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Eine goldene Gelegenheit

von Friederike Böge, Thilo Thielke
Staatspräsident Xi tourt durch Afrika. Der Kontinent braucht Geld – und China ein Experimentierfeld für den globalen Führungsanspruch.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.07.2018, S. 2


Dem Besucher aus dem Reich der Mitte war am Dienstag in Pretoria ein ehrenvoller Empfang bereitet worden. Zunächst wurden für den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping vor den „Union Buildings“, dem Sitz von Präsident und Regierung, 21 Salutschüsse abgefeuert. Dann stand zuerst die Präsidentengarde stramm und danach das versammelte Kabinett, um dem Ehrengast die Hand zu schütteln. Am Abend zuvor war Xi auf der Waterkloof-Luftwaffenbasis gelandet. Offizieller Anlass seines dritten Besuchs am Kap: der Gipfel der Brics-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Aber der chinesische Führer hatte ohnehin auf dem Kontinent zu tun und zuvor bereits dem westafrikanischen Senegal wie dem zentralafrikanischen Ruanda einen Besuch abgestattet. Nach seiner Abreise aus Johannesburg an diesem Freitag ist dann noch ein Zwischenstopp auf der Insel Mauritius geplant.

Natürlich geht es meist ums Geld, wenn Gäste aus dem Riesenreich nach Afrika kommen. In Südafrika ist das nicht anders. Seit neun Jahren in Folge ist China Südafrikas wichtigster Handelspartner. Gerade hat das Handelsvolumen 39 Milliarden Dollar erreicht, zwanzigmal so viel wie in den neunziger Jahren, als die beiden Staaten nach dem Ende der Apartheid diplomatische Beziehungen aufnahmen. Direktes chinesisches Investment hat sich in dieser Zeit verachtfacht: auf einen Wert von zehn Milliarden Dollar.

Das Land am Südzipfel Afrikas hat Geld bitter nötig, denn die einheimische Wirtschaft steckt in einer tiefen Krise. Die Wirtschaftsleistung sank im zweiten Quartal dieses Jahres um 2,2 Prozent, viermal stärker als erwartet. Investoren halten sich zurück, seit die Regierung verkündet hat, weiße Farmer entschädigungslos enteignen zu wollen, und damit den Forderungen der Linksextremisten nachkommt. Man sieht das Elend auch am Kurs des südafrikanischen Rands. Die nationale Währung hat in den vergangenen Wochen um 20 Prozent nachgegeben und damit ihren Aufwärtstrend nach der Vereidigung des neuen Staatspräsidenten Cyril Ramaphosa nahezu komplett eingebüßt.

Auf der Suche nach neuen Geldquellen blickt das Land deshalb immer häufiger gen Osten, wo man sich um die inneren Angelegenheiten der Schuldner nicht allzu sehr kümmert. „Der Staatsbesuch von Präsident Xi Jinping ist eine goldene Gelegenheit für Südafrika, die strategischen Beziehungen zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Erde weiter zu vertiefen“, jubelte folgerichtig David Monyae, einer der Direktoren des Konfuzius-Instituts der Universität Johannesburg, in der Zeitung „Cape Times“.

Der Kommentator des Wirtschaftsblatts „Business Day“ sieht das ähnlich. Auf Europa und die Vereinigten Staaten sei immer weniger Verlass, und die Brics-Staaten seien mittlerweile wichtiger als die G-7-Gruppe, in der China, Indien und Russland gar nicht vertreten seien. Zudem werde prognostiziert, „dass China noch in diesem Jahr die komplette Eurozone überflügelt“. Einige Tage zuvor habe Barack Obama in Johannesburg zwar wegen des miserablen Zustands der Menschenrechte noch vor China gewarnt, doch es gebe noch etwas Wichtigeres, so die Zeitung „Business Day“: „Pragmatismus“.

