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Brexit-Folgenabschätzung

von Dr. Thomas Henökl

Zu den Auswirkungen des EU-Austritts Großbritanniens auf die europäische Außen- und Entwicklungspolitik

Wegen des unerwartet knappen Ergebnisses und des Verlusts der konservativen Mehrheit bei den britischen Unterhauswahlen am 8. Juni 2017 scheint der harte Brexit-Kurs von Premierministerin Theresa May plötzlich nicht mehr in Stein gemeißelt. Ob sich die britische Position verändert und wie sich der Austritt schließlich gestaltet, hat für die europäische Außen- und Entwicklungspolitik weitreichende Folgen. Und der potenzielle Schaden ist beträchtlich.

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In ihrer Lancaster House-Rede vom 17. Januar 2017 kündigte Premierministerin Theresa May an, in Außen-, Sicherheits- und Verteidigungsbelangen auch nach dem Austritt ihres Landes eng mit der EU zusammenarbeiten zu wollen. Ob und inwieweit dies für die europäische Entwicklungspolitik als integralem Bestandteil der EU-Außenbeziehungen gelten könnte, blieb weitgehend offen. Auch das von der britischen Regierung am 2. Februar 2017 veröffentlichte Weißbuch hat in substanziellen Fragen wenig Klarheit geschaffen. May bekräftigte vor Mitarbeitern des britischen Entwicklungsministeriums (Department for International Development – DfID) am 27. März, dass ihr Land sich nicht vor seiner internationalen Verantwortung drücken wolle. Und in ihrem „Abschiedsbrief“ an den EU-Ratspräsidenten war zu lesen, dass sich Großbritannien den gemeinsamen Werten Europas verpflichtet fühle und weiterhin als „engster Freund und Nachbar“ verbunden bleibe.

Auf Basis der Faktenlage liefert dieser Beitrag eine Bestandsaufnahme der Verhandlungspositionen und versucht einen Ausblick auf mögliche Auswirkungen auf dem Gebiet der EU-Entwicklungspolitik und Implikationen für die europäischen Außenbeziehungen.

Zu den Herausforderungen, die sich für die EU und die multilaterale Zusammenarbeit stellen, zählen neben kurzfristigen Problemen mit Blick auf bestehende rechtliche Verpflichtungen und der Sicherung der business continuity auch die längerfristigen Weichenstellungen, die als Antwort auf Großbritanniens Ausstieg erfolgen müssen. Im Augenblick nehmen die Fortsetzung laufender Prozesse, etwa die Beteiligung an der Finanzierung, Planung und Durchführung von Programmen und Projekten, sowie die legistische Regelung des Übergangs große Aufmerksamkeit und Ressourcen in Anspruch. Ebenso stellt sich die Frage nach der Rechtssicherheit internationaler Abkommen, wie Handelsverträgen, Mitgliedschaften in Organisationen, kurz: der Rechtsnachfolge Großbritanniens im Rahmen der EU-Verträge. Die Abwicklung dieser Hinterlassenschaften ist jenseits aller Emotionen ein überaus arbeitsintensiver Prozess, der über Jahre hinweg die Agenden der EU und Großbritanniens bestimmen und bedeutende administrative Kapazitäten auf beiden Seiten binden wird. Im Mittelpunkt sollte dabei das Bemühen stehen, die Entwicklungspolitik soweit wie möglich von den trade-offs des Verhandlungspokers abzuschirmen und gemeinsame Ziele außer Streit zu stellen.

Vor diesem Hintergrund untersucht der Beitrag zunächst, wie sich der Verlust Großbritanniens als EU-Mitglied auf das Gewicht und die Rolle Europas in der Welt auswirkt. Anschließend wird der Frage nachgegangen, welchen Stellenwert die Entwicklungsagenda in der britischen Außenpolitik einnehmen wird. Und schließlich wird erörtert, welche Folgen der Brexit für die Handelspolitik der Europäischen Union – insbesondere mit den Entwicklungsländern – haben könnte.

 

1. Brexit – und die Auswirkungen auf Europas Rolle in der Welt

Unter ungewissen Bedingungen über den Verlauf der Verhandlungen muss sich die EU nach Abschluss der Regierungsbildung in London dem Austrittsprozess eines zentralen Mitgliedstaates widmen. Dieser Prozess kommt zur Unzeit, in einer Weltlage, die für Europa – nicht nur wegen der dissenzbelasteten transatlantischen Beziehungen – vertrackter kaum sein könnte, und die Union in ihren Grundfesten erschüttert. Nun steigt eine nach Erneuerung suchende Union gegen einen durch die vorgezogenen Neuwahlen im Juni geschwächten, aber in seinen zentralen Anliegen immer noch sehr schlagkräftigen Verhandlungsgegner in den Ring.

