Ausgabe: 1/2018
Erst kürzlich nannte sich der US-amerikanische Eisteehersteller Long Island Iced Tea Corp in Long Blockchain Corp um. Der Aktienwert des Unternehmens stieg in der Folge um 200 Prozent. Es ist offensichtlich, der Blockchain-Technologie (BT) wird zumindest aus Investorensicht eine große Zukunft prophezeit. Während das US-Unternehmen seinen Eistee in einer überschaubaren Anzahl von Geschmacksrichtungen anbietet, scheinen sich die Umrisse etwaiger Nutzungsmöglichkeiten der BT erst sehr langsam herauszukristallisieren. Eines ist dabei aber schon heute ersichtlich, die bekannten Bitcoins sind nur die Spitze des Blockchain-Eisberges.
Eine Blockchain kann im Grunde als eine wachsende Datenbank, die zugleich auf vielen Computern aktualisiert und gespeichert wird, verstanden werden. Die Datenbank arbeitet wie ein öffentliches Kassenbuch, das sämtliche Transaktionen der beteiligten Akteure chronologisch erfasst. Die Aktualisierung der Datenbank erfolgt durch eine Zusammenfassung aller Transaktionen eines bestimmten Zeitraums in Blöcken (block). Die Blöcke werden dann aneinandergereiht (chain), wobei jeder neue Block über kryptografische Verfahren unveränderlich mit allen vorhergehenden Blöcken verbunden ist. Fertig ist die Blockchain. Das Vertrauen in diese Datentechnologie bzw. Software entsteht dadurch, dass die Transaktionen für die Beteiligten transparent einsehbar, also nachvollziehbar sind und durch das Blockchain-Netzwerk dezentral und permanent überprüft werden. Die BT gilt damit – und natürlich auch wegen des hohen Verschlüsselungsaufwandes – als sicher. Mit Hilfe der BT gespeicherte Daten können nicht gelöscht werden. Nutzer können ohne Zwischeninstanz direkt mit anderen Nutzern Transaktionen durchführen, das kann alles sein, was digital darstellbar ist wie Geld, Verträge, Bilder oder Musik. Die Nutzer der Blockchain können anonym bleiben, indem sie Pseudonyme verwenden. Das eigentlich besondere an der Blockchain ist aber, dass es keine dritte Instanz mehr braucht, wenn zwei oder mehrere Personen eine Transaktion vornehmen wollen. Die Blockchain verzichtet auf einen zentralen Akteur wie eine Bank, dem sonst alle vertrauen müssten, wenn ein Geldbetrag überwiesen werden soll. Der Economist brachte dies in seiner Ausgabe zur BT mit dem Titel The trust machinedeshalb auch sehr treffend auf den Punkt.
Für die Politik eröffnet sich mit der BT eine völlig neue Dimension der Digitalisierung. Während Entwicklungen wie die künstliche Intelligenz, die Industrie 4.0 und Internet of Things bereits eine beachtliche Herausforderung für politische Entscheider und die Wirtschaft darstellen, stellt die BT die staatliche Souveränität selbst in Frage. Die Blockchain verspricht aufgrund ihres dezentralen Charakters Sicherheit und Transparenz ohne übergeordnete Instanz. Ein attraktiver Ansatz gerade für Menschen in Ländern, in denen das Vertrauen in staatliche Institutionen zerrüttet ist. In vielen Staaten Lateinamerikas trifft das zu. Anhaltende Korruption, Bankenkrisen und politische Instabilitäten lähmen die Entwicklung. Die BT setzt hier an, indem sie sich als sichere Alternative zu schwachen staatlichen Institutionen anbietet. Die daraus entstehenden potenziellen Governance-Anwendungen sind zahlreich. Noch ist Blockchain mit Ausnahme der bekannten Bitcoins und anderen digitalen Währungen eine Technologie, die sich vorwiegend in der Start-up-Szene ausprobiert. Aber große multilaterale Institutionen wie die Vereinten Nationen (VN), der globale Bankenmarkt einschließlich der staatlichen Zentralbanken sowie zahlreiche Regierungen sind schon längst im positiven wie auch negativen Sinne darauf aufmerksam geworden.
Bitcoin „kills“ Zentralbank?
