserstoffen als auch an harten Mineralien – erregt Aufmerksamkeit. Aber wo liegen die Triebkräfte und Hemmnisse für eine industrielle Nutzung? Sind die rechtlichen Aspekte geklärt oder ist die Kontrolle über die Ressourcen umstritten? Zudem erleben wir eine Öffnung der arktischen Seewege. Könnte der Zugang zu ihnen Konflikte herauf­beschwören?

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Die sich rasch verändernde Arktis mit ihrem schwindenden Eis und der Entdeckung reichhaltiger Bodenschätze erregt die Aufmerksamkeit zahlreicher Akteure. Aber was wissen wir über die Ressourcen und wie ist der Stand der Entwicklung? Gibt es einen Wettlauf um diese Vorkommen, der zu Konflikten führen könnte? Wird die Entwicklung von Schifffahrtswegen in der Arktis Bedeutung für den Welthandel haben? Und könnten aus einer Konkurrenz um den Zugang zu diesen Routen Spannungen erwachsen? Dies sind Fragen, die im vorliegenden Artikel erörtert werden.

 

Arktische Kohlenwasserstoff-Ressourcen

Das internationale Interesse an der Erschließung arktischer Bodenschätze hat seit etwa 2008 Fahrt aufgenommen, als Schätzungen des Geologischen Dienstes der Vereinigten Staaten (USGS) auf ein großes Potenzial schließen ließen und gleichzeitig der Rückgang der Eisdecke im Arktischen Ozean breit diskutiert wurde. Wenngleich der Rückgang des Eises in erster Linie als bedrohliches Zeichen für den Klimawandel gedeutet wurde, eröffnete er auch Perspektiven für einen besseren Zugang zu den Reichtümern der Arktis und für die Schifffahrt durch die Region. Bis heute dominiert das Bild von immensen Rohstoffvorkommen und einem nahezu eisfreien Arktischen Ozean einen Großteil der Berichterstattung über diese Region.

Die Schätzungen des USGS waren atemberaubend: In der Arktis sollten 12,3 Prozent der weltweit unentdeckten Öl- und 32,1 Prozent der unentdeckten Gasvorkommen lagern. Die Öffentlichkeit, aber auch viele Beobachter und Politiker gingen jedoch fälschlicherweise davon aus, dass es sich um nachgewiesene Vorkommen handelte. In Wirklichkeit geht es bei unentdeckten Ressourcen jedoch um Schätzungen der Wahrscheinlichkeit ihrer Entdeckung – ausgehend von geologischen Hinweisen oder Ähnlichkeiten mit anderen bekannten Regionen. Im Fall der Arktis bezogen sich die Schätzungen auf große Teilregionen. Sie sagten nichts darüber aus, wo genau Kohlenwasserstoffe gefunden werden könnten. Um vor der Küste Öl und Gas zu entdecken, müssten umfangreiche und kostspielige Erkundungen durchgeführt werden. Ein weiteres Missverständnis bestand darin, dass die Schätzungen ausschließlich auf den Arktischen Ozean bezogen wurden. Tatsächlich umfassten sie aber auch riesige Landmassen nördlich des Polarkreises, die sich zum großen Teil in Russland befinden und in denen bereits Vorkommen nachgewiesen worden waren. Insgesamt entstand so eine stark übertriebene Wahrnehmung von zur Nutzung bereitstehenden neuen Öl- und Gasressourcen.

Klar war auch, dass die Förderung von entdeckten Offshore-Vorkommen mit hohen Kosten verbunden sein würde. Wenn die Weltmarktpreise hoch genug wären, könnte eine Förderung sinnvoll sein. Doch Ängste vor einer bevorstehenden Energieversorgungskrise und die Diskussionen über „Peak Oil“ – also darüber, dass die weltweiten Ölvorräte begrenzt sind und die Produktion zu sinken beginnen könnte – traten bald wegen der Revolution durch unkonventionelles Öl und Gas in den Hintergrund, in deren Verlauf die USA durch die Förderung von Schieferöl und -gas zur weltweiten Nummer eins in der Produktion solcher Rohstoffe aufstiegen. Mit der wachsenden Sorge über die Klimaentwicklungen und mit den Dekarbonisierungsbestrebungen verlagerte sich die Aufmerksamkeit nunmehr auf den „Peak Demand“, da die globale Energiewende zu einer geringeren Nutzung fossiler Brennstoffe führt. Die Ungewissheit hinsichtlich der künftigen Nachfrage und der Preise für Öl und Gas wirkt sich angesichts langer Vorlaufzeiten bei der Erschließung besonders gravierend auf die Förderung von Ressourcen vor der arktischen Küste aus. Vom Beginn der Exploration bis zum Anlaufen der Produktion können – wenn denn überhaupt Vorkommen entdeckt werden – leicht 15 Jahre vergehen, und dann muss die Produktion in einem solchen Feld bis zu 20 Jahre laufen, damit die hohen Investitionskosten erwirtschaftet werden. Niemand weiß, wie sich die Preise über einen so langen Zeitraum entwickeln werden. Dies scheint der Grund für das zögerliche Verhalten mehrerer großer Ölgesellschaften bei der Beteiligung an neuen, großen Offshore-Projekten in der Arktis zu sein. Anders sieht die Rechnung bei Entdeckungen in Küstennähe oder in der Nähe produzierender Felder aus, wo bestehende Infrastruktur genutzt werden kann.