Seit der besagten Rede Theresa Mays vom 17. Januar war zumindest klar, dass Großbritannien einen „harten“ Brexit anstrebt und damit das Ausscheiden aus dem gemeinsamen Markt und der Zollunion in Kauf nimmt. Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit durch die konservative Regierung bei den Parlamentswahlen am 8. Juni ist es jedoch nicht mehr so sicher, dass die ursprüngliche Verhandlungslinie beibehalten wird.

Rechtlich muss der Austritt zwei Jahre nach dem Auslösen von Artikel 50 des EU-Vertrages abgeschlossen sein, was nach jetzigem Stand der Dinge bedeuten würde, dass im April 2019 ein Abkommen zwischen der EU und Großbritannien unterzeichnet sein muss, um eine ungeordnete Trennung ohne Vertrag als eines der möglichen Szenarien zu vermeiden. Falls die Verhandlungsperiode nicht verlängert wird, wofür ein einstimmiger EU-Ratsbeschluss erforderlich wäre, bliebe ab dem Zeitpunkt des Rückgriffs auf Art. 50 ohnehin lediglich eine Frist von weniger als zwei Jahren – genau etwa 18 Monate – für den Austrittsprozess. Denn dessen Resultat, der Austrittsvertrag selbst, muss vom Europäischen Parlament und den Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Die Neubestellung des Unterhauses verzögerte den Beginn substanzieller Verhandlungen weiter und trug aufgrund der verbalen Zuspitzungen im Wahlkampf auch nicht zu einem positiven Gesprächsklima zwischen EU und Großbritannien bei. Dass in der verbleibenden Zeit nach dem offiziellem Verhandlungsstart am 19. Juni alle Punkte umfassend und mit für beide Seiten befriedigendem Ergebnis ausgehandelt werden können, ist unwahrscheinlich. Vorrangig im zweistufigen, von der Kommission vorgeschlagenen Verfahren ist daher, zunächst die Eckpfeiler eines Übergangsabkommens zu fixieren, während für den Rest der Verhandlungsmasse – wie bei großen Verhandlungspaketen üblich – wohl gilt, dass nichts vereinbart ist, bevor alles vereinbart ist. Dies könnte sich über Jahre hinziehen und Konflikte sind vorprogrammiert: Während Großbritannien bereits parallel Handelsabsprachen mit Drittländern beginnen will, ist dies für Brüssel ein Tabu, solange das Land rechtlich Mitgliedstatus hat. Im Lichte dieser Divergenzen sowie des Umfangs und der Komplexität der Materie ist kaum vorhersehbar, wie lange es dauern wird, bis ein Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien als Kern des Scheidungsvertrags steht.

 

Ob die britische Regierung am Kurs eines „harten“ Brexit festhalten wird, ist unsicher.

Nach bisherigen Aussagen will Großbritannien möglichst alle bürokratischen „Fesseln kappen“ und jede künftige Verstrickung in EU-Recht und -Institutionen vermeiden. May betonte in ihrer Rede lediglich, ihr Land wolle mit den europäischen Partnern – oder von nun an: „Nachbarn“ – in Fragen der Sicherheitspolitik und Terrorismusbekämpfung zusammenarbeiten. Dass die Außenpolitik generell und ganz besonders im Fall der Brüsseler soft power eng mit Entwicklungszusammenarbeit (EZ) und multilateraler Kooperation verbunden ist, ist nicht neu. Ob und wie stark auch Sicherheitsfragen mit nachhaltiger Entwicklungspolitik und neuerdings auch mit der Migrationspolitik verknüpft werden sollten, wird teils sehr kontrovers diskutiert. Wahrscheinlich ist, dass die gegenwärtigen Herausforderungen, aber auch deren politisches framing und folglich die Leitlinien, wie mit diesen Herausforderungen umzugehen sei, eine solche Verflechtung tendenziell verstärken. Dies ist in der Flüchtlings- und Migrationspolitik, beim EU-Nothilfefonds für Afrika (EU Emergency Trust Fund for Africa), der Europäischen Nachbarschaftspolitik, dem Grenzschutz, der Demokratieförderung sowie in einem, was konkrete Inhalte angeht, noch blutleeren Resilienzdiskurs zu beobachten. Es wird sich kaum vermeiden lassen, dass sich die EU und Großbritannien hinsichtlich dieser Fragen auch nach einem möglichen Brexit verständigen. Daher sollte – pragmatisch gedacht – das Kapitel „Europäische Entwicklungszusammenarbeit“ in den bevorstehenden Verhandlungen nicht als die bloße Abwicklung einer Hinterlassenschaft behandelt, sondern es sollte aktiv nach einer konstruktiven Rolle Großbritanniens in der internationalen EU-Kooperation gesucht wird.

