Ausgabe: Sonderausgabe 2018/2018
Am Rand der Autobahn zum O.R. Tambo International Airport in Johannesburg steht eine große Werbetafel. Niemand, der hier vorbeifährt, kann das Schild übersehen: Ein Lastwagen der chinesischen Marke FAW ist darauf in staubiger Umgebung zu sehen. Raues Gelände und rote afrikanische Sonne suggerieren, dass dieses Gefährt sich unter schwierigsten Bedingungen bewähren muss. „Africa tough“ steht auf dem Werbeschild. Will sagen: China mit seinen Produkten weiß schon, wie man mit Schwierigkeiten auf dem Kontinent umgehen muss.
Unabhängig davon, ob FAW ein guter Lkw ist oder nicht – nach dem Urteil von Experten ist er vor allem günstig –, demonstriert diese Werbung, was Chinas Engagement in Afrika ausmacht: die Bereitschaft, sich auf widrige Gegebenheiten einzulassen, seien diese topografischer, kultureller, politischer oder wirtschaftlicher Natur. Ruandas Präsident Paul Kagame hat einmal gesagt, China liefere das, was Afrika brauche. Der Langzeitherrscher wird damit nicht nur Lastwagen gemeint haben, die afrikanischen Off-Road-Verhältnissen mit einfacher und bezahlbarer Technologie begegnen.
Denn die chinesische Fähigkeit zur Adaption, der Pragmatismus der Unterhändler, Automobilverkäufer, Straßenbauarbeiter, Bergbauexperten und Garküchenbetreiber, die in den letzten 20 Jahren nach Afrika gekommen sind, werden hier geschätzt. Das hilft auch dabei, über gewisse Unzulänglichkeiten hinwegzusehen, wie die mindere Qualität vieler chinesischer Produkte, den Verdrängungswettbewerb gegenüber lokalen Anbietern, den Hang, sich mit finanziellen Gefälligkeiten gegenüber Immigrationsbeamten, Katasteramtschefs und Ministern den nötigen Einfluss zu erkaufen.
Chinas Engagement in einigen Zahlen legt nahe, dass der Kontinent auf die Chinesen gewartet haben könnte: Bis zu einer Million Chinesinnen und Chinesen engagieren sich nicht nur als Händler, sondern vor allem im Bergbau sowie im Hoch- und Tiefbau. Betrug der Handel der Chinesen mit Afrika noch im Jahr 2000 lediglich zehn Milliarden US-Dollar, so waren es 14 Jahre später bereits 220 Milliarden. Die Länder auf dem Kontinent mit den größten chinesischen Direktinvestitionen – Ägypten, Nigeria, Algerien und Südafrika – gelten wegen ihrer guten Infrastruktur oder ihres großen Rohstoffvorkommens als wirtschaftliche Zentren in Afrika. Die Empfänger der meisten chinesischen Kredite sind mit Äthiopien und Kenia (neben Angola) Staaten, die von ihrer historischen und wirtschaftlichen Entwicklung kaum unterschiedlicher sein könnten. Hier das ehemalige Kaiserreich, das zu einem sozialistischen Land wurde und zu einer sich nur langsam öffnenden Diktatur, dort das Wirtschaftszentrum Ostafrikas, das jedweden weltanschaulichen Experimenten ferngeblieben ist und dessen Entwicklung nur durch massive Eingriffe der Politik und durch Korruption gelitten hat. Hier wie dort scheinen die Chinesen keine Fragen nach der Vergangenheit zu stellen, solange das Land und seine Gegebenheiten strategisch und wirtschaftlich vielversprechend sind. Im Jahr 2016 haben chinesische Direktinvestitionen auf dem Kontinent übrigens erstmals jene der USA überholt.
In Europa ist es den Chinesen durch gewaltige Investitionen, etwa in Griechenland oder Ungarn, gelungen, Keile in die Europäische Union zu treiben. Dass Europa gegenüber China nicht mit einer Stimme spricht, ist ein folgenschwerer Fehler. Ist China zu wichtig, als dass man das Land kritisieren könnte? So wenig sich Peking um europäische Bedenken über seine Innenpolitik scheren mag, so wenig interessiert es dort, was man über das Pekinger Engagement in Afrika denkt. Sie wissen, dass sie qua Masse und Umfang ihrer Investitionen, Kredite, Infrastrukturprojekte jeden europäischen Versuch der wirtschaftlichen Einflussnahme spielerisch an die Wand drängen können.