Die gegenwärtig bekannteste Anwendung der BT sind Bitcoins. Diese entstehen durch die Schaffung neuer Blöcke innerhalb der bereits beschriebenen Blockchain. Dieser Prozess wiederum findet im Wettbewerb statt und belohnt denjenigen im Netzwerk, der einen neuen Block am schnellsten berechnet hat. Spezielle Rechner im Bitcoin-Netzwerk prüfen, ob der neue Block korrekt ist, also allen kryptografischen Standards entspricht. Gegenwärtig ist jeder neue Block 12,5 Bitcoins wert. Bitcoins sind für jedermann handelbar, der über ein entsprechendes Internetkonto verfügt. Die Berechnung neuer Blöcke wird aufgrund des dahinterliegenden kryptografischen Prozesses von Mal zu Mal schwieriger. In der Folge muss für jeden neuen Block ein intensiverer Rechenaufwand erfolgen. Klimaschützer kritisieren diesen Aspekt, indem sie auf den damit zusammenhängenden steigenden Stromverbrauch hinweisen. Die Warnung vor dem „Klimakiller: Bitcoin“ prägte zwischenzeitlich die Debatte. Das Problem sind vor allem die CO₂-intensiven Kohleanlagen, die gerade in denjenigen Ländern zur Stromproduktion genutzt werden, in denen zugleich viele Bitcoins erstellt werden. Neuere Ansätze versuchen dem entgegenzuwirken, indem die Stromgewinnung über erneuerbare Energien erfolgt oder energieeffizientere Computer genutzt werden. Zudem gibt es mittlerweile neuere Blockchain-Technologien, die Alternativen zum energieintensiven Mining-Prozess ermöglichen.
Der entscheidende Unterschied zwischen Bitcoins und klassischen Währungen wie dem US-Dollar oder dem Euro liegt darin, dass Bitcoins keine Zentralbank brauchen. Die Nutzer transferieren die Bitcoins auf Basis der BT dezentral untereinander. Mit den Bitcoins kann aber auch mittlerweile an vielen Orten wie Cafés oder Restaurants direkt gezahlt werden. Auch der Umtausch in andere Währungen wie den Euro oder US-Dollar ist möglich. Der Umtauschkurs von 12,5 Bitcoins (also die Schaffung eines Blocks) in Euro beträgt ca. 101.911,50 Euro (Stand: 7. Februar 2018). Ein höchst attraktiver Wechselkurs. Vor diesem Hintergrund haben sich zahlreiche Bitcoin-Mining-Farms herausgebildet. In China werden heute mit großem Abstand die meisten Bitcoins erstellt. Eine interessante Entwicklung, wenn man bedenkt, dass China den Handel mit Bitcoins gerade erst verboten hat. Hier zeigt sich auch wie schwierig es ist, den Bitcoin-Transfer zu regulieren. Man müsste schon das Internet als Ganzes kontrollieren, um effektiv dagegen vorzugehen. Aber auch in Lateinamerika, vor allem in Venezuela, wo die Energie für die rechenintensiven Prozesse besonders billig ist, werden Bitcoins trotz heftigster staatlicher Gegenwehr erstellt.
In Lateinamerika sind Bitcoins der Start-up-Szene längst entwachsen und stellen für etablierte Bankgeschäfte eine echte Alternative dar. Es verwundert deshalb nicht, dass zahlreiche Geschäfts- aber auch Privatbanken unter anderem in Argentinien, Brasilien, Mexiko und Chile versuchen, eigene Plattformen für digitale Währungen zu entwickeln. Neben den Bitcoins gibt es noch zahlreiche weitere digitale Währungen wie Ether oder Ripple. Bitcoins beherrschen jedoch gegenwärtig den Markt. Mittlerweile gibt es sogar Bitcoin-Bankautomaten von ATM.
Ein wichtiger, vielleicht sogar zentraler Auslöser für die Nutzung von Bitcoins in Lateinamerika sind Finanz- bzw. Bankenkrisen gewesen. Am deutlichsten konnte dies in Argentinien beobachtet werden. Die verfehlte Währungspolitik der Regierung Kirchner bis 2015, die im Kern eine Entwertung argentinischer Ersparnisse und eine Abkoppelung vom internationalen Finanzmarkt zur Folge hatte, führte dazu, dass Argentinier nach Alternativen suchten. Die Bitcoins stellen eine solche Möglichkeit dar: keine staatlich kontrollierte Zentralbank und keine gefälschten öffentlichen Statistiken, dafür aber die Möglichkeit, über das Internet weltweit grenzenlos Zahlungstransfers vorzunehmen. Ein Smartphone oder Computer mit Internetzugang ist ausreichend. So nahm der Handel mit Bitcoins bis zur Wahl Macris 2015 stetig zu und danach mit Öffnung der argentinischen Finanzwirtschaft langsam auch wieder ab.
