Ausgabe: 2/2021
Gesundheitliche Herausforderungen an der Schnittstelle von Mensch, Tier und Umwelt
Ende 2019 ist mit SARS-CoV-2 ein bis dahin beim Menschen unbekanntes Virus aufgetreten. Die Herkunft des Virus, das erstmals entdeckt wurde, als bei Menschen in der chinesischen Stadt Wuhan ungeklärte Fälle von Lungenentzündungen auftraten, und wie es auf den Menschen übertragen wurde, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie von Expertinnen und Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und chinesischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sei es jedoch „wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich“, dass SARS-CoV-2 von Fledermäusen über ein anderes Tier auf den Menschen übergesprungen ist.
In der Folge dieses Spillover ist mit COVID-19 eine neue, für den Menschen lebensbedrohliche Infektionskrankheit entstanden. Dieses Phänomen ist nicht neu: Rund zwei Drittel aller auftretenden Infektionskrankheiten beim Menschen sind sogenannte Zoonosen, also Krankheiten, die von Erregern wie Bakterien, Parasiten, Pilzen oder Viren wechselseitig zwischen Mensch und Tier übertragen werden. Über 200 Krankheiten gehören zu dieser Art von Infektionskrankheiten, darunter zum Beispiel Ebolafieber, Tuberkulose oder Tollwut.
Zoonosen werden unter anderem durch den zunehmenden Kontakt zwischen Menschen und Tieren begünstigt, wie er beispielsweise durch das Vordringen des Menschen in unberührte Naturräume entsteht. Das menschliche Bevölkerungswachstum, welches mit einer steigenden Nachfrage nach Nahrungsmitteln und einer intensivierten Landwirtschaft einhergeht, ist ein Auslöser für diesen vermehrten Kontakt. Weitere Faktoren, die das Auftreten von Zoonosen begünstigen, sind Hygienemängel, zum Beispiel bei der Lebensmittelproduktion oder beim Handel mit Wildtieren, sowie zunehmend auch Klimaveränderungen.
Zoonosen sind eines von mehreren Symptomen eines komplexen Wirkungsgeflechts verschiedener Faktoren, die die Gesundheit von Menschen, Tieren und der Umwelt wechselseitig bedingen und zur Entstehung globaler Gesundheitsgefahren wie Epidemien und Pandemien führen können. Eine weitere gesundheitliche Herausforderung an der Schnittstelle von Mensch, Tier und Umwelt ist die global zunehmende Resistenz von Krankheitserregern, die sogenannte antimikrobielle Resistenz (AMR). Sie entsteht in erster Linie durch unsachgemäßen Einsatz von Antibiotika, zum Beispiel in der Human- und Tiermedizin sowie in der Nutztierhaltung, und birgt die Gefahr, dass gefährliche Infektionskrankheiten eines Tages nicht mehr behandelbar sein werden.
Um diesen Wechselwirkungen adäquat zu begegnen, die gesundheitliche Resilienz weltweit zu stärken und das pandemische Risiko von zoonotischen Ausbrüchen zu reduzieren, fordern Fachleute den Ausbau des One Health-Ansatzes. Dieses Konzept wurde 2004 erstmals in den Manhattan Principles zu „One World – One Health“ ausformuliert und 2019 durch die Berlin Principles on One Health aktualisiert und erweitert. Das Konzept nimmt die Interaktionen zwischen Menschen, Wild- und Nutztieren, Pflanzen und ihrer Umwelt in den Blick, um daraus resultierende Gesundheitsrisiken wie Zoonosen oder AMR frühzeitig zu erkennen und zu reduzieren. Dabei verfolgt es einen ganzheitlichen, interdisziplinären Ansatz: Mithilfe von One Health sollen Programme, Forschungsvorhaben und politische Leitlinien in unterschiedlichen Sektoren aufeinander abgestimmt und miteinander verzahnt werden, um letztendlich ein besseres Gesundheitsniveau zu erreichen.
