Ausgabe: 4/2016
Auf den ersten Blick steht die jüngste Eskalation zwischen Saudi-Arabien und Iran ganz im Zeichen der zunehmenden Konfessionalisierung der Konflikte im Nahen Osten. So richtete Saudi-Arabien im Januar 2016 den schiitischen Geistlichen Nimr Al Nimr hin, woraufhin ein Mob die saudische Botschaft in Teheran anzündete und die diplomatischen Beziehungen zwischen der Golfmonarchie und Iran abgebrochen wurden. Im September wurden iranische Pilger erstmals seit drei Jahrzehnten von der muslimischen Wallfahrt ausgeschlossen und die religiösen Führer beider Länder lieferten sich ein Wortgefecht um die Deutungshoheit im Islam: der saudische Großmuftti bezeichnete die iranischen Schiiten als „Ungläubige“ und Irans Ayatollah Ali Chamenei verunglimpfte das saudische Königshaus als „kleine, kümmerliche Teufel“.
Schaut man genauer hin, offenbart sich allerdings, dass der konfessionelle Aspekt für die saudisch-iranische Gegnerschaft zwar eine wesentliche Rolle spielt, die Reduzierung auf einen religiös motivierten Konflikt, sprich saudisch-sunnitisch vs. iranisch-schiitisch, aber zu kurz greift. Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Regionalmächten wird schließlich auf den verschiedensten Ebenen und mit mannigfachen Mitteln ausgetragen. Auch bei der Instrumentalisierung des Falls Nimr Al Nimr geht es dementsprechend um sehr viel mehr als die Hinrichtung eines schiitischen Geistlichen durch einen sunnitisch regierten Staat. Ein Blick hinter die Schlagzeilen verdeutlicht, dass es sich hier um einen klassischen Machtkampf zweier aufstrebender Hegemonen handelt. Dieser fungiert als Prisma, anhand dessen sich zahlreiche Ereignisse in der Region verstehen lassen. Dabei ist die Deutungshoheit des Islam nur ein Aspekt: die Motive hinter verbalen Anfeindungen und strategischen Schachzügen im Dauerstreit zwischen Saudi-Arabien und Iran sind realpolitische Expansionsbestrebungen zum Selbsterhalt und zur Ausweitung des eigenen Einflussbereichs in einer volatilen Weltregion, die wie kaum eine andere einen radikalen geopolitischen Wandel erlebt. Es geht hier um die Vorherrschaft im Nahen Osten, sowohl ideologisch als auch machtpolitisch, um die mit allen Mitteln gekämpft wird – ähnlich wie einst im Kalten Krieg zwischen Ost und West. Die direkte militärische Konfrontation zwischen Saudi-Arabien und Iran wird dabei vermieden. Stattdessen haben sich beide Seiten ein umfangreiches soft power-Arsenal zu eigen gemacht, um sich mit entsprechenden Narrativen eine möglichst breite Zuhörer- und Gefolgschaft zu sichern. Beide Länder nutzen Printmedien, internationales Satelliten-Fernsehen und soziale Medien, um in bis zu 20 Sprachen ein weltweites Publikum zu erreichen.
Auf welchen Ebenen dieser Antagonismus im Detail ausgetragen wird und weshalb er stellenweise an einen Kalten Krieg erinnert, soll zu Beginn untersucht werden. Dabei soll ein besonderes Augenmerk auf die institutionalisierten Feindnarrative zwischen Saudi-Arabien und Iran gelegt werden, ihre regionalen Implikationen sowie die Motivation beider Konfliktparteien, den Krieg der Worte und Geschichten zu betreiben, um ihre strategisch-operativen Handlungen zu komplementieren. Im Folgenden soll Licht auf die Hintergründe des Konfliktes geworfen werden. Durch den Fokus auf die historische Entwicklung der Feindnarrative soll verdeutlicht werden, dass die konfessionelle Perspektive bei Weitem nicht ausreicht, um die Rivalität am Golf zu verstehen, sind die Ursprünge der Auseinandersetzung doch ethnischer und realpolitischer Natur. Im dritten Schritt soll betrachtet werden, inwiefern die konfessionalisierte Rhetorik die aktuellen, regionalen Konflikte beeinflusst und verschärft. Eine weitere Dimension erhalten die Wortgefechte zwischen Saudi-Arabien und Iran schließlich in ihrem Kampf um die Gunst des Westens, die notwendig für die Machtkonsolidierung der beiden Kontrahenten nach innen und außen ist. Basierend auf diesen Betrachtungen sollen die Komplexität des Kampfes um die Vorherrschaft im Nahen Osten und die damit verbundene Rhetorik veranschaulicht werden.
1. Parallelen zum Kalten Krieg
Über dem Golf, ob nun als persischer oder arabischer bezeichnet, hängt seit bald vier Jahrzehnten ein Schatten, der durch das Spannungsverhältnis zwischen Saudi-Arabien und Iran bedingt ist. Trotz zeitweiser Entspannungsmomente bestimmt vorwiegend das beträchtliche Eskalationspotenzial zwischen den beiden Regionalmächten die Geschicke des Nahen Ostens. Auch wenn es sich bei Saudi-Arabien und Iran um keine Nuklearmächte handelt, gilt, wie auch schon im Kalten Krieg zwischen der Sowjetunion und den USA, in gewissem Sinne das Gleichgewicht des Schreckens. Danach vermag ein Kriegsszenario zwischen den beiden Mächten diese von einem militärischen Erstschlag insoweit abschrecken, als der Frieden zumindest vordergründig erhalten bleibt.
