Ausgabe: 2/2017
Einleitung
Franziska Rinke
Auch 15 Jahre nach dem Inkrafttreten des Römischen Statuts ringt der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) immer noch weltweit um Akzeptanz. Zwar blickt er mittlerweile auf eine Reihe von durch ihn erlassene Urteile und strafrechtliche Ermittlungen in vielen Teilen der Erde zurück, doch steht der Gerichtshof bis heute vor enormen Herausforderungen.
Am 17. Juli 1998 wurde auf der Staatenkonferenz der Vereinten Nationen in Rom das Abkommen über einen Internationalen Völkerstrafgerichtshof beschlossen. Das sogenannte Römische Statut wurde von 139 Staaten unterzeichnet und trat 2002 in Kraft, so dass der IStGH seine Arbeit 2003 in Den Haag aufnehmen konnte. Im Unterschied zum Internationalen Gerichtshof ist er nicht Teil der Vereinten Nationen, sondern eine eigenständige Internationale Organisation. Können vor dem Internationalen Gerichtshof nur Staaten Partei sein, besteht die völkerrechtspolitische Errungenschaft beim IStGH gerade darin, „dass sich Individuen (unter Aufhebung der Immunität) vor einer unabhängigen richterlichen Institution der Staatengemeinschaft verantworten müssen“. Dabei soll der IStGH keineswegs nationale Strafverfolgung ersetzen oder überprüfen, sondern er greift nur ein, wenn das betroffene Land nicht in der Lage oder willens ist, Verbrechen der eigenen Staatsangehörigen zu verfolgen. Aus diesem Grund ist die Zuständigkeit des IStGH auch auf besonders schwere Verbrechen begrenzt: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und – zukünftig – Verbrechen der Aggression, die nach dem Inkrafttreten des Römischen Statuts begangen worden sind.
Bis heute haben insgesamt 124 Staaten den völkerrechtlichen Vertrag offiziell anerkannt. Jedoch haben ihn nicht alle Unterzeichnerstaaten ratifiziert. So erklärten die USA bereits 2002 offiziell, dass sie eine Ratifizierung nicht beabsichtigen. Ende letzten Jahres wurde eine Austrittswelle befürchtet, nachdem Russland und gleich drei afrikanische Staaten (Südafrika, Gambia und Burundi) offiziell ihren Rückzug ankündigten. Jedoch kam es nicht soweit. Russland hatte das Römische Statut nie ratifiziert, so dass die Erklärung des Rückzugs ohne Folgen bleibt. Gambia hat seine Entscheidung bereits Anfang des Jahres rückgängig gemacht und in Südafrika hat der High Court entschieden, dass die Erklärung der eigenen Regierung verfassungswidrig ist. Nichtsdestotrotz darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass weitere Länder öffentlich über einen Rückzug nachdenken und bevölkerungsreiche und aufstrebende Länder wie China oder Indien nicht zu den Unterzeichnerstaaten gehören. Wirft man einen Blick auf die Landkarte, zeigt sich schnell, dass der IStGH bereits geografisch in seiner Zuständigkeit eingeschränkt ist. Dieses Argument wird von Gegnern oft angeführt, um die generelle Bedeutung und Berechtigung des IStGH in Frage zu stellen und so die Autorität des Gerichts zu untergraben. Allerdings darf bei dieser Diskussion nicht vergessen werden, dass der Gerichtshof „seine Gerichtsbarkeit nicht nur ausüben kann, wenn sich ein Verbrechen in einem Staat ereignet, der die Gerichtsbarkeit des IStGH anerkannt hat, sondern auch dann, wenn der mutmaßliche Täter die Staatsangehörigkeit eines dieser Staaten besitzt“.
In den 14 Jahren des Bestehens des Gerichts wurden lediglich sechs Urteile gesprochen, was zu dem oftmals geäußerten Vorwurf der Ineffizienz geführt hat. Die genannte Zahl hat jedoch vor allem mit der Komplexität der Verfahren und der Schwierigkeit der Beweisgewinnung in Krisenregionen zu tun, die entscheidend von der Kooperationsbereitschaft der betroffenen Staaten abhängt. Ein Ermittlungsverfahren (investigations) kann auf Initiative eines Vertragsstaates, des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sowie der Anklagebehörde selbst eingeleitet werden. Gegenwärtig sind Ermittlungsverfahren in zehn Fällen eingeleitet worden, wovon acht afrikanische Länder betroffen sind, deren Fälle jedoch überwiegend von den jeweils eigenen Regierungen selbst übergeben worden waren. Die jüngsten Ermittlungen wurden in Georgien eingeleitet. Vorläufige Untersuchungen (preliminary examinations) finden derzeit in elf Fällen statt, unter anderem in Afghanistan, Kolumbien, Ukraine, Irak, Nigeria, Kambodscha und Palästina. Zwar zeigt dies einerseits, dass der IStGH seine Aufgabe, der Durchsetzung des Internationalen Strafrechts auf der ganzen Welt gleichermaßen gerecht zu werden, noch nicht im erforderlichen Maße erfüllt hat und auch nicht erfüllen kann. Allerdings ist andererseits der lautstarke Protest vieler Staaten gerade Ende letzten Jahres ein Indiz für die Funktionsfähigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Denn würden diese Staaten keine Konsequenzen für etwaiges eigenes Handeln befürchten, bedürfte es keines Austritts.