Der Kerngedanke des One Health-Ansatzes ist, dass die menschliche Gesundheit von intakten Ökosystemen und einem gesunden Planeten abhängt. Daher müssen bei der Suche nach Lösungen für Gesundheitsherausforderungen des Menschen auch deren Auswirkungen auf die Gesundheit von Tieren und der Umwelt berücksichtigt werden. Mit Blick auf Gesundheitsgefahren, die durch Zoonosen entstehen, soll mithilfe des integrierten One Health-Ansatzes eine verbesserte Epidemie- und Pandemieprävention erreicht werden.
Abb. 1: Der One Health-Ansatz
Die COVID-19-Pandemie hat ein Schlaglicht auf die Gefahren geworfen, die entstehen können, wenn Zoonose-Ausbrüche nicht frühzeitig erkannt und nicht wirksam verhindert werden können. Gleichzeitig hat sie die Notwendigkeit integrierter Ansätze zum Verständnis der komplexen Beziehungen zwischen Mensch, Tier und Umwelt verdeutlicht. In Folge verstärkt auftretender Zoonosen wie SARS, MERS, Ebolafieber und zuletzt COVID-19 hat der One Health-Ansatz in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und verstärkt Eingang in entwicklungspolitische Programme von Staaten und multilateralen Organisationen gefunden. Länder wie Deutschland und die USA haben ihre One Health-Strategien in der Folge angepasst und Maßnahmen ergriffen, um die Umsetzung des One Health-Ansatzes in der Entwicklungszusammenarbeit zu fördern. Warum One Health ein Thema für die Entwicklungszusammenarbeit ist, welche Rolle der Ansatz in den entwicklungspolitischen Strategien dieser Länder sowie in relevanten multilateralen Organisationen spielt und welchen Beitrag die Entwicklungszusammenarbeit leisten kann, um Gesundheitsrisiken mit dem One Health-Ansatz zu reduzieren, soll im Folgenden beleuchtet werden.
One Health als Thema für die Entwicklungszusammenarbeit
Gesundheit ist die Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben. Die Möglichkeit, ein gesundes Leben zu führen, ist Ausdruck der menschlichen Würde. Gesundheit ist untrennbar mit nachhaltiger Entwicklung verbunden. Insbesondere einkommensschwache Staaten stehen vor zahlreichen Gesundheitsherausforderungen, die ein Hindernis für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder darstellen. Hierzu gehören neben strukturellen Schwächen in der Gesundheitsversorgung und häufig mangelhafter Gesundheitsprävention auch Infektionskrankheiten. Die Förderung von Gesundheit als Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung einkommensschwacher Länder und als globales öffentliches Gut ist folglich ein zentrales Anliegen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit.
Entwicklungspolitische Ziele im Gesundheitsbereich stehen in enger Beziehung zu Entwicklungen in anderen Sektoren. Wichtige Schnittstellen sind hier die Bereiche Klima- und Umweltschutz sowie Landwirtschaft und Ernährung. Um Gesundheitsrisiken, die von Zoonosen oder antimikrobiellen Resistenzen ausgehen, einzudämmen und die Gesundheit der Menschen nachhaltig zu stärken, müssen daher auch in der Entwicklungszusammenarbeit ganzheitliche Ansätze wie der One Health-Ansatz verfolgt werden. Dies ist auch insofern geboten, als dass Infektionskrankheiten nicht nur eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen, sondern auch Fortschritte in anderen wichtigen Bereichen, wie zum Beispiel bei der Bekämpfung von Armut und Hunger, bedrohen und sogar zunichtemachen können. Dies hat die COVID-19-Pandemie deutlich aufgezeigt.
Verwandte Konzepte: Der One Health-Ansatz und die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung
Die Grundprinzipien des One Health-Gedankens spiegeln sich auch in der Agenda 2030 wider, die 2015 als globales Rahmenwerk für eine umfassende nachhaltige Transformation aller Lebensbereiche von den Vereinten Nationen initiiert wurde. Ebenso wie der One Health-Ansatz fordert die Agenda 2030 mit ihren 17 nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals, SDGs) eine interdisziplinäre Herangehensweise und sektorübergreifende Lösungen für die Bewältigung globaler Herausforderungen.