Die Rivalität gründet ursprünglich auf einem Systemkonflikt, wie er in verwandter Weise auch zwischen der Sowjetunion und dem Westen zu beobachten war. Seit dem Sturz des persischen Schahs durch die von Ayatollah Chomeini angeführte radikal-schiitische Revolution 1979 und die Umwandlung Irans von einer Monarchie in eine Islamische Republik als Mischform theokratischer und republikanisch-demokratischer Elemente, stehen sich zwei von grundauf gegnerische politische Systeme gegenüber. Der von Chomeini propagierte Export der Revolution in die gesamte Region des Nahen Ostens stieß bei den arabischen Monarchen am Golf auf Irritation und Unbehagen. Die Königreiche befürchteten, die islamisch-revolutionäre Idee könnte ihre eigenen Bevölkerungen mitreißen und die regierende Elite hinwegfegen.
Bei ausbleibender direkter Konftrontation finden sich Elemente eines kriegerischen Konfliktes und der Einsatz von Militärmacht, um eigene Positionen zu verteidigen, seitdem in Stellvertreterkriegen wieder, die ebenfalls typisch für einen Kalten Krieg sind. Die beiden im Konflikt befindlichen Antagonisten tragen die militärische Auseinandersetzung in Drittstaaten aus, in denen bereits bestehende Konflikte, wie beispielsweise Bürgerkriege, zu eigenen Zwecken instrumentalisiert werden, um die Gefolgschaft des Gegners und damit diesen selbst zu schwächen. Beobachten lässt sich dies im Jemen, in Syrien und im Irak. Aber auch im Libanon und in Bahrain beeinflussen Saudi-Arabien und Iran die Geschehnisse nicht unbedingt zugunsten des ohnehin zerbrechlichen Friedens vor Ort.
Neben Stellvertreterkriegen greifen die Konfliktparteien auf ein vielfältiges Instrumentarium zur Stärkung ihrer eigenen Positionen zurück und stehen dabei im ständigen Wettbewerb um Anerkennung und Prestige. Ganz in alter Ost-West-Konflikt-Manier spielt Propaganda mithilfe einer ausgeprägten Medienmaschinerie eine zentrale Rolle im Kampf um die Vormachtstellung im Nahen Osten. Darüber hinaus kennt dieser Konflikt ohne jeden Zweifel auch eine Reihe umfangreicher Geheimdienstaktivitäten, denkt man beispielsweise an das versuchte Attentat auf den damaligen saudi-arabischen Botschafter und jetzigen Außenminister Adel Al Jubeir in den USA im Jahr 2011. Laut offiziellen Quellen habe ein Offizier der Revolutionsgarden in Teheran die Operation Chevrolet in Auftrag gegeben, die jedoch von US-Agenten vereitelt werden konnte.
Eine weitere Methode in der Auseinandersetzung ist der Kampf auf wirtschaftlicher Ebene, insbesondere auf den Ölmärkten. Der Kampf um fallende Ölpreise ist hier ein effizientes Instrument Saudi-Arabiens, Iran weiter zu schwächen. Denn Iran kann bei der Überschwemmung des Weltmarktes durch den saudischen, billig förderbaren Rohstoff nicht mithalten, da die Islamische Republik höhere Ölpreise bei einem im Vergleich geringeren Produktionsaufkommen benötigt. Saudi-Arabien hingegen kann sich die niedrigen Ölpreise zumindest vorerst noch leisten, wie der saudische Vize-Kronprinz Mohammed Bin Salman provokant anlässlich der OPEC-Verhandlungen im April 2016 verkündete.
Sicherlich ist die saudische Ölpreispolitik auch eine Reaktion auf die internationale Rehabilitierung Irans, nachdem die Islamische Republik im Juni 2015 das Nuklearabkommen mit dem Westen unterzeichnete und somit aus ihrer jahrzehntelangen internationalen Isolation trat. Saudi-Arabien fühlt sich seitdem vom Westen und insbesondere von den USA vernachlässigt und befürchtet ein neues Erstarken Irans im regionalen Wettbewerb um die nahöstliche Führungsposition. Vor diesem Hintergrund erhielt der Kalte Krieg zwischen den beiden Antagonisten eine neue Qualität und Dimension, die insbesondere in den Konfliktnarrativen und der aufgeladenen Propagandasprache zwischen beiden Staaten deutlich wird.
2. Vom ethnischen zum konfessionellen Narrativ
Auch wenn die Feindseligkeiten zwischen Sunniten und Schiiten bis zu den Streitigkeiten um die politische Nachfolge des Propheten in den Anfangsjahren des Islam zurückreichen – was die Identität der Schiiten bis ins 21. Jahrhundert hinein geprägt hat –, war dies über viele Jahre kaum ausschlaggebend für den saudisch-iranischen Konflikt. Die jahrhundertelange Unterdrückung der Schia durch sunnitische Herrscher schwingt im Hintergrund sicherlich immer mit, insbesondere die Erschlagung des zweiten Imams und Prophetenenkels Hussein durch die Umayyaden in der Schlacht von Kerbala, welche die Genesis des schiitischen Selbstverständnisses bildet. Jedoch war der schiitische Glaube bis zur Islamischen Revolution 1979 geprägt von der Erduldung des Leidens und des Martyriums im klassischen Sinne und daher weitgehend frei von politischer Ideologie.
