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Ägypten erhält ein neues Kabinett der Technokraten

Verjüngung und Entpolitisierung ?

Nach langem Zögern und wegen eines kurzfristig zu behebenden Bandscheibenvorfalls schließlich auch noch verspätet, kam es Anfang Juli doch noch vor der Sommerpause zu der lange erwarteten Bildung einer neuen ägyptischen Regierung.

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Mubarak ernennt Dr. Ahmed Nazif zum neuen Ministerpräsidenten

Nach langem Zögern und wegen eines kurzfristig zu behebenden Bandscheibenvorfalls schließlich auch noch verspätet, kam es Anfang Juli doch noch vor der Sommerpause zu der lange erwarteten Bildung einer neuen ägyptischen Regierung. Nach der Rückkehr des ägyptischen Präsidenten, Hosni Mubarak von einem erfolgreichen Klinikaufenthalt in Deutschland, nahm er das Rücktrittsangebot des scheidenden Ministerpräsidenten Dr. Atef Ebeid an und beauftragte den designierten neuen Ministerpräsidenten Dr. Ahmed Nazif mit der Bildung einer neuen Regierung.

In den letzten Monaten war immer deutlicher geworden, dass die im Jahre 1999 berufene und 2002 nur in geringem Umfang umgebildete Regierung unter Atef Ebeid den sich komplizierenden außen- wie wirtschaftspolitischen Herausforderungen nicht mehr gewachsen war. Als relativ erfolglos hatten die Kritiker die jetzt abgelöste Regierung schon bald nach ihrer Installierung beurteilt. Durch die Terroranschläge im September 2001 hatte sich sowohl das wirtschaftliche als auch das politische Umfeld in der Region erheblich verschlechtert. Das stark überalterte vormalige Kabinett unter der Führung eines in langen Kabinettsjahren gereiften Ministerpräsidenten konnte keine Erfolg versprechenden Lösungen für die sich häufenden internen und externen Probleme Ägyptens mehr anbieten.

Schon einige Male zuvor hatte es Rücktrittsgerüchte gegeben, die Regierung Ebeid mußte jedoch noch selbst den finanziellen Offenbarungseid leisten und die Freigabe des Wechselkurses der ägyptischen Landeswährung durchsetzen und die Folgen verantworten. Möglicherweise war der politischen Führung des Landes schon zu jenem Zeitpunkt - im Frühjahr 2003 - als diese wichtige wirtschaftspolitische Zäsur vollzogen wurde, klar, dass eine Regierung mit den absehbaren Folgen einer solch gravierenden Maßnahme nicht würde zurechtkommen. Und so kam es dann auch; die wirtschaftlichen Folgen der Wechselkursfreigabe in Form einer starken Abwertung der lokalen Währung in Verbindung mit gleichzeitig einsetzenden, erheblichen Preissteigerungen lokaler Produkte traf große Teile der finanziell ohnehin bedrängten Mittelschicht und ließ die Unzufriedenheit mit der Regierung ein bis dahin nicht gekanntes Ausmaß erreichen.

Es scheint vielen so, als ob dieser vorhersehbare Verlauf der Ereignisse in das Kalkül der Staatsführung eingeflossen ist als man sich schließlich doch entschied im Nachgang zu den enttäuschend verlaufenen Parlamentswahlen, trotz der Terroranschläge und der sich sofort verschlechternden Weltkonjunktur zuerst einmal die durch die Parlamentswahlen stark angeschlagene Regierungspartei auf einen Weg der Modernisierung zu führen.