Die Bemühungen zur Schaffung eines Internationalen Strafgerichtshofs reichen bereits in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurück. In dem von zwei Weltkriegen geprägten 20. Jahrhundert begünstigte das politische Klima allerdings erst nach dem Ende des Kalten Krieges tatsächlich eine internationale Einigung. Seitdem ringt der IStGH um seine Akzeptanz und befindet sich in einem ständigen Wechselspiel zwischen staatlicher Souveränität und dem Völkerstrafrecht. Viele sehen sich an letzteres nur gebunden, solange es ihnen einen Vorteil bringt. Hinzu kommt, dass es im internationalen Rechtsgefüge keine Möglichkeiten gibt, durch etwaige Zwangsmaßnahmen die Vertragsländer zur Einhaltung der geltenden Rechtsnormen zu zwingen. Vielmehr beruht das Völkerrecht auf dem Vertrauen darauf, dass sich die Staaten mehr oder weniger freiwillig an diese Norm halten.
Trotz aller Schwierigkeiten stellt das Römische Statut das wichtigste Dokument des Völkerstrafrechts dar, da es mit dem Internationalen Strafgerichtshof eine Institution schafft, die der Umsetzung des internationalen Strafrechts dienen soll. Der IStGH hat sich innerhalb weniger Jahre zu einer funktionierenden Institution entwickelt. Mit seiner Errichtung wurden viele Hoffnungen verbunden, vor allem die nach internationalem Frieden, denn dauerhafter Friede ist ohne Gerechtigkeit nicht möglich.
Afrika südlich der Sahara
Arne Wulff
Letzteres war auch Motiv für viele afrikanische Staaten, dem Römischen Statut beizutreten. So entwickelte sich das Verhältnis zwischen Afrika und dem IStGH zunächst vielversprechend. Die Tatsache, dass 34 der 124 Staaten, die das Statut ratifiziert haben, Teil des afrikanischen Kontinents sind, belegt nicht nur deren Willen zur völkerstrafrechtlichen Kooperation, sondern ebenso deren Bedeutung für das Statut und den IStGH. Das ist auch der Grund, warum die aktuelle Diskussion um den Verbleib afrikanischer Staaten mit so viel Empathie aufseiten sowohl der Befürworter als auch der Gegner geführt wird. Entzündet hat sich die Diskussion an zwei Ereignissen der letzten Jahre.
Im ersten Fall ging es um die Anklagen gegen die seit den Wahlen 2013 als Präsident und Vizepräsident Kenias amtierenden Uhuru Kenyatta und William Ruto. Ihnen und anderen wird vorgeworfen, an der Eskalation der Gewalt, zu der es nach den Präsidentschaftswahlen 2007 kam, maßgeblich beteiligt gewesen zu sein. Sie führte zum Tod von mehr als 1.200 Menschen und der Deportation Hunderttausender. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte ermittelten die Ankläger des IStGH von sich aus und erhoben noch vor den Präsidentschaftswahlen 2013 Anklage wegen Mittäterschaft an Mord, Deportation, Vergewaltigung und Verfolgung. Nach einer Vielzahl von Ermittlungen und Anhörungen zog die Anklagebehörde im Dezember 2014 die Anklage gegen Präsident Uhuru Kenyatta wegen mangelhafter Kooperation seitens der kenianischen Regierung zurück. Ein ähnliches Schicksal nahm das Verfahren gegen Vizepräsident Ruto. Im April 2016 entschied die zuständige Kammer des IStGH, das Verfahren wegen mangelnder Beweise vorerst einzustellen. Der andere Fall, der die Gemüter vieler afrikanischer Staatsführer erhitzte, ist die Anklage gegen den sudanesischen Präsidenten Omar Hassan Ahmad Al Bashir. Obwohl per internationalem Haftbefehl wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermord gesucht, reiste er im Juni 2015 zu einem Gipfeltreffen der Afrikanischen Union (AU) in Südafrika. Angerufen vom South African Litigation Center entschied der High Court of South Africa Gauteng Division im einstweiligen Verfügungsverfahren, Al Bashir an einer Ausreise aus Südafrika zu hindern. Südafrikas Regierung setzte sich aber darüber hinweg und gewährte ihm freies Geleit bei seiner Ausreise.