So war das Narrativ zwischen Saudi-Arabien und Iran zu Schah-Zeiten auch nicht primär religiöser Natur, sondern vielmehr vom traditionellen Feindbild Araber gegen Perser geprägt. Iran sieht sich selbst als eine Kulturnation mit einer glorreichen, jahrtausendealten Historie, die kein Produkt des Kolonialismus ist. Nicht zuletzt aus diesem Selbstverständnis heraus ergibt sich aus Sicht Irans ein natürlicher Anspruch auf den Persischen Golf mitsamt seinen zahlreichen Ressourcen, der strategisch wichtigen Straße von Hormus sowie einzelner Inseln, die auch von den Vereinigten Arabischen Emiraten beansprucht werden.
Erst seit der Ausrufung der Islamischen Republik im April 1979 durch Ayatollah Chomeini ist die konfessionelle Dimension in den Vordergrund gerückt. Dabei war Chomeinis Revolution nicht nur politischer, sondern auch religiöser Natur. Von nun an sollten Schiiten Verfolgung nicht mehr geduldig ertragen und auf die Erlösung durch den endzeitlichen Mahdi warten, sondern sie sollten ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Die Islamische Republik und der angestrebte Export der Revolution wurden somit religiös legitimiert, was unter der klassischen schiitischen Doktrin undenkbar gewesen war. Darüber hinaus verstand sich Chomeini als Führer der gesamten muslimischen Gemeinschaft, nicht nur der Schiiten – daher Islamische Revolution –, was eine direkte Rivalität zum saudischen Führungsanspruch darstellte.
Auch auf der strategischen Ebene brachte die Islamische Republik eine entscheidende Kehrtwende mit sich. Das Ende der pro-westlichen Schah-Ära bedeutete auch das Ende von US-Präsident Nixons Twin Pillar-Strategie, wonach Iran und Saudi-Arabien als US-Alliierte ein strategisches Kräftegleichgewicht in der Region gebildet hatten. Von nun an wurde Saudi-Arabien vom Westen finanziell unterstützt und militärisch aufgerüstet, was wiederum von Iran als strategische Bedrohung angesehen wurde.
Chomeini griff das wahhabitische Saudi-Arabien auch auf religiöser Ebene scharf an. Insbesondere die „unislamische“ Erbmonarchie und die enge Bindung an die USA (den „großen Teufel“) standen dabei im Vordergrund. Außerdem reklamierten die Ayatollahs nun selbst den Führungsanspruch der islamischen Welt und Irans Außenpolitik bestand primär im Export der Revolution, insbesondere in die arabischen Nachbarländer mit bedeutender schiitischer Bevölkerung, wie im Irak, in Bahrain und im Libanon, aber auch in der ölreichen Ostprovinz Saudi-Arabiens.
Für Saudi-Arabien stellten dieses neue Narrativ und seine Konsequenzen sowohl machtpolitisch als auch ideologisch eine substanzielle Bedrohung dar. Bot Chomeinis revolutionäre Lehre doch ein alternatives Modell zum wahhabitischen Königreich und stellte dessen politische und religiöse Legitimation infrage. Das saudische Königshaus sieht sich als „Mutter“ und natürliche Schutzmacht der Golfmonarchien und als Stabilitätsanker der gesamten Golf-Region. So initiierte es als Reaktion auf das iranische Expansionsbestreben 1981 die Gründung des Golf-Kooperationsrates (GKR), in dem die sechs arabischen Golf-Monarchien vertreten sind. Ideologisch sieht sich das Königreich als islamischen Staat an, der im Einklang mit der Scharia steht und nach dem Vorbild des Propheten und der ersten Kalifen gestaltet ist. Insbesondere die Tatsache, dass Saudi-Arabien die beiden heiligen Stätten des Islam, Mekka und Medina, unter seiner Hoheit hat, ermöglicht den religiösen Führungsanspruch in der muslimischen Welt. Als Chomeini infolge eines Haddsch-Unglücks, bei dem auch zahlreiche iranische Pilger ums Leben kamen, Saudi-Arabien die beiden bedeutendsten Heiligen Stätten streitig machen wollte, ließ König Fahd 1986 seinen offiziellen Titel von „Seine Majestät“ zu „Hüter der Heiligen Stätten“ ändern.
Sowohl Saudi-Arabien als auch Iran bedienen sich seit 1979 des Narrativs mit konfessionellem Schwerpunkt im Kampf um Einfluss in der arabischen Welt, um somit Bevölkerungsteile und politische Gruppen in ihren Orbit zu ziehen. Beide Staaten begründen ihre politische Legitimität nicht zuletzt aus ihrer jeweiligen religiösen Ausrichtung heraus. Wo immer religiöse Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten mitwirken und Konflikte entlang konfessioneller Linien verlaufen, sind Saudi-Arabien und die Islamische Republik involviert. Religion wird damit zum wichtigen Machtmittel, sehen sich beide Länder doch als Schutzmacht ihrer jeweiligen Konfessionen. Saudi-Arabien versteht sich als Patron der 1,4 Milliarden sunnitischen Muslime, während Iran als Fürsprecher für die 240 Millionen Schiiten fungiert.
