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Auslandsinformationen

Ein alter Bekannter ist wieder da

von Benno Müchler

Russische Militärkooperationen in Afrika

Nachrichten über russische Militärkooperationen in Afrika haben jüngst für Aufsehen gesorgt. Seit 2009 ist die frühere Sowjetmacht wieder in Afrika engagiert und hat an ihre alten Verbindungen angeknüpft. Im Gegenzug für seine Waffen erhofft sich Moskau Zugang zu Afrikas Energie- und Rohstoffmärkten. Ein Blick auf das Engagement zeigt: Im globalen Wettbewerb um Einfluss in Afrika ist Russland nicht mehr zu ignorieren.

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Mord in Afrika. Drei Journalisten getötet. Auf einer entlegenen Straße wurden sie von Unbekannten angehalten und mit Kugeln durchsiebt. Nur der Fahrer überlebte. Mutmaßlich ein Komplize.

Die beschriebene Szene stammt nicht aus einem Kriminalfilm, sondern soll sich so oder so ähnlich vor einem Jahr nahe der Stadt Sibut in der Zentralafrikanischen Republik (­ZAR) zugetragen haben. Die Welt horchte auf. Die Journalisten stammten aus Russland. Ihre Mission in der ­ZAR sei eine Recherche über eine private, kremlnahe Sicherheitsfirma namens Wagner gewesen, wie das investigative russische Nachrichtenportal mitteilte, in dessen Auftrag sie recherchiert hatten. Es gehört dem Kreml-Kritiker Michael Chodorkowski. Wenige Monate zuvor hatte Moskau erklärt, dass sich 175 Militärberater in der ­ZAR aufhielten.

Die Verblüffung war groß. Weniger über den spielfilmreifen Mord, mit dessen Art man schon bei den Attentaten auf Alexander Litwinenko und Sergei Skripal in London Bekanntschaft gemacht hatte, sondern vielmehr über die russische Präsenz in Afrika. Versuchte Moskau nach der Annexion der Krim und dem Eingreifen in Syrien nun etwa auch auf dem afrikanischen Boden Fuß zu fassen und seinen internationalen Einfluss auszubauen? Die Antwort ist klar: Ja, natürlich! Doch die Einsicht darüber kommt verspätet.

Russland: Zurück in Afrika

Kaum ein anderer Erdteil hat in den vergangenen Jahren strategisch so an Bedeutung gewonnen wie Afrika. Auch Russland bemüht sich um Einfluss. Während sich der Westen auf Entwicklungshilfe konzentriert und China Straßen, Schienen und IT baut, bietet Russland vor allem eines: Waffen. 19 Militärabkommen soll Russland seit 2015 mit afrikanischen Staaten geschlossen haben. Sein komparativer Vorteil: keine ethisch-moralischen Auflagen. Sein Interesse: der Zugang zu Afrikas Rohstoffen, um seine globale Führerschaft als Energieexporteur weiter auszubauen und Europa abhängig zu machen, sowie der Aufbau politischer Allianzen für Entscheidungen im System der Vereinten Nationen. Unter Afrikas Autokraten und Diktatoren, die nach wie vor die meisten der 54 Länder regieren, findet Russland problemlos Abnehmer. Russlands strategisches Engagement in Afrika begann bereits im Jahr 2009, nachdem die Beziehungen mit seinen ehemaligen sozialistischen Bruderländern unter Boris Jelzin fast vollständig zum Erliegen gekommen waren. Zwar ist sein Einfluss in Afrika noch gering, aber bereits zu groß, um Russland länger zu ignorieren. Abermals fordert es den Westen heraus – weniger offensiv, aber nach wie vor ideologisch.

Und sie tanzten einen Rumba…

Wer auf der Suche nach Spuren des ersten russischen Einflusses in Afrika ist, der mit dem Kalten Krieg begann, muss nicht tief graben. In Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba steht heute noch ein großer Karl-Marx-Kopf vor den Toren der Universität. In Berbera, einer wichtigen Hafenstadt Somalilands, rosten russische Kampfboote vor sich hin. Viele der älteren, gut ausgebildeten afrikanischen Eliten können Geschichten vom Studium in Russland erzählen. Auch nach Deutschland kamen sie. Menschen aus Angola oder anderen Ländern waren im Straßenbild der ­DDR nicht fremd. Der aus Senegal stammende ­SPD-Bundestagsabgeordnete, Karamba Diaby, hat in den 1980er Jahren in Halle studiert.