Für Venezuela ist gegenwärtig wohl kein demokratisches „Happy End“ wie in Argentinien zu erwarten. Die Entwertung des venezolanischen Bolivar nimmt stetig zu. Und das staatseigene Öl-Unternehmen PDSV, das einen wachsenden Beitrag zum Staatshaushalt leistet, ist durch jahrelanges Missmanagement immer ineffizienter und unwirtschaftlicher geworden, wodurch sich die Zahlungsfähigkeit Venezuelas ebenfalls immer schwieriger gestaltet. Zuletzt von Venezuela herausgegebene Anleihen konnten nicht mehr bedient werden. Auf dem letzten Schuldengipfel gab es stattdessen Schokolade. Das gerade erst neu gewählte Parlament wurde vom venezolanischen Präsidenten Maduro durch eine systemkonforme Nationalkammer ersetzt. Und jüngst wurde den Oppositionsparteien eine Teilnahme an den Präsidentenwahlen 2018 untersagt. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr Venezolaner ihre Ersparnisse ins Ausland transferieren. Restriktive Gesetze versuchen, das zwar zu verhindern. Die Möglichkeiten der venezolanischen Regierung sind jedoch sehr beschränkt, wenn das Privatvermögen über Bitcoins transferiert wird. Nicht zuletzt auch angesichts dieser Entwicklung hat Venezuela angekündigt, eine eigene Internetwährung ähnlich den Bitcoins, den „Petro“, zu gründen. Der Petro soll durch venezolanisches Öl, Gas, Gold und Diamanten abgesichert werden. Der venezolanische Präsident Maduro kündigte zudem an, den Kryptowährungsansatz auch der OPEC vorzuschlagen. Ziel könnte es sein, internationale Finanzsanktionen zu umgehen. Inwieweit das funktioniert ist aber fraglich. Letztlich liegt die Attraktivität der Bitcoins ja gerade darin, dass keine zentrale Instanz, wie die Regierung Venezuelas im Fall des Petro, steuernd eingreift.
Die Fälle Argentiniens und Venezuelas zeigen, dass digitale Währungen wie Bitcoins auf Basis einer Blockchain mittlerweile für viele Menschen eine echte Alternative darstellen, wenn – aber nicht nur dann – im eigenen Land die entsprechenden Institutionen versagen. Der Staat verliert durch die Nutzung digitaler Währungen finanzpolitische Souveränität. Das kann positiv sein, wenn Regierungen die Finanzpolitik zum Nachteil ihrer Bürger missbrauchen und eine Entwertung der eigenen Währung für den Machterhalt nutzen. Bolivien und Ecuador haben vor diesem Hintergrund Bitcoins offiziell aber bisher mit wenig Erfolg verboten. Das kann aber auch außerordentlich negativ sein, wenn der Staat den Finanzrahmen ändern muss, um globale Krisen zu bewältigen, und ihm dann die Instrumente fehlen. Schon heute beschäftigen sich zahlreiche Zentralbanken mit digitalen Währungen. Sie gehen dabei auch der Fragestellung nach, inwieweit sie selbst auf Blockchains zurückgreifen sollten. Tunesien und der Senegal haben ihre Zentralbank auf eine Blockchain umgestellt. Auf der kürzlich abgehaltenen Wirtschaftskonferenz in Davos nahm das Thema Blockchain im Bankensektor eine prominente Rolle ein. Im Rahmen der kommenden G20-Präsidentschaft Argentiniens soll das Thema Kryptowährungen auf Wunsch europäischer Regierungen wie Frankreich oder Deutschland aufgegriffen werden. Insgesamt zeigt sich ein sehr heterogenes globales Regulierungsbild für digitale Währungen. Von vollständigen Finanzmarktintegrationen, Analysen, Pilotprojekten und Totalverboten ist alles dabei. Insgesamt ist dabei jedoch eine Entwicklung hin zu mehr Regulierung zu beobachten. Besorgniserregend ist jedoch der Trend, dass digitale Währungen zunehmend von autoritären Regimen aktiv genutzt werden, um Kapitalmarktkontrollen und Finanzsanktionen zu umgehen. Neben Venezuela verkündete Belarus die Einführung einer entsprechenden Währung. Für Nordkorea ist der Umgang mit Bitcoins ebenfalls nichts Neues. Aber auch Russland zeigt nun Interesse an der Entwicklung eines eigenen „Krypto Rubels“, um vor allem Kapitalmarktsanktionen der US-Regierung zu umgehen.
Für Zentral- bzw. Notenbanken müssen digitale Währungen nicht zwingend als Konkurrenz verstanden werden. Digitale Währungen können eine wichtige Stabilitätsfunktion in Krisen einnehmen. Wenn ein Staat von einer finanziellen oder anders gearteten politischen Krise erfasst wird, haben die Bürger die Möglichkeit, auf eine staatenlose Ebene mit ihrem Vermögen auszuweichen, um Inflation und Marktbarrieren zu umgehen. Zugleich erhalten sie weiterhin die Möglichkeit, Investitionen in ihrem Land vorzunehmen. Für Zentralbanken kann diese Ausweichmöglichkeit durchaus einen disziplinierenden Charakter haben. Notwendige Reformen müssten schneller vorgenommen werden, da die Zentralbank kaum noch für politischen Missbrauch taugen würde.