Im saudischen Kontext war 1979 nicht nur das Jahr der iranischen Revolution, es war auch geprägt durch die Radikalisierung sunnitischer Saudis, die in der Besetzung der Großen Moschee in Mekka kulminierte, wobei die verantwortlichen Extremisten den Sturz des saudischen Regimes forderten. Durch die fast gleichzeitige sowjetische Besatzung Afghanistans und den Aufstieg kommunistischer Kräfte bot sich dem Königreich die Chance, sunnitischen Extremismus gegen sowohl die iranische als auch die ko mmunistische Bedrohung im Ausland einzusetzen. Saudische Jugendliche wurden zum Dschihad in Afghanistan ermutigt und das Königreich begann, pro-wahhabitische Paschtunen zu finanzieren, die letzten Endes den Kern der Talibanführung bildeten. Außerdem unterstützte das saudische Königshaus Saddam Hussein in seinem Krieg gegen Iran (1980 bis 1988) mit 25 Milliarden Dollar. Vor dem Hintergrund dieser geopolitischen Entwicklungen begann Saudi-Arabien außerdem, in der gesamten muslimischen Welt wahhabitische Schulen und Zentren einzurichten, um so einen Gegenpol zur revolutionären schiitischen Doktrin sowie zu kommunistischen Strömungen zu bilden.
Im darauffolgenden Machtkampf kristallisierte sich insbesondere ein entscheidender außenpolitischer Zankapfel heraus. Während Irans außenpolitisches Ziel ein Naher Osten frei von westlichem – insbesondere militärischem – Einfluss war, waren Saudi-Arabien und die anderen Golf-Staaten zunehmend von amerikanischer Unterstützung abhängig, um den Status quo in der Region aufrechtzuerhalten. Dies zeigte sich nicht zuletzt im Irak-Krieg von 1990/91, als Saddam Husseins Truppen nur mit amerikanischer Hilfe aus Kuwait zurückgeschlagen werden konnten.
Gleichzeitig war die Ausbreitung der Islamischen Revolution nur von mäßigem Erfolg gekrönt. Ein Putschversuch pro-iranischer Schiiten in Bahrain scheiterte 1981 und auch im mehrheitlich schiitischen Irak konnte sich die konfessionelle Ausrichtung unter Saddam Hussein kaum durchsetzen. Dies lag nicht zuletzt daran, dass eine große Zahl irakischer Schiiten den traditionell orientierten Lehren Ayatollah Sistanis folgte und sich nicht von Chomeinis revolutionärem Gedankengut beeinflussen ließ. Lediglich im Libanon konnte sich die Lehre unter den marginalisierten Schiiten des an Israel grenzenden Jabal Amil durchsetzen und die traditionelle Selbstgeiselung im Gedenken an den Tod Husseins wich vielerorts der Doktrin des aktiven Widerstands gegen israelische und amerikanische Truppen. Der klassische Märtyrertod wurde in diesem Rahmen basierend auf Chomeinis Lehren in Selbstmordattentate umgedeutet. Diese Entwicklung wurde aktiv von Iran unterstützt und mündete 1985 im Zusammenschluss verschiedener dschihadistischer Gruppierungen unter Hisbollah.
Allerdings geht der machtpolitische Konflikt bis heute weit über das Konfessionelle hinaus. Beispielsweise erklärte Iran sich zum Vorreiter für die palästinensische Sache und hat über viele Jahre diverse sunnitisch-dschihadistische Gruppierungen unterstützt. Auch sind seine Hauptverbündeten in der Region die alawitischen und eher säkular ausgerichteten Baathisten in Syrien, die ihrerseits mit den irakischen Baathisten um Saddam Hussein verfeindet waren. Saudi-Arabien seinerseits unterstützte in den 1960ern die (schiitischen) Zayiditen im Jemen, im Kampf gegen die mit dem ägyptischen Präsidenten Nasser verbündeten Sozialisten. Außerdem pflegte das Königreich bis zum Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges 2011 auch weitgehend gute Beziehungen zum Assad-Regime.