Es gibt gegenwärtig keine großen strittigen Gebiete in der Arktis, die für die Erdölexploration attraktiv sind.

 

Gibt es Konfliktpotenzial?

Weit verbreitet ist auch der Eindruck, dass sich die arktischen Offshore-Vorkommen in umstrittenen Gebieten oder in Gebieten außerhalb nationaler Gerichtsbarkeit befinden, sodass die Suche und Erschließung dieser Vorkommen zu Konflikten führen könnte. Allerdings gibt es gegenwärtig keine großen strittigen Gebiete in der Arktis, die für die Erdölexploration attraktiv sind. Der letzte große Streit betraf die Abgrenzung eines beträchtlichen Gebiets in der Barentssee zwischen Norwegen und Russland, in dem Erdölvorkommen vermutet wurden. Die Parteien verhandelten mehr als 40 Jahre lang, bevor es 2010 zu einer Grenzziehung kam. Während dieser Zeit verzichteten sie weitgehend auf Erkundungen in dem Gebiet, obgleich es Berichte gab, nach denen die UdSSR einen – erfolglosen – Versuch unternommen haben soll, westliche Ölgesellschaften zu Bohrungen in dem Gebiet zu bewegen, vermutlich um Druck auf Norwegen auszuüben. Dies zeigt auch, dass Ölgesellschaften generell wenig Lust verspüren, in Gebieten mit unklarem oder strittigem Rechtsstatus aktiv zu werden, kann doch eine Explorationsbohrung leicht 100 Millionen US-Dollar oder mehr kosten.

Allerdings gibt es ein Gebiet im zentralen Arktischen Ozean, das nicht der Gerichtsbarkeit der Küstenstaaten untersteht. Seine Größe muss erst noch bestimmt werden, ist sie doch vom Ergebnis eines langwierigen Prozesses in der Festlandsockelgrenzkommission abhängig, einem technischen Gremium, das im Rahmen des Seerechtsübereinkommens (SRÜ) der Vereinten Nationen geschaffen wurde, um den Küstenstaaten Empfehlungen zur äußeren Abgrenzung ihrer Festlandsockel zu unterbreiten. Wenn ein Staat einen erweiterten Schelf beansprucht, der sich mehr als 200 Seemeilen von der Küste erstreckt, muss er die Ausmaße dieses Schelfs anhand geologischer Fakten belegen. Russland, das bereits über den größten Festlandsockel innerhalb von 200 Seemeilen verfügt, hat Unterlagen für eine erhebliche Erweiterung eingereicht. Anfang 2023 hat die Kommission empfohlen, dem jüngsten Anspruch auf den Gakkelrücken in wesentlichen Teilen nicht zu entsprechen.

Russland, Kanada und Dänemark/Grönland ma-chen Gebietsansprüche geltend, die sich überschneiden. Daraus schließen einige Beobachter auf die Gefahr von Konflikten. Die Grenzkommission ist lediglich dazu da, wissenschaftliche Erkenntnisse zu bewerten, und sie wird keine Empfehlungen aussprechen, wenn es zwischen Staaten zu Abgrenzungsstreitigkeiten kommt. Die Beilegung von Streitigkeiten obliegt den Parteien selbst. Und dazu, genau dies auf friedliche Weise zu tun, haben sich die Küstenanrainerstaaten der Arktis – Russland, Norwegen, Dänemark/Grönland, Kanada und die USA – mit der Unterzeichnung der Ilulissat-Erklärung im Jahr 2008 verpflichtet. Man kann sich natürlich fragen, wie lange diese Verpflichtung bei der heutigen angespannten internationalen Lage noch gilt. Aber zwei gute Gründe sprechen dafür, dass die Gefahr eines Konflikts nach wie vor niedrig ist.

Erstens sind die fraglichen Gebiete sehr weit vom Festland entfernt und die Gewässer sind sehr tief. Bislang gibt es auch keine eindeutigen geologischen Hinweise auf interessante Mineralien. Zwar kann sich dies ändern, aber auf dem Festlandsockel existieren riesige unstrittige Gebiete, die gegebenenfalls wohl zuerst erforscht werden würden. Somit besteht kein wirtschaftlicher Druck, den Meeresboden im zentralen Arktischen Ozean unter staatliche Kontrolle zu bringen. Zweitens leiten sich der rechtmäßige Anspruch auf einen erweiterten Festlandsockel und das ausschließliche Recht des Küstenstaats auf die Ressourcen auf dem Schelf aus dem Seerecht ab, das im SRÜ der Vereinten Nationen von 1982 festgeschrieben ist. Abgrenzungskonflikte im zentralen Arktischen Ozean würden das Vertrauen in das SRÜ als hinreichendes Rechtsinstrument für die Verwaltung der Arktis untergraben. Zwar haben die USA das Übereinkommen nicht ratifiziert, halten es aber gewohnheitsrechtsmäßig ein. Vorschläge für einen „Arktis-Vertrag“ lagen 2008 auf dem Tisch und haben dazu geführt, dass sich die Küstenanrainerstaaten der Arktis, die Arctic 5, zusammenschlossen. Natürlich kann es erneut zu Anfechtungen der exklusiven Rechte der Küstenstaaten beispielsweise durch die aufstrebende Supermacht China kommen. In einem solchen Fall hätten aber alle arktischen Staaten viel zu verlieren. Die Anrainerstaaten im zentralen Arktischen Ozean können sich darauf einigen, uneinig zu sein – und diese Situation kann noch jahrzehntelang andauern.

