Ausgabe: Sonderausgabe 2022/2022
Moskaus Propagandamaschine zur Verteidigung der Aggression gegen die Ukraine setzt in Afrika genau dort an, wo alte Beziehungen bestehen: in den ehemaligen Volksrepubliken wie der Republik Kongo und eben Mosambik sowie bei früheren Befreiungsbewegungen wie dem südafrikanischen African National Congress (ANC), die die UdSSR früher in ihren Kämpfen gegen den Kolonialismus unterstützt hat. Und man pflegt die Beziehungen zu Geschäftspartnern in Afrika, mit denen man Minen betreibt, denen man Militärgüter verkauft und militärische Beratung und Söldnerdienste anbietet, wie in Mali oder der Zentralafrikanischen Republik. Die Strategen in Moskau wussten schon vor dem Krieg, dass es nicht nur für die Geschäfte, sondern auch für Abstimmungen in der UN-Vollversammlung wichtig ist, viele afrikanische Staaten auf ihre Seite zu ziehen. So lud Putin im Oktober 2019 Dutzende afrikanischer Staats- und Regierungschefs zu einem Russland-Afrika-Gipfel nach Sotschi ein.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine wird von einer Mehrheit afrikanischer Regierungen als „Krieg des weißen Mannes“ betrachtet. Man gibt sich in Südafrika, Senegal oder Äthiopien formal neutral. Gesprochen wird aber fast ausschließlich mit Moskau. Der Vorsitzende der Afrikanischen Union, Senegals Präsident Macky Sall, besuchte Putin in Sotschi. Russlands Außenminister Sergej Lawrow bereist afrikanische Hauptstädte, applaudiert wird ihm dabei von einer Garde junger Politiker in Äthiopien oder Uganda, die keine Erinnerung an die UdSSR haben, aber felsenfest überzeugt scheinen, Russland sei nie eine imperiale Macht gewesen und habe niemanden kolonisiert. Auf Twitter feiert der Sohn von Ugandas Langzeitherrscher Museveni die Russen, auch junge Leute aus dem Umfeld des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma gerieren sich als Putin-Anhänger. Wenn dann noch Südafrikas Verteidigungsministerin Thandi Modise im August an einer Militärkonferenz in Moskau teilnimmt, kann das nur als eindeutiges Zeichen nach innen wie außen gewertet werden, dass man treu an der Seite Putins stehe.
Doch Russland vertraut nicht allein auf diese guten Beziehungen. Besonders rege sind die Social-Media-Abteilungen der russischen Botschaften: Sie drängen auf Gegendarstellungen, platzieren lange Meinungsstücke von Außenminister Lawrow oder schicken Leserbriefe, in denen das offizielle Narrativ vertreten wird. Kurz nach Kriegsbeginn bedankte sich die russische Botschaft in Pretoria auf Twitter bei den vielen Südafrikanern, die Russland Zeichen der Sympathie und Unterstützung für die Militäroperation in der Ukraine entgegengebracht hätten, bei der es schließlich um die Befreiung des Landes von Neonazis gehe. Die Deutsche Botschaft konterte entgegen allen diplomatischen Gepflogenheiten mit einem viel beachteten Tweet: Es gehe hier nicht um Neonazis, sondern dieser russische Angriff töte unschuldige Menschen. Doch deutsche Diplomaten und Stiftungsvertreter klagen, wie schwer es geworden sei, von westlichen Werten wie Gewaltenteilung und der Bedeutung einer freien Presse zu sprechen, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz zeitgleich den saudischen Kronprinzen besucht, der laut US-Geheimdiensten den Mord an dem kritischen saudischen Journalisten Jamal Khashoggi befohlen haben soll.
Als kürzlich in Malis Hauptstadt Bamako und in Ouagadougou, der Kapitale des benachbarten Burkina Faso, die Militärs putschten, wurden bald darauf Wimpel in den Nationalfarben Russlands geschwenkt. Das Digital Forensic Research Lab des Atlantic Council in den USA hat seit Februar 2022 koordinierte Facebook-Kampagnen der Russen registriert, in denen es gegen den Westen, speziell gegen Frankreich, ging. RT, der in der EU formal mit Sendeverbot belegte Propagandasender, der früher Russia Today hieß, ist ebenfalls auf dem afrikanischen Kontinent aktiv. Seitdem das RT-Programm vom populären Satelliten-TV-Anbieter Multichoice aus dem Programm genommen wurde, wird es nun per chinesischem Satelliten angeboten. Ende Juli erklärte RT, dass man einen englischsprachigen Newsroom in Johannesburg eröffnen wolle. Leiterin soll die Südafrikanerin Paula Slier werden, die früher das RT-Büro in Israel geleitet hat. Die Unruhe unter seriösen Journalisten in Südafrika ist beträchtlich, geht es doch um die Frage, wer in Zukunft welches öffentliche Narrativ bestimmt. Schon jetzt bietet RT sein Material kostenlos auch öffentlich-rechtlichen Sendern auf dem Kontinent zur Weiterverbreitung an.
In Mosambik ist wenige Monate nach dem Besuch der Vorsitzenden des Föderationsrats Matwijenko immerhin die Einsicht gewachsen, dass man es sich nicht ganz mit Europa und dem Westen verderben sollte. So muss sich der russische Botschafter in Interviews mit kritischen Journalisten unangenehme Fragen gefallen lassen. In der Parteizeitung Notícias, so klagen europäische Diplomaten in Maputo, werde er regelmäßig auf Seite eins zitiert, die europäische Position komme gar nicht oder nur auf den hinteren Seiten vor. Aber Mosambiks Präsident Filipe Nyusi habe immerhin mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert, auch sei der ukrainische Botschafter in Maputo empfangen worden.
Europäische Positionen müssen in dieser Auseinandersetzung mit Moskau viel präsenter werden, um Desinformation zu entlarven beziehungsweise zu „debunken“, wie es bei den Faktencheckern heißt. Dazu braucht es mehr Ressourcen als die bisher in Berlin und Brüssel eingesetzten Mittel gegen Desinformation. Vor allem aber braucht es politische Entschlossenheit, mit der die immense Gefahr der russischen Propaganda als solche benannt wird. Denn Russlands Desinformation richtet großen Schaden an – in Europa und eben auch in Afrika.
Christoph Plate ist Leiter des Medienprogramms Subsahara-Afrika der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Johannesburg, Südafrika.