Da die Parteispitze angesichts der enttäuschenden Wahlergebnisse den Eindruck gewonnen hatte, dass die verkrustetet Regierungspartei im Prozess der politischen Willensbildung im Land gänzlich an Bedeutung und damit Einfluss verloren und sich nicht mehr in ausreichendem Masse um eine inhaltliche Weiterentwicklung des Parteiprogramms gekümmert hatte, musste die staatstragende Regierungspartei einer „Generalüberholung“ im Wege einer gleichzeitigen Verjüngung unterzogen werden. Durch eine Verjüngung bei gleichzeitiger ideologischer Neupositionierung, verkörpert durch den damals zum Leiter einer Parteireformkommission berufenen Sohn des Staatspräsidenten, Gamal Mubarak, nahm diese Modernisierung dann schon bald Gestalt an.

Die wichtigste Aufgabe des neu geschaffenen politischen Sekretariats der Partei bestand dann darin, der Partei mehr programmatisches Profil zu geben, die programmatische Arbeit der Partei mit der der Parlamentsfraktion stärker zu verzahnen und schließlich dafür Sorge zu tragen, dass die Beschlüsse des politischen Sekretariats bzw. der Partei im Parlament dann auch mit Hilfe der Mehrheit der NDP-Parlamentarier in entsprechende Gesetzentwürfe weiterentwickelt und verabschiedet werden. Seitdem bestimmt die Partei wieder die Richtung der Regierungspolitik mit dem Argument der Wähler hätte schließlich der Partei einen Wahlauftrag gegeben und nicht der Regierung und deshalb müsse die Regierung jetzt dafür Sorge tragen, dass die modernisierte Programmatik der Partei auch in entsprechendes Regierungshandeln umgesetzt werde. Nach der in zwei Parteitagen vollzogenen Reaktivierung der Partei als bestimmendes politisches Organ, konnte man sich im Vorfeld des dritten Reformkongresses der Partei auf die notwendige Veränderung der Regierungsmannschaft konzentrieren.

Die neue ägyptische Regierung

Die Neuzusammensetzung der ägyptische Regierung bot der Partei- und Staatsführung, ob des hohen Alters vieler seiner bisherigen Mitglieder, die Chance in einem Kraftakt Platz zu schaffen für eine wesentlich jüngere und dabei eher technokratisch ausgerichtete Regierungsmannschaft.

Von diesem neuen Team wird jetzt erwartet, dass es die bedeutend angewachsenen innen- und außenpolitischen Probleme, denen sich das Land gegenübersieht, einer wirklichen Lösung näher bringt. Ob es sich bei den jetzt neu ernannten Kabinettsmitgliedern um die Vertreter einer neuen Generation von politischen Reformern handelt wird jedoch allgemein bezweifelt. Von den meisten Beobachtern wird das neue Kabinett in seiner Gesamtheit nicht als sonderlich „politisch“ eingeschätzt. Die entspricht auch der Ansicht, dass es die Aufgabe der Fachminister in Zukunft vielmehr sein wird, die in der Partei entwickelten Reformideen umzusetzen, was eher eine handwerkliche als eine politische Herausforderung darstellt.

Von vielen wird die überraschende Ernennung des in den vergangen Jahren erfolgreichen bisherigen Kommunikationsminister, Dr. Ahmed Nazif gerade mit seinen in jener Zeit unter Beweis gestellten „Macherfähigkeiten“ erklärt. Nazif gehörte bis zu seiner Ernennung auch nicht der (überalterten) Elite der Regierungspartei an, in deren Spitzengremien er (bisher) überhaupt nicht vertreten war, sondern eher zu den wenigen Kabinettsmitgliedern gehörte, die durch ihre erfolgreiche Arbeit im Kabinett in einem für das „Image eines Landes“ wichtigen Wirtschaftsbereich mit großer Außenwirkung vor allem auf potentielle Investoren, beachtliche Erfolge vorweisen konnten.

So war es Nazif etwa gelungen, in den wenigen Jahren in denen er der Regierung angehörte, dafür zu sorgen, dass es nicht mehr wie bis in die jüngste Vergangenheit, Jahre dauerte, bis man einen neuen Telefonanschluss erhalten bzw. über eine Internetverbindung verfügen konnte. Auch stellte er Internetanschlüsse (für alle Bildungseinrichtungen) kostenlos zur Verfügung und errichtete vor den Toren Kairos im Rahmen eines Modellversuchs –ähnlich dem Silicon-Valley ein beeindruckendes ägyptisches „Smart Village“.