Erst die regionale Neuordnung in Folge des Irak-Kriegs 2003 führte zu einer tatsächlich rasant zunehmenden Konfessionalisierung der Region. Durch den Sturz Saddam Husseins, der über viele Jahre die Balance zum schiitischen Iran darstellte, und die Zerschlagung des nominell sunnitischen Baath-Regimes konnte Iran das entstandene Machtvakuum geschickt nutzen und große Teile der schiitischen Bevölkerung stärker an sich binden. Die arabischen Golf-Staaten sahen in der neuen schiitischen Regierung in Bagdad ein klares Zeichen des machtpolitischen Aufstiegs Irans, reichte der sogenannte schiitische Halbmond doch nun von Teheran über Bagdad und Damaskus bis nach Beirut. Nun wurden auch die schiitischen Bevölkerungsteile im Golf selbst mit wachsendem Misstrauen beobachtet, insbesondere in Bahrain und der saudischen Ostprovinz. Aus Sicht der sunnitischen Herrscher boten diese das Potenzial, als „Fünfte Kolonne” die Stabilität der Golf-Regime zu bedrohen. Dieses Szenario steigerte sich dramatisch mit den Aufständen von 2011. Als Ägypten als sunnitische Regionalmacht an die inzwischen mit Saudi-Arabien verfeindeten Muslimbrüder fiel, fürchteten die Golf-Regime umso mehr um ihr eigenes Überleben. Die Herrscher sahen sich in ihren Sicherheitsinteressen übergangen und die traditionelle Schutzmacht USA verlor durch die von vielen Akteuren in der Region als Regime Change wahrgenommene Politik zunehmend an Vertrauen. Iran auf der anderen Seite sah im Zusammenbruch der sunnitischen Staaten die Chance, seine Macht regional auszuweiten.
3. Zündstoff für regionale Konflikte
Das Hauptmotiv für das saudische und iranische Feindnarrativ liegt in der Machtkonsolidierung sowohl nach innen als auch nach außen. Oft handeln die Rivalen dabei aus innenpolitischer Schwäche heraus. Indem sie gegenseitige Feindbilder skizzieren und sich als Opfer des Gegners darstellen, versuchen sie ihre Bevölkerung hinter sich zu einen und gleichzeitig die alltäglichen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Probleme zu verschleiern. Der Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit wird auf die wahrgenommene Bedrohung gelenkt und die Konfrontation der Bevölkerung mit Feindbildern und Schreckensszenarien trägt zur Legitimierung und zum Fortbestand der Regime und der vorherrschenden (Außen-)Politik bei.
Bahrain
Angesichts des iranischen Expansionsbestrebens reagierten die Monarchen 2011 besonders sensibel auf Proteste und Reformbestrebungen am Golf, insbesondere in Bahrain, wo die schiitische Bevölkerung eine Mehrheit bildet. Waren die sozialen Proteste anfangs noch überkonfessioneller Natur, so stellten die Herrscher sie als konfessionell motiviert dar und entfremdeten sunnitische Protestler erfolgreich von den schiitischen Demonstranten, die angeblich im Auftrag Irans handelten. So konnte durch das Schreckensszenario, Iran stehe praktisch vor den Toren, das Entstehen einer breiten Reformbewegung verhindert werden. Saudi-Arabien befürchtete in diesem Zusammenhang, dass ernsthafte politische Reformen in Bahrain und ein potenzieller Regimewechsel zu einer Art Dominoeffekt führen und letzten Endes die eigene Stabilität gefährden könnten. Tatsächlich macht Iran immer wieder seinen Anspruch auf die kleine Insel geltend, die bis ins 18. Jahrhundert zum Persischen Reich gehörte und dann von der arabischen Al Khalifa-Familie erobert wurde. Als im März 2011 insbesondere saudische GKR-Streitkräfte nach Bahrain einmarschierten, sollte dies nicht zuletzt auch ein klares Zeichen an Teheran sein. Diese Warnung wurde unterstrichen, als Sicherheitskräfte die Protestierenden vom Pearl Square vertrieben und der Platz zu einer Verkehrskreuzung umgebaut wurde, die bezeichnenderweise den Namen Al Farooq-Kreuzung erhielt. Dieser Name geht zurück auf den von den Sunniten als zweiten Kalifen verehrten Umar bin Al Khattab, der jedoch aus schiitischer Sicht dem Cousin des Propheten und erstem Imam Ali ibn Abi Talib die rechtmäßige Nachfolge verwehrte und drohte, sein Haus niederzubrennen. Als Alis schwangere Frau Fatima, die Tochter des Propheten, eingriff, wurde sie laut schiitischen Quellen von Umar angegriffen, verlor daraufhin ihr Kind und starb kurze Zeit später.
Syrien
Auf ähnliche Weise wird auch im syrischen Bürgerkrieg intern wie regional das konfessionelle Narrativ genutzt, um machtpolitische Interessen zu wahren. Die überkonfessionellen, sozio-ökonomischen Proteste von 2011 schlug das Assad-Regime gewaltsam nieder und bediente sich gezielt konfessioneller Rhetorik, um die Spannungen anzuheizen. So konnte es sich einerseits die Unterstützung seines Verbündeten Iran sichern und andererseits das Schicksal der alawitischen und christlichen Minderheit direkt mit dem Überleben des Regimes verknüpfen. Für Saudi-Arabien hatte der Aufstand in Syrien zunächst keine größere außenpolitische Bedeutung. Erst im Frühjahr 2012, mit dem Fall des engsten anti-iranischen Verbündeten Ägypten, wurde Syrien zur Priorität. In Riad hofft man insbesondere darauf, dass durch den Sturz Assads Iran seine Landbrücke zur Hisbollah im Libanon verlieren würde. Zunächst unterstützte das Königreich ebenso wie seine westlichen Verbündeten gemäßigte, säkulare Rebellen rund um die Freie Syrische Armee. Dies änderte sich jedoch schlagartig, als im Mai 2013 die libanesische Hisbollah in der Schlacht von Al Qusayr in den syrischen Bürgerkrieg eingriff und so das Kräftegleichgewicht zugunsten Assads beeinflusste. Nun unterstützte Saudi-Arabien die Gründung der Syrian Islamic Front und begann, radikal-salafistische Gruppierungen zu finanzieren. Der Ruf des einflussreichen sunnitischen Gelehrten Yousef Qaradawis, die „syrischen Brüder“ im Dschihad gegen die Ungläubigen zu unterstützen, wurde vom saudischen Großmufti erwidert. Dieser Aufruf stieß bei zahlreichen jungen Saudis auf offene Ohren, wodurch Saudi-Arabien führend in der Zahl von Foreign Fighters wurde, von denen sich nicht wenige dem „Islamischen Staat“ anschlossen.