Deutsche Diplomaten oder Repräsentanten der Konrad-Adenauer-Stiftung, seien sie in Kinshasa, Windhoek oder Harare, können viel davon erzählen, wie chinesische Emissäre dort hofiert werden, während sie sich als westliche Vertreter abstrampeln müssen, um mit Themen wie Bewahrung des Wettbewerbs, Respektierung der Menschenrechte oder Gewaltenteilung zu punkten.
In Deutschland und im Kongo
Chinesische Konsum- und Haushaltsprodukte finden sich heute in jedem deutschen Haushalt. Von der Taschenlampe über die Designerleuchte zum Chip im Laptop ist China präsent. In vielen kongolesischen Haushalten sind es der Kugelschreiber, das Fahrrad, das Malariamedikament, die aus China kommen. Und nicht zuletzt das kostengünstige Smartphone. Neben ihrem Engagement in Afrika mit Fußballstadien, im Straßenbau und im Telekommunikationssektor, also profitorientierten Aktivitäten, gibt es aber eine ideologische Komponente des chinesischen Engagements, die vieles propagiert, was dem Westen nicht behagen kann: den Ein-ParteienStaat, eine eingeschränkte Meinungsfreiheit, den rücksichtslosen Umgang mit Minderheiten.
Der Pragmatismus der Chinesen begeistert viele afrikanische Regierungen. Und er verstört die westlichen Partner Afrikas. Während in Europa – korrekterweise, wenn auch nicht immer mit den richtigen Konzepten – über Fluchtursachenbekämpfung nachgedacht wird, bauen und investieren die Chinesen mit einer Geschwindigkeit, die manchen afrikanischen Beobachter fragen lässt, warum die Leute aus Peking das so schnell hinbekommen, wofür es in zähen Verhandlungen mit Ministerialen aus Berlin oder Paris Jahre brauchen kann. Die Chinesen schaffen täglich Gründe zum Bleiben, mit der spürbaren Verbesserung der Lebensverhältnisse auch für die unteren Schichten. Dem schieren Umfang der Investitionen kann der Westen nur wenig entgegensetzen. Zusätzlich sind die Preise, zu denen Straßen, Eisenbahnlinien oder Flughäfen von den Chinesen gebaut werden, nicht zu kontern. Da hilft es wenig, darauf hinzuweisen, dass die deutsche Straße im tiefsten Afrika länger hält als die chinesische. Trotz des sichtbaren Vorsprungs der Chinesen haben sie allerdings die Herzen der Menschen noch nicht gewonnen. Die Verheißung und Vision heißen nach wie vor Europa und USA, nicht China.
Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Afrobarometer aus dem Jahr 2015 in 36 Staaten des Kontinents empfanden mehr als 60 Prozent der Befragten den chinesischen Einfluss als positiv. Die Offenheit, mit der den Chinesen in Afrika begegnet wird, kennen diese nicht aus Asien oder gar aus Europa, wo in vielen Staaten die Angst vor einem Ausverkauf nationaler Industrien und europäischer Werte die Stimmung dominiert.
Es ist zu fragen, ob die westliche Sicht auf China, wie auch auf das chinesische Engagement in Afrika einem Wunschdenken entspricht. Dass China sich noch in seine Rolle in der Weltpolitik einfinden und die Verpflichtung zur humanitären Hilfe wahrnehmen würde, ist solch eine Vermutung, von der wir nicht wissen, ob nicht der Wunsch Vater der Vermutung ist. Das britische Magazin Economist hat im März 2018 eine Analyse der westlichen Fehlperzeptionen von China vorgenommen: So sei die Annahme, dass westliche Werte wie Gewaltenteilung und eine unabhängige Justiz sich irgendwann auch in China durchsetzen würden, ein Trugschluss. Die Demokratisierung von innen, durch eine erstarkende Mittelschicht, die bürgerliche Freiheiten fordert, ist jedenfalls ausgeblieben.