Mag man auch geteilter Meinung sein über den Gang der Globalisierung, notwendige Regeln für multinationale Konzerne und die Finanzindustrie oder den Wert der Personenfreizügigkeit und bei allen Differenzen in puncto burden sharing für globale Gemeinwohlpolitik, Migration, Klimawandel, Ernährungssicherheit und andere externalisierte Kosten unseres Wirtschaftssystems und der von diesem hervorgerufenen strukturellen Ungleichgewichte. Grundsätzlich einig war man sich dagegen über die Notwendigkeit von Kooperation, das Bestehen multilateraler Verpflichtungen sowie gemeinsame Ziele wie jene der Armutsbekämpfung oder der Nachhaltigkeit. In diesen und anderen Bereichen haben die EU und Großbritannien sehr ähnliche Schwerpunkte, wie auch in der Friedens- und Demokratieförderung, bei fragilen Staaten, beim Krisenmanagement und der internationalen Sicherheit. Umso mehr gibt es zu denken, wenn Theresa May im Austrittsgesuch den Austausch von Geheimdienst- und Polizeidaten zur Terrorismusbekämpfung an den Zugang zum Binnenmarkt koppeln wollte.

Der Auftakt zu offiziellen Brexit-Verhandlungen erfolgt zeitgleich mit einer Reihe anderer wichtiger politischer Entscheidungen, darunter der Beginn der Gespräche zum neuen Mehrjährigen Finanzrahmen der Union (2021 bis 2027), inklusive der Diskussionen über die Umgestaltung der Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit. Darüber hinaus stehen neben der Umsetzung der Agenda 2030 gleich mehrere außenpolitische Zielvorgaben auf dem Programm, wie die neue Nachbarschaftspolitik, der Juncker-Plan für externe Investitionen in Afrika, die Aufwertung des gemeinsamen EU-Grenzmanagements und ein Aktionsplan für die Verteidigung. Zugleich stellt sich in der europäischen Entwicklungszusammenarbeit die Frage nach der Neuausrichtung der EU-Kooperationspolitik, beginnend mit der Reform des „Europäischen Konsenses für die Entwicklung“ aus dem Jahr 2005. Fraglich scheint, ob es mit dem neuen Konsens, der am 7. Juni 2017 in Brüssel präsentiert wurde, gelungen ist, eine Vision vorzulegen, die die EU-Institutionen sowie die Mitgliedstaaten (und vielleicht auch Großbritannien als EZ-Akteur) hinter sich vereinen kann, und so ein neues entwicklungspolitisches Leitbild zu entwerfen. Parallel dazu wurde Ende 2016 mit der Sondierung der Zukunft der Zusammenarbeit mit den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP-Staaten) sowie einer eventuellen Erneuerung des 2020 auslaufenden Cotonou-Vertrages begonnen. Die Position der EU bei den Verhandlungen über dessen Fortführung wird durch das Ausscheiden Großbritanniens geschwächt. 41 der 53 Staaten des Commonwealth sind AKP-Länder, damit stellen sie auch die Mehrheit der 78 Staaten umfassenden AKP-Gruppe. Daher ist die Zusammenarbeit mit den AKP-Staaten für Großbritannien aus politischen und wirtschaftlichen Gründen von strategischer Bedeutung, und London könnte versuchen, einen Fuß in der Tür zu behalten. Wenig vertrauensfördernd sind dabei Aussagen wenig hilfreich sind dabei Spekulationen zu einem Empire 2.0, die im Hinblick auf ehemalige Kolonien in der AKP-Gruppe und auf andere afrikanische Staaten aus dem britischen Außenministerium durchgedrungen waren. Kurzfristig könnte Großbritannien versuchen, zumindest bei Allokationsentscheidungen über britische Restmittel noch mitzureden, da die laufende Finanzierungsperiode (11. EEF) erst 2020 und somit nach dem geplanten Brexit-Datum endet.

Über all diesen Prozessen liegt bereits der lange Schatten des Brexit. Dessen destabilisierende Wirkung wird sich deutlich spürbar in Form eines verminderten Gestaltungsspielraums und letztlich in einer Schmälerung der Rolle sowohl der EU als auch Großbritanniens in der Welt niederschlagen. Neben der eingeschränkten Handlungsfähigkeit und der schwindenden Anziehungskraft der EU wirkt sich auch die Schwächung ihrer Marktmacht, ihrer außenpolitischen, humanitären und militärischen Kapazitäten sowie insgesamt ihres Verhandlungsgewichtes negativ aus.

Großbritannien ist ein Land, das auch aufgrund seiner Vergangenheit als Weltreich über zahlreiche Verbindungen und Interessen in allen Erdteilen verfügt. Das diplomatische und nachrichtendienstliche Netzwerk sowie die entwicklungs-, außen- und sicherheitspolitische Expertise des Landes werden der EU spürbar fehlen, wenn es um politischen Einfluss, Zugang zu Informationen, zivile und militärische Interventionen, Krisenmanagement oder die Planung und Umsetzung von Hilfsprogrammen geht. Auch die materiellen Einbußen sind beträchtlich: Durch den mit dem Austritt Großbritanniens verbundenen Rückgang der EU-Bevölkerung von ca. 510 auf 446 Millionen Einwohner und die Verringerung des Bruttonationalprodukts (BNP) um 16 Prozent wird Europas soft power, die nicht zuletzt auf dem Volumen des gemeinsamen Markts fußt, empfindlich geschwächt. Zudem wird der Budgeteinbruch im Gesamthaushalt der Union von insgesamt über zwölf Milliarden Euro jährlich bei Netto-Zahlern wie bei Netto-Empfängern zu Buche schlagen.