Gerade diese Verfahren gegen amtierende Staatschefs führten seit 2016 zu Austrittsbeschlüssen und -ankündigungen, da sich viele Regierungsvertreter selbst bedroht sehen. Die Regierungen der betroffenen Staaten nahmen darüber hinaus die Fälle zum Anlass, die Installation einer eigenen Gerichtsbarkeit zu forcieren. Diese wurde bereits auf dem AU-Gipfeltreffen in Malabo, Äquatoriaguinea, im Juni 2014 beschlossen. Dabei handelt es sich um die Umbenennung des African Court on Human and People’s Rights in den African Court of Justice bei gleichzeitiger Erweiterung um eine International Criminal Law Section, also eine Abteilung für internationales Strafrecht, die unter anderem auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen verfolgen und aburteilen darf. Ziel ist es, die aus der Sicht vieler afrikanischer Staaten gegebenen Schwächen des Römischen Statuts zu umgehen. So gewährt das Malabo Protocol in Artikel 46 Aamtierenden Regierungsvertretern Immunität, die sie vor einer strafrechtlichen Verfolgung schützt. Ein solcher African Court kann mithin kein adäquater Ersatz für den IStGH sein. Und schließlich bedürfte der African Court of Justice, insbesondere die neu zu schaffende Strafrechtskammer, einer gesicherten Finanzierung, zumal die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen besonders kostspielig ist. Angesichts der Tatsache, dass der African Court on Human and People’s Rights schon jetzt unterfinanziert ist, ist kaum vorstellbar, dass die AU die Mittel für die neu zu bildende Kammer einschließlich einer Anklagebehörde (Artikel 22 A) aufbringt. Letzteres ist möglicherweise auch der Grund dafür, weshalb das Malabo Protocol bisher nur von neun Staaten unterzeichnet und von keinem ratifiziert worden ist.
Immer deutlicher wird, dass sich einige afrikanische Staaten im Zusammenhang mit der Diskussion um einen Verbleib im Römischen Statut in eine Sackgasse manövriert haben. Diskreditieren sie auf der einen Seite den IStGH als Instrument neokolonialer Interessen, das zudem die Integrität von Staatsoberhäuptern verletzt,gelingt es ihnen auf der anderen Seite nicht, adäquaten Ersatz durch eine eigene, regionale Gerichtsbarkeit zu schaffen. So wird die beispiellose Kampagne, mit der insbesondere die Regierungen Kenias und Südafrikas, aber auch Burundis und Ugandas gegen den IStGH vorgehen, trotz wiederholter Behandlung der Frage durch die AU voraussichtlich folgenlos bleiben. Abgesehen davon, dass jeder Austritt ohnehin eine separate Entscheidung des jeweils betroffenen Staates voraussetzt und nicht durch AU-Beschlüsse ersetzt werden kann, haben z.B. Nigeria, Senegal, Kap Verde, Gambia, Liberia, Botswana, Malawi, Tansania und die Demokratische Republik Kongo bereits deutlich gemacht, dass sie einen Austritt ablehnen. Mit einem Exodus afrikanischer Staaten aus dem Römischen Statut wird daher in naher Zukunft eben so wenig zu rechnen sein wie mit einer ernst zu nehmenden „afrikanischen Alternative“ zum IStGH.
Asien
Gisela Elsner / Simon Bruhn
Asien steht dem IStGH großenteils zurückhaltend gegenüber. Dies gilt gerade auch für die Staaten der ASEAN (Association of Southeast Asian Nations). So haben nur zwölf Länder in Asien das Römische Statut ratifiziert, davon mit Kambodscha und den Philippinen lediglich zwei in der ASEAN-Region sowie zwei in Ostasien, namentlich Japan und Südkorea. Beachtenswert ist jedoch, dass Japan, Südkorea und die Philippinen jeweils mit einem der insgesamt 18 Richter am Gerichtshof repräsentiert werden.
Diese Skepsis wird, trotz der offiziellen ASEAN-Verlautbarung aus dem Jahr 2003, der IStGH sei eine positive Entwicklung im Kampf gegen die Straflosigkeit für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermord, mit verschiedenen Argumenten begründet.
Eine große Rolle bei der Zurückhaltung in Südostasien spielen die Grundsätze der staatlichen Souveränität und der daraus folgenden Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates. Diese Prinzipien werden mit Blick auf die lange Kolonialgeschichte der Region und die zahlreichen ausländischen Interventionen in vielen ASEAN-Mitgliedstaaten als wesentliche Grundlage der zwischenstaatlichen Beziehungen betrachtet. Gleichzeitig dienen sie als Vorwand, um das eigene Desinteresse daran zu verschleiern, die Täter der vom IStGH geahndeten Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Staatliche Souveränität und Nicht-Einmischungsgrundsatz werden nämlich zu Gunsten etwa der Konfliktlösung im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) oder des Internationalen Gerichtshofs weitgehend klaglos zurückgestellt. Zudem sind die meisten Staaten der Region an große Teile der Inhalte des Römischen Statuts bereits durch überschneidendes internationales Völkerrecht gebunden, wie etwa die Genfer Konventionen oder die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes.