Obwohl sowohl die Herangehensweise als auch die übergeordneten Ziele des One Health-Ansatzes und der Agenda 2030 – eine nachhaltige Entwicklung zum Wohle von Mensch, Tier und Umwelt unter Berücksichtigung wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Belange – eng verwandt sind, nimmt die Agenda 2030 in ihrem Wortlaut an keiner Stelle direkten Bezug zum One Health-Ansatz. Indirekt sind diese Bezüge bei näherer Betrachtung des gesundheitsbezogenen nachhaltigen Entwicklungsziels Nummer 3 (Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern) und der mit ihm in Verbindung stehenden gesundheitsrelevanten SDGs jedoch durchaus zu erkennen.
Parallelen mit dem One Health-Ansatz werden auch anhand der Wechselwirkungen mit SDG 6 (Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten) deutlich. Verunreinigtes Wasser hat nicht nur schwerwiegende gesundheitliche Folgen, sondern belastet auch die Umwelt, bedroht Tier- und Pflanzenarten und beeinträchtigt dadurch auch die Landwirtschaft und die Ernährungssituation der Menschen.
Auch Fortschritte bei der Erreichung des Klima-Ziels SDG 13 (Umgehend Maßnahmen zur Be-kämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen) spielen eine zunehmend wichtige Rolle für die Erreichung des gesundheitsbezogenen Ziels 3. Wie der One Health-Ansatz unterstreicht auch die Agenda 2030 die Auswirkungen der Erderwärmung auf die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt.
Darüber hinaus bestehen zahlreiche Parallelen zwischen der Agenda 2030 und dem One Health-Ansatz im Hinblick auf die Rolle nachhaltiger Agrar- und Ernährungssysteme für die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt.
Nachhaltige Agrarsysteme als Schlüsselbereiche für One Health
Der Agrarsektor liefert einerseits die Grundlagen für die Bereitstellung einer ausgewogenen Ernährung, andererseits ist er Mitverursacher zahlreicher Umwelt- und somit Gesundheitsherausforderungen. Aufgrund seiner entscheidenden Rolle an der Schnittstelle von Mensch, Tier und Umwelt sowie als Schwerpunktthema in entwicklungspolitischen Strategien ist der Agrarsektor ein Schlüsselbereich, in dem der One Health-Ansatz verstärkt umgesetzt werden muss.
Die Landwirtschaft, die in vielen Entwicklungsländern der wichtigste Wirtschaftssektor ist, leistet einen wichtigen Beitrag für die Sicherstellung der Ernährung als Grundvoraussetzung für die menschliche Gesundheit und wirtschaftliche Entwicklung. Angesichts der steigenden Weltbevölkerung muss der Agrarsektor in der Lage sein, die wachsende Nachfrage nach Nahrungsmitteln zu decken. Hierfür bedarf es ausreichend landwirtschaftlicher Nutzflächen und innovativer Ansätze wie zum Beispiel klimaangepasster Pflanzenzüchtungen. Denn nur wenn es gelingt, Agrar- und Ernährungssysteme nachhaltig auszurichten, sodass aus der Landwirtschaft keine negativen Folgen für die Umwelt oder die Gesundheit von Tieren, wie zum Beispiel in Form von Artensterben, Bodendegradation und Zerstörung natürlicher Ökosysteme, entstehen, können unerwünschte Nebenwirkungen bei der Erreichung der Gesundheitsziele vermieden werden.