Symbolisch prägte die afro-sowjetische Beziehung vor allem der Name eines Mannes: Patrice Lumumba, der schillernde erste Premierminister der unabhängig gewordenen Demokratischen Republik Kongo. Während manch einer heute in Deutschland seinen Namen mit einem Getränk verbindet (heiße Schokolade mit einem Schuss Rum) oder ältere Semester sogar noch einen umgedichteten Karnevalsschlager im Ohr haben („Und sie tanzten einen Rumba, Kasavubu und Lumumba“), diente Moskau der junge Freiheitskämpfer, der 1961 mit belgischem Einfluss ermordet worden war, als Fanal gegen den Westen. Wenig später wurde in Moskau eine Universität mit Lumumbas Namen eröffnet, die über Jahre hinweg die Kader der Staaten der Dritten Welt ausbilden sollte. Bis Ende 1991 sollen rund 50.000 Afrikaner in der Sowjetunion studiert haben. Weitere 200.000 seien ausgebildet worden.

Politisch griff Moskau direkt in Ländern wie Äthiopien ein, wo es die kommunistische Militärdiktatur Derg unterstützte, mit Waffen belieferte und Agenten in Russland ausbilden ließ, oder in Angola, wo die ­MPLA-Partei (Movimento Popular de Libertação de Angola) einen Einparteienstaat errichtete. Agostinho Neto, Angolas erster Staats­präsident nach der Unabhängigkeit von Portugal, starb 1979 in einem Moskauer Krankenhaus.

Auf Eis gelegt, neu aufgenommen: Initiative der russischen Wirtschaft im Jahr 2009

Mit der Auflösung des Ostblocks endeten die Beziehungen Russlands mit Afrika fast vollständig. Das Land hatte mit sich selbst zu tun. Es war Wladimir Putin, der die Initiative ergriff und die Beziehungen wieder aufnahm. Dabei knüpfte er an alte Verbindungen an und baute neue auf. Ein systematischer Ansatz ist ab 2009 mit der Schaffung von Afrocom erkennbar, dem Coordinating Committee for Economic Cooperation with Sub-Saharan Africa. Diese staatliche Einrichtung, an der Russlands staatliche Entwicklungsbank Wneschekonombank beteiligt ist, soll Investitionen russischer Firmen in Afrika fördern. Gleichzeitig wurde das 1959 gegründete Russian Academy of Sciences Institute for African Studies zu neuem Leben erweckt, das seitdem Expertise über Länder und Märkte des Kontinents liefert.

Die russische Initiative im Jahr 2009 fällt in die Zeit, in der Afrika nach Jahren der Kriegs- und Krisenberichterstattung positive Nachrichten generierte. Hatte der „Economist“ in einer viel beachteten, weil drastischen Ausgabe im Jahr 2000 noch „Der hoffnungslose Kontinent“ (The hopeless continent) getitelt, hieß die Schlagzeile der Dezemberausgabe im Jahr 2011: „Afrika im Aufwind“ (Africa rising). Nach Jahren der Konflikte und Hungerkrisen schienen sich eine Reihe afrikanischer Länder politisch zu konsolidieren. Kriege und Staatsstreiche nahmen ab, Parlamente wurden gewählt und blieben. Länder wie Ghana, Ruanda und Äthiopien verzeichneten zweistellige Wachstumszahlen. Sie weckten die Hoffnung, dass dem schon abgeschriebenen Kontinent mit seinen Löwenstaaten ein ähnlicher Sprung gelingen könne wie den asiatischen Tigerstaaten Jahre zuvor. So war auch aus Putins Sicht ein Engagement in Afrika für Russlands Wirtschaft unverzichtbar, der Rohstoffreichtum zu attraktiv.

Das Interesse an Afrikas Rohstoffen

Die Hauptbetätigungsfelder der russischen Wirtschaft sind der Energie- und Rohstoffsektor. Unter den wichtigsten in Afrika engagierten russischen Unternehmen finden sich Rosatom, Gazprom, Alrosa und Renova. Rund 20 Milliarden US-Dollar sollen die russischen Investitionen laut der Afrikanischen Entwicklungsbank 2013 betragen haben. Das Bild teilt sich auf in das Erschließen wichtiger Metalle und Edelsteine auf der einen Seite sowie in den Im- und Export von Energieträgern wie Gas und Uranium auf der anderen.

Im Bereich von Metallen und Edelsteinen sind für Russland Gold, Diamanten, Mangan, Chrom, Titan, Merkur, Kupfer, Nickel sowie Aluminium interessant; Stoffe, die es entweder selbst nicht besitzt, daheim erschöpft sind oder aber im Ural und Sibirien so schwierig abzubauen wären, dass ein Import aus Afrika profitabler ist. Die russische Alrosa baut etwa Diamanten in Angola, Botswana und Simbabwe ab.

