Ein von gefestigten Demokratien dominiertes (geo-)politisches Umfeld stellt sowohl eine reale als auch eine symbolische Bedrohung für das Fortbestehen autokratischer Regime dar. Die Regierungen Russlands, Chinas, Irans oder Saudi-Arabiens haben sich das außenpolitische Ziel gesetzt, diese Verhältnisse zu untergraben und sich die Unterstützung von Ländern mit ähnlichen politischen Werten zu sichern. Im Falle Russlands zielen die globalen Bestrebungen der eurasischen Macht unter der Regierung Wladimir Putins darauf ab, seine Möglichkeiten zur autokratischen Einflussnahme über die Medien, die akademische und kulturelle Zusammenarbeit und andere Instrumente von sharp power zu stärken. Dieser Einfluss hat autokratische Regierungen in Lateinamerika gestärkt und legitimiert sowie deren Handlungsspielraum erweitert. Er wirkt auf innerstaatliche Prozesse genau wie auf regionale und internationale Abstimmungsprozesse.
Wir erleben derzeit eine weltweite Zunahme der Zusammenarbeit autokratischer Akteure durch unterschiedliche Aktionen und Strategien – mit unmittelbaren oder langfristigen, ideologischen oder pragmatischen, taktischen oder strategischen Zielen –, die alle den gemeinsamen Zweck haben, das konkurrierende politische Modell, die liberale Demokratie, zurückzudrängen. Diese zunehmende Einflussnahme autokratischer Akteure wird gelegentlich als ein Prozess betrachtet, bei dem Ideen und Werte keine Rolle spielen. Es lässt sich aber hinter dieser Ausbreitung ein gemeinsamer ideologischer Nenner ausmachen, den man als Illiberalismus bezeichnen kann. Dieser Illiberalismus ist eine dehnbare und umfassende Weltanschauung von Akteuren, Bewegungen und Regimen, die den Pluralismus, wie wir ihn in der Welt nach Beendigung des Kalten Krieges gesehen haben, ablehnen. Diese Weltanschauung verteidigt ein Modell von Führer und Volk, ohne zwischengeschaltete Institutionen. Sie fördert Protektionismus und einen oligarchischen, neopatrimonialistischen Kapitalismus. Sie bevorzugt eine essenzialistische Definition von Nation. Sie legt Begriffe der politischen Sprache wie Souveränität, Einmischung und Demokratie neu aus, um politische und rechtliche Maßnahmen zur Wahrung der demokratischen Grundsätze und der Rechtsstaatlichkeit verzerren zu können.
Auf globaler und regionaler Ebene wird die Verbreitung illiberaler Ideen und Werte autoritärer Mächte gegenüber gleichgesinnten Regierungen und bestimmten Gesellschaften zunehmend sichtbar. Sie wird unter anderem durch den Einsatz von öffentlicher Diplomatie, den Einfluss von Medien, durch Investitionsströme und Infrastrukturentwicklung erreicht. So hat es beispielsweise die „COVID-19-Diplomatie“ während der Pandemie ermöglicht, Vereinbarungen über Impfstoffe und Krankenhausbedarf zu treffen, die Russland zu einem wichtigen Lieferanten dieser Güter für Länder wie Nicaragua und Venezuela haben werden lassen. Hinzu kommt der Austausch von Technologien und Propagandanarrativen, die kulturelle Werte und politische Vorstellungen verbreiten, die denen pluralistischer Gesellschaften fremd sind.
Die Dehnung des politischen Wortschatzes hat es dem russischen Regime beispielsweise ermöglicht, die Invasion in der Ukraine als eine „militärische Spezialoperation“ darzustellen – ein Narrativ, das von den autokratischen Partnerländern in Lateinamerika sogleich aufgegriffen wurde. Diese Umdeutung des Einmarsches ermöglicht es den lateinamerikanischen Autokraten, den offensichtlichen Widerspruch zum von ihnen in kämpferischen Reden sonst immer hochgehaltenen Prinzip der nationalen Souveränität notdürftig zu kaschieren. Dieser (selektive) Souveränitätsdiskurs richtet sich üblicherweise gegen Positionen und Maßnahmen der USA, der EU und einiger lateinamerikanischer Regierungen zum Schutz der Demokratie und der Menschenrechte. Und so verfechten Moskau und seine lateinamerikanischen Verbündeten einerseits ein staatszentriertes und vermeintlich antihegemoniales Souveränitätsverständnis, während sie auf der anderen Seite die Besetzung eines fremden Staatsgebiets rechtfertigen.