Aus der entwicklungspolitischen Perspektive ist vor allem die Frage entscheidend, inwieweit eine staatenlose Währung zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen beitragen kann. Die Blockchain setzt damit an einem der größten entwicklungspolitischen Hindernisse Lateinamerikas an, dem informellen Sektor. Viele Menschen sind öffentlich nicht erfasst und erhalten deshalb auch keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen. Die Unabhängigkeit der digitalen Währung von Staaten führt zwangsläufig dazu, dass regionale Einschränkungen in Bankensektoren, wie der Zugang zu internationalen Finanzmärkten oder internationale Geldtransfers, überwunden werden können. Auch der Umtausch in fremde Währungen erfolgt ohne nationale Einschränkungen. Kleinstkredite können so auch leichter dort ermöglicht werden, wo kaum eine Bankeninfrastruktur besteht. Investitionen und der Betrieb von internationalen Geschäftsdependancen in Regionen mit hohen Kapitalmarkthürden oder Inflationsrisiken würden erheblich erleichtert werden. Es ist deshalb denkbar, dass digitale Währungen in der Lage sind, Finanzrisiken für Investitionen in Entwicklungs- und Schwellenländern zu senken. Gerade kleine Unternehmen und Gründer in Lateinamerika könnten davon enorm profitieren.
Tabelle 1: Bitcoin-Regulierung in Lateinamerika
In der aktuellen Diskussion sind vor allem die Preis-Volatilitäten von Bitcoins und ihre Auswirkungen auf das Finanzsystem insgesamt von Bedeutung. Zahlreiche Persönlichkeiten aus der Finanz- und Bankenwelt warnten und warnen davor, dass die Bitcoins eine Blase sind und ein Zusammenbruch nur noch eine Frage der Zeit ist. Schon 2013 trug ein Beitrag in der New York Times-Kolumne des Ökonomie-Nobelpreisträgers Paul Krugmann den Titel „Bitcoin is Evil“. Jüngst schaltete sich sogar der Generaldirektor der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ, also der „Notenbank der Notenbanken“), Agustín Carstens, mit folgender Aussage in die Debatte ein: „Was vielleicht ursprünglich als alternatives Zahlungssystem ohne staatliche Beteiligung gedacht war, ist inzwischen zu einer Mischung aus Finanzblase, Schneeballsystem und Umweltkatastrophe geworden“. Die Gefahr einer Blase ist sicherlich real, aber für die grundlegende Stabilisierungsfunktion, die Bitcoins für das Vermögen von Menschen in fragilen Staaten übernehmen könnten, nicht wirklich relevant. So zeigen Volatilitäten erst einmal nur, dass digitale Währungen wie auch andere Währungen klassischen finanzökonomischen Kräften, unter anderem der Spekulation, unterliegen. Insofern steht es den Anlegern dieser Währung auch frei, sie umzutauschen. Mit Blick auf die jüngsten Abwertungen des Bitcoins (siehe Abb. 1) haben auch erste Kapitalmarktgesellschaften begonnen, Bitcoins aus ihren Portfolios zu entfernen und sich an etwaigen Spekulationen nicht weiter zu beteiligen. Facebook hat sogar die Werbung für digitale Währungen in seinem Netzwerk verboten. Es findet quasi eine privatwirtschaftliche Selbstregulierung statt, die einen staatlichen Eingriff, wie von vielen Zentralbankern gefordert, unnötig erscheinen lässt. Darüber hinaus ist ihr Anteil am globalen Finanzmarkt im Vergleich zu anderen Währungen wie dem US-Dollar oder dem Euro geradezu marginal. Es gab im Übrigen auch vorher schon diverse Bitcoin-Crashs. Im Anschluss ist der Wert aber immer wieder deutlich gestiegen. Der Vorwurf eines Schneeballsystems, bei dem Investoren betrügerisch dazu angereizt werden, die Erträge anderer Investoren zu finanzieren, ohne untereinander davon zu wissen, trifft wohl ebenfalls nicht zu. Im Fall der Bitcoins gibt es schlicht keine zentrale Instanz, die betrügerisch tätig werden könnte.
Ein Problem ergibt sich allerdings hinsichtlich der Steuerfrage. Gerade finanzschwache Staaten mit einem großen informellen Sektor sind auf Steuereinnahmen angewiesen. Bitcoins und Co. sind schwer zu kontrollieren und können durchaus dazu führen, dass Einnahmen nicht erfasst werden. Eine der vermutlich bekanntesten Schwächen aber auch Stärken digitaler Währungen wie Bitcoins ist die Anonymität der Nutzer. Im positiven Sinne können damit korrupte oder fragile Regime umgangen werden. Dies kann aber auch genutzt werden, um Handel mit illegalen Gütern wie Waffen und, gerade in Lateinamerika, mit Drogen zu treiben. Allerdings haben es Strafverfolgungsbehörden insbesondere in den USA in den vergangenen Jahren geschafft, den illegalen Handel, zumindest über Bitcoins, zurückzudrängen. So gibt es mittlerweile Softwares, die Bitcoin-Bewegungen und damit auch illegale Aktivitäten sehr genau nachverfolgen können. Neuere Kryptowährungen können solche Softwareprogramme jedoch austricksen, sodass ein Graubereich bleibt. Auf der anderen Seite nimmt auch der Diebstahl digitaler Währungen selbst zu. Hackern gelingt es immer wieder, durch komplexe Online-Attacken in den Besitz digitaler Währungen zu gelangen. Ziele können dabei Kryptobörsen wie zuletzt die japanische Coincheck – hier wurden umgerechnet 429 Millionen Euro entwendet – oder auch private Internetkonten (Wallets) sein. Solche Diebstähle werfen ein negatives Licht auf Kryptowährungen. Aber wie bei allen technischen Innovationen wird wohl auch hier aufseiten der Verbraucher und Entwickler ein Lernprozess in punkto „Kryptowährungssicherheit“ durchlaufen werden müssen. Die Nutzung digitaler Währungen wird dadurch aber langfristig voraussichtlich nicht gebremst werden.
