Ausgabe: 2/2022
Genau 50 Jahre ist es her, dass bei einer UN-Konferenz die Umwelt des Menschen und Ökologie zum ersten Mal auf internationaler Ebene diskutiert wurden. Die Konferenz von Stockholm, auf die in den 1970er- und 1980er-Jahren zahlreiche regionale Abkommen und Initiativen zur Verbesserung des Umweltschutzes in den Industrieländern folgten, gilt als Geburtsstunde der internationalen Umweltpolitik. Erst zum Ende des 20. Jahrhunderts wuchs im Kontext der zunehmenden Globalisierung die Erkenntnis, dass auch Umweltschutz ein globales Anliegen ist, für welches lokale oder regionale Lösungsansätze nicht ausreichend sind. Mit der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung 1992, besser bekannt als Konferenz von Rio oder Erdgipfel, wurde Umweltschutz vollständig in einen globalen Kontext überführt, in den auch Entwicklungs- und Schwellenländer einbezogen wurden. Mit der in Rio verabschiedeten Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen sowie der Agenda für nachhaltige Entwicklung im 21. Jahrhundert wurde Klimaschutz zudem nicht mehr nur auf ökologische Aspekte verengt, sondern in Verbindung zu zentralen Entwicklungsfragen gesehen. Seitdem sind die Schaffung geeigneter politischer Rahmenbedingungen und der Aufbau globaler Steuerungsmechanismen Schwerpunkte der internationalen Klimadiplomatie.
Klimadiplomatie: Die afrikanischen Staaten sprechen mit einer Stimme
In diesem globalen Kontext ist es afrikanischen Staaten gelungen, sich in der internationalen Klimapolitik als einflussreiche Akteure zu etablieren. Die afrikanische Staatengemeinschaft gilt zudem als eine der dominierenden kontinentalen Gruppen bei der jährlich stattfindenden Konferenz der Vertragsstaaten des UN-Klimaabkommens (Conference of the Parties, COP).
Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es drei Institutionen, die dafür im Wesentlichen verantwortlich sind: die afrikanische Umweltministerkonferenz (African Ministerial Conference on the Environment, AMCEN), das Komitee ausgewählter afrikanischer Staats- und Regierungschefs zu Klimafragen (Committee of African Heads of State and Government on Climate Change, CAHOSOCC) und die afrikanische Verhandlungsgruppe (African Group of Negotiators, AGN).
AMCEN wurde 1985 mit dem Ziel gegründet, afrikanischen Umweltministern ein politisches Forum zu bieten. Heute ist AMCEN eine wichtige Plattform, um Umweltinitiativen auf regionaler Ebene zu implementieren und afrikanische Kapazitäten im Umweltbereich auszubauen. AMCEN hat zudem zahlreiche regionale Initiativen gestartet und somit die Umweltpolitik in Afrika nachhaltig geprägt. AMCEN hat jedoch nicht nur die Aufgabe, die Umweltpolitik innerhalb Afrikas zu koordinieren, sondern leistet auch politische Unterstützung und Vorarbeit für gemeinsame Positionen, die afrikanischen Vertretern bei internationalen Klima- und Umweltverhandlungen als Grundlage und Orientierung dienen.
Den zweiten und hochrangigsten Teil der Struktur bildet der Zusammenschluss afrikanischer Staats- und Regierungschefs CAHOSOCC, der im Rahmen von Gipfeltreffen der Afrikanischen Union (AU) zusammenkommt und zentrale Beschlüsse und Stellungnahmen zu Umwelt- und Klimathemen veröffentlicht. Seine Mitglieder werden für jeweils zwei Jahre gewählt.
Die AGN wiederum wurde 1991 gegründet und besteht aus technischen Experten aller afrikanischen Staaten. Die Gruppe erstellt Strategien und legt Prioritäten für afrikanische Klima- und Umweltthemen fest, die im nächsten Schritt AMCEN zur Prüfung vorgelegt und schließlich vom CAHOSOCC gebilligt werden.
Ziel der afrikanischen Klimadiplomatie ist es, bei internationalen Klimaverhandlungen eine gemeinsame Position zu präsentieren, nicht zuletzt, um das Verhandlungsmandat des Kontinents zu stärken. Dabei bilden die drei genannten Institutionen AMCEN, CAHOSOCC und AGN einen eigenen Steuerungsmechanismus im Bereich Umwelt- und Klimaschutz, ihr Zusammenspiel ist heute fest in der AU verankert. In der AU-Agenda 2063 haben die Staats- und Regierungschefs zudem ihren Anspruch formuliert, künftig einen Fokus auf die nachhaltige Entwicklung des Kontinents zu richten.