Einige unterstellen dem neuen Ministerpräsidenten allerdings nicht zuletzt wegen seines jungen Alters auch eine besondere politische Nähe zum erst 41-jährigen Sohn des Staatspräsidenten, Gamal Mubarak, von dem einige politische Beobachter wohl zu recht glauben, dass er bei dieser Kabinettsumbildung bereits einflussreich, wenn nicht sogar federführend gewesen sein soll. Dieser unterstellte weitreichende Einfluss des Gamal Mubarak wird damit erklärt, dass es ja das Ziel des Staatspräsidenten gewesen sei, der Regierungspartei wieder mehr politischer Durchsetzungskraft zu verleihen.

Gegenüber diesem „Kabinett der Technokraten“ wird die Regierungspartei NDP zwangsläufig wieder zum wichtigsten politischen Zentrum des ägyptischen Staatswesens und damit wieder eine weitaus größere Rolle im politischen Entscheidungsprozess und damit bei der Bestimmung der Tagespolitik in Ägypten spielen als in der Vergangenheit. Das kann man auch der Beförderung bisher schon einflussreicher Parteisekretäre in noch wichtigere Ministerämter entnehmen, wie etwa der Beförderung des Parteisekretärs für Information, Mamdouh El Beltagui, zum neuen Informationsminister und die Beförderung des wirtschaftspolitischen Sprechers der Regierungspartei, Mahmoud Mohie Eddin zum neuen Investitionsminister. Klar wird damit auch, dass der Parteisekretär für „Politische Angelegenheiten“ und Vorsitzende des politischen Lenkungsausschusses der Partei, Gamal Mubarak damit zwangsläufig ins politische Zentrum des Staates aufrückt.

Ahmed Nazif gilt mithin mit seinen erst 52 Jahren nicht nur als jüngster jemals ernannter ägyptische Ministerpräsident sondern zugleich auch als ideale „Ergänzung“ eines auf Reformen dringenden jungen Gamal Mubarak, dem es nur Recht sein kann, jetzt über eine Regierungsmannschaft zu verfügen, die sich mit technokratischem Verstand der Umsetzung politischer Leitlinien wie etwa der Rationalisierung administrativer Abläufe und der Modernisierung und Privatisierung unternehmerischer Bereiche kümmern kann.

Neben diesen wichtigen politischen Beförderungen gab es zudem noch einige weitere, nicht zuletzt auch parteipolitisch wichtige Personalentscheidungen. So verlor mit Youssef Wali, immerhin der stellv. Parteivorsitzende (Innenpolitik) und bisherige stellv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister genauso unspektakulär sein Amt wie der Parteisekretär für Politische Bildung und bisherige Jugendminister, Ali Eddin Hilal, der wohl wegen des katastrophalen Ergebnisses der Bewerbung Ägyptens um die Fußballweltmeisterschaft 2010, als Ägypten keine einzige Stimme für sich erringen konnte, sein Ministeramt verlor.

Als gänzlich „gescheitert“ müssen dagegen neben dem abberufenen Ministerpräsidenten Ebeid und den beiden vorgenannten Parteigrößen, Youssef Wali und Ali Eddin Hilal vor allem auch der bisherige Industrieminister, Ali Fahmi Al Saidi und der bisherige Finanzminister, Medhat Hassanein gelten, die wohl für das wirtschaftspolitische Versagen der Regierung mitverantwortlich gemacht worden sind, wie ebenso die beiden Staatsminister für Umwelt, Mamdouh Ryad und für den Öffentlichen Sektor, Muktar Khattab.