Da ein Großteil der Bäuerinnen und Bauern in den Partnerländern der Entwicklungszusammenarbeit Nutztiere hält, muss ein besonderes Augenmerk bei der Umsetzung des One Health-Ansatzes in der Landwirtschaft auf dem Bereich der Tiergesundheit und der Lebensmittelhygiene liegen. Ein wichtiger Hebel ist in diesem Kontext der verantwortungsvolle Einsatz von Tierarzneimitteln wie beispielsweise Antibiotika. Ihre unsachgemäße Verwendung befördert die Ausbreitung von antimikrobiellen Resistenzen, die wiederum dazu führen, dass es keine wirksamen Therapien mehr gegen Infektionskrankheiten gibt, die bisher gut zu behandeln waren. Bereits heute gehören AMR zu den größten globalen Gesundheitsgefahren. Schätzungen zufolge sterben jährlich 700.000 Menschen an den Folgen von multiresistenten Keimen.
Die nachhaltige Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen ist ein weiterer wichtiger Bereich, in dem der One Health-Ansatz umgesetzt werden muss. Die Ausweitung von Agrarland durch die massive Abholzung von Wäldern oder die Trockenlegung von Feuchtgebieten zerstört natürliche Lebensräume von Wildtieren. In der Folge rücken die Lebensräume von Menschen und Tieren einander näher, was wiederum zur Übertragung potenziell gefährlicher Krankheitserreger und zu Zoonosen führen kann. Durch nicht-nachhaltige Bodenbewirtschaftung, etwa den übermäßigen Einsatz von Chemikalien und Düngemitteln, gehen zudem Agrarflächen verloren, wodurch wiederum Ernährungssysteme und damit auch die Gesundheit der betroffenen Menschen unter Druck geraten können. Diese Problematik wird zusätzlich durch die Auswirkungen des Klimawandels verschärft, wie häufiger auftretende Wetterextreme wie Hitzewellen oder Überschwemmungen deutlich machen.
Herausforderungen bei der Umsetzung des One Health-Ansatzes
Die aufgezeigten Wechselwirkungen weisen auf Herausforderungen bei der Umsetzung des One Health-Ansatzes hin: Neben Synergien, die mithilfe dieses ganzheitlichen Konzeptes geschaffen werden können, sind auch Zielkonflikte zwischen einzelnen Sektoren, wie etwa der Landwirtschaft und dem Umweltschutz, möglich. Diese sektorübergreifenden Konflikte und divergierenden Interessen gilt es im Blick zu behalten und zu überwinden, damit der One Health-Ansatz seine Wirkung entfalten kann. Die Politik muss mit der Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen für einen Interessensausgleich zwischen den beteiligten Sektoren sorgen und dazu beitragen, bestehende ungleiche Machtverhältnisse abzubauen.
Im Bereich von Wissenschaft und Forschung gilt es mit Blick auf One Health, Silodenken zu überwinden und im Rahmen von interdisziplinärer Zusammenarbeit Lösungen für die Herausforderungen an der Schnittstelle von Mensch, Tier und Umwelt zu finden. Sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene bedarf es eines regelmäßigen Austausches und einer koordinierten Vorgehensweise bei der Implementierung des One Health-Ansatzes. Schließlich müssen Programme zur Umsetzung von One Health als aktive Präventionsmaßnahmen, nicht nur vor dem Hintergrund künftiger Gesundheitsgefahren wie Epidemien und Pandemien, gesehen werden, sondern auch als Beitrag zur Verhinderung ökologischer Katastrophen wie Artensterben und Klimawandel. Entsprechend sollten hierfür auf nationaler, aber auch multilateraler Ebene entsprechende Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden.
Multilaterale Initiativen zur Umsetzung des One Health-Ansatzes
Für die genannten Gesundheitsherausforderungen, die durch globale Megatrends wie Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und Klimawandel hervorgerufen und verstärkt werden, müssen Lösungen auf globaler Ebene gefunden werden. Multilaterale Organisationen können hierbei eine wichtige Rolle spielen, indem sie Synergien schaffen und den wichtigen Transfer von Wissen über One Health in die Politik und die Öffentlichkeit befördern.