Jemen
Ein weiterer prekärer Fall im saudisch-iranischen Antagonismus ist der Krieg im Jemen. Ähnlich wie im Libanon und in Bahrain begann der Konflikt auch hier als Aufbegehren der schiitischen Minderheit gegen Diskriminierung und Marginalisierung. Als die zayiditischen Ansar Allah unter Abdul Malik Al Houthi jedoch mit Hilfe von Ex-Präsident Ali Abdallah Salih im August 2014 die Hauptstadt Sana’a eroberten, sah sich Saudi-Arabien von allen Seiten mit einer so wahrgenommenen „schiitischen Front“ konfrontiert, zu einer Zeit, in der Washington seine Verbündeten am Golf im Stich zu lassen schien und sich für ein Abkommen mit Iran einsetzte. Während Riad eben diese Schiiten in den 1960ern noch militärisch gegen Nasseristen unterstützt hatte, sah das Königreich in ihnen spätestens seit einem Grenzkonflikt im Nordjemen 2009 einen iranischen Verbündeten. In der Tat nutzten Politiker in Teheran die Lage, indem sie eben jene Ängste Riads medienwirksam weiter schürten: „Die Eroberung Sana’as durch die Houthis war ein Sieg für das Regime in Teheran. Nun kontrolliert Iran vier arabische Hauptstädte: Bagdad, Beirut, Damaskus und Sana’a“, kommentierte ein iranischer Abgeordneter die Lage in der iranischen Presse.
Zwar gehören die Zayiditen nicht derselben religiösen Gruppierung wie die iranischen Zwölfer-Schiiten an und die Houthis können auch nicht als direkte Handlanger Teherans wie beispielsweise die libanesische Hisbollah gesehen werden, allerdings ist die saudische Furcht nicht zuletzt auch darin begründet, dass ihre Ideologie und Rhetorik ähnlich revolutionär sind, wie die Chomeinis. Immerhin erinnert bereits der auf ihrer Flagge abgedruckte Slogan an die Revolution von 1979 und bringt die Zielausrichtung der Miliz deutlich zum Ausdruck: „Tod Amerika, Tod Israel, die Juden seien verdammt, Sieg dem Islam!“ Auch Saudi-Arabien wird in ihrer Ideologie als vom Westen gestützter und damit „unislamischer“ Staat gebrandmarkt. Insofern kann die Eroberung Sana’as durchaus als „saudische Kubakrise“ bezeichnet werden, verdeutlichte sie doch wie nahe „der Feind“ an die arabischen Golf-Staaten herangerückt war. Darüber hinaus ist auch die Meerenge Bab Al Mandab zwischen Djibouti und Jemen von großer strategischer Bedeutung für das Königreich, passieren hier doch täglich fünf Prozent des weltweiten Ölhandels auf dem Weg nach Suez.
Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass die saudische Intervention nicht nur in einer militärischen Operation, sondern ebenso in einer Medienkampagne besteht. Seit Kriegsbeginn rechtfertigen staatsnahe saudische Medien die Militärintervention als „Selbstverteidigung gegen einen externen Aggressor“ und bezeichnen es – insbesondere auf Arabisch – als „religiöse Pflicht“, die schiitischen Houthis als iranische Verbündete zu stoppen. Der Krieg wird in saudischen Medien generell als Heldentat beschrieben, durch den die Stabilität des Königreiches sowie der gesamten „Islamischen Gemeinschaft“ gesichert werde.
Nicht zuletzt durch den saudischen, konfessionellen Diskurs im Jemen verstärkte sich das Interesse und Engagement der Islamischen Republik am südlichen Ende der Arabischen Halbinsel. Denn aus der Perspektive Teherans ist der Nahe Osten nach wie vor dominiert von der verfeindeten Hegemonialmacht USA und ihren Verbündeten, insbesondere Israel und Saudi-Arabien. Da die jemenitische Hadi-Regierung eng an Riad gebunden ist, hat sie für Teheran durchaus strategisches Interesse. Insofern sind die Houthis ein nützliches Werkzeug Teherans, wenn auch kein direkt gesteuertes.
Der von Ayatollah Chamenei und dem iranischen Wächterrat beeinflusste Diskurs in den Medien greift daher häufig auf ein revolutionäres Narrativ zurück, das – wiederum mit Blick auf Imam Hussein – auf dem Kampf der „Unterdrückten“ gegen die „Unterdrücker“ basiert. Die Basis dieses Narrativs ist also die gleiche wie in Bahrain, Libanon und Palästina. Maßgeblich ist dabei, dass es primär nicht konfessionell besetzt wird, sondern die „Unterdrückten“ als rechtgeleitete Muslime (Schiiten und Sunniten) darstellt und die „Unterdrücker“ als unrechtmäßige Herrscher (USA, Israel, Saudi-Arabien).