Am vielversprechendsten für Ölfunde sind die Gebiete am äußeren Festlandsockel Alaskas.

 

Status der Offshore-Aktivitäten

Die meisten Offshore-Kohlenwasserstoffvorkommen werden in relativ flachen Gewässern, das heißt in Tiefen von unter 500 Metern, auf den unstrittigen Kontinentalschelfen der arktischen Staaten vermutet. Allerdings sind die Entwicklungsperspektiven nicht nur von der Ressourcenbasis abhängig. Je nach nationalen Prioritäten unterscheiden sich die Rahmenbedingungen und Vorschriften. Und natürlich gibt es auch Unterschiede bei den Kosten.

Am vielversprechendsten für Ölfunde sind die Gebiete auf dem äußeren Kontinentalschelf von Alaska. Im Jahr 2021 gingen die US-amerikanischen Behörden von unentdeckten, technisch förderbaren Erdölvorkommen in der Beaufort- und Tschuktschensee in Höhe von 21 Milliarden Barrel (2,8 Milliarden Tonnen) sowie von riesigen Gasvorkommen aus. Dennoch gibt es dort heute – abgesehen von einigen relativ küstennahen Bohrungen in der Beaufortsee – keine Aktivitäten. Shell steckte sieben Milliarden US-Dollar in ein erfolgloses Explorationsprogramm, das 2015 aufgegeben wurde. Die Obama-Regierung verhängte 2016 auf dem Großteil des äußeren Kontinentalschelfs, das der Bundesgerichtsbarkeit untersteht, aus Umwelt- und zum Teil auch aus Klimagründen ein Verbot für Offshore-Energieentwicklungen. Von Präsident Donald Trump wurde dieses Verbot aufgehoben, dann aber von dessen Nachfolger, Joe Biden, wieder in Kraft gesetzt. Aber die ordnungspolitische Unsicherheit bleibt. Die Förderaktivitäten an der Küste Alaskas laufen weiter, sind aber wegen der schwindenden Ressourcenbasis rückläufig. In einer umstrittenen Entscheidung beschloss Präsident Biden im März 2023, in größerem Umfang Land unter Bundeszuständigkeit für die Ölförderung zu öffnen. Riesige Erdgasvorkommen an Land, aber auch vor der Küste werden dennoch aufgrund von Kosten-Nutzen-Analysen als nicht förderwürdig betrachtet.

 

Abb. 1: Arktischer Ozean (Nordpolarmeer) mit Nebenmeeren

https://www.kas.de/documents/259121/23882571/moe_abb_1_DE.svg/181c8fe0-f499-b3b0-e68d-7acc4d4c0b4d?t=1681990115549

Quellen: eigene Darstellung nach Macnab, Ron / Neto, Paul / van de Poll, Rob 2001: Cooperative Preparations for Determining the Outer Limit of the Juridical Continental Shelf in the Arctic Ocean: A Model for Regional Collaboration in Other Parts of the World?, IBRU Boundary and Security Bulletin, IBRU Centre for Borders Research, Durham University, in: https://bit.ly/3YTRCDD [18.03.2023]; Weber, J. R. 1983: Maps of the Arctic Basin Sea Floor: A History of Bathymetry and its Interpretation, Arctic 36: 2, 06/1983, in: https://bit.ly/40iBuwM [18.03.2023]. Karte: © Peter Hermes Furian, AdobeStock.

 

Auch in den Offshore-Gebieten der kanadischen Arktis werden sehr bedeutende Vorkommen fossiler Brennstoffe vermutet. In den 1970er- und 1980er-Jahren fanden dort Bohrungen statt. Später, als das Interesse wieder auflebte, wurden 2002 und 2004 neue Pachtverträge geschlossen. Die letzten Lizenzen wurden 2012 ausgestellt. 2016 allerdings wurde zusammen mit den USA ein Moratorium für Offshore-Aktivitäten verhängt, das alle fünf Jahre überprüft wird. Die elf bereits erteilten Explorationslizenzen sind eingefroren. Zudem hat die kanadische Regierung angekündigt, dass sie weiter sämtliche Öl- und Gasaktivitäten in den arktischen Gewässern Kanadas aussetzen wird. Weder die Politik noch die Industrie üben nachhaltig Druck aus, um diese Haltung zu ändern.

Die Schätzungen des USGS deuteten hinsichtlich der Vorkommen vor der grönländischen Küste auf ein großes Potenzial hin, und die Behörden sowie ein Großteil der Bevölkerung begrüßten die Förderung fossiler Rohstoffe als eine Einnahmequelle, die das Land komplett unabhängig von Dänemark machen könnte. Allerdings haben negative Ergebnisse bei den Explorationsbohrungen verschiedene Großunternehmen dazu veranlasst, Grönland nach einer kurzen Welle der Begeisterung wieder zu verlassen. 2021 verkündete die grönländische Regierung das Ende der Erdöl- und Erdgasexploration und begründete dies neben wirtschaftlichen Überlegungen auch mit Umwelt- und Klimabedenken.