Drei-Parteien-Bündnis für One Health
Einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung des One Health-Ansatzes leisten auf multilateraler Ebene unter anderem die WHO, die Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) sowie die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Diese drei Organisationen haben sich 2010 in der sogenannten Tripartite Collaboration zusammengeschlossen. Ziel dieser Initiative ist es, durch die Schaffung von Synergien und die Bündelung von Expertise, Gesundheitsgefahren an der Schnittstelle von Mensch, Tier und Umwelt gezielt zu bekämpfen. Schwerpunkte der Zusammenarbeit liegen unter anderem auf der Früherkennung und Prävention von Seuchen bei Menschen und Tieren, der Erforschung von Zoonosen, dem Aufbau von Kapazitäten in den Gesundheitseinrichtungen der Mitgliedstaaten, der Förderung der Lebensmittelsicherheit sowie der Eindämmung antimikrobieller Resistenzen. 2019 haben die drei Organisationen gemeinsam einen umfassenden Leitfaden zur Eindämmung von Zoonosen veröffentlicht, mit dem Mitgliedstaaten dabei unterstützt werden sollen, einen multisektoralen One Health-Ansatz zu entwickeln.
Um den One Health-Ansatz als ganzheitliches Konzept zu stärken, haben die drei Organisationen Ende 2020 ihre Zusammenarbeit auf den Umweltbereich ausgeweitet und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) als weiteren Partner aufgenommen. Im Rahmen des Pariser Friedensforums im November 2020 hat das Bündnis sich darüber hinaus darauf verständigt, ein multidisziplinäres One Health High-Level Expert Panel (OHHLEP) einzuberufen. Dieses soll dazu beitragen, die Gesundheitsrisiken an der Schnittstelle von Mensch, Tier und Umwelt durch die Bereitstellung von Daten und Forschungsergebnissen effektiver zu bekämpfen. Neben Vertretern aller vier Organisationen sollen auch Fachleute aus den Bereichen Human-, Tier-, Umwelt- und Sozialwissenschaften eingebunden werden. Eine wichtige Aufgabe des Gremiums wird es sein, die Öffentlichkeit zu informieren und wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zum Thema One Health in die Politik einzuspeisen.
Eine konkrete Maßnahme von WHO, OIE und UNEP im Kontext der Pandemiebekämpfung und zur Reduzierung von One Health-Herausforderungen wie Zoonosen ist die Veröffentlichung eines vorläufigen Leitfadens „zur Verringerung der Risiken für die öffentliche Gesundheit im Zusammenhang mit dem Verkauf von lebenden Wildsäugetieren auf traditionellen Lebensmittelmärkten“. Dieser beinhaltet eine Reihe von Handlungsempfehlungen für nationale Regierungen, mit denen Lebensmittel- und Wildtiermärkte, die ein hohes Zoonose-Risiko bergen, sicherer gemacht werden können.
EU-Initiativen zur Stärkung von One Health
Obwohl die Europäische Union als weltweit größte Geberin von Entwicklungshilfen mit dem EU-Instrument für Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Zusammenarbeit (Neighbourhood, Development and International Cooperation Instrument, NDICI) ein finanzstarkes Programm zur Förderung nachhaltiger Entwicklung in ihren Partnerländern aufgelegt hat, findet der One Health-Ansatz in keiner der drei NDICI zugrundeliegenden Säulen gesonderte Erwähnung. Die mit dem One Health-Ansatz in Verbindung stehenden Themen Gesundheit, Ernährungssicherheit und Klimawandel werden in der thematischen Säule jedoch als „globale Herausforderungen“ definiert, die „auf globaler Ebene angegangen werden müssen“. Die Säule „Krisenreaktion“ sieht zudem vor, die Resilienz zu stärken und humanitäre und Entwicklungsmaßnahmen besser miteinander zu verknüpfen. Obwohl als übergeordnetes Konzept nicht explizit erwähnt, entspricht diese Herangehensweise von NDICI auch dem Anliegen von One Health.