Des Weiteren wird oft das umstrittene Verhältnis von Rechtsstaatlichkeit und Friedenswahrung angeführt. Gerade Staaten, die mit internen Konflikten, etwa mit oder zwischen Rebellengruppen, zu kämpfen haben, befürchten, im Anwendungsbereich des IStGH in der Wahl ihrer Konfliktbeilegungsmaßnahmen eingeengt zu werden. In diesem Zusammenhang wird die Frage laut, ob bei der Aufarbeitung von Konflikten das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit um jeden Preis gilt oder die Wahrung von Frieden Vorrang genießt. Es sei kontraproduktiv, wenn nach der Beilegung interner Konflikte durch angestrengte Prozesse ein erneutes Aufkeimen von Unruhen zu befürchten sei.
Letztlich sind sicher auch die geringe Zahl der verhandelten und entschiedenen Fälle und der wahrgenommene Fokus auf Afrika entscheidende Faktoren in Asien. So wird der Gerichtshof auch hier als ineffizient angesehen und mangels ausreichender Rechtsprechung eine Rechtsunsicherheit bei der Auslegung des Römischen Statuts beklagt.
Während sich Japan und Südkorea seit ihrem Beitritt sehr engagiert und aktiv eingebracht haben, haben die traditionell gegenüber internationalrechtlichen Verpflichtungen aufgeschlossenen Philippinen unter Prä sident Rodrigo Duterte eine Kehrtwende vollzogen. Duterte reagierte auf ein kritisches Statement der Anklagebehörde zu seiner Drogenpolitik Ende letzten Jahres mit der Ankündigung, den IStGH verlassen zu wollen. Von der Anklagebehörde wurden die systematischen Tötungen philippinischer Drogendealer als ein möglicher Fall für den IStGH ins Spiel gebracht.
Gelegentlich wird die mögliche Einrichtung eines ASEAN Criminal Court ins Gespräch gebracht. Zwar gibt es noch keine offiziellen Pläne diesbezüglich, es ist aber zu erwarten, dass die Mitgliedstaaten einem eigenen Gerichtshof für die rund 650 Millionen Menschen in der Region wohlwollender gegenüber stünden als einem Beitritt zum IStGH. An zu verhandelnden Fällen würde es einem solchen regionalen Strafgericht gewiss nicht mangeln. Es kommt immer wieder zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen im Rahmen ethnischer Konflikte, etwa aktuell an den muslimischen Rohingya in Myanmar und angrenzenden Ländern. Zudem wird angeführt, dass ein solches Gericht nach Ende der Tätigkeit der Außerordentlichen Kammern in Kambodscha zur Verfolgung der durch die Roten Khmer begangenen Verbrechen (Extraordinary Chambers in the Courts of Cambodia – ECCC) in Phnom Penh Anklagen gegen weitere Verantwortliche auf untergeordneten Ebenen der Befehlskette verhandeln könnte.
Kambodscha und die asiatische Region insgesamt könnten jedoch auch noch auf andere Weise in den Fokus des IStGH geraten. In einem policy paper zu Fallauswahl und -priorisierung vom September 2016 deutete die Anklagebehörde an, beispielsweise den Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit künftig auch auf Taten zu stützen, die mit Umweltzerstörung, Ausbeutung natürlicher Ressourcen oder illegalen und oft gewaltsamen Enteignungen von Land (land-grabbing) einhergehen – ein in Asien weitverbreitetes Problem.
Lateinamerika
Marie-Christine Fuchs
Obwohl es in den vergangenen 20 Jahren eine Vielzahl von Fällen systematisch begangener Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen auf dem lateinamerikanischen Kontinent zu verzeichnen gab, wie z.B. der Fall der 43 getöteten Studenten in Ayotzinapa, Mexiko, der vom mexikanischen Staat bis heute nicht umfassend aufgearbeitet wurde, richtet sich derzeit keines der am IStGH anhängigen Ermittlungsverfahren gegen ein lateinamerikanisches Land. In der Vergangenheit gab bzw. gibt es lediglich in drei Fällen vorläufige Untersuchungen auf dem Kontinent: 2015 wurden die vorläufigen Untersuchungen zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen nach dem Staatsstreich gegen den damaligen Präsidenten Zelaya im Jahre 2009 in Honduras abgeschlossen. Die Anklagevertretung fand nicht genügend Anzeichen dafür, dass während des Staatsstreichs systematisch Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung und Oppositionelle verübt worden waren, womit die Zuständigkeit des IStGH nicht gegeben war. Dies ist umso befremdlicher, als in diesem armen Land mit der höchsten Mordrate der Welt bis heute schreckliche Verbrechen begangen werden, denen die internationale Gemeinschaft wenig Beachtung schenkt. Die Strafverfolgungsbehörden im Land kommen ihrer internationalen Verpflichtung zur Verfolgung und Bestrafung der im Römischen Statut aufgezählten Verbrechen in Honduras sicherlich nicht in Gänze nach. In Venezuela wurden ebenfalls vorläufige Untersuchungen abgeschlossen, ohne dass es zu einem offiziellen Ermittlungsverfahren kam. Lediglich in Kolumbien gibt es derzeit laufende Untersuchungen. So sind auch in Lateinamerika Stimmen zu hören, die den Fokus des IStGH auf die afrikanischen Länder kritisieren und seine strafrechtlichen Eingriffskompetenzen in Lateinamerika bisher als „stumpfes Schwert“ wahrgenommen haben.