Als im Jahr 2009 die Verabschiedung eines verbindlichen Regelwerks zur Begrenzung der globalen Erderwärmung im Rahmen der Klimakonferenz von Kopenhagen geplant war, gelang es den afrikanischen Ländern zum ersten Mal, eine gemeinsame afrikanische Position zu präsentieren. Das dadurch erzeugte Bild eines in Klimafragen geeinten Kontinents erhielt viel Aufmerksamkeit: Hatten afrikanische Länder zuvor nur marginal auf die Verhandlungen Einfluss genommen, hat die Festlegung auf gemeinsame Belange und eine einheitliche Position in der internationalen Klimapolitik zu einer Kräfteverschiebung zugunsten Afrikas geführt. Hier muss betont werden, dass es extrem schwierig ist, 54 äußerst heterogene Staaten und ihre diversen Interessen im Bereich Klima- und Umweltpolitik in einer gemeinsamen Position zu vereinen – ihr einheitliches Auftreten können die afrikanischen Länder daher zurecht als ein Verdienst geltend machen.
Afrikanische Prioritäten bei internationalen Klimaverhandlungen
Obwohl die gemeinsame afrikanische Position im Vorfeld internationaler Klimaverhandlungen immer wieder neu gefunden werden muss, orientiert sie sich an drei Grundsätzen:
Fokus auf Anpassung an den Klimawandel
Afrikanische Länder sind nur für rund vier Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, gleichzeitig leiden sie aufgrund sozioökonomischer Merkmale und großer Abhängigkeit vom landwirtschaftlichen Sektor besonders stark unter den Auswirkungen des Klimawandels. Bereits heute geben afrikanische Länder bis zu neun Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel (adaptation) aus, oftmals mehr als für Gesundheit oder Bildung. Gleichzeitig weist der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) darauf hin, dass die Durchschnittstemperaturen in Afrika schneller steigen als in anderen Weltregionen, was wiederum zu mehr extremen Wetterereignissen führen könnte. Aktuell wird jedoch ein Großteil der globalen Klimafinanzierung für die Reduzierung von Treibhausgasen (mitigation) verwendet. Aus afrikanischer Perspektive adressiert dieser Fokus die Probleme auf dem Kontinent nicht angemessen.
Die afrikanischen Länder setzen sich daher dafür ein, dass das Thema Anpassung an den Klimawandel international mehr Beachtung findet. Die Aufnahme eines globalen Anpassungsziels (Global Goal on Adaptation, GGA) in das Pariser Klimaabkommen kann auch als ein Erfolg der afrikanischen Klimadiplomatie gewertet werden. Bisher gibt es allerdings keine verbindliche Absprache, wie ein globales Adaptionsziel aussehen soll. Bei einem solchen Ziel würde die verbesserte Resilienz gegenüber Klimawandelfolgen im Mittelpunkt stehen. Somit würde der Fokus der Klimaverhandlungen, welcher aktuell auf der Treibhausgasreduzierung liegt, stärker an die Bedürfnisse der afrikanischen Länder angepasst. Ein verbindliches Anpassungsziel würde zudem auch finanzielle Zusagen für Adaptionsmaßnahmen einschließen.
Bei der COP 26 in Glasgow im November 2021 wurde beschlossen, dass ein Expertengremium in zwei Jahren konkrete Ideen zu einem solchen Adaptionsziel vorlegen soll, was ebenfalls als afrikanischer Verhandlungserfolg zu bewerten ist. Es ist zudem davon auszugehen, dass das Thema Adaption bei der nächsten COP in Ägypten, bereits im Vorfeld als afrikanische COP bezeichnet, sehr prominent auf der Agenda platziert sein wird.
Klimafinanzierung
Afrikanische Staaten vertreten den Standpunkt, dass Klimafinanzierung vorhersehbar, nachhaltig und angemessen sein und sich nicht auf eine Umwandlung bestehender Entwicklungszusammenarbeit oder -finanzierung beschränken sollte.