Das in diesem Bündnis oft vertretene Prinzip der freien Selbstbestimmung der Völker – sprich: der autokratischen Staaten und populistischen Regierungen – hat diesen Ländern eine politische und diplomatische Zusammenarbeit ermöglicht, die sich koordiniert gegen die Kritik und die Sanktionen der internationalen Gemeinschaft stellt. So hat Russland beispielsweise die Verurteilung Nicaraguas durch die UN aufgrund der politischen Repression im Land abgelehnt, die „Provokationen“ Washingtons gegen Venezuela angeprangert und die „Blockade“ der USA gegen Kuba verurteilt. Angesichts der Invasion Russlands in der Ukraine haben diese Länder öffentlich ihre prorussischen Positionen bekräftigt. Bei der UN-Abstimmung zur Verurteilung der Invasion enthielten sich die Regierungen von Kuba, Bolivien und Nicaragua der Stimme, während Venezuela nicht teilnahm.
Wenn sich die Partnerregierungen kritisch zu dem Konflikt geäußert haben, so taten sie dies im Einklang mit der russischen Medienberichterstattung und suchten die Gründe in der Erweiterung und den Handlungen der NATO in Osteuropa, dem Scheitern der Minsker Vereinbarungen und in der Notwendigkeit, ein „noch größeres Übel“ zu vermeiden. Die offiziellen Verlautbarungen zeigen, wie flexibel die autokratischen Regierungen der Region ihre sonst proklamierten Werte interpretieren, rechtfertigen sie doch die „militärische Spezialoperation“, erkennen die „Republiken“ Donezk und Luhansk an und bekräftigen andererseits das „Recht auf Verteidigung der territorialen Integrität Russlands“. Die Ausrichtung der lateinamerikanischen Autokratien zeigte sich schon zu Beginn der russischen Besetzung der Ukraine, als der Präsident der russischen Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, diplomatische Treffen auf höchster Ebene in Havanna und Managua abhielt. In diesem Zusammenhang erörterten russische Parlamentarier sogar die Möglichkeit eines begrenzten Einsatzes russischer Truppen auf den Militärstützpunkten in den lateinamerikanischen Partnerländern.
Öffentliche Meinungsbildung: Einflussnahme auf kulturelle und akademische Einrichtungen
In seiner Politik gegenüber den lateinamerikanischen Autokratien hat Russland sich für eine auf der gemeinsamen Ablehnung „ausländischer Einmischung“ beruhende „natürliche Partnerschaft“ ausgesprochen, die sich gegen die Maßnahmen und Sanktionspraktiken der Vereinigten Staaten und Europas sowie anderer Regierungen und Organisationen wie der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) stellt. Diese gemeinsame Ablehnung spielt eine maßgebliche Rolle in der Zusammenarbeit von Kulturzentren, gesteuert durch die jeweiligen Botschaften, sowie im akademischen Austausch mit Verbindungen über die politischen Parteien. So hat beispielsweise das Forschungszentrum für Internationale Politik – ein Thinktank des kubanischen Außenministeriums und eine frühere Zweigstelle der Abteilung für internationale Beziehungen der Kommunistischen Partei Kubas – jährlich Veröffentlichungen von Analysen und Konferenzen zu internationalen strategischen Studien unter Beteiligung russischer politischer Kader und Akademiker durchgeführt.
Verschiedene Wissenschaftler sind sich darin einig, dass konservative, illiberale und antiamerikanische Faktoren in diesen Beziehungen eine Rolle spielen: „Viele Lateinamerikaner sehen Russland immer noch als die UdSSR. Der russische Staat lehnt die liberale Ideologie ab, da die Art und Weise, wie Russland seinen Staat aufbaut, sich von dem Aufbau eines liberalen demokratischen Staates unterscheidet. Dies ermöglicht es Russland, Beziehungen zu Regimen aufzubauen, die keine liberalen Demokratien sind“, sagt Vladimir Rouvinsky von der Universität ICESI in Kolumbien. Dieses Narrativ, das auf der Dynamik des Kalten Krieges und der Gedankenwelt der kubanischen Revolution und ihres Einflusses auf den Kontinent beruht, wurde von der russischen Denkschule nach den 1990er Jahren weitergeführt und ist in den akademischen Beziehungen zwischen Russland und den lateinamerikanischen Autokratien auch heute stark präsent.