Als führender Energieexporteur wäre Russland hingegen nicht auf den Import von Gas und Erdöl angewiesen. Doch die russische Strategie zielt darauf, zum jetzigen Zeitpunkt von Russlands Stärke weitere Energiemärkte im Ausland zu erschließen, um global führend zu bleiben und seinen Hauptabnehmer Europa weiter abhängig zu machen. Ein Schwerpunktland für Russland ist dabei Algerien, wo Russland mit dem staatlichen algerischen Gasunternehmen Sonatrach 2009 eine Partnerschaft zur Erschließung eines Öl- und Gasfeldes in Ost-Algerien geschlossen und Interesse an weiteren Partnerschaften mit dem für Europa strategisch wichtigen Gas­importeur aus Algerien gezeigt hat.

Vormachtstellung als Energieexporteur

Der zweite strategische Energieträger für Russland ist Uran. Ist auch bis heute Südafrika das einzige afrikanische Land mit einem Atomkraftwerk, so hat Russlands Rosatom doch seit 2016 mit sieben afrikanischen Ländern Verträge zum Bau von Nuklearanlagen geschlossen, darunter Äthiopien, Sambia und Kenia, die für ihr wirtschaftliches Wachstum Strom brauchen. Russland kann dabei nicht nur das technologische Know-how liefern, sondern gleichzeitig auch den Treibstoff, um die Anlagen zu speisen. Zusammen mit seinen früheren Teilstaaten, wie unter anderem Kasachstan, ist Russland neben Australien der größte Produzent von Uran. Um seine Vormachtstellung am globalen Uran-Markt weiter auszubauen, hat Russland auch an Investitionen in Afrika Interesse. Allein die drei Staaten Südafrika, Namibia und Niger kommen für rund 17 Prozent der globalen Uran-Produktion auf. So ist auch Russlands Engagement in der ­ZAR zu verstehen. Denn wenngleich die frühere französische Kolonie nur auf einen Bruchteil der Uranvorkommen Kasachstans kommt, so sind die zentralafrikanischen Ressourcen nicht unbedeutend. Frankreichs Atom-Konzern Areva ist seit Langem in der ­ZAR engagiert und muss sich durch Russlands Einfluss herausgefordert fühlen.

Russland nutzt Waffenexporte als Zugang zu afrikanischen Rohstoffen

Im Handelswettbewerb am afrikanischen Markt kann Russland weder den technologischen Standard deutscher Maschinen oder amerikanischer Soft- und Hardware bieten, noch die chinesischen Niedrigpreise schlagen. Die Nische, in der Russland jedoch punkten kann, liegt in der Waffenproduktion und im Angebot militärischer Intelligenz – vor allem, weil es diese nicht an moralische Auflagen bindet und sie so für Afrikas Autokraten leichter zu haben sind, die ihre Macht gegenüber Rebellengruppen oder der zivilen Opposition sichern wollen.

Die Verbindung von Militärkooperation und dem Zugang zu Afrikas Märkten wird deutlich am Beispiel Algeriens, an das laut Stockholm International Peace Research Institute (­SIPRI) zwischen 2014 und 2018 genau 14 Prozent aller russischen Waffenexporte gingen. Ein anderes wichtiges Land ist Ägypten. Russland kommt laut ­SIPRI für 35 Prozent der Waffenexporte nach Afrika auf und steht damit an der Spitze. Nach Algerien liefert es U-Boote, Panzer und Helikopter, nach Ägypten Kampflugzeuge und Raketen­abwehrsysteme. An Angola soll es dieses Jahr noch sechs SU-30 Kampfjets liefern.

Russland liefert nicht nur Waffen nach Afrika, sondern auch militärische Expertise mit russischen Beratern, teils in hohen Positionen.

Seine Militärkooperationen mit Afrika hat Russland seit 2015 strategisch ausgebaut. Abkommen hat es mit 19 afrikanischen Ländern geschlossen. Fotos von Wladimir Putin und seinen afrikanischen Pendants im Kreml oder auf dem Kontinent sind keine Seltenheit mehr. 2018 besuchte Angolas neuer Präsident Lourenço Moskau. Vor Kurzem schloss Russland ein Abkommen mit der Republik Kongo und Präsident Sassou Nguesso. Auch mit dem großen, rohstoffreichen Nachbarland, DR Kongo, soll es eine Kooperation geschlossen haben. In Sudan hat der Kreml den Einsatz von Militärberatern bestätigt. In der ZAR sollen mittlerweile rund 200 russische Berater im Einsatz sein. Der oberste Sicherheitsberater des ­ZAR-Präsidenten Touadéra ist der Russe Valery Zakharov. Eine übergeordnet wichtige Rolle spielt Mikhail Bogdanov, Wladimir Putins persönlicher Afrika-­Beauftragter, der für den Kreml Kontakte auf dem Kontinent knüpft.