Die afrikanischen Verhandlungsführer sprechen sich auch dafür aus, dass die Finanzmittel auf der Grundlage der Kapazitäten, des Bedarfs und regional gerecht verteilt werden. Sie befürworten eine regelmäßige Überprüfung der Finanzierung auf Grundlage der Bewertungsberichte der Entwicklungsländer und empfehlen eine jährliche Überprüfung der Anpassungsfinanzierung. Die Industrieländer haben sich dazu verpflichtet, zwischen 2020 und 2025 jährlich 100 Milliarden US-Dollar aus privaten und öffentlichen Mitteln bereitzustellen, um Entwicklungs- und Schwellenländer bei der Reduzierung von Treibhausgasen und der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Diese Verpflichtung wird von afrikanischen Ländern als Herzstück der Klimaverhandlungen gesehen.
Berücksichtigung von dauerhaften Verlusten und Schäden
Durch den Klimawandel hervorgerufene dauerhafte Verluste und Schäden (loss and damage) sind für den afrikanischen Kontinent ein besonders wichtiges Thema, das bei internationalen Klimaverhandlungen bisher nach Ansicht der afrikanischen Verhandlungsführer unterrepräsentiert ist. In den Verhandlungen im Vorfeld des Pariser Abkommens hatte die AGN wiederholt unterstrichen, dass eine Entschädigung für dauerhafte oder unvermeidbare Verluste und Schäden durch die negativen Auswirkungen des Klimawandels notwendig ist, und forderte entsprechende Maßnahmen. Zwar wurde durch die Aufnahme einer speziellen Bestimmung zu loss and damage in Artikel 8 des Pariser Klimaabkommens ein gewisser Erfolg erzielt, doch wie dies in der Praxis umgesetzt werden soll, bleibt unklar. Afrikanische Staaten fordern, dass Auswirkungen von Klimaschäden integraler Teil der UN-Klimaverhandlungen werden. Diese Forderung hat durch die jüngste Veröffentlichung des IPCC im Jahr 2021 an Relevanz gewonnen, da in dem Bericht einmal mehr deutlich wird, dass die Erderwärmung auf menschliches Handeln zurückgeführt werden kann.
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass es den afrikanischen Ländern gelungen ist, die für sie wichtigen Punkte bei internationalen Klima- und Umweltverhandlungen auf die Tagesordnung zu setzen. Dies ist auch vor dem Hintergrund, dass afrikanische Länder keine nennenswerte Reduzierung der CO2-Emissionen oder finanzielle Unterstützung für andere Länder als Verhandlungsmasse einbringen können, als Erfolg für den Kontinent zu werten.
Umwelt- und Klimaschutz im nationalen Kontext
Die Umsetzung internationaler Abkommen, vor allem des Pariser Klimaschutzabkommens, muss jedoch auf nationaler Ebene geschehen, indem die Nationalstaaten wirkungsvolle Gesetze zum Klima- und Umweltschutz formulieren. Hier schneiden die afrikanischen Länder im internationalen Vergleich bei ihren Umweltleistungen schlecht ab und belegen 32 der 50 hintersten Plätze. Zu diesem Ergebnis kommt ein globales Ranking von Umweltleistungen (Environmental Performance Index, EPI), welches anhand von 32 Indikatoren den aktuellen Zustand des Ökosystems wie auch die voraussichtliche künftige Vitalität des Ökosystems und das Ressourcenmanagement in 180 Ländern misst.
Kein Geld für den Klimaschutz?
Im EPI wird ein kausaler Zusammenhang zwischen Bruttoinlandsprodukt und der Fähigkeit, effiziente und effektive Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz zu implementieren, nachgewiesen: Die Fähigkeit, sauberes Trinkwasser oder eine funktionierende Abwasserversorgung bereitzustellen, energieeffizient zu wirtschaften oder Treibhausgasemissionen zu reduzieren, erfordert finanzielle Ressourcen, die wohlhabende Länder leichter bereitstellen können. Steigende Bevölkerungszahlen und die rasante Urbanisierung erhöhen zudem den Druck auf die Umweltinfrastruktur und die verfügbaren Ressourcen, sodass in afrikanischen Ländern immer höhere Investitionen nötig sind, um die Qualität des Ökosystems zu verbessern. So verschlechterte sich beispielsweise die Position Nigers im Vergleich zu früheren Erhebungen des EPI, da aufgrund des rasanten Bevölkerungswachstums von rund vier Prozent jährlich das Ökosystem extremen Belastungen ausgesetzt ist.