Obwohl sich die politischen Allianzen in Lateinamerika mit dem Aufstieg beziehungsweise Niedergang populistischer Regierungen der Linken und der Rechten verschoben haben, hat Russland weiterhin seinen Einfluss und seine offiziellen Narrative in der Region durch staatlich geförderte akademische und kulturelle Institute gestärkt. Darüber hinaus hat das Land ihm eigene Diskurse in internationalen Medien, auf Kongressen und bei kulturellen Veranstaltungen angestoßen. Ganz im Sinne der Ausübung von sharp power sehen Russlands Staatsdiener diese Initiativen als einen wichtigen Teil der Auslandspropaganda.
Die Gründung dieser Institute – vorgeblich von westlichen Einrichtungen wie dem British Council, dem Cervantes-Institut, dem Goethe-Institut oder der Alliance Française inspiriert – hat den Austausch affiner Weltanschauungen gefördert, wobei die Kosten aus staatlichen Mitteln, oft auch anteilig aus solchen des Gastlandes, bestritten werden. In Wirklichkeit aber sind diese Institute aufgrund der politischen Natur des Regimes, dem sie dienen, in ihrem Charakter nicht mit ihren westlichen Counterparts zu vergleichen. Während man auf der Agenda westlicher Einrichtungen pluralistische und kritische Ansichten über die jeweils zugehörige Regierungen finden kann, wird man darauf bei russischen Einrichtungen vergeblich warten.
Unter Wladimir Putin haben diese Verbindungen neuen Schwung erhalten. Die Stiftung Russkiy Mir (Russische Welt) wurde 2007 per Präsidialdekret als eine Organisation gegründet, die die „Gestaltung der russischen Welt als globales Projekt“ zum Ziel hat. Diesem Ziel der „Russkiy Mir“ entspricht die bekannte Vorstellung Putins von einer monolithischen Gemeinschaft, die durch „russische“ Kultur, Geschichte, Sprache und Traditionen verbunden ist, zu der auch das Streben nach einer territorialen Eingliederung von Belarus und der Ukraine gehört. Als Instrument einer Weltmacht Russland hat sich die Stiftung in Lateinamerika niedergelassen, um „eine positive Wahrnehmung der Russischen Föderation in der Welt zu fördern und die Sprache und Kultur des russischen Volkes im Ausland zu verbreiten“. Seither hat Moskau 235 Institute in 70 Ländern gegründet und ist in Lateinamerika u. a. in Kuba, Ecuador, Mexiko und Venezuela vertreten.
Die Agentur Rossotrudnichestvo (Föderale Agentur für die Angelegenheiten der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, der im Ausland lebenden Landsleute und der internationalen humanitären Zusammenarbeit) wurde 2008 ebenfalls per Präsidialdekret gegründet. Sie unterhält drei russische Wissenschafts- und Kulturzentren in Lateinamerika und ihre Vertreter arbeiten in den russischen Botschaften in Brasilien, Venezuela, Kuba, Mexiko und Nicaragua. In der Beschreibung der Agentur heißt es: „Soft power dient zunehmend den außenpolitischen Zielen der Russischen Föderation (…). Die öffentliche Diplomatie trägt nicht nur zur Stärkung des Wohlwollens gegenüber unserem Land bei, sondern auch zur Förderung spezifischer außenpolitischer Interessen des Staates auf gesellschaftlicher und zwischenmenschlicher Ebene.“
Im kulturellen Bereich hat Rossotrudnichestvo den Austausch mit verschiedenen Programmen und Festivals von regionaler Bedeutung begonnen, wie der Internationalen Buchmesse in Havanna, der Internationalen Buchmesse in Venezuela und anderen Veranstaltungen, bei denen Russland als Gastland auftrat.