Demgegenüber hat die Europäische Union innerhalb des EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ der Europäischen Kommission mit dem One Health European Joint Programme (OHEJP) bereits 2018 ein Förderprogramm aufgelegt, das sich dezidiert mit dem One Health-Ansatz auseinandersetzt. OHEJP wurde aufgesetzt, um die Zusammenarbeit europäischer Forschungseinrichtungen aus Human- und Veterinärmedizin sowie gesundheitlichem Verbraucherschutz im Lebensmittelsektor zu fördern. Dabei konzentriert sich das auf fünf Jahre angelegte Projekt auf drei thematische Schwerpunkte: lebensmittelbedingte Zoonosen, Antibiotikaresistenzen und neuartige Infektionsgefahren (emerging threats). Ein wichtiges Ziel dieses Vorhabens ist es, wissenschaftliche Daten, Methoden und Softwareprogramme zu generieren und diese nationalen und europäischen Institutionen zur Bewertung gesundheitlicher Risiken und möglicher Präventionsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen.
One Health in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit
Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hat die COVID-19-Pandemie zum Anlass genommen, ihre Schwerpunkte im Bereich Globale Gesundheit anzupassen und ihr Engagement im Bereich One Health zu verstärken. Auf institutioneller Ebene findet der verstärkte Fokus auf den One Health-Ansatz Ausdruck in einer neu geschaffenen Unterabteilung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zum Thema „Globale Gesundheit, Pandemieprävention, One Health“. Hier sollen die einzelnen Maßnahmen, die der Umsetzung des One Health-Ansatzes dienen, gebündelt, die internationale Zusammenarbeit koordiniert und neue Initiativen zum Beispiel in den Bereichen Human- und Tiergesundheit auf den Weg gebracht werden. Außerdem hat das Ministerium mit dem Beirat One Health ein interdisziplinär besetztes Gremium geschaffen, das das BMZ bei seiner Schwerpunktsetzung im Themenbereich One Health beraten soll.
Bereits kurz nach dem Ausbruch der Pandemie hat das BMZ mit dem Corona-Sofortprogramm im April 2020 zudem ein Konzept vorgelegt, mit dem Entwicklungs- und Schwellenländer bei der Bewältigung der gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Pandemie unterstützt werden sollen. Hierzu gehört unter anderem die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Nutztierforschungsinstitut (International Livestock Research Institute, ILRI) beim Aufbau des One Health Research, Education and Outreach Centre in Africa (OHRECA) mit Sitz in Kenia, das den interdisziplinären Austausch zwischen Human- und Tiergesundheit fördern soll. Hinter diesem Projekt steht der Ansatz, Strukturen aufzubauen, mit denen der Ausbruch von Krankheiten bei Menschen und Tieren überwacht werden kann, um für kommende Pandemien besser gerüstet zu sein. Gemeinsam mit der Weltbank arbeitet das BMZ zudem an der Verbesserung von Agrar- und Ernährungssystemen, um die Entstehung von Zoonoseerregern bei der Nahrungsmittelproduktion zu verhindern und deren Früherkennung zu verbessern.
Auch in dem ebenfalls im April 2020 vorgelegten Reformkonzept „BMZ 2030“ sind die wichtigen Themenbereiche Globale Gesundheit und One Health verankert. Im Rahmen einer Portfoliokonsolidierung wurde der Bereich Gesundheit, Pandemiebekämpfung und One Health als eines von zehn zeitlich begrenzten Initiativthemen in das neue Themenmodell des BMZ aufgenommen. Ziel dieses Initiativthemas ist es, One Health „als ganzheitlichen und sektorübergreifenden Ansatz in der internationalen Zusammenarbeit und in relevanten Kernthemen und Aktionsfeldern der deutschen EZ systemisch zu verankern“. Mit dem Strategiepapier „Initiativthema ,One Health‘ in der Entwicklungszusammenarbeit“ hat das BMZ seine Herangehensweise zur Implementierung des One Health-Ansatzes dargelegt und vier strategische Handlungsfelder definiert.