 

2. Der Stellenwert der internationalen Kooperation in Großbritannien

Das Vereinigte Königreich ist traditionell ein Vorreiterland im Bereich der offiziellen Entwicklungshilfeleistung (official development aid, ODA), hat es doch seit über zehn Jahren das 0,7-Prozent-Ziel (Anteil der ODA am BNP) als Gesetz verankert sowie zudem als bisher unangefochtenes Prinzip verfolgt und dieses im Jahr 2013 erstmals erreicht. In absoluten Zahlen haben sich die britischen EZ-Ausgaben zwischen 2006 und 2016 von 7,4 Milliarden Pfund auf 13,6 Milliarden Pfund (inflationsbereinigt) fast verdoppelt. Mit seinem 0,71 Prozent-Anteil des EZ-Budgets gemessen am Gesamthaushalt liegt Großbritannien auf dem vierten Platz unter den EU-Mitgliedstaaten, hinter Schweden, Luxemburg und Dänemark (auf Platz fünf der europäischen Länder, würde Norwegen berücksichtigt werden).

 

Entwicklungshilfe-Level der EU-Mitgliedstaaten 2016  
< 0,15 Polen, Slowakei, Tschechien, Griechenland, Ungarn
0,15 > 0,5 Portugal, Italien, Österreich, Irland, Finnland, Frankreich, Belgien, Spanien
0,5 > 0,7 Niederlande
≥ 0,7 Vereinigtes Königreich, Dänemark, Deutschland, Luxemburg, Schweden
Anteil am Bruttonationalprodukt in Prozent. Quelle: OECD Development Assistance Committee, 2016. Die Darstellung berücksichtigt nur OECD-DAC-Mitglieder (exkl. Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Rumänien und Zypern). Die OECD-Zahlen zur EZ-Leistung im Jahr 2016 sind dadurch zu relativieren, dass hier einige MGS, darunter Deutschland, verschiedene Ausgaben einrechnen, die nicht zur EZ im engeren Sinne gehören, etwa Ausgaben für die Flüchtlingsbetreuung im eigenen Land.

Premierministerin May verteidigte das 0,7-Prozent-Ziel gegen den Druck des rechten Flügels in ihrer Partei. Ob sich dies im L

ichte des gegenwärtigen politischen Klimas ändern könnte, ist derzeit nicht abzusehen. Gerade auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik steht zu befürchten, dass bei den erwartbaren Auseinandersetzungen um Fremden- und Aufenthaltsrecht, Handel, Forschungsförderung oder Fischerei- und Agrarpolitik die Gefahr besteht, dass die internationale Kooperation darunter leiden und zum Gegenstand eines Kuhhandels werden könnte. Denn auch im Kontext der nationalen politischen Debatte in Großbritannien firmiert development cooperation nicht gerade an oberster Stelle. Die vom britischen Entwicklungshilfeministerium im Januar 2017 vorgelegte „Wirtschaftliche Entwicklungsstrategie“ muss demnach auch als Versuch gelten, die weitere Existenz des Ministeriums nach dem Brexit zu rechtfertigen. Zudem zeichnet sie eine Neuausrichtung der Armutsbekämpfung durch eine stärkere Gewichtung der Förderung von Wachstum und Beschäftigung in Entwicklungsländern vor. Laut einer Gesetzesvorlage wird das Ministerium über sein Entwicklungsfinanzierungsinstrument (DFI), die CDC-Group, über sieben Milliarden Euro (anstatt wie bisher ca. 1,7 Milliarden Euro) in afrikanische und südostasiatische Unternehmen investieren. Wie leicht die Entwicklungszusammenarbeit im Kampf um die Brexit-Frage unter die Räder kommen kann, zeigt sich anhand eines weiteren heiklen Verhandlungs-Chips: Medienberichten zufolge könnte die Regierung in London dem Rat der Pro-Brexit Vereinigung Lawyers for Britain folgen und damit drohen, sich die britischen Anteile am Kapital der Europäischen Investitionsbank (EIB) von 10,2 Milliarden Euro auszahlen zu lassen. Davon wäre natürlich das EIB-Außenmandat direkt betroffen – mit weitreichenden Folgen für laufende Programme und die EU-Trust-Funds.