Nach der russischen Invasion der Ukraine haben mehrere europäische und US-amerikanische Einrichtungen ihre offiziellen Wissenschaftsbeziehungen zu Russland abgebrochen, wie etwa die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder das Massachusetts Institute of Technology. Anders in den autokratischen Staaten Lateinamerikas: Dort scheinen die oben beschriebenen Institutionen nicht nur ohne negative Konsequenzen davongekommen zu sein, sondern haben im Gegenteil sogar noch Unterstützung und eine Bühne zur Verbreitung ihres Diskurses erhalten. Im Fall von Rossotrudnichestvo beziehungsweise des „Russland-Hauses“ in Nicaragua werden weiterhin reichlich Mitteilungen zugunsten der Besetzung der Ukraine, gegen „Russophobie“ (ein Begriff, der Kritik am Vorgehen von Putins Regime als Fremdenfeindlichkeit darstellt) und für die Organisation von Spenden für die von Russland als unabhängig erklärten Gebiete Donezk und Luhansk verbreitet.
Was die Medien anbelangt, so scheinen RT und Sputnik an ihren Standorten in den autokratischen Partnerländern nicht negativ betroffen zu sein. Ihre Inhalte werden weiterhin von den nationalen Sendern ausgestrahlt und von den Regierungen der Gaststaaten verteidigt. Kürzlich haben Venezuela und Agenturen wie TeleSur die Beschränkungen für diese russischen Sender in Europa verurteilt. Die Regierungen Kubas, Venezuelas und Nicaraguas wiederum stützen viele der Argumente ihrer regierungsnahen Nachrichtenportale auf die Narrative der russischen Medien, um der „Desinformation der westlichen Medien“ etwas entgegenzusetzen.
Die Grundlinien dieser Narrative werden auch durch politisch sehr aktive und wohlgesonnene Wissenschaftler und Intellektuelle weiterverbreitet, die große Mengen an Kongressen, Untersuchungen, Artikeln und Broschüren produzieren, die die Botschaft immer weiter verstärken. Dieser Einfluss wird noch vergrößert, wenn man bedenkt, dass der zeitgenössische Akademiker auf die Erstellung von Inhalten ausgerichtet ist (Zeitschriften, Kolumnen, Op-Eds, Vorträge usw.). Angesichts der russischen Invasion haben beispielsweise militante Akademiker wie der Argentinier Atilio Borón die Analyse auf die Darstellung früherer Konflikte unter Beteiligung der NATO, die Kritik an den „westlichen hegemonialen Medien“ und das Rezitieren der russischen Regierungspropaganda (traditionelle und historische Einheit des Territoriums, Nazis in der Ukraine) reduziert.
Diese Äußerungen aus dem akademischen Bereich zielen darauf ab, einen radikalen politischen Aktivismus zu fördern, Mechanismen der Zusammenarbeit zu legitimieren und weiterem Druck der internationalen Gemeinschaft zur Verteidigung der Menschenrechte zu widerstehen. In diesem Zusammenhang erklärt der amtierende Direktor des Instituts für Lateinamerikastudien der Russischen Akademie der Wissenschaften (ILA RAN): „In den 2000er Jahren hat Russland begriffen, dass es Multiplikatoren braucht, zum Beispiel Kontakte zu Intellektuellen in Lateinamerika (…). Russland sucht diese Kontakte, wie zum Beispiel zum Politikwissenschaftler Atilio Borón, der viele Verbindungen zu Russland und zu linken Parteien hat. Er ist kein Agent Russlands, aber Russland nutzt ihn als Kollaborateur, um seine Botschaft und seine Werte in Lateinamerika zu verbreiten. Ein weiteres Beispiel ist die ehemalige Botschafterin Boliviens in Russland, María Luisa Serrano. Sie ist eine linke Intellektuelle, die sehr gute Verbindungen zu den politischen Kräften in Russland hat.“ Innerhalb der linken Kreise in Lateinamerika haben nach wie vor antiliberale und antipluralistische Denkströmungen großes Gewicht. Die radikalen Linken haben zudem eine größere Fähigkeit zur öffentlichen Einflussnahme als die gemäßigten linken oder rechten Intellektuellen. Folglich sind sie in akademischen Einrichtungen, in öffentlichen Debatten und bei redaktionellen Erzeugnissen überrepräsentiert.