Das Gegenteil scheint eingetreten zu sein – die diktatorischen Tendenzen im Land, die mögliche Herrschaft des chinesischen Präsidenten auf Lebenszeit könnten genau das Gegenteil von dem bedeuten, was wir immer erhofft haben. Dass die Chinesen sich nicht in ihre Politik hineinreden lassen wollten, trifft bei vielen Potentaten auf großes Verständnis. In Kinshasa wie in Kigali sind die Herrscher es müde, sich von Berlin oder der EU oder dem State Department anhören zu müssen, dass sie die Menschenrechte nicht respektierten, zu wenig gegen die Korruption unternehmen oder auch nur einfach in ihrem Demokratieverständnis von gestern seien. Dann kommen die Chinesen, schauen, bauen, stellen dabei keine politischen Forderungen und hinterfragen die Herrschenden nicht. Das gefällt einem Präsidenten Kabila in der Demokratischen Republik Kongo oder einem Paul Kagame in Ruanda durchaus. Letzterer mag sich zwar Waffen in Israel oder den USA besorgen. Doch sein Modell der vermeintlichen Freiheit im Internet ist eine afrikanische Variante des chinesischen Überwachungsstaates: Er lässt fast alle Webseiten und sozialen Medien zu und erzeugt den Eindruck von relativer Freiheit, in Tat und Wahrheit nutzt er genau diese aber zur flächendeckenden Überwachung.
Afrikanische Diversität berücksichtigen
Es ist wichtig, als Politiker, Stiftungsvertreter oder Investor westliche Werte zu vertreten. Doch dies muss mit wesentlich mehr Chuzpe und Selbstbewusstsein geschehen, wenn man der chinesischen Hemdsärmeligkeit in Afrika und dem brachialen Egoismus der Vertreter aus Peking wirksam etwas entgegensetzen möchte. Es geht um mehr Selbstbewusstsein und deutlichen Stolz auf die Errungenschaften westlicher Demokratien. Das wachsende Kreditaufkommen der Chinesen oder eine neue chinesische Straße sind nicht der Kern des Problems. „Es deutet sich an, dass China auf lange Sicht die territoriale Reichweite des liberalen Ordnungssystems begrenzen will“, heißt es in einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik. Wird Afrika chinesischer, wird es unfreier und repressive Tendenzen auf dem Kontinent werden verstärkt. Diese Entwicklung wirkt angesichts des zu erwartenden Bevölkerungswachstums und des damit einhergehenden Migrationsdrucks beunruhigend.
So wie Verständnis für Afrika sich am ehesten dann einstellt, wenn die nationalen Verschiedenheiten anerkannt werden, braucht es einen differenzierten Blick auf Chinas Aktivitäten auf dem Kontinent, auf die sehr unterschiedlichen Beweggründe für Chinesen, nach Afrika zu ziehen. Da sind zunächst einmal die Händler, die mit billigem, aber nützlichem Tand seit Jahren den Kleinhandel auf afrikanischen Märkten verändern. Ähnlich wie die chinesischen Bauarbeiter, die mit Sonnenschutz im Nacken auf großen Maschinen die Verbindungsstraße zwischen Entebbe und Kampala asphaltieren, mögen viele dieser Männer oft gar nicht so genau wissen, wo sie sind. Sie sind, wie viele chinesische Einwanderer, auf der Suche nach Geschäften und Erfolg.
Dann gibt es jene Chinesen, die als Absolventen von Universitäten, die nicht zur allerersten Riege gehören, nach Chancen suchen und wissen, dass sie mit einer gewissen Risikobereitschaft hier etwas werden können – als Zwischenhändler, Arzt oder Händler. Und schließlich gibt es die chinesische Diplomatie, die mit kulturellen, wirtschaftlichen und militärischen Kooperationen riesigen Ausmaßes sehr deutlich macht, dass man in Afrika eine längerfristige Perspektive sucht und nicht gewillt ist, bald wieder zu gehen. Chinesische Vertretungen, etwa in Windhoek oder in Nairobi, sind oft genug größer und moderner als jene der USA oder Russlands. Insgesamt 52 Auslandsvertretungen der Chinesen, also in nahezu jedem Staat auf dem Kontinent, stehen 49 Vertretungen der USA gegenüber.