- Handlungsfeld 1 sieht vor, den One Health-Ansatz stärker in der deutschen bilateralen Entwicklungszusammenarbeit zu verankern und Partnerländer bei der Erstellung nationaler One Health-Strategien und Notfallpläne zur Epidemie- und Pandemieprävention zu unterstützen.
- Handlungsfeld 2 der Strategie nimmt die Förderung der internationalen Zusammenarbeit von Organisationen und die Stärkung von Forschungsverbünden und Netzwerken im Bereich One Health in den Blick. Insbesondere das Mandat der WHO als federführende Koordinierungsinstanz für globale Gesundheit sowie die Rolle der Tripartite und ihrer Erweiterung um weitere VN-Organisationen, wie UNEP und gegebenenfalls UNDP, sollen gestärkt werden.
- Im Vordergrund des 3. Handlungsfelds steht der Aufbau von Kapazitäten und die Stärkung von Gesundheitsinfrastrukturen sowohl im Human- als auch im Veterinärbereich. Auch die gezielte Aus- und Weiterbildung von interdisziplinärem Personal zu One Health ist ein Schwerpunkt dieses Handlungsfelds. Außerdem sollen Risikokommunikation und Aufklärungskampagnen für die Bevölkerung zur Prävention von Zoonosen sowie AMR verbessert werden.
- Das besonders relevante Thema des politischen Agenda Settings, also die Verankerung des One Health-Ansatzes in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und der entwicklungspolitischen Debatte, wird im 4. Handlungsfeld thematisiert. Hierzu gehört unter anderem die Sensibilisierung von politisch Verantwortlichen und der Bevölkerung für die Gesundheitsgefahren, die von Zoonosen und AMR ausgehen, sowie für die Rolle, die intakte Ökosysteme und nachhaltige Formen der Nutztierhaltung für die Reduzierung dieser Gesundheitsrisiken spielen. Ein weiteres Vorhaben ist die Einspeisung des One Health-Ansatzes in EU-Strategien wie das NDICI.
One Health in der Entwicklungszusammenarbeit der USA
Globale Gesundheit stellt in der Entwicklungszusammenarbeit der Vereinigten Staaten einen eigenständigen Themenbereich dar, der die Bekämpfung von Infektionskrankheiten als eines von drei strategischen Zielen verfolgt. Seit 2009 hat die für Entwicklungszusammenarbeit zuständige Behörde United States Agency for International Development (USAID) für diesen Schwerpunkt mehr als 1,1 Milliarden US-Dollar bereitgestellt. Die Mittel werden unter anderem dafür verwendet, in den Partnerländern Mechanismen zu etablieren, die dazu beitragen sollen, Ausbruchsrisiken von Infektionskrankheiten frühzeitig zu erkennen und zu verhindern sowie im Notfall schnell und effizient zu reagieren.
Mit Blick auf One Health konzentriert USAID sich beispielsweise auf die Förderung und Umsetzung von Projekten, mit denen Partnerländer darin unterstützt werden, Zoonose- und AMR-bedingten Gesundheitsrisiken zu begegnen, Labor- und Überwachungskapazitäten zu stärken und die Risikokommunikation über Infektionskrankheiten mit der Bevölkerung und medizinischem Personal zu verbessern. Zudem soll in den Partnerländern gezielt eine neue Generation von Gesundheitspersonal im Bereich One Health ausgebildet werden. Hierfür unterstützt USAID das Projekt One Health Workforce – Next Generation (OHW-NG), mit dem regionale Universitätsnetzwerke in Afrika und Südostasien dabei unterstützt werden sollen, sektorübergreifend Nachwuchskräfte für eine effektive Krankheitsüberwachung und -kontrolle aufzubauen.