Dabei standen die lateinamerikanischen Staaten – im Gegensatz zu anderen Regionen der Welt – dem IStGH gerade in seiner Anfangsphase mit viel Euphorie und großen Erwartungen gegenüber: Von 22 lateinamerikanischen Ländern haben 17 das Römische Statut ratifiziert, darunter die geografisch und wirtschaftlich bedeutendsten Länder der Region wie Brasilien, Mexiko, Argentinien, Chile und Kolumbien. Die meisten der lateinamerikanischen Unterzeichnerstaaten taten dies bereits unmittelbar nach Unterzeichnung des Römischen Statuts im Jahre 1998, zuletzt El Salvador im März 2016. Zudem war der Kontinent am IStGH stets durch eine Vielzahl von Richtern des Kontinents gut repräsentiert. Auch die derzeitige Präsidentin des IStGH, Silvia Fernández de Gurmendi, stammt aus Argentinien.
Als es im Weiteren jedoch um die Angleichung des nationalen Straf- und Strafprozessrechts an die Vorschriften des Römischen Statuts ging, war auf dem lateinamerikanischen Kontinent schon weniger Aktivismus zu verzeichnen. Nur Argentinien, Paraguay, Trinidad und Tobago sowie Uruguay haben entsprechende Kooperationsnormen geschaffen und die komplementäre Zuständigkeit des IStGH gesetzlich festgehalten. In Chile, Kolumbien und Costa Rica wurden lediglich Kooperationsnormen geschaffen. Auch haben nur Uruguay – häufig der Vorreiter des Kontinents in Sachen Rechtsstaatlichkeit – und Trinidad und Tobago als einzige lateinamerikanische Länder den 2010 neu geschaffenen Tatbestand der Aggression übernommen.
Wie schon erwähnt, ist Kolumbien das einzige lateinamerikanische Land, in dem die Staatsanwaltschaft des IStGH zurzeit ermittelnd tätig ist. In Kolumbien fanden in diesem Zusammenhang bereits seit 2004 vorläufige Untersuchungen der Staatsanwälte des IStGH statt. Der IStGH geht davon aus, dass vom kolumbianischen Militär, von den Paramilitärs sowie den FARC-Rebellen seit 2002 (dem Inkrafttreten des Römischen Statuts und damit der Begründung der Gerichtsbarkeit des IStGH) systematisch unter anderem Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden. Aufgrund der Subsidiarität des IStGH kam es bis heute nicht zu einer Anklage, da die kolumbianische Staatsanwaltschaft seit 2005 ermittelnd tätig war und es auch schon vor der nun zu schaffenden „Sondergerichtsbarkeit für den Frieden“ zur Aburteilung von insbesondere durch Paramilitärs und Militärs begangenen Verbrechen kam.
Bis heute steht jedoch die Eröffnung eines offiziellen Ermittlungsverfahrens durch den IStGH in Kolumbien wie eine Drohgebärde im Raum und hält die Väter des im Rahmen des 2016 geschlossenen Friedensvertrags mit den FARC-Rebellen geschaffenen Systems der Übergangsjustiz dazu an, dessen Übereinstimmung mit den Normen des Internationalen Strafrechts im Auge zu behalten. So wird z.B. die Vereinbarkeit des Ende Dezember 2016 als Teil des Systems der Übergangsjustiz erlassenen Amnestiegesetzes mit den Vorschriften des Römischen Statuts diskutiert. Wegen der bestehenden Unklarheiten des Systems der Übergangsjustiz in Kolumbien kündigte die Chefanklägerin des IStGH bereits im Januar dieses Jahres ein Eingreifen des Gerichtshofes für den Fall an, dass die effektive Strafverfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die „Sondergerichtsbarkeit für den Frieden“ versage.
Der Fall Kolumbien zeigt sehr anschaulich, dass die genannte Akzeptanz gegenüber dem IStGH auch in Lateinamerika oft dann an ihre Grenzen stößt, wenn Staaten wirklich zur Rechenschaft gezogen werden sollen. Während die Hilfe des Gerichtshofes bei den Gesprächen zur Vorbereitung des Friedensvertrags mit der FARC über Jahre hinweg geschätzt und die Verpflichtung gegenüber dem Gericht betont wurde, wird das mögliche Eingreifen des IStGH nun zumindest teilweise als Einmischung in die staatliche Souveränität empfunden.