Trotzdem sind im EPI auch positive Beispiele aus Afrika zu finden: So sind etwa die Seychellen aufgrund der Verringerung von schädlichen Treibhausgasen und ihres Engagements für den Küstenschutz mithilfe eines nachhaltig gestalteten Blue-Economy-Plans auf Platz 1 in Subsahara-Afrika und Platz 38 weltweit zu finden, Mauritius kann mit einem für die Region führenden Abfallwirtschaftsplan überzeugen, Botswana und Sambia punkten mit ihren Maßnahmen für Biodiversität. Das ostafrikanische Kenia war 2016 das erste Land in Afrika, das eine umfangreiche Rahmengesetzgebung als Reaktion auf den Klimawandel verabschiedete mit dem Ziel, Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel bereitzustellen und gleichzeitig eine kohlenstoffarme Entwicklung zu fördern. Zahlreiche Länder auf dem Kontinent sind dem Beispiel gefolgt. In Ostafrika hat Uganda mit der Schaffung eines Umweltinformationszentrums (National Environment Information Centre, NEIF) innerhalb des Ministeriums für Umweltschutz dafür gesorgt, das Ressourcenmanagement und den Schutz von Ökosystemen effizienter zu gestalten. Gabun, das im afrikanischen Vergleich bei Umwelt- und Klimaschutz ebenfalls sehr gut abschneidet, hat sogar eine Möglichkeit gefunden, aus seinen natürlichen Ressourcen Kapital zu schlagen: Im Jahr 2021 stellte die Central African Forest Initiative (CAFI), eine Initiative verschiedener europäischer Länder und Südkoreas, dem zentralafrikanischen Land eine erste Auszahlung von insgesamt 150 Millionen US-Dollar zur Verfügung, nachdem unabhängige Experten festgestellt hatten, dass Gabun nachweislich die Abholzung seines Regenwalds, reduzieren und die Degradierung von Landnutzungsflächen stoppen konnte. Das Geld soll für Investitionen in die nachhaltige Forstwirtschaft, Forschung und den Aufbau von weiteren Umweltdatenbanken genutzt werden. Gabun plant, aus den Umweltleistungen seines Regenwalds, welcher rund 88 Prozent der Landesfläche einnimmt, noch mehr Kapital zu gewinnen. Auch das bitterarme Malawi im südlichen Afrika weist, gemessen an seinem BIP, eine sehr viel bessere Umweltbilanz vor als reichere Länder auf dem afrikanischen Kontinent.
Demokratische Prinzipien stärken das Ökosystem
Anhand des Beispiels von Malawi wird deutlich, dass die Umweltleistung nicht ausschließlich durch die zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen erklärt werden kann. Die Autoren des EPI haben ebenfalls untersucht, inwiefern gute Regierungsführung (Good Governance) einen Einfluss auf Umweltleistungen hat. Hierfür wurden die sechs Indikatoren des Weltbank-Rankings für Regierungsführung – Mitspracherecht und Verantwortlichkeit, politische Stabilität und Abwesenheit von Gewalt, Leistungsfähigkeit der Regierung, staatliche Ordnungspolitik, Rechtsstaatlichkeit und schließlich Korruptionskontrolle – herangezogen. Es besteht ebenfalls ein Zusammenhang zwischen der Qualität von Regierungsführung und der Performance bei Umweltleistungen, was zunächst nicht überraschend ist, denn die Qualität der Regierungsführung spiegelt wider, ob die Regierung in der Lage ist, Gesetze zu implementieren oder die Bevölkerung Entscheidungsträger für die (ausbleibende) Umsetzung von effizienter und effektiver Umwelt- und Klimapolitik zur Verantwortung ziehen kann. Gleichzeitig ermöglicht der freie Zugang zu Informationen und der Austausch wissenschaftlicher Argumente zu Umweltproblemen in Demokratien das politische Lernen. Da Demokratien in der Regel auf einer freien Marktwirtschaft basieren, können Unternehmen sowohl Umweltanreizen als auch Sanktionen ausgesetzt werden. Von den sechs Indikatoren für gute Regierungsführung haben Korruptionskontrolle, staatliche Ordnungspolitik und Rechtsstaatlichkeit einen größeren Einfluss auf die Umweltleistung der Nationalstaaten, was bedeutet, dass einzelne Elemente guter Regierungsführung auch unabhängig vom Bruttoinlandsprodukt verantwortlich für die Implementierung umwelt- und klimapolitischer Maßnahmen sind.