Die größte Gruppe der etwa eine Million Chinesen auf dem Kontinent lebt in Südafrika. Mehr als 300.000 Personen aus der Volksrepublik haben sich nach dem Ende der Apartheid am Kap niedergelassen. Angola folgt mit etwa 250.000 Chinesen und Madagaskar mit 100.000 auf den Plätzen zwei und drei. Die Expertin Yoon Jung Park von der Georgetown University in Washington, D.C. berichtet von chinesischen Diplomaten, die sich ernsthafte Sorgen um das Ansehen ihres Landes machen, da viele der Einwanderer auf den afrikanischen Kontinent als ungebildet zu betrachten seien. Park berichtet von einem nicht näher beschriebenen chinesischen Botschafter, der gesagt habe: „Diese Leute bereiten mir die größten Kopfschmerzen.“ Einige Chinesen sind wegen ihres Image als neue Kolonisatoren, die afrikanische Händler an die Wand drängen und den Kunden übervorteilen, besorgt. Sie engagieren sich darum mit Spendenaktionen für Schulen und für Bedürftige. Der chinesische Bann des Elfenbeinhandels soll auch aus der Sorge um das öffentliche Ansehen der Volksrepublik auf dem Kontinent und darüber hinaus erfolgt sein.
Rasende Entwicklung in 30 Jahren
All das hat sich erst seit dem Fall der Berliner Mauer ergeben. Allerdings in einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Dreißig Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges zwischen den Staaten des Warschauer Paktes und jenen des Westens werden jetzt neue weltanschauliche Kämpfe in Afrika ausgetragen. Bis 1989 hatten afrikanische Staatschefs wie Mobutu Sese Seko in Zaire (an der Macht von 1965 bis 1997), Jomo Kenyatta in Kenia (1964 bis 1978) oder Siad Barre in Somalia (1969 bis 1991) es meisterhaft verstanden, die ideologischen Kämpfe des Kalten Krieges für sich zu nutzen. Fragen nach der Einhaltung von Menschenrechten oder der Toleranz gegenüber der Opposition wurden auch vom Westen selten genug gestellt, weil es wichtiger schien, den jeweiligen Partner nicht an den ideologischen Gegner zu verlieren.
Zu jenen Zeiten bestand das Engagement der Volksrepublik China in Afrika mehrheitlich aus Solidaritätsaktionen für Befreiungsbewegungen oder Staaten wie Tansania und Sambia. Legendär ist das Projekt der TAZARA-Bahn, mit der chinesische Ingenieure die sambischen Kupferexporte unabhängig machen wollten von den Häfen in Südafrika, wo die weiße Minderheitsregierung Nelson Mandela weggesperrt hatte und die Überlegenheit der weißen Rasse propagierte.
In einem wahren Kraftakt und durch eine Meisterleistung chinesischer Ingenieure wurde die TAZARA gebaut. In jedem kleinen Haltebahnhof an der Strecke standen damals standardisierte Bahnhofsgebäude, auf der langen Fahrt von Mbeya im Süden Tansanias nach Dar es Salaam konnte man Anfang der 1980er Jahre chinesische Mechaniker in blauen Mao-Anzügen beobachten. Freundlich lächelnd begleiteten diese die Reise, klopften bei Aufenthalten an den Bahnhöfen gegen Achsen und Muttern und vermieden dabei tunlichst intensivere Kontakte mit den Reisenden und der sambischen oder tansanischen Bevölkerung.
Die Strategen in London, Bonn oder Washington konnten sich angesichts eines solchen mehrheitlich solidarischen Engagements der Chinesen in relativer Sicherheit wiegen. Eine Bedrohung ihrer Interessen stellte Peking schon angesichts seiner damals begrenzten Ressourcen nicht da. Und genau genommen war auch das sowjetische Engagement lediglich eine militärische Bedrohung, verstärkt durch das kubanische Engagement in Angola, keine wirtschaftliche oder weltanschauliche. In repressiven Staaten w
ie Zaire, Ruanda oder Uganda hatten westliche Werte wie Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung und Liberalität für viele eine Strahlkraft, gegen die die Propagandaabteilung der KPdSU nicht viel ausrichten konnte. Obendrein hatten die Sowjets wirtschaftlich nicht viel zu bieten. Westliche Automobile, Kleidung und Musik waren allemal attraktiver für die Eliten als das begrenzte sowjetische Konsumangebot.