Naher Osten / Nordafrika
Peter Rimmele / Anna Miriam Schütt
Dem IStGH wird in den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas mit Skepsis und Vorbehalten begegnet. Obwohl im Verlauf des arabischen Frühlings viele Staaten einen Beitritt zum IStGH ankündigten, sind mit Tunesien und Jordanien lediglich zwei Länder der Mena-Region dem IStGH beigetreten. Zahlreiche weitere Staaten (Ägypten, Algerien, Bahrain, Israel, Jemen, Kuwait, Marokko, Oman, Syrien und die Vereinigten Arabischen Emirate) haben das Römische Statut unterzeichnet, aber bislang nicht ratifiziert. Gänzlich abgelehnt wird das Römische Statut von Irak, Katar sowie Libyen.
Dieser Ablehnung vonseiten der Regierungen im Nahen Osten und Nordafrika stehen mehr als 300 zivilgesellschaftliche Organisationen aus der Region entgegen, die der Koalition für den Internationalen Strafgerichtshof (CICC) angehören. Daneben haben sich in zehn arabischen Staaten nationale Koalitionen gebildet, die sich aktiv für die Ratifizierung des Römischen Statuts einsetzen und daran arbeiten, ein Bewusstsein für die Arbeit des IStGH zu schaffen.
Als eines der wenigen arabischen Länder nimmt insbesondere Jordanien eine aktive Rolle innerhalb des IStGH ein. So hatte das Land in den Jahren 2002 bis 2005 den Vorsitz in der Versammlung der Vertragsstaaten des Römischen Statuts (Assembly of States Parties to the Rome Statute, ASP) inne und setzte sich aktiv für den Trust Fond For Victims nach Artikel 79 Römisches Statut ein.
Ein Sonderfall in der Region ist der Staat Israel, der einen Beitritt zum IStGH zunächst ablehnte, dann im Jahr 2000 das Römische Statut zwar unterzeichnete, allerdings nicht ratifizierte. 2002 teilte Israel dem Generalsekretär der Vereinten Nationen mit, dass es nicht weiter beabsichtige, Mitglied im IStGH zu werden.
Eine Kontroverse erwuchs aus dem Beitritt der Palästinensischen Gebiete zum IStGH. Nachdem der Präsident der Palästinensischen Gebiete, deren Präsident Mahmoud Abbas Ende 2014 die Anerkennung der Gerichtsbarkeit des IStGH erklärte und im Januar 2015 den Vereinten Nationen die Ratifizierungsdokumente für das Römische Statut vorlegte, wurden die Palästinensischen Autonomiegebiete am 1. April 2015 123. Mitglied des IStGH. Durch ihren Beitritt ist es dem IStGH möglich geworden, Verbrechen, die von Palästinensern oder auf palästinensischem Territorium begangen wurden, zu verfolgen. Der Beitritt der Palästinensischen Autonomiegebiete zum IStGH löste in Israel Verärgerung aus, da es sich nun mit Ermittlungen im Zusammenhang mit der Operation Protective Edge konfrontiert sieht. Als Reaktion stornierte Israel die Überweisung von bereits eingenommenen Steuergeldern, die der Palästinenserbehörde zustanden. Zwar nimmt Israel seit Kurzem zumindest rhetorisch wieder eine gemäßigtere Position gegenüber dem IStGH ein, dies ändert jedoch wenig an der grundsätzlich ablehnenden Haltung des Landes. Dabei beruft sich Israel zum einen auf die Subsidiarität des IStGH, die zur Vorrangigkeit eigener Ermittlungen hinsichtlich des Gaza-Krieges 2014 führe. Zum anderen erkennt Israel Palästina nicht als eigenständigen Staat an und lehnt den Beitritt Palästinas daher ab.
Im Libanon gibt es zwar, wie in vielen Staaten der Region, eine Koalition, die den IStGH befürwortet, allerdings hat die libanesische Republik das Römische Statut nicht unterzeichnet. Hierfür werden verschiedene Ursachen angegeben. Einerseits könnte der intensive Druck seitens der USA auf das Land, das Römische Statut nicht zu unterzeichnen, ein Grund sein. Die USA befürchten, dass Israel bei einem Beitritt Libanons zum IStGH Vorwürfen von Kriegsverbrechen im Rahmen des Libanon-Krieges 2006 ausgesetzt werde. Wie viele Regierungen in der Region, könnten andererseits auch libanesische Politiker ein Verfahren gegen sich befürchten. Die Bereitschaft der Staaten, das Römische Statut zu unterzeichnen oder zu ratifizieren, ist daher gering.