Der norwegische Teil der Barentssee gilt nach offiziellen norwegischen Ressourcenschätzungen noch immer als vielversprechendes Gebiet. Die Vorkommen dort werden auf etwa 2.400 Tonnen Öläquivalent – verteilt auf Erdöl und Erdgas – geschätzt. Der Großteil davon aber ist unentdeckt und weite Gebiete sind unerforscht. Hinzu kommt, dass der nördliche Teil der Barentssee – der Kontinentalschelf um die Inselgruppe Spitzbergen – noch gar nicht zur Erkundung freigegeben ist. Im südlichen Teil begannen die Explorationsarbeiten 1980, wobei das Interesse der Industrie schwankend war und die jüngsten Lizenzvergaberunden nur ein verhaltenes Echo fanden. Zwei Großprojekte – das Snow-White-Erdgasprojekt und das Goliat-Ölprojekt – haben die Produktion aufgenommen. Ein zweites Ölprojekt – Johan Castberg – befindet sich in der Entwicklung, und ein drittes – Wisting – ist in der Planung weit fortgeschritten. In Norwegen läuft eine intensive Debatte über die Förderung fossiler Brennstoffe, in der auch Stimmen aufkommen, die fordern, keine neuen Gebiete zu erschließen und die Industrie zu verkleinern, um eine dekarbonisierte Zukunft zu ermöglichen. Bisher will die Regierung aber die Aktivitäten beibehalten.

Der russischen Industrie mangelte es sowohl an Erfahrungen als auch an Technologien für Tiefseeoperationen.

Russland verfügt über den größten Festlandsockel unter den arktischen Staaten. Seit den 1980er-Jahren finden dort – beginnend in der Barentssee – Explorationsarbeiten statt. Allerdings wurde der Offshore-Erschließung lange Zeit keine besondere Priorität beigemessen, da reichlich Ressourcen an Land vorhanden waren. Dies änderte sich Anfang der 2000er-Jahre, als die Erschließung der Onshore-Reserven schwieriger und kostspieliger wurde. Geologische Untersuchungen und Bohrergebnisse, insbesondere in der Barents-, der Petschora- und der Karasee, ließen auf ein enormes Offshore-Potenzial schließen, das mit rund 100 Milliarden Tonnen Öläquivalent die Schätzungen des USGS bei Weitem übertraf. Ungeachtet ihrer sehr unsicheren Grundlage wurden diese Zahlen von vielen für bare Münze genommen.

In der russischen Industrie mangelte es sowohl an Erfahrungen als auch an Technologien für Tiefseeoperationen. Allerdings wurden ein Rahmen für die Zusammenarbeit mit ausländischen Unternehmen geschaffen und Großprojekte geplant. Zusammen mit der französischen Total und der norwegischen Statoil machte sich das russische Unternehmen Gazprom an die Vorbereitungsarbeiten für die Erschließung des riesigen Shtokman-Gasfelds in der Barentssee. 2012 wurde das Projekt jedoch aus Kostengründen und angesichts negativer Marktaussichten im Zuge des raschen Wachstums der unkonventionellen Gasförderung in den USA eingestellt. Zeitgleich liefen Verhandlungen zu großen Ölprojekten zwischen der staatlich kontrollierten russischen Ölgesellschaft Rosneft, der italienischen Eni und Statoil in der Barentssee sowie zwischen Rosneft und ExxonMobil in der Karasee und den weiter östlich gelegenen Gebieten. Anfang 2014 sah es so aus, als ob eine Erschließung der russischen Arktis in großem Stil kurz bevorstünde. Aber die nach der Annexion der Krim und der Unterstützung der Separatisten im Donbass verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die sich auch insbesondere gegen die Offshore-Ölförderung in der Arktis richteten, setzten dieser Expansion ein Ende. ExxonMobil zog sich zurück, kaum dass die erste Bohrung erfolgt war. Alle Kooperationsvereinbarungen wurden eingefroren und später gekündigt.

Die offizielle russische Position war zunächst, dass die westlichen Großunternehmen durch asiatische, genauer gesagt chinesische Unternehmen ersetzt werden könnten. Dies ist jedoch nicht geschehen, weil es diesen einerseits an den nötigen Erfahrungen mangelte, andererseits aber auch, weil der starke Rückgang des Ölpreises teure arktische Offshore-Projekte weniger attraktiv erscheinen ließ. Inzwischen haben sich die offiziellen russischen Prognosen geändert. Neuere Schätzungen der wirtschaftlich förderbaren Öl- und Gasvorkommen gehen von einem Potenzial in Höhe von etwa einer Milliarde Tonnen Öläquivalent in der russischen Westarktis aus. Das sind immer noch sehr bedeutende Mengen, bei denen es sich hauptsächlich um Erdgasvorkommen handelt. In einem umfassenden Positionspapier zur Erdölpolitik aus dem Jahr 2021 legte das russische Energieministerium dar, dass mit einer groß angelegten Offshore-Erschließung der Arktis kaum vor 2035 zu rechnen sei, da die Technologie fehle und der Ölpreis vermutlich auf einem zu niedrigen Stand verharre. Allerdings laufen verschiedene Erkundungsarbeiten in Küstennähe weiter. Und auch in Prirazlomnoe, dem einzigen produzierenden russischen Offshore-Feld in der Arktis, das sich in den flachen Gewässern der Petschorasee befindet und 2013 in Betrieb ging, wird es weitergehen.