Abb. 1: Wertentwicklung des Bitcoins in US-Dollar
Insgesamt ergibt sich für digitale Währungen wie Bitcoins aus der Governance-Perspektive ein ambivalentes Bild. Bitcoins oder andere digitale Währungen, die auf Grundlage einer Blockchainoperieren, haben grundsätzlich das Potenzial, Einflussmöglichkeiten der Zentralbanken zu verringern. Das muss aber nicht schlecht sein, da die politische Einflussnahme auf Zentralbanken dadurch auch eingeschränkt werden könnte und damit ebenfalls der Missbrauch. Die Unabhängigkeit von Zentralbanken könnte somit gestärkt werden. Die größte Herausforderung wird deshalb vermutlich darin bestehen, den finanzpolitischen Souveränitätsverlust zu akzeptieren und nicht zu versuchen, ihn zu verhindern. Die digitalen Währungen bergen enorme Chancen für Menschen in fragilen Staaten und für jene, die bisher keinen Finanzmarktzugang haben. Vor diesem Hintergrund darf es auch autoritären Regimen nicht gelingen, digitale Währungen zur Umgehung von Kapitalmarktkontrollen zu missbrauchen. Die Folge wäre eine Diskreditierung digitaler Währungen an sich und den damit verbundenen entwicklungspolitischen Möglichkeiten.
Potenzielle Governance-Anwendungen: Nachhaltigkeitszertifizierung
Eine der wesentlichen Anwendungsmöglichkeiten für die Nutzung der Blockchain-Technologie wird in der Offenlegung von Wertschöpfungsketten gesehen. Wie bereits eingangs beschrieben, erfasst die Blockchain jede Transaktion und hält diese unveränderlich fest. Für Endverbraucher sind die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards vom Ursprung bis zum Ende einer Produktion heute von großem Interesse. In vielen Ländern wurden vor diesem Hintergrund Richtlinien und Verordnungen erlassen, die die Einhaltung solcher Standards sicherstellen sollen. Vor allem in Lateinamerika gibt es dazu viele Vorschriften, die aber schlicht nicht umgesetzt werden. Für Unternehmen erwachsen daraus hohe Kosten. Sie müssen sämtliche Produktions- und Verarbeitungsschritte zentral dokumentieren. Wenn andere Unternehmen involviert sind, müssen sie die entsprechenden Berichte einfordern. Dieser Prozess ist nicht nur teuer, sondern wegen lokaler Mittelsmänner auch oft fehler- und fälschungsanfällig. Die staatlichen Kontrollinstanzen können hier nur wenig entgegenwirken. Und gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern hat die zwingende Einhaltung solcher Standards nur eine geringe politische Priorität. Externe Zertifizierungsdienstleister werden deshalb oftmals hinzugezogen, um die Einhaltung von Standards zu garantieren. Es hat sich quasi eine eigene Zertifizierungsindustrie entwickelt. Aber auch damit bleibt eine Grauzone zwischen dem, was berichtet wird, und dem, was vor Ort in Praxis tatsächlich geschieht.
Die BT kann Wertschöpfungsketten ohne Zwischeninstanzen vollständig und einsehbar offenlegen. So gibt es erste Versuche, die Kaffeeproduktion – immerhin eines der Hauptexportgüter Lateinamerikas – über eine Blockchain transparent zu machen. Das Start-up Bext360 hat kopiermaschinengroße Kioske entwickelt, die von Kaffeebohnenproduzenten im Ursprungsland genutzt werden können, um die Qualität und den Preis der Bohnen direkt zu erfassen. Dazu werden die Bohnen in die Maschine gefüllt, fotografiert und mittels künstlicher Intelligenz bzw. Software-Algorithmen ausgewertet. Der Produzent erfährt sofort Qualität und Preis der Bohnen. Eine dritte Instanz (Person oder Unternehmen), die das bisher gemacht hat, ist nicht mehr notwendig. Die Kaffeebohnen können jetzt in jeder weiteren Verarbeitung bis zum Genuss im Café oder Büro eindeutig identifiziert werden. Dazu können neben den Informationen zum Ursprungsland natürlich auch weitere Informationen wie Anbau- und Arbeitsbedingungen transparent abgebildet werden. Das Start-up Provenance hat sich genau dieser Thematik verschrieben und eine Software dazu entwickelt. Aber nicht nur die Mittelsmänner der Kaffeeproduktion würden überflüssig werden, auch teure Zertifizierungssysteme müssten ihr Geschäftsmodell überdenken.