Häufig wird zudem die Meinung vertreten, der IStGH sei lediglich ein weiteres Instrument internationalen Rechts, das von Großmächten kontrolliert wird. Die Rolle des Sicherheitsrats in Ermittlungen des IStGH wird besonders kritisch gesehen, da dadurch die fünf permanenten Mitglieder Einfluss auf den IStGH nehmen können, um eigene politische Ziele zu verwirklichen und unter dem Vorwand des Schutzes von Menschenrechten dem Nahen Osten westliche Werte aufzuzwingen. Diese Einstellung wurde insbesondere in der Ablehnung der Verurteilung des sudanesischen Staatspräsidenten Umar al-Bashir im Jahr 2009 durch viele arabische Staaten deutlich. Gleichzeitig werden verschiedene Handlungen Israels als Kriegsverbrechen angesehen, was zum Eindruck eines Ungleichgewichts in der Bewertung arabisch-muslimischer und israelisch-westlicher Handlungen geführt hat. Hier bleibt ein Ergebnis der seit Januar 2015 andauernden Voruntersuchungen des IStGH zu den Vorgängen in Gaza, dem Westjordanland und Ost-Jerusalem abzuwarten.
In den letzten Jahren sind jedoch auch dem IStGH positiv gestimmte Tendenzen spürbar. Ein erster Schritt dahingehend war eine Konferenz des IStGH in Doha im Jahr 2011: Hatten sich viele arabische Staaten zwei Jahre zuvor offen gegen den IStGH gewandt und dem Sudan ihre Unterstützung ausgesprochen, kam es zu zahlreichen Sympathiebekundungen sowie konstruktiven Debatten zur Struktur und Arbeitsweise des IStGH. Auch weiterhin nimmt das Interesse an der Arbeit des IStGH zu.
Derzeit fordern viele Stimmen vom IStGH die Verfolgung der Verbrechen des sogenannten Islamischen Staates (IS), die durch Kämpfer des IS in den vergangenen Jahren begangen worden sind. Diese erscheinen als genau die Art von Verbrechen, für die der IStGH geschaffen worden ist. Die Chefanklägerin verkündete dazu jedoch öffentlich, dass der IStGH weder berechtigt sei, Kriegsverbrechen in Irak oder Syrien zu verfolgen, noch, dass der IStGH dies ohne Zuweisung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen tun würde.
Südosteuropa
Hartmut Rank
Anders als beispielsweise in Osteuropa haben fast alle südosteuropäischen Länder das Römische Statut nicht nur unterzeichnet, sondern auch ratifiziert. Als einzige Ausnahme in der Region ist die Republik Kosovo noch kein Vertragsstaat, was in erster Linie mit ihrer noch immer eingeschränkten internationalen Anerkennung zu erklären ist.
In der Region Südosteuropa kam es Ende des 20. Jahrhunderts aufgrund der ethnischen Vielfalt und der damit verbundenen kriegerischen Auseinandersetzungen, insbesondere im Zuge der Auflösung Jugoslawiens, zu zahlreichen Straftaten aus dem Katalog des Römischen Statuts. Diese wurden jedoch nicht durch den IStGH strafrechtlich aufgearbeitet, sondern hauptsächlich durch den bereits 1993 geschaffenen Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (besser bekannt unter den umgangssprachlichen Bezeichnungen „Haager Tribunal“ oder „Jugoslawientribunal“). Dies lag insbesondere daran, dass erst 2002 die nötige Mindestzahl von 60 Ratifizierungen des Römischen Statuts erreicht wurde. Für Straftaten, die vor diesem Zeitpunkt verübt worden sind, hat der IStGH keine Zuständigkeit.
Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien ist ein sogenannter Ad-hoc-Strafgerichtshof, der direkt von den Vereinten Nationen errichtet wurde und somit (anders als der IStGH) nicht auf einem eigenen völkerrechtlichen Vertrag beruht. Rechtsnachfolger dieses nicht ständigen Strafgerichtshofs ist der 2012 gegründete Internationale Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe, der die Arbeit verschiedener dieser Höfe (darunter desjenigen für das ehemalige Jugoslawien), also insbesondere noch laufende Rechtsmittelverfahren, zu Ende bringen soll.
Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien war über viele Jahre in den Medien präsent: Der wohl prominenteste Angeklagte war der ehemalige jugoslawische und später serbische Präsident Milošević. Gegen mehr als 100 Personen wurde vor diesem Gerichtshof Anklage erhoben und Dutzende wurden auch zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.
Demgegenüber spielt der IStGH in der Rechtspraxis Südosteuropas bislang praktisch keine Rolle. Es wäre jedoch ein Trugschluss zu glauben, der IStGH sei in der Region gescheitert. Vielmehr hat gerade die Tätigkeit der in den 1990er Jahren gegründeten Ad-hoc-Strafgerichtshöfe die ohnehin schwierigen Diskussionen um die Schaffung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofs beschleunigt. Auch die fast ausnahmelose Ratifizierung des Römischen Statuts durch die Staaten der Region ist ein Beleg für die Akzeptanz des IStGH. Darüber hinaus haben bislang bereits drei südosteuropäische Staaten (Albanien, Kroatien, Mazedonien) die nötigen Änderungen zur Erweiterung des Straftatbestandes der Aggression ratifiziert.