Mit dem erfolgreichen Start von Yamal LNG wurde ein neues Kapitel in der arktischen Schifffahrt aufgeschlagen.

 

Rohstoffvorkommen und die Nördliche Seeroute

Seit Jahrzehnten finden in der russischen Arktis umfangreiche Aktivitäten auf dem Festland statt. In den 1990er-Jahren wurde mit der Ölproduktion auf Feldern im Autonomen Kreis der Nenzen im nördlichen Teil des europäischen Russlands westlich des Uralgebirges begonnen. Aus einem Terminal in der Petschorasee wird das Öl auf dem Seeweg abtransportiert. Am bemerkenswertesten ist jedoch die Ausbeutung der enormen Gasvorkommen im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen im Nordwesten Sibiriens östlich des Uralgebirges. Mit der Erschließung der riesigen, von Gazprom betriebenen Gasfelder, die alle über Pipelines mit Westrussland und Europa verbunden sind, wurde in den 1980er-Jahren begonnen. Auf die Region entfallen rund 90 Prozent der russischen Gasproduktion. In den vergangenen Jahren war es jedoch die Produktion von verflüssigtem Erdgas (LNG), die die größte internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Die östlich der Yamal-Halbinsel gelegene Yamal-LNG-Anlage verarbeitet jährlich etwa 19,5 Millionen Tonnen LNG. Sie befindet sich mehrheitlich im Besitz von Novatek, einem privatwirtschaftlichen Unternehmen, das jedoch enge Beziehungen zum Kreml unterhält. TotalEnergies verfügt über einen Anteil von 20 Prozent, während 29,9 Prozent von chinesischen Anteilseignern gehalten werden. Im Rahmen dieses auf Seetransporte angewiesenen Projekts wurden 15 LNG-Tanker mit Eisbrecherfunktion gebaut, die mehrheitlich internationalen Reedereikonsortien gehören, wobei sich einer in russischem Besitz befindet.

Mit dem erfolgreichen Start von Yamal LNG im Jahr 2017 wurde ein neues Kapitel in der arktischen Schifffahrt aufgeschlagen. Etwa alle fünfzig Stunden bringt ein Frachter 170.000 Kubikmeter Gas auf den Markt. Der größte Teil des Gases ging bislang nach Europa beziehungsweise wurde dort für den Weitertransport nach Asien umgeladen, aber zunehmend werden auch Ladungen Richtung Osten direkt nach Asien verschifft. Dahinter stand und steht die Vision, die LNG-Produktion in mehreren Feldern im Bereich des Ob-Busens auszubauen, um die asiatischen Märkte zu beliefern. Zudem gibt es seit einigen Jahren Pläne für ein Ölgroßprojekt in Ostsibirien (Vostok Oil), das ebenfalls auf den Seetransport angewiesen ist. Als flankierende Maßnahme hat Russland bereits ein ehrgeiziges Erneuerungs- und Erweiterungsprogramm für seine nukleare Eisbrecherflotte in Angriff genommen, das die ganzjährige Nutzung des gesamten Nördlichen Seewegs ermöglichen soll. Denn selbst wenn das Eis zurückgeht und eisfreie Sommer in einigen Jahrzehnten realistisch sind, werden die Gewässer doch einen Teil des Jahres von Eis bedeckt sein.

Mit dem Ausbau des Seetransports von Kohlenwasserstoffen aus der Arktis hat sich der Fokus der Entwicklung auf die Nördliche Seeroute verlagert. Vor zehn bis zwölf Jahren war man davon ausgegangen, dass die Schifffahrt auf den internationalen Transitwegen zwischen Pazifik und Atlantik stark zunehmen würde, wozu es dann aber aus einer Reihe von Gründen nicht kam. Die internationalen Reedereien haben nicht in spezielle Kapazitäten für die arktische Schifffahrt investiert und das Potenzial für den Transport von Massengütern ist begrenzt. Bei den großen Containerreedereien besteht kaum Interesse an der arktischen Route. Obwohl sie kürzer ist als die südlichen Routen, hat sie doch Nachteile bezüglich ihrer Befahrbarkeit (plötzlich auftretendes Eis macht Just-in-time-Lieferungen unmöglich), ihrer langen und flachen Meerengen und des Mangels an Märkten entlang der Strecke. Von offizieller russischer Seite wird erwartet, dass der internationale Transitverkehr floriert, sobald die Route ganzjährig sicher genutzt werden kann. Aber Beobachter sehen ihr Potenzial nach wie vor skeptisch, auch wenn von einem gewissen Wachstum ausgegangen wird. Einige große Linienschifffahrtsunternehmen haben Interesse an der Einrichtung einer Frachtroute zusammen mit russischen Unternehmen bekundet, aber das einzige Unternehmen, das bisher einen regelmäßigen Frachtdienst auf der gesamten Strecke anbietet, ist die chinesische COSCO mit vier bis fünf Fahrten pro Jahr in jede Richtung.

Die Nordwestpassage ist bisher noch nicht als Handelsroute ausgebaut.