Der Historiker Viktor Jeifets, Professor an der Fakultät für Internationale Beziehungen der Staatlichen Universität Sankt Petersburg, geht auf die Verbindung zwischen russischen Institutionen und dem Lateinamerikanischen Rat für Sozialwissenschaften (CLACSO) ein, in dem die meisten dieser akademischen Aktivisten zusammengeschlossen sind: „Sie helfen uns, Kontakte in Lateinamerika zu knüpfen, und wir helfen ihnen, Kontakte in Russland zu knüpfen, obwohl CLACSO in letzter Zeit eine sehr neo-leninistische Linie vertritt und wir offener sind und Leute mit unterschiedlichen Ideologien haben.“
Auswirkungen auf die politische Arena Lateinamerikas
Die öffentliche Diplomatie Russlands bietet durch ihren Antagonismus zu den Vereinigten Staaten und anderen regionalen und globalen demokratischen Akteuren den Populisten und Autokraten Lateinamerikas diskursive Alternativen an. Eine erste Konstante in dieser gemeinsamen Vorstellungswelt ist das Anprangern einer „Bedrohung durch eine US-Aggression“, wobei sich Russland als Förderer eines (selektiven) Diskurses der Nichteinmischung von außen präsentiert. Um diese Ideen zu verbreiten, hat Russland seine Präsenz als außerregionaler Partner in jenen lateinamerikanischen Koalitionen (CELAC, ALBA) genutzt, in denen die USA und andere westliche Mächte nicht vertreten sind oder ausgeschlossen wurden, und ein „antiimperialistisches“ Narrativ zugunsten illiberaler Regime und Bewegungen gefördert.
Eine wichtige Vorgeschichte hierzu ist das Eingehen Russlands bzw. der Sowjetunion auf Unterstützungsbitten lateinamerikanischer Regierungen, die sich in seinen Einflussbereich begeben wollten. Dies begann mit Kuba und Nicaragua, als deren Regierungen den sozialistischen Charakter der kubanischen Revolution (1961) bzw. der sandinistischen Revolution (1979) erklärten. Diese Dynamik setzte sich in den 2000er Jahren mit den Regierungen von Hugo Chávez (Venezuela), Rafael Correa (Ecuador) und Evo Morales (Bolivien) fort. Die Beziehungen Russlands zu den Ländern der Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA), mit Schwerpunkt auf Venezuela, Kuba, Nicaragua und Bolivien, wurde gestärkt, wobei insbesondere die drei erstgenannten Länder als „karibisches Dreieck“ Russland als Basis für die geopolitische Durchdringung der Region dienten.
Schon nach dem Krieg Russlands gegen Georgien (2008) und dem Beginn des Konflikts mit der Ukraine (2014) kam rhetorische Schützenhilfe von den lateinamerikanischen Verbündeten. Nach der Annexion der Krim durch die Russische Föderation und dem Krieg im Donbass nutzten diese Länder regionale Foren, um im Sinne Russlands in den öffentlichen Diskurs einzugreifen. So beschuldigte die kubanische Führung die ukrainische Regierung, „anti-russisch, anti-ukrainisch und pro-imperialistisch“ zu sein. Auch Evo Morales und Daniel Ortega (Nicaragua) stellten sich offen hinter den Kreml und gaben den USA und Westeuropa die Schuld. Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro behauptete, die USA und Westeuropa würden den Kalten Krieg zurückholen.
Insbesondere die Entwicklung von Russland und Venezuela stellt zwei beispielhafte und parallel verlaufende Prozesse der Aushöhlung demokratischer Systeme im 21. Jahrhundert dar. Die personalistischen Regimes ihrer politischen Führer (Wladimir Putin in Russland, Hugo Chávez und Nicolás Maduro in Venezuela) haben den Dialog, die Zusammenarbeit und die gegenseitige Unterstützung immer weiter vertieft. Ihre Praktiken zielen auf die fortschreitende Beseitigung demokratischer Institutionen und Akteure (Oppositionsparteien, Medien und Organisationen der Zivilgesellschaft) ab. Parallel dazu haben beide Regierungen für eine starke Präsenz des Staates in der Wirtschaft gesorgt, die auf klientelistischen und neopatrimonialistischen Beziehungen beruht.