Kenias Präsident Jomo Kenyatta hatte schon früh die geringe Anziehungskraft des sowjetischen Modells für seine Eliten erkannt. Von ihm ist überliefert, dass er sehr bewusst möglichst viele kenianische Studenten zum Studium in die UdSSR schickte. Er ahnte, dass diese nach entbehrungsreichen Jahren in der Sowjetunion als gestählte Kapitalisten in die Heimat zurückkehren würden.
Dann fiel die Berliner Mauer, die UdSSR kollabierte, Kuba hatte sein Engagement in Afrika schon vorher zurückgefahren und war durch den Wegfall der sowjetischen Unterstützung auf sich gestellt. Auf einmal fanden sich Bonn, London und Washington allein als mögliche Partner afrikanischer Regierungen. Die UdSSR gab es nicht mehr. Und die Volksrepublik China war noch nicht so weit. Sehr schnell wurden vom Westen Konditionen und Kriterien für die Zusammenarbeit geschaffen, die die afrikanischen Partner vor große Herausforderungen stellten: So war Kenias Präsident Daniel arap Moi ebenso irritiert über die Forderung nach Mehrparteiendemokratie wie Mobutu Sese Seko im damaligen Zaire.
Manches Mal mögen sich diese Herrscher nach den vermeintlich guten alten Zeiten des Ost-West-Konfliktes zurückgesehnt haben. Ihre Nachfolger machen heute mit Wohlgefallen von der Möglichkeit Gebrauch, mit dem neuen Konkurrenten des Westens auf dem Kontinent ins Geschäft zu kommen: der Volksrepublik China.
Es geht um ein Lebensmodell
Der Economist zitiert Chinas Präsidenten Xi, der auf dem 19. Parteikongress im Jahr 2017 „neue Optionen für andere Länder“ angekündigt hatte, bei denen es um „chinesische Weisheit und chinesische Lösungsmöglichkeiten für die Probleme der Menschheit“ gehe. Das kommt einer Kampfansage an traditionelle westliche Interessen, auch in Afrika, gleich. Während man sich in den Hauptstädten über die „shithole“-Äußerungen des amerikanischen Präsidenten ärgert, bietet China umfangreiche Kooperation auf Augenhöhe an.
Die wirtschaftliche Kooperation definiert sich in vielen Fällen nicht über Qualität, sondern über den Preis und die Menge. Der scheinbar unstillbare Bedarf der chinesischen Industrie an Öl, Erzen, agrarischen Produkten und edlen Hölzern führt in Ländern wie Sambia oder Simbabwe zu einer verhaltenen Goldgräberstimmung. Die darbende Tabakwirtschaft Simbabwes wird gerade mit chinesischer Hilfe wieder aufgebaut, der Bedarf des chinesischen Marktes scheint unersättlich.
Im Jahr 2017 hat die Volksrepublik China eine eigene Marinebasis in Dschibouti eröffnet. Vorderhand soll es um den Schutz der internationalen Handelsschifffahrt am Horn von Afrika gehen. Doch scheint deutlich geworden zu sein, dass Peking es als unerlässlich betrachtet, zum Schutz seiner hohen Investitionen und seiner Staatsbürger auf dem Kontinent auch militärisch in Afrika vertreten sein zu wollen. Seit 1978 sollen bis zu zehn Millionen chinesische Staatsbürger für längere Zeiträume ins Ausland gezogen sein. Jene, die zum Studium nach New York oder Oxford gingen, sind eine wichtige Minderheit, die meisten zog es auf der Suche nach Erfolg, nach Geschäften und Wohlstand in die Welt. So wie nach Afrika – eine Million Chinesen sind in den vergangenen 20 Jahren nach Afrika emigriert.
