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Editorial der Ausgabe: "Der Blick nach Westen"

Die ersten zwei Jahre Donald Trumps als 45. Präsident der Vereinigten Staaten haben das Vertrauen der Europäer in die USA als Partner stark in Mitleidenschaft gezogen und die transatlantischen Beziehungen belastet. Die vorliegende Bestandsaufnahme zur amerikanischen Außenpolitik unter Trump, die sich der tatsächlichen Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA in fünf Regionen und fünf Politikfeldern widmet, zeichnet dennoch ein differenziertes Bild mit einigen Lichtblicken.

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Liebe Leserinnen und Leser,

die ersten zwei Jahre Donald Trumps als 45. Präsident der Vereinigten Staaten haben das Vertrauen der Europäer in die USA als Partner stark in Mitleidenschaft gezogen und die transatlantischen Beziehungen belastet. Die vorliegende Bestandsaufnahme zur amerikanischen Außenpolitik unter Trump, die sich der tatsächlichen Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA in fünf Regionen und fünf Politikfeldern widmet, zeichnet dennoch ein differenziertes Bild mit einigen Lichtblicken. Während die Politik Trumps stärker national, unilateral und protektionistisch ausgerichtet und durch einen konfrontativen Stil geprägt ist, hat dies die Schnittmenge zwischen amerikanischen und deutschen Interessen zwar verringert, eine pragmatische Kooperation in wichtigen Politikbereichen aber nicht verhindert. Die Außenpolitik Trumps setzte in den vergangenen zwei Jahren in vielerlei Hinsicht die traditionellen Linien amerikanischer Politik fort. So ist auch die Wahrung der transatlantischen Partnerschaft, die für Deutschland insbesondere im sicherheits- und wirtschaftspolitischen Bereich alternativlos ist, nach wie vor möglich und nötig.

Viel historische Kontinuität in der Außenpolitik

Wie unsere Autoren zeigen, waren insbesondere die Sicherheits- und Russlandpolitiken der Trump-Administration überwiegend durch Kontinuität geprägt. So hat Trump – trotz allen rhetorischen Säbelrasselns – am wichtigsten transatlantischen Bündnis – der NATO – festgehalten. Mehr noch: Die Amerikaner haben in den ver-gangenen zwei Jahren ihre Präsenz in Europa zur Abschreckung Russlands wieder deutlich verstärkt. Auch der Kurs gegenüber China steht in vielerlei Hinsicht in Kontinuität zur bisherigen Außenpolitik, wenn er auch durch andere Mittel und deutlich aggressiver verfolgt wird. Mit dem Rückzug aus dem Nahen Osten knüpft Trump an die Politik Obamas an. Die Aufkündigung des Nuklearabkommens mit dem Iran stellt eine Rückkehr zur traditionellen amerikanischen Nahostpolitik dar und „korrigiert“ die historische „Anomalie“ der Annäherung unter Obama. Ähnliches gilt für den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen. Die scheinbare, unilaterale Wende der amerikanischen Außenpolitik ist historisch betrachtet kein Bruch, sondern folgt der traditionellen amerikanischen Logik, die das multilaterale System rein realpolitisch als Mittel zum Zweck – der Durchsetzung amerikanischer Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen – betrachtet. Als klarer Bruch mit traditionellen Maximen amerikanischer Außenpolitik lässt sich der neue Protektionismus in der Handelspolitik identifizieren, wobei die kritische Haltung gegenüber der Welthandelsorganisation bereits aus der Zeit von Präsident George W. Bush stammt und stets auch handelskritische Stimmen innerhalb der USA Gehör fanden.

Ein neuer transaktionistischer Stil

Verändert haben sich in erster Linie der Stil und die Rhetorik des Präsidenten. Durch den transaktionistischen, teils erratischen Stil Trumps hat eine neue Logik Einzug in die US-Außenpolitik gehalten. Getreu seinem Wahlkampfmotto „America First“ – eine überspitzte Kontinuität des von Obama propagierten „Nationbuilding at home“ – wird die amerikanische Außenpolitik stärker an innenpolitischen Wählergruppen ausgerichtet. Die Politik Trumps ist Symptom eines tiefergreifenden innenpolitischen Wandels in den USA. Sie trägt der zunehmenden Spaltung der amerikanischen Gesellschaft Rechnung, die sich bereits seit mehreren Jahren abzeichnet und Resultat eines wirtschaftlichen und soziopolitischen Strukturwandels ist. Wie die amerikanischen Zwischenwahlen gezeigt haben, wird die Politik Trumps von einem beachtlichen Teil der amerikanischen Bevölkerung mitgetragen. Hierzu gehört auch die aggressive Rhetorik des Präsidenten, die diesen Kurs klar artikuliert.