So wie es aussieht, wurden die Hoffnungen der Afrikaner nicht enttäuscht. Bereits am Dienstag verkündete Xi, sein Land werde in Südafrika Investitionen im Wert von 14,7 Milliarden Dollar tätigen. Zusätzlich soll das komplett heruntergewirtschaftete Staatsunternehmen Eskom von chinesischen Banken Kredite in Höhe von 2,8 Milliarden Dollar erhalten. Aber ob chinesisches Geld das Problem lösen kann? Der südafrikanische Stromkonzern, der 90 Prozent aller Haushalte im Land beliefert, hatte trotz eines vorherigen Kredits der chinesischen Entwicklungsbank in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr einen Verlust von 171 Millionen Dollar gemacht. Das Unternehmen ist eigentlich bankrott und dient dem Staat seit langem als Versorgungsposten treuer Parteigänger des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses. Es produziert mittlerweile weniger Strom als im Jahr 2008. Innerhalb von zehn Jahren stiegen die Personalkosten um 300 Prozent und die Strompreise um 350 Prozent.

Auch Transnet, ein Unternehmen, das mehrheitlich dem südafrikanischen Staat gehört und Eisenbahnen, Pipelines und Häfen betreibt, soll 300 Millionen Dollar von der „Industrial and Commercial Bank of China“ bekommen. Auch Transnet ist ein Beispiel staatlicher Misswirtschaft. Unter Ramaphosas Vorgänger als Staatspräsident, Jacob Zuma, soll das Unternehmen Aufträge an Günstlinge vergeben haben.

Aber nicht nur Afrika scheint von den sich vertiefenden Beziehungen zwischen Peking und dem Kontinent zu profitieren. Afrika ist für China nicht nur ein wichtiger Rohstofflieferant und Absatzmarkt, es ist auch ein zentrales Experimentierfeld für Chinas globalen Führungsanspruch in einer neuen Weltordnung. Dazu zählt Xi Jinpings Megaprojekt der „neuen Seidenstraße“, in dessen Rahmen China Kredite in Milliardenhöhe für Infrastruktur vergibt. Bislang hat Peking in Afrika nach eigenen Angaben mehr als 6200 Kilometer Eisenbahnschienen und mehr als 5000 Kilometer Straßen sowie den Bau mehrerer Häfen finanziert. Auf diese Weise hat sich die Volksrepublik Zugang zu Absatzmärkten und politischen Einfluss gesichert und zugleich die eigenen Überkapazitäten im Bau- und Stahlsektor exportiert. Die neuen Eisenbahnlinien in Kenia und Äthiopien gelten in Peking als Vorzeigeprojekte, auch wenn Kritiker darin eine Schuldenfalle sehen.

Mit der Förderung von Infrastrukturmaßnahmen verbindet China auch die Empfehlung des eigenen Entwicklungsmodells als Alternative zu westlichen Demokratien. Jüngst berichteten Pekings Parteimedien über einen Nigerianer, der in einem Buch die These vertritt, sein Land solle ein Einparteiensystem nach dem Vorbild der Volksrepublik errichten. Dieser Topos, der wohl mehr noch an das heimische Publikum gerichtet ist, spielt auch in der Kommentierung der Reise Xi Jinpings eine Rolle: „Afrikanische Länder sind enttäuscht vom westlichen Modell“, schreibt der Politikwissenschaftler Wang Yiwei von der renommierten Renmin-Universität am Mittwoch in der Parteizeitung „Beijing Daily“. Das chinesische Modell habe den Ländern die Augen für „eine alternative Modernisierung“ geöffnet. Hinter diesem „Lernen voneinander“ stehe das Nachdenken über „die Schaffung einer neuen Weltordnung“.

Zuletzt war es in Peking ein wenig ruhiger um das Seidenstraßen-Projekt geworden, nachdem sich in der ganzen Welt Kritik dagegen geregt hatte. Doch nun wird als einer der Erfolge der Reise Xi Jinpings hervorgehoben, dass Senegal sich als erstes westafrikanisches Land der Initiative angeschlossen habe. Senegal, Ruanda und Südafrika, so heißt es in der Parteipresse, würden Zeugnis für die Vorteile ablegen, die „Chinas Weisheit“ der Welt bringe.