Eher aus Alters- bzw. Gesundheitsgründen ausgeschieden sind neben dem bisherigen Außenminister, Ahmed Maher, der Justizminister, Farouk Seif Al Nasr, der Erziehungsminister Hussein Kamal Baha Eddin und der Bildungs- und Forschungsminister, Mufid Shehab, den man aber wenigstens noch mit dem „Ehrenamt“ eines neu geschaffenen Staatsministers für Schura Angelegenheiten betraut hat. Diese Entscheidung impliziert auch, das der grauen Parteieminenz, Kamal El Shazli, der bisher für die Kontakte zu beiden Kammern des Parlaments Verantwortung trug, an politischem Einfluss eingebüsst hat.

Als „aufgestiegen“ müssen dagegen der bisherige Exportminister, Yousef Boutros Ghali gelten, der jetzt die Verantwortung für das Finanzministerium übertragen bekommen hat, genauso wie die beiden bisherigen Gouverneure von Kairo: Abdel Rahim Shehata und Giza: Mahmoud Abul Leil, denen jeweils das Justizministerium und das Ministerium für Lokale Entwicklung zugewiesen worden sind. Als befördert kann auch die bisherige Staatsministerin im Außenministerium, Fayza Abu El Nagga, betrachtet werden, die jetzt als Ministerin einem vom Außenministerium unabhängigen Ministerium für internationale Zusammenarbeit vorstehen wird, ebenso wie ihre Nachfolgerin im Amt der Staatsministerin im Außenministerium, Moshira Khattab, die bisher dem Nationalen Verband für Mutterschaft und Kind vorgestanden hatte und als eine Vertraute der Ehefrau des Staatspräsidenten, Suzanne Mubarak gilt. Nachfolger im Amt des Kommunikationsministers wurde ein Absolvent der Deutschen Schule Kairo und in Deutschland ausgebildete Elektroingenieur, Tarek Kamel.

In den wichtigsten Ministerämtern, die in Ägypten üblicherweise der Besetzung durch den Präsidenten obliegen, kam es nur zu Änderungen aus Altersgründen wie etwa im Amt des Außenministers, das jetzt dem bisherigen ägyptischen Vertreter bei den Vereinten Nationen, Ahmed Abul Gheit überantwortet wurde und im Amt des Justizministers, das dem bisherigen Gouverneur von Giza, Mahmoud Abu Leil übertragen wurde; sowohl der Innenminister Habib El-Adly als auch der Verteidigungsminister, Mohamed Hussein Tantawi behielten ihre Ämter.

Blickt man auf die neue Regierungsmannschaft als Ganzes, so ist es zweifellos einerseits gelungen das Durchschnittsalter gegenüber den beiden vorherigen Regierungen deutlich auf jetzt nur noch 52 Jahre zu senken, das jüngste Kabinettsmitglied ist der erst knapp 40-jährige neue Investmentminister, Dr. Mahmoud Mohieddin, und auch den akademischen Ausbildungsgrad des Kabinetts weiter zu erhöhen, sodass jetzt immerhin nicht weniger als 17 Kabinettsmitglieder über einen Doktorgrad verfügen. Allerdings bleibt es sehr umstritten, ob diese beiden Umstände tatsächlich unmittelbar zu einer Verbesserung der Arbeitsergebnisse des neuen Kabinetts führen müssen. Sicher scheint dagegen zu sein, dass auch dieses neue Kabinett den in Ägypten vor einigen Jahren eingeschlagenen Weg zurück in eine liberalisierte Weltwirtschaft weiter verfolgen wird. Die Zeichen stehen nach der Ernennung eines eher unpolitischen Ministerpräsidenten also weiter auf Liberalisierung der Wirtschaft und weniger auf Liberalisierung des politischen Systems.

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Paul Linnarz

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Leiter des Länderprogramms Japan und des Regionalprogramms Soziale Ordnungspolitik in Asien (SOPAS)

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