Kurz- und mittelfristige Auswirkungen des Brexit

In der internationalen und europäischen Entwicklungszusammenarbeit galt Großbritannien bisher als wichtiger Geber und Stütze sowie zentraler Akteur und Reformmotor. Zu einem jährlichen Gesamtbudget von etwa acht Milliarden Pfund (9,4 Milliarden Euro) für die internationale Kooperation steuert das Land für rund 15 Prozent der europäischen EZ-Mittel bei. Vor allem der Beitrag zum Europäischen Entwicklungsfond (EEF) liegt mit 4,48 Milliarden Euro für den Finanzierungszeitraum 2014 bis 2020 auf hohem Niveau und mit 14,7 Prozent der Gesamtsumme des 11. EEF höher als der anteilsmäßige Beitrag Großbritanniens zum Gesamthaushalt der Union von 11,7 Prozent (2013). Die Summe der britischen EU-EZ-Zahlungen beläuft sich auf etwa 1,5 Milliarden Euro jährlich. Obwohl das DfID in seiner im November 2016 veröffentlichten Multilateral Development Review der EU als wichtigstem multilateralen Partner der britischen Entwicklungszusammenarbeit gute Noten ausstellt, sucht die Regierung nach Möglichkeiten der Umschichtung dieser Gelder in andere Kanäle im Rahmen der multilateralen Kooperationsprogramme, etwa zur Weltbank, dem VN-System, GAVI, Global Fund und nicht zuletzt dem Commonwealth Secretariat.

Unmittelbar ergibt sich für die Projektfinanzierung bereits ein Fehlbetrag, verursacht durch den Kursverlust des Sterling, der nach dem Brexit-Votum im Juni 2016 international um rund zehn bis 15 Prozent eingebrochen war. Davon ist auch die reale Kaufkraft der britischen Entwicklungshilfegelder in Drittländern betroffen und stellt das DfID vor unerwartet höhere Ausgaben, da die Finanzierung meist auf Dollar- oder Euro-Basis abgewickelt wird. Mittelfristig stellt sich die Frage, ob und wie Großbritannien in Zukunft, d.h. nach Ende der laufenden Finanzierungsperiode im Jahr 2020, weiter finanziell zur europäischen Entwicklungszusammenarbeit beitragen könnte. Derzeit stehen die Zeichen dafür allerdings nicht sehr günstig, da in der Downing Street die Entkoppelung und Entflechtung britischer und europäischer Interessen sukzessive betrieben wird. Unter dem steigenden budgetären Druck, der auf dem Schatzkanzler lastet, ist es nicht unwahrscheinlich, dass in London der Beitrag zu EU-EZ-Mitteln mit der offenen Rechnung von kolportierten 60 bis 100 Milliarden Euro, die sich u.a. aus Zahlungsverpflichtungen im laufenden Mehrjährigen Finanzrahmen der EU ergeben, gegengerechnet wird. Eine Studie des Europäischen Parlaments prognostiziert, dass der Anteil der EU an der weltweiten Entwicklungsfinanzierung längerfristig um zehn bis 13 Prozent fallen könnte. Eine Möglichkeit zur Einbindung Großbritanniens bestünde darin, die Friedensfazilität für Afrika (African Peace Facility) aus dem EEF auszugliedern und als intergouvernementales Instrument zu etablieren, an dem sich auch das Vereinigte Königreich beteiligen kann. Ein anderer Ansatz könnte dem Modell Norwegens und der Schweiz folgen, die beträchtliche Mittel zum Afrika-Nothilfefonds Emergency Trust Fund for Africa beisteuern. Auch Beiträge zu anderen EU-Trust-Funds, die als flexible Instrumente eine Ad-hoc-Beteiligung von Drittstaaten ermöglichen, sind denkbar. Ferner könnte Großbritannien im Gegenzug für den Zugang zum Binnenmarkt ein eigenes, selbst finanziertes und mit den Partnerländern gemeinsam verwaltetes EZ- oder Strukturwandel-Instrument schaffen, ähnlich dem existierenden EEA/Norway Grants-Schema.

 

Spekuliert wird, ob Großbritannien künftig stärker mit Staaten des Commonwealth kooperieren wird.

 

3. Kollateralschäden für den Handel mit Entwicklungsländern

Hinsichtlich der Orientierung der britischen Entwicklungspolitik wird darüber spekuliert, ob sich das Land künftig wieder stärker seinem kolonialen Erbe zuwenden könnte und sich in seiner Kooperation auf die Nationen des Commonwealth konzentrieren wird. Premierministerin May betonte die Bedeutung dieser sowie die Nähe zu diesen Staaten in ihrer Programmrede mehrfach. Wie dieses Verhältnis jedoch aussieht, ist derzeit noch unklar. Und seine Bedeutung wird womöglich überschätzt: Der Anteil des Handels mit den Commonwealth-Staaten beläuft sich auf gerade einmal neun Prozent der Außenwirtschaftsleistung Großbritanniens, wovon allein rund zwei Prozent auf Australien entfallen.