Ein weiterer Schwerpunkt des US-amerikanischen Engagements im Bereich One Health ist die Erforschung zoonotischer Krankheiten und ihrer Ursachen. Hierfür wurde im Rahmen des Forschungsprogramms Emerging Pandemic Threats (EPT) im Jahr 2009 das Projekt PREDICT aufgesetzt, dessen vorrangiges Ziel es war, die wahrscheinlichsten Quellen von Zoonosen sowie die Rahmenbedingungen, die eine Übertragung von Krankheitserregern begünstigen, zu untersuchen. Auf diese Weise sollten gefährliche Erreger frühzeitig identifiziert und daraus resultierende Gesundheitsgefahren reduziert werden. Im Rahmen des Projekts haben interdisziplinäre Forschungsteams über 1.000 bisher unbekannte Viren entdeckt, darunter auch einen neuen Ebola-Stamm. Kurz vor dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie ist der reguläre Förderzeitraum von zehn Jahren abgelaufen und das Projekt wurde zunächst nicht verlängert.
Im September 2020 hat USAID mit Strategies to Prevent Spillover (STOP Spillover) jedoch ein neues Programm aufgelegt, das an das Vorgänger-Projekt PREDICT anknüpfen soll. STOP Spillover ist mit einem Budget von 100 Millionen US-Dollar ausgestattet und für einen Zeitraum von fünf Jahren angelegt. Das Projekt soll nun – basierend auf den vom Vorgänger-Projekt gesammelten Daten und Erkenntnissen – Maßnahmen entwickeln, mit denen nationale Kapazitäten in ausgewählten, bisher nicht näher definierten Partnerländern darin gestärkt werden sollen, das Übertragungsrisiko gefährlicher Krankheitserreger von Tieren auf den Menschen zu reduzieren.
Building back better mit dem One Health-Ansatz
Die Entwicklungszusammenarbeit konzentriert sich auf die Beseitigung von Hindernissen, die der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung in ihren Partnerländern im Wege stehen. Vorrangige Ziele sind neben der Bekämpfung von Armut und Hunger die Förderung von Gesundheit als einem zentralen Menschenrecht und einer Grundvoraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben.
Seit Anfang des 21. Jahrhunderts sind vermehrt Infektionskrankheiten wie SARS, MERS oder Ebolafieber und zuletzt COVID-19 aufgetreten, die ihren Ursprung in Wildtieren haben. Die Faktoren, die dies begünstigen, sind in erster Linie auf die Eingriffe des Menschen in die Natur zurückzuführen. Die Entwicklungszusammenarbeit setzt zur Erreichung ihrer Ziele an vielen Schlüsselsektoren wie beispielsweise der Landwirtschaft an, die Einfluss auf die Entstehung von Gesundheitsrisiken wie Zoonosen oder AMR nehmen. Durch die Berücksichtigung des One Health-Ansatzes bei der strategischen Planung und Umsetzung von Entwicklungsagenden in diesen Sektoren, durch die Förderung sektorübergreifender und interdisziplinärer Zusammenarbeit, durch die Förderung von Forschungskooperationen und insbesondere durch politisches Agenda Setting sowie die Einspeisung des One Health-Ansatzes in die politischen Diskussionen in den Partnerländern kann die Entwicklungszusammenarbeit einen nachhaltigen Beitrag zur Reduzierung von Gesundheitsrisiken durch Zoonosen und AMR leisten.
Die COVID-19-Pandemie hat längst eine Diskussion über einen nachhaltigen und zukunftsfähigen Wiederaufbau unserer Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme nach der Pandemie angestoßen. Dabei kann es jedoch nicht nur um wirtschaftliche Erholung gehen. COVID-19 muss als Weckruf verstanden werden, in dessen Folge nachhaltige Strategien zum Wohl von Mensch, Tier und Umwelt entwickelt werden, mit denen das Risiko von Pandemien reduziert und die weltweite Resilienz gestärkt werden kann. Integrierte Konzepte wie die Agenda 2030 und der One Health-Ansatz weisen hierfür den Weg.
Martina Kaiser ist Referentin für Globale Gesundheit der Konrad-Adenauer-Stiftung.
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