Sie sind Exporteure einer Globalisierung, von der sie selbst erst in den letzten 30 Jahren profitiert haben. Ihre Anwesenheit auf dem Kontinent ist für viele ein Heilsversprechen, weil China den Sprung geschafft hat, von dem viele in Afrika träumen. In diesem Versprechen liegt auch die große Herausforderung für den Westen, für die Medien und für die Arbeit in der politischen Kommunikation zur Verteidigung westlicher Werte auf dem Kontinent.
An der Wits University in Johannesburg werden regelmäßig Konferenzen chinesischer und afrikanischer Akademiker abgehalten, bei denen es um eine Bestandsaufnahme des chinesischen Vormarsches geht. Die bange Frage, zu wessen Vorteil das Engagement ist, wird allerdings selten diskutiert. Die Anwesenheit chinesischer Akademiker und von Vertretern chinesischer Staatsmedien bedeutet, dass sehr vieles zwischen den Zeilen oder aber gar nicht gesagt wird. Man analysiert lieber die „Road to a New Future: The Chinese Built Bingu Highway in Malawi“ oder auch „The donkey skins pipeline to China“ über den wachsenden Handel mit den Häuten afrikanischer Esel, die in China in der Pharmaproduktion verwendet werden. Wichtigste Erkenntnis ist, dass chinesisches Engagement auf dem Kontinent nicht uniform ist, sondern sehr auf die jeweiligen nationalen und regionalen Bedingungen angepasst.
Und es ist vollkommen unpolitisch. China ist eben auch so beliebt, weil es niemandem weh tut. Schon die Berichterstattung über afrikanische Themen ist von einer Harmlosigkeit und Freundlichkeit, die westlichen Medienkonsumenten bestenfalls ein Gähnen entlockt. Bei Staats- und Regierungschefs auf dem Kontinent ist diese Art der harmlosen Berichterstattung durchaus beliebt. Gerne wird in diesem Sino-Pragmatismus auf den positiven Journalismus chinesischer Prägung verwiesen sowie auf die westliche Kolonialgeschichte in Afrika.
Werben um Herzen und Köpfe
Das aggressive Werben um afrikanische Köpfe, das Propagieren des chinesischen Erfolgsmodells aus Diktatur und Wirtschaftsentwicklung begann erst mit dem chinesischen Wirtschaftswunder in den 1990er Jahren. Damals eröffnete die Nachrichtenagentur Xinhua Büros in Nairobi und in Johannesburg, aber auch private und halbstaatliche Medienunternehmen aus China zog es nach Afrika, um auf Englisch, Französisch und Portugiesisch, aber auch auf Arabisch und Suaheli Chinas Sicht auf die Welt zu propagieren.
So wie der Westen lange das wirtschaftliche Engagement Chinas als Handel mit Billigwaren abgetan hatte und erst sehr spät realisierte, wie pragmatisch die Chinesen mit afrikanischen Unwägbarkeiten umzugehen in der Lage waren, so haben viele Institutionen der Bildungszusammenarbeit und viele Medien erst spät wahrgenommen, wie sehr China sich daran gemacht hat, auch die Wahrnehmung afrikanischer Meinungsbildner zu prägen. Dies geschieht vor allem mit Stipendien, Einladungen zu Reisen nach China und dem Angebot der medialen Zusammen‑arbeit, indem Texte von Xinhua gratis zum Nachdruck angeboten werden, während die Angebote westlicher Nachrichtenagenturen in aller Regel teuer zu bezahlen sind.
Der chinesischen Politik geht es eben um mehr als um Straßen und um eine Marinebasis. Es geht um die Köpfe und Herzen der Menschen, um massive Einflussnahme auf Meinungsführer und Entscheider. Peking wolle mit „seinen Auslandsinvestitionen in Medienhäuser, Think-Tank-Kooperationen oder Forschungsprojekte langfristig nicht nur den Inhalt von Nachrichten und Debatten beeinflussen. Peking möchte auch Regeln und Abläufe politischer Diskussionen auf Dauer in seinem Sinne festlegen“, warnt die SWP-Studie.