Die Auswertung von Aussagen und Absichtserklärungen durch britische Politiker nach der Brexit-Abstimmung zeigt die Geringschätzung der EU-Kooperationspolitik sehr deutlich, nicht nur unter den Ausstiegsbefürwortern. Außer der vagen Zusicherung, dass Großbritannien weiterhin seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen werde, ist zu diesem Thema laut Weißbuch der britischen Regierung nichts zu entnehmen. Entwicklungsministerin Priti Patel hatte ihrer kritischen Haltung zur EU-Entwicklungszusammenarbeit schon bei ihrem Amtsantritt klar Ausdruck verliehen und zuvor sogar die Abschaffung des DfID gefordert. Aufgrund solcher Aussagen und auf Basis der neuen Entwicklungsstrategie lässt sich erkennen, dass die Post-Brexit-Entwicklungspolitik, wie die britische Außenpolitik insgesamt, stärker nationalen und insbesondere den britischen kommerziellen Interessen unterworfen sein wird. So werden Marktöffnung, Liberalisierung und private Investitionen als bester Weg für wirtschaftliche Entwicklung gesehen. Es ist jedoch umstritten, ob eine völlige Handelsliberalisierung, wie sie offenbar von führenden konservativen Politikern wie Handelsminister Liam Fox, propagiert wird, für alle Entwicklungsländer der richtige Ansatz ist. Marktöffnung auf der Basis von Reziprozität stellt diese in vielen Fällen jedenfalls vor enorme Probleme. Daher kann vermutet werden, dass für diese radikal-liberale Haltung noch andere Gründe, hidden agendas, eine Rolle spielen. Mark Langan etwa zeigt auf, wie die Interessen der Vereinigung der Landbesitzer, der Agro-Industrie und des Finanzkapitals in diesem Punkt zusammenspielen: Diese drei ökonomisch und politisch äußerst einflussreichen Akteure bedienen sich des Instruments der National Alliance for Food Security and Nutrition (NAFSN), um Bedingungen für private ausländische Investoren zu verbessern und deren Eigentümerrechte zu stärken. Durch seriöse Quellen sehr gut belegt ist, welch perfide Strategien zum Einsatz kommen, um in einer Reihe von afrikanischen Staaten den finanziellen Interessen von Investoren zum Durchbruch zu verhelfen. So wird nicht davor zurückgeschreckt, ortsansässige Subsistenzbauern mit Gewalt von ihrem Land zu vertreiben, weshalb Forscher, NGOs und die Presse unverhohlen von land grabbing sprechen. Sollte dies die Tendenz sein, die sich in der britischen Post-Brexit-Kooperationspolitik abzeichnet, ist nicht zu erwarten, dass Großbritannien weiterhin glaubhaft als Fürsprecher einer progressiven EU-Entwicklungszusammenarbeit auftritt. Deren Kontrolle durch das Europäische Parlament und zivilgesellschaftliche Akteure wird dann umso wichtiger.

 

Die Neuverhandlung bilateraler Abkommen birgt zugleich Chancen und Gefahren für Entwicklungsländer.

Im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO), als dessen einfaches Mitglied Großbritannien nach dem Austritt agiert, gibt es klare Regeln (most favoured nation clause), die das Land auch im Umgang mit anderen Handelspartnern binden. Vergünstigungen, die einem Partner eingeräumt werden, müssen auch allen anderen Staaten gewährt werden. Der zwischen der EU und Großbritannien zu verhandelnde Scheidungsvertrag könnte den Spielraum bei den zu gewährenden Präferenzen für London zusätzlich einschränken. Darüber hinaus sind solche WTO-Neuverhandlungen sehr komplex und betreffen eine Vielzahl anderer Akteure. Wegen des Einstimmigkeitsprinzips aller 164 WTO-Mitglieder könnten auch andere Positionen und Forderungen auf den Tisch kommen, was zu einem langwierigen Prozess führen dürfte. Für Großbritannien ist es daher wichtig, die Unterstützung der Least Developed Countries (LDC) zu haben und mit diesen auf eine Konsensposition hinzuarbeiten.