Im Jemen, so iranische Medien, schlägt sich die zayiditische Minderheit also tapfer gegen den saudischen „Unterdrücker“, der „Massaker“ an unschuldigen Zivilisten begeht. Dies wiederum bietet Iran die Möglichkeit, sich als „Retter in der Not“ zu stilisieren, der die Jemeniten vor dem saudischen „Terrorismus“ schütze. Weltweit setze sich Teheran für die „humanitäre“ Unterstützung der „Unterdrückten“ ein, so auch im Jemen: „Wir wollten den Jemeniten Medikamente schicken, nicht Waffen. Sie brauchen unsere Waffen nicht.“ Darüber hinaus porträtiert Iran den Aufstand der Houthis als Teil einer „Erweckungsbewegung“, die mit der Protestbewegung von 2011 begonnen habe. Diese Erweckung stehe in der Tradition der Islamischen Revolution von 1979, sie sei „islamisch“, und daher überkonfessionell. Allerdings greift Teheran auch gerne auf drastischere Rhetorik zurück. So beschwören iranische Regierungsvertreter den baldigen Fall des „saudischen Handlangers“ Israel herauf und befeuern saudische Ängste: „Der Sieg der Islamischen Republik im Jemen wird die Tore zur Eroberung Saudi-Arabiens öffnen.“
4. Der Kampf um die Gunst des Westens
Vor dem Hintergrund des Nuklearabkommens von 2015 zwischen Iran und dem Westen, das der Islamischen Republik einen signifikanten Auftrieb auf der internationalen Weltbühne verliehen hat, richten sich die Narrative nicht mehr nur nach innen, sondern versuchen auch nach außen, insbesondere im Westen, Sympathie zu erlangen. Die Absicht ist wieder um die gleiche: Machtkonsolidierung – dieses Mal durch strategische Partnerschaften. Präsident Rohani bezeichnet den wahhabitischen Extremismus Saudi-Arabiens als eigentliches Problem und beschuldigt das Königreich, das wahre politische Hindernis für Frieden in der Region zu sein. Er verweist in seiner Rhetorik darauf, dass das radikale Gedankengut es nicht nur auf Schiiten abgesehen habe, sondern auf alle nach seinem Verständnis Ungläubigen, somit auch den Westen und Christen. An diesen Diskurs knüpfte auch Rohanis Besuch im Vatikan Anfang des Jahres an, als er von Papst Franziskus im Anschluss an seinen Staatsbesuch in Italien empfangen wurde. Iran unterhält bereits seit 1953 ununterbrochen diplomatische Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl, was dem Land somit eine ideale Vorlage bietet, die Herzen und Köpfe Europas wieder für sich zu gewinnen. Die Botschaft an das christliche Abendland ist dabei eindeutig: die Islamische Republik stehe im Gegensatz zu anderen für religiöse Toleranz ein und suche den Dialog. Iran möchte die ihm gebotene Chance ergreifen, die Gunst des Westens zu Lasten Saudi-Arabiens wieder zu erlangen und das Königreich dementsprechend negativ zu porträtieren – so wie im jüngsten Gastbeitrag des iranischen Außenministers Javad Zarif in der New York Times, in dem er dazu aufruft, „die Welt vom saudisch-finanzierten Wahhabismus zu befreien“. So manche Kritik an Saudi-Arabien wirkt jedoch fragwürdig, insbesondere anbetrachts der Menschenrechtslage und den zahlreichen politisch motivierten Hinrichtungen in der Islamischen Republik.
Saudi-Arabien nimmt die gegen sich gerichtete Propaganda nicht unkommentiert hin und versucht sich seinerseits dem Westen auf verschiedenen Kanälen zu erklären und seine soft-power Maschinerie in Gang zu setzen. In Deutschland bspw. schaltete das Königreich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Dezember 2015 eine ganzseitige Anzeige mit der Absicht, das Engagement Saudi-Arabiens im Kampf gegen den internationalen Terror hervorzuheben und sein Image aufzubessern. Dies war insbesondere eine Reaktion auf das vom Bundesnachrichtendienst veröffentlichte, umstrittene Papier, in dem die „impulsive Interventionspolitik“ des Königreichs kritisiert wurde.