Besonders Korruption ist für die Region Subsahara-Afrika ein Hindernis beim effizienten Klima- und Umweltschutz, denn das Problem der Bestechlichkeit und unlauteren Vorteilsnahme ist in der Region weit verbreitet. Die Region belegt in der Statistik der korruptesten Länder weltweit mit trauriger Regelmäßigkeit den Spitzenplatz: Laut dem Korruptionsindex von Transparency International befinden sich 10 der weltweit 20 korruptesten Länder in Afrika südlich der Sahara. Korruption im Bereich von Umwelt- und damit verbunden Ressourcenmanagement kann bereits bei Umweltverträglichkeitsprüfungen auftreten, indem etwa gegen eine Zahlung das Umweltrisiko eines Projekts geschönt wird. Dies hat oftmals verheerende Folgen für Ökosysteme und Biodiversität. So ergab beispielsweise in Sierra Leone eine Untersuchung der Umweltschutzbehörde (Environmental Protection Agency Sierra Leone, EPA-SL), dass rund ein Drittel der geprüften Unternehmen ohne die gesetzlich vorgeschriebenen Umweltverträglichkeitsprüfungen operiert, Umweltauflagen nicht oder nur lückenhaft bekannt sind und die Unternehmen regelmäßig gegen diese verstoßen. Und auch die EPA-SL nutzt die zur Verfügung gestellten finanziellen Ressourcen nicht für ein vorgeschriebenes Monitoring der Betriebe.
In den meisten Fällen haben die Länder nationale Umweltgesetze, die sich an internationalen Abkommen orientieren, nur werden diese Gesetzte durch korrupte Praktiken ausgehebelt. Somit ist Korruption verantwortlich für die unsachgemäße und illegale Landnutzung sowie die Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Schätzungen zufolge ist der finanzielle Schaden, welcher den ärmsten Ländern durch Bestechlichkeit und unlautere Vorteilsannahme entsteht, zudem zehnmal so hoch wie die Summe der gezahlten Entwicklungshilfe. Es ist daher nicht verwunderlich, dass das Scheitern der Umweltpolitik in Entwicklungsländern eher auf Schwächen des Rechtsstaats zurückzuführen ist und nicht auf politische oder ökonomische Gründe. Anhand des westafrikanischen Landes Liberia, welches im EPI weltweit das Schlusslicht bildet, kann das Zusammenspiel von guter – oder eben schlechter – Regierungsführung und Umweltperformance anschaulich beschrieben werden. Das Land ist gekennzeichnet von politischer Instabilität, während des Bürgerkrieges in den 1990er- und 2000er-Jahren wurde die Energieversorgung des Landes vollständig zerstört. Heute liefern fossile Brennstoffe rund 50 Prozent der Elektrizität, während vergleichbare Länder wie Malawi oder Mosambik mehr als 70 Prozent ihrer Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen gewinnen. Fehlende Umweltregulierungen haben dazu geführt, dass sich die Luftqualität in den letzten zehn Jahren deutlich verschlechtert hat. Es gibt immer weniger Wald- und Grünflächen in Liberia, was wiederum einen überdurchschnittlich hohen Rückgang der Artenvielfalt zur Folge hat.
Bäume pflanzen gegen den Klimawandel?
Ein weiterer Grund für die schlechte Umweltperformance afrikanischer Länder ist die fehlende oder unzureichende Kommunikation über die Sinnhaftigkeit von umweltpolitischen Maßnahmen. Eine große Mehrheit der afrikanischen Bevölkerung nimmt veränderte Wetterverhältnisse wahr, kann Ursachen und Wirkung jedoch nicht in einen größeren Klimakontext einordnen. Die Menschen setzen in der Kommunikation den Klimawandel mit der Bedeutung von Bäumen und Wäldern gleich und sind oftmals der Meinung, dass Wetterereignisse durch das Fällen von Bäumen oder Umweltverschmutzung auf lokaler Ebene beeinflusst würden. Hierbei wird der Eindruck vermittelt, Klimaprobleme könnten auf lokaler Ebene durch das Pflanzen von Bäumen gelöst werden. Die Rolle von Treibhausgasen kommt in diesem Narrativ folglich nicht vor. Entsprechend haben politische Entscheidungsträger Schwierigkeiten, für Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels öffentliche Unterstützung zu erhalten. Allerdings sind Initiativen zur Aufforstung und Baumpflanzung auch die am häufigsten von lokalen Regierungsvertretern initiierten Umweltaktivitäten, was ebenfalls an den Kenntnissen der politischen Entscheidungsträger über den Klimawandel zweifeln lässt.