Formal werden nach dem Austritt sowohl gemeinschaftsrechtliche als auch gemischte Abkommen ihre Anwendbarkeit für Großbritannien verlieren. Die LDC genießen weiterhin bevorzugten Zugang zum europäischen Markt. Für den britischen Markt müsste dieser erst neu geregelt werden. Der angekündigte harte Brexit berührt wegen des Ausscheidens aus der Zollunion auch die Rechtssicherheit im Handel mit anderen Entwicklungsländern und zwingt Großbritannien dazu, nach dem Austritt neue bilaterale Abkommen mit Drittländern zu unterzeichnen. Die Importe aus Entwicklungsländern fallen mit jährlich ca. 39 Milliarden Euro relativ klein aus im Verhältnis zu den britischen Gesamteinfuhren in Höhe von rund 641 Milliarden Euro. Nicht auszuschließen ist, dass die Interessen der Entwicklungsländer hier gegenüber denen von Unternehmen und Konsumenten untergehen könnten (zumal einem Freihandelsabkommen mit den USA wahrscheinlich weit mehr Aufmerksamkeit und Ressourcen gewidmet werden dürften). Eine Chance stellt dagegen die Möglichkeit für Großbritannien dar, ein neues, generöses Präferenz-Schema für alle LDC (oder eine neudefinierte, erweiterte LDC-Gruppe) einzuführen, das möglicherweise ausgewogener ist als das derzeitige Everything-but-arms-Modell der EU und damit einen Ansatz präsentiert, von dem die europäische Entwicklungszusammenarbeit lernen könnte. Hierbei kommt einer großzügigen Gestaltung der Ursprungsregeln für Produkte aus Entwicklungsländern und den komplexen Bestimmungen zu Wertschöpfungsketten eine besondere Bedeutung zu. Ein Unsicherheitsfaktor ist, ob Großbritannien den EU-Rahmen übernimmt oder eine eigene Regelung anstrebt – was für Entwicklungsländer neue rechtliche und administrative Handelsbarrieren erzeugt.

Ähnlich gelagert ist die Frage, wie sich Großbritannien im Bereich der Produktstandards, insbesondere der phytosanitären Standards, verhält. Falls es sich tatsächlich vom EU-Rahmen unabhängig machen will, könnte auf Drittländer die Schwierigkeit zukommen, sich für den Export nach Europa auf zwei unterschiedliche Standards einstellen zu müssen, was diese Staaten vor erhebliche zusätzliche Hürden stellt, nachdem sie bereits viel Aufwand in die Berücksichtigung der EU-Regeln investiert hatten. Auf kurze Sicht wird Großbritannien in einer Great Repeal Bill die EU-Gesetze bis zur Fertigstellung eines eigenen britischen Regelwerks fortschreiben und weiterhin anwenden. Bei den nachfolgenden Gesetzgebungsverfahren zu eigenen Regeln, besonders bei jenen, die zur Festlegung neuer Produktstandards führen, oder auch bei einer Neudefinition der Herkunftsregeln sollte besonders auf die Lage der Partnerländer geachtet werden, um zu vermeiden, dass es hier aufgrund zusätzlicher Hemmnisse zu Export-Ausfällen, Unterbrechungen von Wertschöpfungsketten oder einer dauerhaften Schädigung der Handelsbeziehungen kommt.

Eine Neuregelung wird auch für die wirtschaftlichen Partnerschaftsabkommen notwendig, bei denen sich bereits durch den unilateralen Rückzug eines europäischen Staates für die Partnerländer neben der Frage nach der allgemeinen Rechtssicherheit und Gültigkeit der Verträge sehr konkrete Probleme ergeben, gerade im Bereich der Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse: Wie sind etwa die scheduled concessions in Form der Einfuhrquoten zu behandeln, wenn mit dem Austritt des Königreichs die für das Land vorgesehene Abnahme im Bereich von etwa 15 Prozent der Warenmengen gegenstandslos wird? Diese produktspezifischen Quoten müssten für jedes Land und jede der Konzessionen neu ausgehandelt werden. Ob die EU-27 die Konzessionszertifikate der gemeinsamen Handelspolitik der EU-28 einfach eins-zu-eins übernehmen oder eine Gütertrennung mit Großbritannien fordern, wirft eine Reihe von politischen Fragen auf – gerade im Hinblick auf die Einfuhr von Waren aus den Staaten des Commonwealth. Für die Entwicklungsländer wichtig sind der Export von Tee und die Produktion von Schnittblumen für den europäischen Markt (Kenia) oder der Textilsektor (Bangladesch). Auch Belize, Mauritius, Fidschi, Gambia und Sri Lanka sind stark vom britischen Markt abhängig.

 

4. Bottom line: Damagecontrolund Wege aus der Krise

London hat seinen Wunsch nach einem clean break mehrfach betont und Premierministerin May hat angekündigt, dass sie ungeachtet des Wahlergebnisses ab 19. Juni dementsprechend hart verhandeln werde. Dass dabei die internationale Kooperation eine eher untergeordnete Rolle spielt und zu einem Verhandlungs-Chip oder zu einer Randnotiz im Verlassenschaftsprotokoll werden könnte, ist eine reale Gefahr. Aus Sicht der Entwicklungspolitik empfiehlt es sich daher für beide Seiten, die anstehenden Verhandlungen zur Nachlassregelung zügig anzugehen und die drängenden Fragen in Offenheit und Transparenz, mit Bedacht auf Kontinuität, Vorhersagbarkeit und Verlässlichkeit für Drittstaaten sowie im Geiste „aufrichtiger Kooperation“ und des do no harm-Prinzips zu diskutieren. Ansonsten könnten die Sche

rben, die ein dirty Brexit im Feld der Entwicklungszusammenarbeit anrichten würde, so leicht nicht mehr zu kitten sein.