Die transatlantischen Beziehungen sind alternativlos

Die transatlantischen Beziehungen werden – der Logik Trumps folgend – von US-Seite heute mehr denn je als Mittel zum Zweck und weniger als Wertepartnerschaft verstanden. Mit einem Kurswechsel der USA – auch über Trump hinaus – ist aufgrund der innenpolitischen Veränderungen nicht zu rechnen. Die mediale Fokussierung auf Trump sowie der Stil und die Rhetorik des Präsidenten haben das Vertrauen in die USA als verlässliche Schutz- und Ordnungsmacht in Mitleidenschaft gezogen. Gleichzeitig bleiben die transatlantischen Beziehungen aus europäischer Sicht mit Blick auf andere Weltregionen und Werteverständnisse alternativlos. Die Kongruenz der gemeinsamen Interessen hat sich in den vergangenen zwei Jahren in den zehn untersuchten Bereichen verringert. Doch unsere Autoren zeigen, dass einer pragmatischen Kooperation in vielen Bereichen bislang nichts im Wege stand und weiterhin stehen wird. Dies betrifft in erster Linie die Zusammenarbeit im für Europa wohl wichtigsten transatlantischen Kooperationsfeld, der Sicherheitspolitik – insbesondere im Hinblick auf Russland und den Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Auch im Bereich der Digitalisierung, dessen Bedeutung in Zukunft für beide Seiten noch weiter zunehmen wird, und in Afrika ist eine Kooperation möglich. Im Hinblick auf China und den Iran verfolgen die USA und Deutschland durchaus kongruente Ziele, streiten aber über die richtigen Mittel. Diametral gegenüber stehen sich die USA und Deutschland im Bereich der regelbasierten, multilateralen Ordnung – inklusive der Klima- und Entwicklungspolitik und des internationalen Handels – sowie mit Abstrichen auch im Hinblick auf das Vorgehen im Nahostkonflikt.

Die Wahrung der Partnerschaft ist möglich

In den nächsten zwei Jahren der Trump-Präsidentschaft wird es deshalb darauf ankommen, mit den USA im Dialog zu bleiben und die Beziehungen pragmatisch auszugestalten. Deutschland kann die für seine Interessen unerlässliche regelbasierte Weltordnung nicht ohne die USA und erst recht nicht gegen die USA verteidigen. Die föderalen Systeme und unterschiedlichen Akteurskonstellationen der beiden Länder bieten jedoch Möglichkeiten eines vielschichtigen Dialogs. Transatlantische Freundschaft heißt dabei nicht, durchgängig einer Meinung zu sein. Deutschland und die EU müssen Mut zur klaren Positionierung beweisen. Für die USA gilt der Wettbewerb der Ideen auch in der Politik. Sachliche Kritik wird in den USA – wenn nicht von allen, aber von vielen – auch als Stärke und Zeichen des Respekts verstanden. Themen von gegenseitigem Interesse müssen daher konkretisiert, fundiert und auch in die Öffentlichkeit getragen werden. Im Hinblick auf die multilaterale Ordnung müssen Deutschland und die Europäische Union aktiv in die Bereiche vordringen, aus denen sich die USA zurückziehen. Mit dem Bemühen um multilaterale Partner – z. B. Kanada, Australien, die lateinamerikanischen Staaten und Japan – können die transatlantischen Beziehungen komplementiert, nicht aber ersetzt werden. Maßgeblich entscheidend für die Bewahrung der Beziehungen zu den USA wird sein, die Europäische Union nach innen und außen handlungsfähiger zu machen und mehr Verantwortungen in der internationalen Politik zu übernehmen. Die aktuelle „Entzauberung“ der transatlantischen Beziehungen kann hier als wichtiger Katalysator wirken.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Ihr

 


 

Dr. Gerhard Wahlers ist Herausgeber der Auslandsinformationen (Ai), stellvertretender Generalsekretär und Leiter der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung (gerhard.wahlers@kas.de).

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