All das sind Begriffe, mit denen Staats- und Parteichef Xi Jinping den Führungsanspruch seines Landes formuliert hat. Angesichts des eskalierenden Handelskonflikts mit Amerika hatte er im Juni in einer bedeutenden außenpolitischen Strategiesitzung die Losung ausgegeben, dass China die Beziehungen zu Entwicklungsländern weiter ausbauen müsse. Dabei profitiert Peking vom Rückzug der Vereinigten Staaten aus Afrika. Die eigenen Beziehungen zu den „natürlichen Partnern“ (Xi) auf dem Kontinent kleidet China in antikoloniale Rhetorik. Im Gegensatz zu westlichen Geldgebern verlangt es von den Regierungen keine Rechenschaft über Bürgerbeteiligung und Anti-Korruptions-Maßnahmen. Ruandas Präsident Paul Kagame sprach Xi Jinping dafür seinen Dank aus: China behandle Afrika „als einen Gleichen“. Prompt wurde auch der Zwergstaat am Kivusee reichlich bedacht. Allein 15 bilaterale Vereinbarungen unterzeichnete Xi am Montag in Kigali. Es ging um Visaerleichterungen, Kooperationen in der zivilen Luftfahrt und Kredite für Straßenbau, die Renovierung von Krankenhäusern und die Entwicklung des neuen Flughafens Bugesera.

Auch militärisch hat China sein dortiges Engagement stetig verstärkt, schon um die eigenen Investitionen und die mehr als eine Million Chinesen auf dem Kontinent im Konfliktfall schützen zu können. Im vergangenen Jahr hat China in Djibouti seine erste Militärbasis außerhalb des eigenen Landes eröffnet. Im Juni versprach Peking beim ersten „China-Afrika-Verteidigungs- und Sicherheitsforum“ umfangreiche Militärhilfe für afrikanische Armeen – ohne allerdings Details zu nennen. Zudem versehen mehr als 2000 chinesische Soldaten in Afrika im Rahmen von UN-Friedensmissionen ihren Dienst.

Unter Xi Jinping hat das Land auch seine Bemühungen verstärkt, die öffentliche Meinung über die Einparteiendiktatur zu beeinflussen – nicht zuletzt in Afrika, wo chinesische Medien und Austauschprogramme für Journalisten für einen „pragmatischen“, sprich unkritischen Journalismus werben. Dahinter steht Xi Jinpings Idee, die Diskursmacht westlicher Medien in der Welt zu brechen. Auch afrikanische Parteifunktionäre, Regierungsmitarbeiter und Studenten werden in großer Zahl nach China eingeladen, um ihnen Pekings Weltsicht nahezubringen. Inzwischen stellen Afrikaner rund ein Viertel der Auslandsstudenten in China.

Der überschwängliche Empfang, der Xi Jinping in Ruanda, Südafrika und in Senegal bereitet wurde, dürfte für ihn eine willkommene Ablenkung von den Sorgen zu Hause gewesen sein. Denn wegen des Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten steht er auch innenpolitisch stark unter Druck. Inhaltlich setzte der Präsident auf seiner Reise kaum neue Akzente. Das liegt wohl daran, dass im September der China-Afrika-Gipfel in Peking ansteht, einer der Höhepunkte des diesjährigen diplomatischen Kalenders. Im Beisein von 50 afrikanischen Führern will Xi Jinping dann neue Kredite und Finanzzusagen in Milliardenhöhe verkünden und eine neue Afrika-Strategie präsentieren.

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Friederike Bögeist Politische Korrespondentin der F.A.Z. für Ostasien.

Thilo Thielkeist Berichterstatter der F.A.Z. für Afrika mit Sitz in Kapstadt.


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