Auch Journalisten sind nur eingeschränkt in der Lage, Ursachen und Folgen des Klimawandels so darzustellen, dass die lokale Bevölkerung komplexe Zusammenhänge versteht. Oftmals fehlen ihnen selbst fundierte Kenntnisse und sie berichten entweder über internationale Klimaverhandlungen oder über lokale Initiativen zum Klima- und Umweltschutz, die jedoch nicht in einen Zusammenhang gesetzt werden. Mangelndes Verständnis der Notwendigkeit und Dringlichkeit umweltpolitischer Maßnahmen behindert deren Umsetzung erheblich, da die Akzeptanz dieser Maßnahmen und die Unterstützung durch die breite Bevölkerung für die erfolgreiche Implementierung grundlegend sind, besonders wenn es sich um eine Veränderung von Verhalten oder Gewohnheiten handelt.
Möglichkeiten zur Stärkung von Klima- und Umweltschutz auf nationaler Ebene
Bei der Implementierung von Klimaschutz- und Umweltmaßnahmen bildet die Region Subsahara-Afrika das Schlusslicht, obschon sich afrikanische Länder auf internationaler Bühne mit geeinter Kraft für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens einsetzen. Die Nationalstaaten in Afrika müssen daher in ihrem effektiven und effizienten umweltpolitischen Handeln gestärkt werden. Hierzu sind finanzielle Ressourcen und technisches Know-how notwendig, aber nicht zwingend ausschlaggebend, denn diese Instrumente können Probleme bei der Implementierung von Umweltgesetzgebung nur zum Teil beheben: Gute Regierungsführung, allen voran die Eindämmung von Korruption, und eine zielgerichtete Kommunikation über die Sinnhaftigkeit von Umweltpolitik sind notwendig, damit Umwelt- und Klimapolitik zielführend sind. In Südafrika beispielsweise haben Klima- und Umweltschutz an politischer Bedeutung gewonnen, im Vergleich zu anderen Entwicklungs- und Schwellenländern gibt es für die Zivilgesellschaft zahlreiche Möglichkeiten, an Konsultationsprozessen mitzuwirken. Südafrika ist bei seiner Energieerzeugung stark von Kohle abhängig, daher wird der Übergang zu erneuerbaren Energien und der damit einhergehende Verlust einer für das Land wichtigen Industrie nur möglich beziehungsweise handhabbar sein, wenn es eine breite gesellschaftliche Unterstützung für die Transformation gibt.
Eine Erhöhung der finanziellen Ressourcen für Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen, entweder im Rahmen von internationaler Klimafinanzierung oder durch öffentliche Finanzierung, könnte ohne gleichzeitige Korruptionsbekämpfung hingegen dazu führen, dass sich die Umweltleistung der Länder verschlechtert. Eine Analyse von Daten der globalen Anpassungsinitiative (ND-GAIN), welche anhand von verschiedenen Indikatoren zeigt, wie Länder ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel verbessern können kommt zu dem Schluss, dass eine direkte Ausrichtung auf Umweltprobleme in denjenigen Ländern sinnvoll ist, die ein hohes Maß an wirtschaftlicher, ordnungspolitischer und sozialer Konsolidierung aufweisen. In Ländern mit schwacher Regierungsführung könnten Ressourcen jedoch effektiver eingesetzt werden, indem zunächst die Qualität der Regierungsführung selbst verbessert wird. Aufgrund der voraussichtlichen Erhöhung der globalen Klimafinanzierung in den nächsten Jahren sollte der Zusammenhang zwischen guter Regierungsführung und effizienter und effektiver Umwelt- und Klimapolitik mitgedacht werden. Es muss sichergestellt werden, dass Investitionen in Klima und Umwelt zielgerichtet eingesetzt werden. Entsprechende internationale Abkommen und Initiativen sollten immer auch die für die Implementierung zuständigen Gremien stärken und Rückschlüsse geben, wie eine zweckgebundene Mittelverausgabung sichergestellt werden kann.