Bei der Analyse des chinesischen Engagements in Afrika ist zwischen dem Werben um Politiker und jenem um Medienschaffende zu unterscheiden. Außerdem, so hebt Dr. Bob Wekesa von der University of Witwatersrand in Johannesburg hervor, gelte es die Wirkung des chinesischen Engagements von Land zu Land zu differenzieren. „Dort, wo die Demokratie zur politischen Kultur gehört, wie in Kenia oder Nigeria, werden die Chinesen weniger Erfolg haben als in demokratisch instabileren Ländern wie Uganda oder Ruanda“, hat der Wissenschaftler beobachtet.
Wekesa ist einer jener Akademiker aus Afrika, die die chinesischen Versuche der Einflussnahme aus eigener Anschauung kennen. Vier Jahre studierte er am Pekinger Institute for Communication Studies und promovierte dort. In die Zeit seines Aufenthaltes fiel die Entwicklung des sogenannten positiven Journalismus, mit dem China seither versucht, insbesondere in Afrika Einfluss zu nehmen. Der positive journalism sei eine Art des Dazwischenjournalismus, „bei dem chinesisches Denken vermittelt wird, aber mit westlicher Philosophie und Gedankenwelt umwölkt“, so Wekesa.
Selbstzensur sieht auch der Medienexperte Wekesa als die größte Gefahr für all jene, die sich auf den Weg nach China machen. Denn anders als bei westlichen Stipendien und Einladungen ist der Druck, Anschauungen zu übernehmen, beträchtlich; die chinesische Erwartung, man zeige sich politisch oder publizistisch erkenntlich, stehe meist unausgesprochen im Raum.
Afrika sei durchaus Teil einer Gesamtstrategie zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung, erklärt Wekesa. Der Versuch, Menschen von kritischen Nachfragen abzuhalten, stelle eine Bedrohung dar. Bei Kritik an dieser Politik wiesen die Chinesen gerne auf die angeblichen Hegemonialbestrebungen des Westens auf dem afrikanischen Kontinent hin, erinnert Wekesa. Das britische Magazin Economist warnte kürzlich vor der wachsenden „sharp power“ der Chinesen in der Welt, also der bewussten Einflussnahme auf das Denken und auf das Meinungsbild. „Gegenspionage, die Justiz und unabhängige Medien sind der beste Schutz gegen diese Unterwanderung“, konstatierten die Briten.
Wenn Funktionäre des African National Congress in Südafrika oder auch der regierenden Jubilee Alliance in Kenia zu Parteimanagement-Schulungen nach China reisen, dürfte darum weniger ideologische Nähe eine Rolle spielen als die bewusste Abkehr von westlicher Konditionalität, die Zusammenarbeit oft an die Einhaltung von Menschenrechten und demokratischen Grundprinzipien knüpft.
Es rächt sich heute, dass der Westen nicht immer bei allen afrikanischen Partnern gleichermaßen auf die Einhaltung solcher Werte gepocht hat. Wirtschaftliche und militärische Ziele führen erfahrungsgemäß zu einem weniger nachdrücklichen Insistieren als gegenüber Partnern, die nicht viel zu bieten haben.
Wie ist darauf zu antworten? Mit der Einsicht, dass ein beherztes Auftreten, wenn es etwa gegenüber der Türkei oder den USA geboten und möglich ist, auch gegenüber China funktionieren kann. Nur wird Deutschland das effektiv einzig im europäischen Verbund machen können. Größeres Selbstvertrauen, das im Verhältnis zu den USA oder Russland durchaus in den vergangenen Jahren gewachsen ist, wäre gegenüber China geboten. Der Stolz auf demokratische Errungenschaften, auf Meinungsfreiheit und Gewaltenteilung mag verwegen wirken angesichts chinesischer Projekte, die mit ihrer schieren Masse zu erdrücken scheinen. Aber er ist das alternativlose Angebot an afrikanische Gesellschaften, denen es neben der Sicherung der Grundbedürfnisse schließlich auch um Freiheit und Partizipation geht.
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Christoph Plate ist Leiter des Medienprogramms Subsahara-Afrika der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Johannesburg, Südafrika.
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