Die internationalen Schifffahrtsunternehmen haben es nicht eilig, die Route für den Transit zu erkunden. Zudem hat sich die russische Politik zur Regulierung des Schiffsverkehrs in der Region in eine protektionistischere Richtung entwickelt, was für ausländische Beteiligung wenig förderlich ist. Durch den russischen Krieg gegen die Ukraine und die Sanktionen sind neue Unwägbarkeiten entstanden, die das Interesse ausländischer Akteure weiter verringern und sich infolge des eingeschränkten Zugangs zu Schlüsseltechnologien und Märkten wahrscheinlich auch auf die Entwicklung der Kohlenwasserstoffprojekte in der russischen Arktis auswirken werden.

 

Die Nordwestpassage und die Transpolare Route

Die andere arktische Schifffahrtsroute, die Nordwestpassage, bestehend aus mehreren Schifffahrtswegen durch die Inselgruppen der kanadischen Arktis, ist bisher noch gar nicht als Handelsroute ausgebaut. Seitens der kanadischen Behörden wird die Nutzung dieser Route aus Gründen der Umweltsicherheit, aber auch wegen eines Streits mit den USA über ihren rechtlichen Status nicht gefördert. Strittig ist, ob es sich um eine internationale Meerenge oder ein innerkanadisches Gewässer handelt. Darüber hinaus erheben auch die Inuit Anspruch auf die Kontrolle verschiedener Teilbereiche der Route, da sie auf den Transport über das Eis angewiesen sind, das durch die Nutzung der Route im Winter aufgebrochen würde. Über weite Strecken des Jahres existiert eine dicke Eisschicht, selbst im Sommer kann Eis den Verkehr behindern. Wenn das Eis im Arktischen Ozean bricht, treiben die vorherrschenden Windrichtungen die Eisschollen vielfach in kanadische Gewässer. Zumeist wird die Route von Jachten befahren, wobei in den vergangenen Jahren auch einige große Kreuzfahrtschiffe hinzugekommen sind. Die Anzahl der Frachtschiffe ist sehr gering und lag 2022 bei lediglich acht Schiffen. Da sich die Eissituation aber voraussichtlich verändern wird, ist mit einem Anstieg des kommerziellen Interesses am Transitverkehr zu rechnen, was insbesondere die von Eisbrechern unterstützten saisonalen Transporte von Erzen und Metallen zu Verarbeitungsanlagen in Asien betreffen dürfte.

Allerdings gibt es auch noch eine dritte Route durch die Arktis – die sogenannte Transpolar- oder Zentralroute –, die quer durch den Arktischen Ozean führt. Sie existiert noch nicht als Seeroute, wird aber als eine Option im Zuge der voranschreitenden Eisschmelze diskutiert. Wie bereits erwähnt, wird die Route aber zumindest über Teile des Jahres eisbedeckt sein, was die Schifffahrt unvorhersehbar und gefährlich macht. Bei Fahrten in so weit von jeder Küste entfernten Gewässern spielen Sicherheitsaspekte eine entscheidende Rolle. Daher stellt die Zentralroute derzeit und in naher Zukunft keine realistische Option dar.

 

Harte Mineralien

In der Arktis werden zahlreiche harte Mineralien vermutet. Während einige Vorkommen bereits nachgewiesen sind, bedarf die Bewertung und Erschließung insgesamt noch vieler Erkundungsarbeiten. Da Russland über das größte arktische Festlandterritorium verfügt, werden dort auch besonders umfangreiche Vorkommen unterschiedlicher Mineralien und Seltenerdmetalle erwartet. Allerdings ist die Erkundung und Erschließung von Ressourcen kostspielig und zeitaufwendig. Lange wurde es als notwendig erachtet, ausländische Investoren bei der Entwicklung von Großprojekten mit ins Boot zu holen. Solche Ansätze stoßen inzwischen auf politischen Widerstand, wobei die Bedingungen für langfristige Investitionen in Russland – gelinde gesagt – gegenwärtig nicht besonders attraktiv sind. Angesichts der Spannungen und Unsicherheiten nach der Invasion der Ukraine dürfte die Bereitschaft, in Russland zu investieren, sowieso sehr gering ausgeprägt sein. Lediglich bei großen chinesischen Staatsunternehmen könnte Interesse bestehen, allerdings waren selbst diese im russischen Mineralsektor bisher wenig aktiv.

Der steigende Bedarf an Seltenen Erden und die Abhängigkeit von China haben Grönland stärker in den Blickpunkt gerückt.

In den anderen arktischen Ländern gibt es einerseits kommerzielles Interesse an harten Mineralien, andererseits aber auch Diskussionen über indigene Rechte und Umweltbelange, durch die der Zugang der Wirtschaft begrenzt werden könnte. Die Gewinnung von harten Mineralien und Seltenerdmetallen steckt noch in einer sehr frühen Phase, wenngleich in den kommenden Jahren mehrere Mineralienprojekte in Alaska und, in geringerem Maße, auch im arktischen Kanada zu erwarten sind. Allerdings verfügen externe Investoren und Branchen ohne Genehmigung der nationalen – und manchmal auch der regionalen und lokalen – Behörden über keinerlei Rechte.