Neben den beschriebenen internationalen Gerichtshöfen bestehen „internationalisierte“ Strafgerichte (hybrid courts). Dies sind nationale Gerichte, die unter internationaler Beteiligung über Kriegsverbrechen urteilen. So gibt es die Kammer für Kriegsverbrechen in Bosnien-Herzegowina und seit Ende 2016 die Sonderkammern und die Sonderstaatsanwaltschaft für das Kosovo in Den Haag, um den Kosovo-Krieg weiter unter internationaler Beteiligung gerichtlich aufzuarbeiten. Beide Gerichtsformen stehen jedoch in keinem Zusammenhang zum IStGH, auch wenn die Zielrichtung eine ähnliche ist.
Viele der noch jungen südosteuropäischen Verfassungen sehen – wie das deutsche Grundgesetz auch – Immunitätsregelungen von Amtsträgern vor. Das Römische Statut kennt eine solche Privilegierung beispielsweise von Staatspräsidenten, Mitgliedern von Regierungen oder dem Parlament sowie Richtern nicht. Problematisch waren diese Regelungen in Ländern, die eine absolute Immunität vorsahen, beispielsweise in Bulgarien. 2003 änderte Bulgarien aus diesem Grund seine Verfassung – insbesondere aber auch im Zusammenhang mit den damals noch laufenden Verhandlungen des EU-Beitritts. In Albanien hingegen kam es zu keiner Änderung der Verfassung im Rahmen der Anpassung an das Römische Statut. Allerdings entschied das albanische Verfassungsgericht im Jahr2002, dass die Verfassung mit dem Römischen Statut vereinbar ist. Ausschlaggebendist in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Immunität unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden kann. Ist dies der Fall, birgt das politisch im Ernstfall ein erhebliches Konfliktpotenzial, reicht aber für die Umsetzung des Römischen Statuts in nationales Recht aus.
Schluss
Franziska Rinke
Ein Blick auf die verschiedenen Weltregionen hat gezeigt, dass die Entwicklung in Bezug auf den IStGH ganz unterschiedlich verlaufen ist. Die Staaten Afrikas südlich der Sahara, Südosteuropas und Südamerikas sind stark vertreten, wohingegen die Länder Asiens und des Nahen Ostens/Nordafrikas dem IStGH mit großer Skepsis gegenübertreten. Die Probleme und Streitfragen im Umgang mit dem IStGH sind weltweit jedoch die gleichen. Im Zentrum steht jeweils die Frage um die eigene staatliche Souveränität. Auf einzelne Regionen beschränkte, eigenständige Strafgerichtshöfe sind als Alternative zum IStGH im Gespräch, konnten sich aber bisher weder in Afrika noch in Asien durchsetzen.
Für die Zukunft des IStGH wird entscheidend sein, welchen Rückhalt er durch seine Mitgliedstaaten erfährt und in welchem Maße er sich von dem Vorwurf freimachen kann, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere Delikte schwerpunktmäßig nur auf dem afrikanischen Kontinent zu ermitteln. Zudem sollten insbesondere die Vereinigten Staaten und Russland als Siegermächte des Zweiten Weltkrieges ihre Haltung überdenken, da der IStGH auch als „Fortsetzung des Erbes von Nürnberg“ gesehen wird. Die Vereinigten Staaten gingen sogar soweit, mit mehr als 100 Staaten bilaterale Abkommen zu schließen, die vorsehen, dass Amerikaner nicht der Gerichtsbarkeit des IStGH überstellt werden dürfen. Es reicht nicht aus, Verfahren gegen die Verletzung von Recht und Gerechtigkeit nur gegen Drittstaaten zu unterstützen und eventuelle eigene Verstöße der internationalen Gerichtsbarkeit zu entziehen. Gravierende Menschenrechtsverletzungen gibt es weltweit. Erklärtes Ziel muss es daher sein, dass der IStGH durch alle Staaten anerkannt wird, um seine vorgesehene universelle Gerichtsbarkeit ausüben zu können.
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Dr. Franziska Rinke ist Koordinatorin für Rechtsstaat und Rechtspolitik im Team Politikdialog und Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Dr. Arne Wulff ist Leiter des Rechtsstaatsprogramms Subsahara-Afrika der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Nairobi, Kenia.
Gisela Elsner ist Leiterin des Rechtsstaatsprogramms Asien der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Singapur.
Simon Bruhn ist Rechtsreferendar im Rechtsstaatsprogramm Asien der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Singapur.
Dr. Marie-Christine Fuchs ist Leiterin des Rechtsstaatsprogramms Lateinamerika der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Bogotá, Kolumbien.
Peter Rimmele ist Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung im Libanon. Er war bis Ende April 2017 Leiter des Rechtsstaatsprogramms Naher Osten und Nordafrika.
Anna Miriam Schütt ist Rechtsreferendarin im Rechtsstaatsprogramm Naher Osten und Nordafrika der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Beirut, Libanon.
Hartmut Rank ist ab August 2017 Leiter des Rechtsstaatsprogramms Südosteuropa der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Bukarest, Rumänien.
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