Mittelfristig müssen die EU-Staaten sich überlegen, welche Lektionen aus dem Brexit zu ziehen sind. Wie sind Politikkohärenz und Koordinierung von Mitgliedstaaten in den EU-Außenbeziehungen zu stärken? Die Integration der EZ-Strukturen auf europäischer Ebene könnte eine erhebliche Steigerung der Wirksamkeit bringen sowie Hebelwirkung durch die Bündelung mit anderen Politikbereichen auslösen. Denn im Feld der Entwicklungszusammenarbeit überschneiden sich Anliegen der wirtschaftlichen Entwicklung mit Gesundheitspolitik, Umwelt- und Klimaschutz, Genderpolitik, Migration, Forschung und Bildung mit den Interessen der Außen-, Handels- und natürlich auch der Sicherheitspolitik. Angesichts der fundamentalen Umwälzungen, die sich gegenwärtig in und um Europa vollziehen, wird die EU neue Allianzen schmieden müssen. Multilaterale Foren der Zusammenarbeit wie etwa G20 oder regionale Partnerschaften sind hierfür besonders geeignet. Deutschland hat durch den laufenden G20-Vorsitz die Möglichkeit, deutliche Akzente zu setzen – und die Bundesregierung nutzt diese Chance auch, um im Bereich des nachhaltigen Wachstums durch die G20-Afrika-Investitionspartnerschaft für Ausbildung und Beschäftigung (G20-Compact with Africa) weitreichende Initiativen zu lancieren.

 

Angesichts der derzeitigen globalen Umwälzungen wird Europa neue Allianzen schmieden müssen.

Während jenseits des Atlantiks alles auf eine neue Ära des Unilateralismus und Isolationismus hindeutet, was sich jüngst in der einseitigen Aufkündigung des Pariser Klimaabkommen manifestiert hat, stellt sich die Frage, ob und wie die durch den Brexit hervorgerufenen Unsicherheiten und Störungen auch einen paradoxal-positiven Effekt auf die EU und den Zusammenhalt unter den Mitgliedstaaten haben könnten. Die wiedererwachte Dynamik der deutsch-französischen Achse nach den Wahlen in Frankreich gibt Anlass zur Hoffnung. Von einem entwicklungspolitisch engagierten Schulterschluss ist in Europa derzeit jedoch noch nicht viel zu spüren. Zugleich zeigt sich, dass sich das Brexit-Votum verschiedenen Umfragen zufolge tendenziell positiv auf die Zustimmung der Bürger zur EU auswirkte: Im Herbst 2016 war die Unterstützung für die EU als Reaktion auf die Abstimmung im Durchschnitt der Mitgliedstaaten um ca. fünf Prozentpunkte gestiegen, und pro-europäische Bewegungen wie Pulse of Europe mobilisieren seit Monaten hunderttausende Menschen zu friedlichen Kundgebungen in zahlreichen Städten und verschiedenen Mitgliedstaaten. Eine von der Fraktion der Europäischen Volksparteien im Europäischen Parlament im April 2017 in Auftrag gegebene Umfrage unter 1.000 Bürgern in neun Mitgliedstaaten ergab, dass sich acht von zehn Befragten für die entschlossene Wahrung europäischer Interessen und eine harte Verhandlungslinie gegenüber Großbritannien aussprechen. Ob und wie sich die britische Position und das Verhältnis zu Europa nun wegen der instabilen Mehrheitsverhältnisse im Parlament verändern, muss sich erst zeigen.

Während es also so aussieht, als könnte der Brexit die Einheit in der (Rest-)Union letztlich stärken, ist auf der Führungsebene noch kein klarer politischer Wille zu erkennen, dieses Pro-EU-Momentum in Form progressiver, proaktiver und integrativer Handlungsstrategien gerade in der EU-Entwicklungszusammenarbeit zu nutzen. Dabei böte sich durch den Brexit ein window of opportunity, um notwendige Reformen anzupacken, die Europäisierung der Kooperation voranzutreiben und durch bessere Koordination zwischen Mitgliedstaaten und einzelnen Politikbereichen die Fragmentierung der Entwicklungszusammenarbeit zu reduzieren sowie deren Kohärenz und Effizienz zu steigern. Zur Implementierung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen, für dringende Maßnahmen auf dem Gebiet des Klimaschutzes und zur Fortsetzung der Armutsbekämpfung sind europäische Entschlusskraft und Umsetzungskapazität in der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit gerade jetzt, angesichts globaler Umwälzungen und der humanitären Herausforderungen aufgrund der anhaltenden Flucht- und Migrationsbewegungen, besonders gefordert.

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Dr. Thomas Henökl ist Politikwissenschaftler am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn und lehrt Europäische Staats- und Internationale Verwaltungswissenschaften an der Universität von Agder in Kristiansand, Norwegen.

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Die Politische Meinung
10. Oktober 2016
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