Klimaschutz
Noch größer wäre die Bedeutung einer transparenten und fälschungssicheren Wertschöpfungskette, wenn die Klimaschutzfunktion des Amazonas-Regenwaldes in einer Blockchainerfasst werden könnte. Aufgrund seiner Größe beeinflusst der Amazonas das globale Klima erheblich. Der Waldbestand funktioniert quasi als globale Lunge, die klimaschädliches CO₂ aufnimmt und speichert. Der Erhalt des lateinamerikanischen Waldes ist deshalb Gegenstand vieler nationaler und multilateraler Schutzprogramme, die einen guten politischen Rahmen für Blockchain-Start-ups bieten. Die VN versuchen, unter anderem über ihr Programme on Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation in Developing Countries (UN-REDD) Waldeigentümer mit finanziellen Gegenleistungen bzw. Alternativnutzungsmodellen von der Abholzung abzuhalten. Die Finanzierung des Programms kann dabei direkt über Fonds erfolgen oder über die Ausgabe von CO₂-Zertifikaten, die wiederum an die Industrie veräußert werden, die entsprechende Nachweise brauchen. Heute nehmen 16 lateinamerikanische Staaten am UN-REDD teil. Außerdem ist das Programm als Bestandteil in nahezu fast allen nationalen Klimaschutzplänen (NDCs) der lateinamerikanischen Staaten ausgewiesen. Für die Zukunft ist davon auszugehen, dass CO₂-Zertifikate bzw. die Bepreisung von CO₂ über ein Emissionshandelssystem oder über Steuern weiter an Bedeutung gewinnen werden. So sind CO₂-Märkte im Klimaabkommen von Paris, das in den kommenden Jahren sukzessive umgesetzt wird, als Klimaschutzinstrument aufgeführt. Die Mitgliedstaaten der Pazifik-Allianz, Peru, Kolumbien, Chile und Mexiko, einigten sich darauf, CO₂ in Zukunft zu bepreisen und im Rahmen eines freiwilligen Emissionshandels zu kooperieren. Außerdem verabschiedeten Kanada, Kolumbien, Costa Rica, Chile, Mexiko sowie die Gouverneure von Kalifornien, Washington, Alberta, British Columbia, Nova Scotia, Ontario und Quebec eine Deklaration zur überregionalen Kooperation in der CO₂-Bepreisung in ganz Amerika. Weitere Initiativen wie die International Carbon Action Partnership (ICAP) oder Carbon Pricing Leadership Coalition wollen diesen Ansatz sogar weltweit voranbringen.
Start-ups aber auch etablierte Unternehmen versuchen bereits, von diesen politischen Rahmenbedingungen zu profitieren, indem sie CO₂-Zertifikate über eine Blockchain erfassen und handelbar machen. Das Start-up CarbonX verfolgt bspw. den Ansatz, Zertifikate aus dem UN-REDD-Mechanismus zu nutzen. Zertifikate werden dabei in eine digitale Währung auf Basis einer Blockchain umgewandelt und Unternehmen gegeben, die damit wiederum für Konsumenten einen Anreiz zum Kauf umweltfreundlicher bzw. nachhaltiger Produkte schaffen. Der Konsument erhielte also für den Kauf lokaler Produkte, die nicht CO₂-intensiv eingeflogen werden mussten, eine bestimmte Menge der digitalen Währung. Diese kann er dann wiederum nutzen, um andere Produkte zu kaufen. Der Ansatz ermöglicht es, CO₂-Zertifikate aus dem Waldschutzprogramm UN-REDD an den Endkonsumenten zu bringen.
Andere Ansätze wie die Unternehmenskooperation zwischen IBM und dem chinesischem Energy Blockchain Lab gehen einen Schritt weiter, indem sie Emissionshandelssysteme auf eine Blockchain-Basis umstellen wollen. Ein Emissionshandel auf Basis einer Blockchain hätte auch das Potenzial, CO₂-Zertifikate auf der ganzen Welt zu erfassen und ohne Ländergrenzen handelbar zu machen. Insbesondere Lateinamerika mit seinen riesigen Waldbeständen könnte davon finanziell profitieren. Wenn bspw. ein Kohlekraftwerkbetreiber in Europa verpflichtet ist, CO₂-Zertifikate vorzuweisen, da er CO₂ emittiert, dann könnte er über das dezentrale Blockchain-Netzwerk die entsprechenden Anbieter, z. B. Waldbesitzer in Lateinamerika, ausfindig machen. Das Zertifikat ist für alle einsehbar und verifiziert. Denkbar ist dann auch die Anwendung von Smart-Contracting-Modellen, um den Handel abzusichern. Danach würden Automatismen wie die Verwirkung von CO₂-Zertifikaten aktiviert, wenn bspw. ein Waldstück, das für ein CO₂-Zertifikat steht, abgeholzt wird. Im gleichen Atemzug würde der Automatismus auch eine Regressforderung (Zahlungsausgleich z. B. über Bitcoins und Co.) für den Nutzer des Emissionszertifikats beinhalten. Die Blockchain-Technologie könnte dem Emissionshandel am Ende zum globalen Durchbruch verhelfen.