Besonders interessant ist der Fall Grönlands, einer Region im Königreich Dänemark mit weitreichender Autonomie, einem riesigen Territorium, sehr niedrigen Bevölkerungszahlen und reichen Vorkommen an Mineralien und Seltenerdmetallen. Vielfach wurde davon ausgegangen, dass das Land aufgrund eingeschränkter staatlicher Kapazitäten anfällig sein könnte für Druck zur Gewährung von Zugängen zu seinen Bodenschätzen. Gleichzeitig könnte die Erschließung der Bodenschätze die wichtige Diversifizierung der Wirtschaft ermöglichen und so letztlich den Weg zur vollständigen Unabhängigkeit von Dänemark ebnen.

Insbesondere wurde argumentiert, dass staatsnahe chinesische Unternehmen schon in den Startlöchern stünden, um große Bergbauprojekte in Grönland in Angriff zu nehmen. Bei näherer Betrachtung zeigte sich jedoch, dass die chinesischen Interessen übertrieben dargestellt und die angekündigten Investitionen nie getätigt wurden. Gleichwohl sind chinesische Investoren als Miteigentümer an einem umstrittenen Uranprojekt beteiligt. Allerdings wurde noch keine Erschließungsgenehmigung erteilt, und im Land läuft vor dem Hintergrund der Umweltauswirkungen und der Bedrohung der traditionellen Lebensgrundlagen eine hitzige Debatte über den Abbau der Mineralien. Der steigende Bedarf an Seltenerdmetallen für grüne Technologien und die in diesem Zusammenhang bestehende Abhängigkeit von China haben Grönland stärker in den Blickpunkt gerückt. Durch das Abschmelzen der Gletscher werden die Vorkommen leichter zugänglich. In den vergangenen Jahren haben verschiedene ausländische Unternehmen Explorationsrechte geprüft oder beantragt, und das politische Interesse an Grönland und seinen Rohstoffen ist – insbesondere in den USA – stark gestiegen.

 

Tiefseemineralien

In den vergangenen Jahren hat die Förderung von Mineralien aus Lagerstätten in der Tiefsee, die schon in den 1980er-Jahren auf der Tagesordnung stand, aufgrund der wachsenden Nachfrage nach bestimmten Metallen ein Comeback erlebt. In diesem Zusammenhang gelten die arktischen Kontinentalschelfe als ein vielversprechendes Gebiet. Allerdings sind mit dem Abbau von Ressourcen am Meeresboden große technologische und ökologische Herausforderungen verbunden, für die Lösungen gefunden werden müssen. Während Kanada ein Moratorium für Tiefseeaktivitäten in den Gewässern unter seiner Gerichtsbarkeit verhängt hat, kartiert Norwegen seine Ressourcen aktiv und bereitet in bestimmten Gebieten ihre Erschließung vor. Die Erkundung und Förderung erfolgt unter nationaler Kontrolle. Wenn sich jedoch die Vorkommen auf dem Festlandsockel um Spitzbergen als interessant erweisen, könnte dies zu Differenzen hinsichtlich ihrer Nutzung führen.

Nach Ansicht Norwegens verfügt das Land in diesem Gebiet über die ausschließlichen Ressourcenrechte, während andere Staaten der Meinung sind, dass die Gleichbehandlungsregeln des Spitzbergenvertrags anwendbar sind. Unstrittig ist allerdings die norwegische Souveränität ebenso wie das Recht des Landes, wie bei der Erdölförderung eigenständig darüber zu entscheiden, ob der Schelf für die kommerzielle Ausbeutung von Mineralien geöffnet wird oder nicht. Die norwegische Position findet keine generelle Unterstützung, der Schelf wurde bisher nicht geöffnet. Eher unwahrscheinlich sind Förderaktivitäten im zentralen Arktischen Ozean außerhalb der Hoheitsgewalt der Küstenstaaten, obwohl die Rahmenbedingungen dafür im Seerechtsübereinkommen mit der zu diesem Zweck eingerichteten Internationalen Meeresbodenbehörde vorhanden sind.

 

Sicherheitspolitische Aspekte

Es gibt keine sicherheitspolitischen Implikationen, die aus konkurrierenden territorialen Ansprüchen auf arktische Offshore- und Onshore-Bodenschätze resultieren. Das Bild von wertvollen Rohstoffvorkommen in umstrittenen Gebieten ist noch immer weit verbreitet, aber irreführend, da eine Verwertung der sich außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit befindlichen Bodenschätze aus technologischen und wirtschaftlichen Gründen bisher gar nicht auf der Tagesordnung steht, wenngleich sich das in Zukunft ändern könnte. Sicherheitspolitische Konflikte über Bodenschätze würden Ansprüche auf Vorkommen eines anderen Staates implizieren, was selbst in der heutigen Zeit eher unwahrscheinlich ist. Realistischer ist ein Szenario, bei dem eine Kombination aus politischem und wirtschaftlichem Druck ausgeübt wird, um Zugang zu Rohstoffen zu erlangen.

Von den kommerziellen Nutzern des Nördlichen Seewegs werden die russischen Bestimmungen akzeptiert.