Um afrikanische Länder stärker in den internationalen Klima- und Umweltschutz einzubeziehen, sollten Maßnahmen und Ziele auch auf die nationalen Entwicklungsziele und die Bedürfnisse der Bevölkerung abgestimmt werden. Partner wie die UN, aber auch die EU oder Deutschland sollten daher darauf achten, dass die Umwelt- und Klimaziele der Industriestaaten mit den afrikanischen Prioritäten Infrastruktur, Energie, Land, Ernährungssicherheit oder Industrialisierung vereinbar sind. So wird zudem dem Eindruck entgegengewirkt, Umwelt- und Klimaschutz seien mit wirtschaftlichem Wachstum unvereinbar. Landnutzungsrechte oder der Zugang zu Ressourcen sind für afrikanische Staaten seit langer Zeit von zentraler Bedeutung allerdings werden diese Aspekte in einem lokal angemessenen Kontext formuliert, welcher nicht unbedingt mit dem Verständnis der Industrieländer übereinstimmt. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass für afrikanische Länder Umwelt- und Klimaschutz keine Rolle spielen.
Die Staatengemeinschaft Afrikas hat sich in den internationalen Klimaverhandlungen Gehör verschafft, nahm dabei allerdings eher eine passive Rolle wahr, nämlich als ein vom Klimawandel betroffener Kontinent, welcher auf fremde (finanzielle) Unterstützung beim Kampf gegen die Folgen der globalen Erderwärmung angewiesen ist. Dabei verfügt der Kontinent über erneuerbare Energien, Mineralien und Rohstoffe, die für die Energiewende in den Industriestaaten gebraucht werden. Dazu zählt zum Beispiel Kobalt, welches für die Herstellung von Elektroautos und Energiespeichern benötigt wird. 60 Prozent des weltweit genutzten Kobalts stammen aus der Demokratischen Republik Kongo, zudem könnte die potenziell verfügbare Wasserkraft des Kongo-Flusses nahezu für den gesamten afrikanischen Kontinent emissionsarm Strom erzeugen. Dieses Potenzial könnte gleichzeitig genutzt werden, um grünen Wasserstoff emissionsneutral und zu einem global kompetitiven Preis herzustellen. Außerdem speichern tropische Ökosysteme wie der kongolesische Regenwald CO2 und sind somit ein wichtiger Bestandteil der weltweiten Anstrengung, Nettotreibhausgasemissionen zu senken. Die COP 27, welche im November 2022 in Ägypten stattfindet, wäre eine gute Gelegenheit, die gemeinsame afrikanische Position stärker in diese Richtung zu formulieren: Ohne den afrikanischen Kontinent und seine Rohstoffe kann die Energiewende und damit das Pariser Klimaabkommen nicht umgesetzt werden.
Die russische Invasion der Ukraine hat Deutschland und Europa zudem drastisch die Fragilität der eigenen Energieversorgung und -sicherheit vor Augen geführt. Bisher spielen afrikanische Länder für die Energiewende in Deutschland keine Rolle. Allerdings könnte sich dies aufgrund der geopolitischen Entwicklungen – Krieg in Europa, Unstimmigkeiten innerhalb der EU und ein angespanntes Verhältnis zwischen China und den USA – mittel- bis langfristig ändern. So basiert beispielsweise die im Juni 2020 verabschiedete EU-Wasserstoffstrategie unter anderem auf der Annahme, dass grüner Wasserstoff in Osteuropa, besonders in der Ukraine, künftig für Gesamteuropa kostengünstig hergestellt werden könne. Ob dafür in naher Zukunft noch eine Infrastruktur bereitsteht, ist jedoch fraglich.
Afrika wird weder heute noch morgen die Rolle des Energielieferanten für Europa übernehmen können, hierfür mangelt es an vielem. Zudem sollte auch die Stromversorgung der afrikanischen Bevölkerung Priorität haben. Deutschland aber wäre gut beraten, die Rolle Afrikas für die eigene Energiewende perspektivisch zu überdenken und innovative Ansätze für die Zusammenarbeit im Bereich der Umwelt- und Klimapolitik zu finden, die das Thema Energiesicherheit einbeziehen.
Anja Berretta ist Leiterin des Regionalprogramms Energiesicherheit und Klimawandel Subsahara- Afrika der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Nairobi.
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