Dennoch bilden Russland und die wohlgesonnenen Regierungen in Lateinamerika auf multilateraler Ebene nicht immer eine einheitliche Front. Der Direktor der ILA RAN, Dimitry Razumovsky, erläutert die Meinungsunterschiede und deren Gründe, wenn er zu bedenken gibt: „Für Russland geht es nicht einfach nur um Multipolarität. Und so weigerte sich beispielsweise Ecuador, obwohl es ein Partner Russlands war, Abchasien und Südossetien im Jahr 2008 als unabhängig anzuerkennen, anders als etwa Kuba und Nicaragua (…). Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Russland Beziehungen zu den Eliten Lateinamerikas und nicht zu den Völkern entwickelt.“ Ein Blick auf die Reaktionen auf den russischen Einmarsch in der Ukraine bestätigt diese Einschätzung. Während unabhängige zivilgesellschaftliche Gruppen in Kuba, Nicaragua und Venezuela die Invasion in der Ukraine weitgehend ablehnen, haben ihre Regierungen keinen Raum für eine öffentliche Kritik zugelassen, sondern vielmehr jede unbequeme oder abweichende Position kriminalisiert. In diesem Sinne lässt sich feststellen, dass die Beziehungen auf der Ebene der Regierungselite Russland einen noch nie dagewesenen Einfluss garantieren. Frei von jeder Rechenschaftspflicht gegenüber den Bürgern lassen sich gegen das Interesse der Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft Vereinbarungen durchsetzen, die in einer liberalen Demokratie kaum möglich wären.
Schlussfolgerungen
Die von außen betriebene Förderung autokratischer Denkmuster in Lateinamerika ist weit davon entfernt, sich strikt entlang der Denkmuster des 20. Jahrhunderts und des Kalten Krieges zu orientieren und einem strengen Links-Rechts-Schema zu folgen. Es ist viel plausibler, diese Zusammenarbeit unter Autokraten vor dem Hintergrund staatlicher Interessen im Sinne geostrategischer Einflussnahme und des Machterhalts autoritärer Regierungen zu analysieren. Autokraten wollen die Vorherrschaft über die Ideen gewinnen und alternative Narrative unterdrücken. Sie nutzen mit ihnen verbundene Institutionen aus und missbrauchen das Feld der Wissenschaft, der Ideen und der Kultur, um verdeckt ihren autokratischen Einfluss zu mehren. Dies hat zur Folge, dass in der geopolitischen Wahrnehmung und medialen Landschaft der sich entwickelnden Autokratien eine antiwestliche und illiberale Tendenz verstärkt wird.
Die autokratische Zusammenarbeit zwischen Russland und seinen lateinamerikanischen Partnern stärkt Russlands Einfluss in der Region und führt Positionen und Werte zusammen, die der Verteidigung der Demokratie diametral entgegenstehen. Im Zusammenhang mit dem russischen Einmarsch in der Ukraine ist jedoch zu erwarten, dass die lateinamerikanischen Autokraten und Populisten versuchen werden, auf „zwei Hochzeiten zu tanzen“, um einerseits Koalitions- und Finanzierungsmöglichkeiten mit Russland aufrechtzuerhalten und gleichzeitig nicht zu Parias innerhalb der neuen internationalen Konstellation zu werden, die sich seit der Invasion herausgebildet hat. Seit Beginn des Krieges sind bereits gewisse geopolitische Neuorientierungen zu beobachten, die auf Kurskorrekturen und Zugeständnisse im Hinblick auf alternative Handelspakte hinauslaufen. So haben sich beispielsweise Venezuela und die USA einander angenähert und sprechen über Energiesicherheit. Der Grund dafür ist das Interesse der USA an der Sicherung von Lieferquellen, die den Stopp des Kaufs von russischem Erdöl ausgleichen können, was auch eine Gelegenheit für Investitionen und für die Erholung der venezolanischen Erdölindustrie wäre.
Gekürzte und aktualisierte Fassung eines Artikels, der ursprünglich auf www.dialogopolitico.org veröffentlicht wurde. Übersetzt aus dem Spanischen.
Armando Chaguaceda ist Politikwissenschaftler und Historiker am Colegio de Veracruz, Mexiko.
Claudia González Marrero hat in Kulturwissenschaften promoviert und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Gobierno y Análisis Político AC, Mexiko.
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