Saubere Energie
Lateinamerika hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der attraktivsten Standorte weltweit für Investitionen in erneuerbare Energien entwickelt. Der wirtschaftsliberale Kurs vieler Länder wie Mexiko, Chile, Kolumbien, Peru oder Argentinien hat dazu geführt, dass sich vor allem die bisher besonders verschlossenen Energiemärkte schrittweise öffnen und modernisieren. Zu dem vielleicht wichtigsten regulatorischen Instrument für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Lateinamerika gehören dabei Auktionen. Aufgrund der hohen Konkurrenz konnten die Kosten für neue Wind- und Photovoltaikanlagen in der ganzen Region kontinuierlich reduziert werden. Bei den jüngsten Auktionen 2016 in Peru und Mexiko sind sogar Preise erreicht worden, die in Konkurrenz zur im Stromsektor dominanten Wasserkraft stehen. In Mexiko und Chile sind die Preise im weltweiten Vergleich am niedrigsten.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Lateinamerika könnte durch die Blockchain-Technologie einen weiteren Schub erhalten. Es wird davon ausgegangen, dass sie sich auf nahezu alle Bereiche der Wertschöpfungskette in der Energiewirtschaft auswirken wird. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht sechs potenzielle Bereiche. Profitieren könnten
die Ladeinfrastruktur im Bereich der Elektromobilität,
- die Zertifizierung von Energieprodukten,
- Nachbarschaftsmodelle,
- Systemdienstleistungen,
- Stromgroßhandel und
- das Asset-Management.
Die größten Veränderungen in der lateinamerikanischen Energiewirtschaft könnten sich durch neue Nachbarschaftsmodelle und die Grünstromzertifizierung ergeben. So erlaubt die Blockchainden direkten Handel mit Strom in der Nachbarschaft. Hat bspw. jemand ein Photovoltaikmodul auf dem Dach oder eine Windkraftanlage im Garten, dann kann er damit gewonnenen überschüssigen Strom direkt an die Nachbarschaft verkaufen. Zentrale Stromvermittler wären damit nicht mehr notwendig. Die dezentrale Stromversorgung könnte damit gerade in Lateinamerika, wo die Netzanbindung in ländlichen Regionen immer noch sehr schlecht ist, eine attraktive Alternative sein. Die Grünstromzertifizierung auf der anderen Seite erlaubt die Offenlegung des Ursprungs des Stroms, der verbraucht wird. Ist es dem Stromverbraucher wichtig zu wissen, dass sein Strom tatsächlich aus erneuerbaren Energien stammt, kann er dies über eine Blockchain zweifelsfrei in Erfahrung bringen. Das Start-up SolarCoin hat sogar eine eigene digitale Währung dazu herausgegeben. Damit erhält jeder Besitzer einer Solaranlage, der sich bei SolarCoin registriert, für jede Megawattstunde Strom einen SolarCoin. Mit diesen kann dann gehandelt werden. Gegenwärtig ist ein SolarCoin ca. fünf Eurocent (Stand: 8. Februar 2018) wert. In Lateinamerika nehmen Unternehmen aus Mexiko, Brasilien, Argentinien, Chile, Peru und Kolumbien daran teil. Man stelle sich nur vor, wie viele SolarCoins es gäbe, wenn alle Anlagen für erneuerbare Energien daran teilnähmen, und welch attraktive weitere Einnahmequelle sich daraus für Investoren bzw. Eigentümer von Solarkraftwerken ergäbe. Das Grünstromzertifizierungsmodell könnte auch genutzt werden, um die regionale Wertschöpfung im Bereich des Ausbaus erneuerbarer Energien zu fördern. So könnten SolarCoins und Co. auch eine regionale Komponente im Besonderen honorieren.
Landeigentum
Die Erfassung von Landeigentumsverhältnissen in Lateinamerika ist keine einfache Angelegenheit, die „mal eben“ mit einem Grundbuch- und Katasteramt umgesetzt werden kann. Nicht nur weil eben jene Ämter oftmals anfällig für Korruption sind, sondern auch weil der rechtsstaatliche Rahmen insgesamt dafür oftmals nicht gegeben ist. In vielen Ländern Lateinamerikas kam es in den vergangenen Jahrzehnten zudem aus den unterschiedlichsten politischen und historischen Gründen zu erheblichen Neuverteilungen der Landeigentumsverhältnisse. Vor allem die zunehmende Landwirtschaft, der Bergbausektor, die Waldwirtschaft und die Nutzung von Wasserkraft, aber auch die Suche nach Ölvorkommen veränderten und verändern die Landeigentumsverhältnisse in vielen lateinamerikanischen Staaten zunehmend. Dieser Prozess war und ist anfällig für ein hohes Maß an Korruption. So wurde 2015 der peruanische Rechtsanwalt und Unternehmer Rodolfo Orellana in diesem Kontext festgenommen. Er fälschte Dokumente mithilfe eines Netzwerks aus Rechtsanwälten und Notaren, um an Besitzurkunden für Ländereien in Peru zu gelangen. Die peruanischen Behörden trugen ihn auf dieser Grundlage als Eigentümer in das offizielle Eigentumsverzeichnis ein. Anschließend wurden die gestohlenen Ländereien verkauft. Er konnte damit Millionenbeträge verdienen.