Bei den Seerouten liegen die Dinge etwas anders. Ein Grundprinzip des Seerechts ist die Freiheit der Schifffahrt, die gegen die weitreichenden Rechte der Küstenstaaten an den Vorkommen im Meer und auf dem Meeresboden abgewogen wird. Außerhalb der internen Gewässer haben ausländische Schiffe ein Durchfahrtsrecht durch Hoheitsgewässer (zwölf Seemeilen von der Küste entfernt), in den Gebieten darüber hinaus kann der Küstenstaat im Prinzip keine Beschränkungen auferlegen. Allerdings gibt es eine Ausnahme von diesen Regeln in Artikel 234 des SRÜ. Dort heißt es: „Die Küstenstaaten haben das Recht, nichtdiskriminierende Gesetze und sonstige Vorschriften zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Meeresverschmutzung durch Schiffe in eisbedeckten Gebieten innerhalb der Ausschließlichen Wirtschaftszone zu erlassen und durchzusetzen, wenn dort besonders strenge klimatische Bedingungen und das diese Gebiete während des größten Teils des Jahres bedeckende Eis Hindernisse oder außergewöhnliche Gefahren für die Schifffahrt schaffen und die Verschmutzung der Meeresumwelt das ökologische Gleichgewicht ernstlich schädigen oder endgültig zerstören könnte.“

Auf diesen Artikel beruft sich Russland, um sein Verwaltungssystem für die Nördliche Seeroute zu rechtfertigen, das Durchfahrtsgenehmigungen und den obligatorischen Einsatz russischer Eisbrecher im Bedarfsfall vorsieht. Insbesondere die USA haben Einwände gegen dieses Vorgehen, das sie für diskriminierend halten, und stellen gleichzeitig auch den Anwendungsbereich infrage. Kann das gesamte Gebiet des Seewegs tatsächlich die meiste Zeit des Jahres als eisbedeckt angesehen werden? Zudem haben die USA wiederholt gegen fehlende Ausnahmeregelungen für staatliche Schiffe (einschließlich Militärschiffe) protestiert, die in Artikel 236 des SRÜ festgeschrieben sind. Im Jahr 2022 hat Russland die für die Durchfahrt von ausländischen Kriegsschiffen geltenden Beschränkungen sogar noch verschärft, die jetzt drei Monate im Voraus auf diplomatischem Wege angemeldet werden muss.

Die USA sind besonders wegen der Schifffahrtsrechte in den Meerengen des Nördlichen Seewegs besorgt. Russland vertritt den Standpunkt, dass es sich bei diesen relativ schmalen Meerengen um Binnengewässer handelt, was einen sehr breiten Regulierungsspielraum zuließe. Nach Ansicht der USA fallen sie jedoch unter die SRÜ-Definition von „Meerengen, die für die internationale Schifffahrt genutzt werden“. Unter ausländischer Flagge fahrende Schiffe haben in diesen Meerengen Transitrechte. Diese Transitrechte ähneln sehr stark dem „Recht auf friedliche Durchfahrt“, das Militärschiffen in Hoheitsgewässern gewährt wird, gehen aber noch darüber hinaus, da U-Boote nicht an der Wasseroberfläche fahren müssen. Die USA beanspruchen für sich das Recht, Marineschiffe ohne Vorankündigung durch die Nördliche Seeroute zu schicken, wie sie es auch schon in anderen Seegebieten mit umstrittener Rechtsprechung im Rahmen von sogenannten FONOPs (Freedom of Navigation Operations) getan haben. Ein solches Vorgehen birgt das Risiko eines militärischen Konflikts – allerdings gibt es keine Anzeichen dafür, dass die USA so etwas erwägen.

Von den kommerziellen Nutzern des Seewegs werden die russischen Bestimmungen akzeptiert. Weitere russische Einschränkungen werden sich negativ auf das wirtschaftliche Interesse an der Seeroute auswirken, aber keine Sicherheitsprobleme schaffen. Auch ist kaum denkbar, dass ausländische Staaten militärisch aktiv werden, um dort die Durchfahrt von Frachtschiffen zu unterstützen.

Auch wenn militärische Konflikte im Zusammenhang mit der Suche und Erschließung von Bodenschätzen eher unwahrscheinlich sind, kann der (politische) Umgang mit den Ressourcen in der Arktis doch zu Konflikten führen. Allerdings werden derartige Konflikte in erster Linie zwischen den Befürwortern und Gegnern bestimmter Projekte innerhalb eines Landes entstehen. Umweltauswirkungen und Folgen für traditionelle Lebensweisen sind vielerorts bereits ein Thema, wobei durchaus mit einer Verschärfung der Positionen zu rechnen ist. In solche Konflikte könnten sich Aktivisten von außerhalb einbringen. Denkbar ist auch, dass andere Länder oder internationale Organisationen Druck ausüben, wie zum Beispiel die Erklärungen der EU zum Schutz der arktischen Umwelt zeigen. Solche Entwicklungen können Rohstoffprojekte zu außenpolitischen und diplomatischen Herausforderungen machen. Andererseits werden der Krieg in der Ukraine und die Ungewissheit über die Entwicklungen in Russland zu einer Neubewertung der kritischen Rohstoffversorgung – nicht nur bei Öl und Gas – führen, was wiederum die Bedeutung der nichtrussischen Arktisgebiete erhöhen dürfte.

– übersetzt aus dem Englischen –

 


 

Arild Moe ist Forschungsprofessor am Fridtjof-Nansen-Institut in Lysaker, Norwegen.

 


 

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