Der Aufbau einer afro-russischen Allianz: Wirtschaftsgipfel in Sotschi

Im russischen Sotschi soll in diesem Oktober der erste afrikanisch-russische Wirtschaftsgip­fel stattfinden. Es liegt auf der Hand, dass das russische Engagement in Afrika neben dem wirtschaftlichen gleichsam ein politisches Interesse verfolgt. Mit 54 Staaten bildet Afrika den wichtigsten Block im System der Vereinten Nationen. Russland hofft auf gegenseitige Unterstützung im Falle von Dissens mit den anderen vier VN-­Sicherheitsratsmächten: auf der einen Seite dem Westen, auf der anderen Seite China, mit dem Russland, sollte der Kreml sein Engagement auf dem Kontinent ausbauen, eines Tages in Afrika aneinander geraten könnte.

J. Peter Pham, ehemaliger Afrika-Experte am amerikanischen Think-Tank Atlantic Council, der vor Kurzem von Präsident Donald Trump zum US-Sondergesandten für die Region der Großen Seen ernannt wurde, hält wie die Mehrheit der Analysten Russlands Engagement in Afrika im Vergleich zum Westen und China zurzeit noch für begrenzt. Jedoch sei es mittlerweile so groß, dass es die anderen Mächte nicht mehr ignorieren könnten.

Die neue Afrika-Strategie der ­USA, die der ehemalige US-­Sicherheitsberater John Bolton Ende 2018 in Umrissen in einer Rede darstellte und welche die Sicherheit Amerikas, die Förderung amerikanischer Investitionen und den effizienten Einsatz von Entwicklungsgeldern zum Mittelpunkt hat, nimmt Russland neben China klar als Herausforderung wahr. „Zusammengefasst hemmen Chinas und Russlands Raubtierpraktiken wirtschaftliches Wachstum in Afrika sowie die finanzielle Unabhängigkeit afrikanischer Nationen. Sie behindern amerikanische Investitionen, durchkreuzen amerikanische Militäroperationen und stellen für Amerikas Sicherheitsinteressen eine große Herausforderung dar.“

Eine klare Strategie

Im internationalen Wettstreit um Einfluss in Afrika ist Russlands Strategie wie die Chinas, Amerikas oder auch weiterer Akteure wie der Türkei klar erkennbar. Das trifft auf die Strategien der Bundesregierung und der EU noch nicht zu. Die mit dem Marshallplan der Bundesregierung verfolgte Abkehr von der klassischen Entwicklungshilfe, die sich auch in der neuen Afrika-Europa-Allianz der EU wiederfindet, ist richtig und war überfällig. Nach wie vor dominieren jedoch Entwicklungshilfe und Demokratieförderung Europas Kooperation. Dieser Ansatz ist gerade in Zeiten anfällig, in denen Europas Demokratien selbst nicht in bester Verfassung sind – ein Umstand, der in den afrikanischen Hauptstädten nicht unbemerkt geblieben ist. So wird man dieser Tage im Gespräch mit afrikanischen Eliten vor Ort über Chinas Vormarsch auf dem Kontinent nicht selten auf ein wohlempfundenes Lächeln stoßen, wenn das derzeitige Schwächeln Europas zur Sprache kommt.

Die Bundesregierung und Europa könnten jedoch im globalen Systemstreit unbesorgt noch stärker die Wirtschaft fördern und Entwicklungshilfe entsprechend anpassen. Besser als jedes Demokratieförderungsprogramm ist die Strahlkraft, die von der wirtschaftlichen Stärke und Lebensqualität europäischer Demokratien ausgeht. So werden gute Beziehungen mit Europa immer im Interesse der afrikanischen Länder sein.

Der Vorstoß Russlands hat das Wettrennen in Afrika zusätzlich beschleunigt. Die Bundesregierung muss dabei nicht mitmachen. Denn genauso wie ein verstärktes wirtschaftliches Engagement in Afrika Chancen bietet, stellt sich gleichzeitig die Frage: Was passiert, wenn Deutschland im Wettbewerb mit anderen Systemmächten in Afrika aneinandergerät? Wie verhält sich Berlin dann?

 


 

Benno Müchler ist Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Demokratischen Republik Kongo.

 


 

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