Zweifelsohne zeichnet die veröffentlichte Meinung im Westen spätestens seit dem Nuklearabkommen von 2015 ein weniger schmeichelhaftes Bild von Saudi-Arabien als noch zuvor. Dominierte im Westen doch jahrzehntelang das Narrativ von dem Land als wichtigstem Partner und starkem Alliierten im Nahen Osten, während Iran als Teil der „Achse des Bösen“ dämonisiert wurde. Doch nachdem Iran nun wieder salonfähig geworden ist und der Westen insbesondere das Potenzial eines Auflebens der Handelsbeziehungen vor Augen hat, scheint es so, als ob die bisher vorherrschende Stimmung in der westlichen Öffentlichkeit gekippt sei – sicherlich auch angesichts der geringeren Abhängigkeit von saudischem Öl, der unpopulären Intervention Saudi-Arabiens im Jemen-Krieg, der immer wieder aufkommenden Kritik an den umfangreichen Hinrichtungen im Königreich und der weltweiten Verbreitung wahhabitischen Gedankenguts. Für den Trend des „Saudi-Bashings“ spricht auch der Ende September verabschiedete Gesetzentwurf des US-amerikanischen Kongresses, der es Hinterbliebenen und Opfern des 11. Septembers ermöglichen soll, Saudi-Arabien wegen einer möglichen Verwicklung in die Terroranschläge auf Schadensersatz zu verklagen. Eine derartige Verstrickung wird für nicht unwahrscheinlich gehalten, da 15 der 19 Attentäter saudi-arabische Staatsbürger waren. Mit dieser Entscheidung wurde das Veto Präsident Obamas überstimmt und dessen Warnung vor außenpolitischen Konsequenzen ignoriert.
Fazit
Es bleibt festzuhalten: Saudi-Arabien und Iran sind sich der Tatsache bewusst, dass sie ihre Macht nur dann konsolidieren können, wenn sie den Rückhalt in der eigenen Bevölkerung sowie die Unterstützung durch Partnerschaften mit dem Westen erhalten. Dafür liefern sie sich einen medialen Schlagabtausch, der durch Sticheleien rund um politische und konfessionelle Feindnarrative charakterisiert wird und so den Kalten Krieg am Golf untermalt. Hoffnungen des Westens auf ein Einlenken beider Seiten hin zu konfliktsensitiver Berichterstattung und ausgewogener Sprache werden vorerst wohl nicht erfüllt. Schließlich gehört der Konflikt in beiden Staaten praktisch zur Staatsraison, es gibt keine unabhängigen Medien. Propaganda sowie Säbelrasseln sind wichtiger Bestandteil der Diplomatie. Trotzdem können Deutschland und der Westen auch weiterhin ihre Mediation anbieten und moderate Kräfte aus beiden Ländern, die eher versöhnliche Töne anschlagen, mithilfe von „Track-2-Aktivitäten“ zusammenbringen. Diese könnten sich nämlich mehr Gehör verschaffen und auf ein bestehendes Dialognetzwerk zurückgreifen, sobald die Spannungen zwischen den beiden Regionalmächten wieder abklingen. Schließlich ist die Eskalation zwischen dem Königreich und der Islamischen Republik steten Schwankungen unterworfen: Vor dem Nuklearabkommen 2015 sah es etwa noch ganz nach einer Normalisierung der iranisch-saudischen Beziehungen aus, als beispielsweise der iranische Außenminister Jawad Zarif im Januar 2015 anlässlich des Todes von Saudi-Arabiens König Abdallah einen Kondolenzbesuch in Riad abstattete. Dies wäre heute, knapp zwei Jahre später, so gut wie undenkbar, nachdem Saudi-Arabien als Reaktion auf den Angriff der Botschaft in Teheran im Januar 2016 seine diplomatischen Beziehungen zu Iran abgebrochen hat. Diese Höhen und Tiefen ziehen sich jedoch durch die Geschichte des Verhältnisses beider Länder und verdeutlichen, dass die Rivalen langfristig nicht aneinander vorbeikommen und auch in der Zukunft aufeinander zugehen werden. Dabei wird es allerdings nicht genügen, die Rhetorik zu entschärfen und gegenseitige Höflichkeitsbesuche abzustatten.
Zur gegenseitigen Vertrauensbildung müsste die Islamische Republik sich zu allererst bei der Einmischung in die Angelegenheiten der arabischen Welt zurücknehmen, insbesondere auch in Bezug auf die Unterstützung schiitischer Milizen. Dies gilt in Syrien ebenso wie im Irak, im Libanon und im Jemen. Durch eine positivere und vermittelnde Rolle in den regionalen Konflikten anstelle seiner provokativen Rhetorik könnte Iran nicht nur zu einem entscheidenden Imagewandel, sondern auch zu einer Entspannung der regionalen Auseinandersetzungen beitragen.
Saudi-Arabien und die anderen Golf-Staaten könnten ihrerseits einen Beitrag zur Deeskalation leisten, indem sie ihrer jeweiligen schiitischen Minderheitenbevölkerung eine entsprechende politische und gesellschaftliche Teilhabe einräumen, deren Verweigerung Iran bisher willkommenen Zündstoff liefert. Ebenso müsste das Königreich aktiv für eine Deeskalation militärischer Konflikte einstehen, insbesondere auch im Jemen. Des Weiteren sollten die Herrscherhäuser sich stärker dafür einsetzen, dass von ihren Staatsgebieten aus keine Gelder mehr an radikal-salafistische Gruppierungen gelangen. Darüber hinaus müsste der anti-schiitischen Propaganda, gerade auch in Schulen und Moscheen, Einhalt geboten werden. Darauf basierend könnten die beiden Antagonisten langfristig einen konstruktiven und nachhaltigen Dialog etablieren und sich für eine integrative Lösung regionaler Konflikte engagieren.
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Dr. Gidon Windecker ist Leiter des Regionalprogramms Golf-Staaten der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Peter Sendrowicz ist Programm-Manager und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Regionalprogramms Golf-Staaten.
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