Die Blockchain-Technologie könnte hier in besonderer Weise zur Anwendung kommen, um Korruption zu verhindern. Landeigentumsverhältnisse könnten zweifelsfrei in einer Blockchain übertragen werden, wo sie transparent, nicht fälschbar und dauerhaft festgehalten werden. Honduras hat genau diesen Weg 2015 eingeschlagen. In Kooperation mit dem US Start-Up Fatcom soll eine Blockchain erarbeitet werden, die die Besitzansprüche aufführt. Allerdings ist gegenwärtig nicht klar, inwieweit das Projekt bisher Fortschritte erzielt hat. In Brasilien hat ein weiteres Start-up, Ubitquity LLC, in Zusammenarbeit mit dem brasilianischen Cartório de Registro de Imóveis (Grundbuchamt) begonnen, eine Blockchain-Lösung für die Dokumentation von Eigentumsverhältnissen zu erarbeiten. Das Pilotprojekt soll zunächst in den Regionen Pelotas und Morro im Süden Brasiliens stattfinden. Der CEO von Ubitquity LLC äußerte sich zum Projekt mit den Worten: „The blockchain allows ownership and title disputes to be handled in a fair and transparent fashion, and serves as a backup in case the original is destroyed or misplaced.“
Eigentumsverhältnisse, die auf einer Blockchainabgebildet werden, sind sicher und können nachvollziehbar übertragen werden. Neben der Eindämmung illegaler Landverkäufe bzw. Inbesitznahmen können damit auch erhebliche Kosten gespart werden. Die übliche dritte Instanz, der Notar, wäre damit im Grunde überflüssig.
Fazit
Die BT kann sehr grundlegend zur zukünftigen Entwicklung Lateinamerikas beitragen. Sie bietet eine durchsetzungsfähige Alternative zu schwachen staatlichen Instanzen, um demokratisch legitimierte Gesetze und Normen, die bisher nur eingeschränkt oder überhaupt nicht angewendet wurden, einzufordern. In der Folge könnten demokratische Strukturen mithilfe der BT vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern neue Legitimität erhalten. Dieser Umstand spiegelt sich schon heute exemplarisch zwischen der dezentral organisierten Bitcoin-Währung, die als eine Art Ausweichwährung für politisch missbrauchte Zentralbanken funktioniert, wider. Auf der anderen Seite kann die Technologie selbst missbraucht werden, wie die zunehmende Nutzung digitaler Währungen durch autoritäre Regime zur Umgehung von internationalen Kapitalmarktschranken zeigt. Auch der Handel mit illegalen Gütern kann kaum eingedämmt werden. Schwierig ist sicherlich auch der Umstand, dass eine Blockchain nichts vergisst. Sollten also öffentliche Verwaltungen oder Social-Media-Dienste auf einer Blockchain-Basis arbeiten, wird es voraussichtlich sehr schwer für ein Recht auf Vergessen. Entscheidend für den zukünftigen Umgang mit der BT ist deshalb, dass ihr von freien und demokratischen Gesellschaften ein weitestgehend freier Entwicklungsrahmen zugestanden wird. Dafür braucht es politischen Mut und Vertrauen. Nur so kann es gelingen, dem Missbrauch der BT durch autoritäre Regime entgegenzuwirken und die damit einhergehenden Chancen langfristig zu nutzen.
In der unmittelbaren Praxis zeigen sich zudem schon heute zahlreiche Anwendungsfelder für die BT in Lateinamerika, die einen positiven Nutzen initiieren könnten. Die Offenlegung von Wertschöpfungsketten mit der BT kann lokalen Produzenten zu neuen Einkommen verhelfen. Der Klima- und Waldschutz könnte durch den Blockchain-Handel mit CO₂ verbessert werden und ebenfalls neue Einkommensquellen schaffen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien könnte einen weiteren Schub erhalten. Landeigentumsverhältnisse könnten transparent und dauerhaft sichergestellt werden. Das sind nur einige Beispiele von vielen, an denen sich gegenwärtig vor allem Start-ups in Lateinamerika abarbeiten. Nicht alle werden eine tragfähige Geschäftsgrundlage erreichen, aber einige werden den Durchbruch schaffen und langfristig zur positiven Entwicklungen in der Region beitragen.
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Dr. Christian Hübner ist Leiter des Regionalprogramms Energiesicherheit und Klimawandel in Lateinamerika der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Lima, Peru.
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