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Alle Sieger – Alle Verlierer. Der Ausgang der Regionalwahl in Katalonien bleibt ungewiss.

von Michael Däumer

Zünglein an der Waage ist die linksnationalistische

Die CiU hat zwar die Wahl gewonnen (46 Mandate, 10 weniger als vorher), aber ist auf eine Koalition mit der links-nationalistischen Esquerra Republicana (von 12 auf 23 Mandate gestiegen) angewiesen. Der Partido Popular gewinnt zwar 3 Mandate dazu (nun auf 15), kommt aber als Koalitionspartner nicht in Frage, weil CiU von vornherein eine Koalition ausgeschlossen hat und weil die Zahl der Mandate für die absolute Mehr-heit im Parlament nicht reichen würde. Die Esquerra (ERC), die nun das "Zünglein an der Waage" ist, könnte ein Linksbündnis zwischen Sozialisten (PSC), ERC und Grüne (ICV) bilden, aber der PSOE in Madrid will Maragall eine Koalition mit der ERC ver-bieten. Maragall plädiert allerdings für ein Linksbündnis. Die Grünen (ICV) konnten ihre Sitze von 3 auf 9 verdreifachen.

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Die PSC unter Maragall hat unerwartet auch 10 Sitze verloren. Dementsprechend trat Maragall mit stark enttäuschter Miene auf. CiU als "Gewinner" der Wahl hat laut Verfassung das erste Recht auf die Koalitionsbildung. Artur Mas, der Pujol-Nachfolger, hat sich deutlich für eine "Koalition der Nationalisten" ausgesprochen. Der ERC hat - sicherlich aus taktischen Gründen, um sich alle Optionen offen zu halten - ein Bündnis aller im Parlament vertretenen Fraktionen außer PP vorgeschlagen. Damit will die ERC erreichen, dass sie zunächst Angebote von CiU und PSC erhält; das bessere Angebot wird genommen. Die Schlüsselrolle, die die ERC derzeit einnimmt, führte bereits dazu, dass die CiU der ERC den Posten des mächtigen Parlamentspräsidenten angeboten hat, der das verfassungsgemäße Recht hat, den Regionalpräsidenten vorzuschlagen.

Laut Verfassung muss sich das Parlament innerhalb von 20 Tagen nach der Wahl konstituieren. Danach muss spätestens 10 Tage danach der Kandidat für das Amt des Regionalpräsidenten feststehen.



Welche Konstellationen sind denkbar?
  1. Die CiU koaliert mit der ERC: Es heißt, 60 Prozent der ERC-Mitglieder bevorzugen ein "nationalistisches Bündnis" zwischen CiU und ERC. Dabei tritt die Linksorientierung der Partei eher in den Hintergrund. Diese Option scheint derzeit machbar, birgt aber weiterhin die Gefahr, dass die linken Positionen im Laufe der Zeit stärker in den Vordergrund treten. Ein Koalitionskrach wäre dann unvermeidbar. Ein weiteres Problem ist, dass die radikal-nationalistischen Töne der ERC an Gewicht gewinnen, insbesondere was das Verhältnis zum PP und Madrid angeht.
    Die ERC hat schon angedeutet, dass sie im Falle einer Koalition mit der CiU eventuelle Kontakte zwischen CiU und PP ausschließen will. Das wiederum bedeutet, dass bei der Nationalwahl im März 2004 die CiU, falls der PP die absolute Mehrheit verfehlt, nicht mehr als potentieller Koalitionspartner in Frage kommt.Den Spekulationen zufolge sollte dem UDC-Vorsitzenden Duran i Lleida ein Ministeramt unter Mariano Rajoy von dem PP angetragen werden. Duran i Lleida, dem solche Ambitionen nachgesagt werden, gilt als UDC-Spitzenkandidat für die Nationalwahl im März. Auch hier könnte der Koalitionskrach recht früh kommen. Ergo: Selbst wenn die Koalition kommt, so kann sie nur von kurzer Dauer sein, denn die Unterschiede zwischen den beiden Parteien sind zu groß und die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Regierung politisch in Spanien isoliert, ist sehr hoch.

  2. Bildung eines Linksbündnisses: Rein rechnerisch ist das möglich, denn von den erforderlichen 68 Sitzen für die Parlamentsmehrheit hätten die Linksparteien PSC, ERC und ICV insgesamt eine satte Mehrheit von 74 Sitzen. Maragall strebt diese Lösung an, steht aber unter immensen Druck seitens der Bundespartei PSOE unter Zapatero, der jegliche Zusammenarbeit mit der ERC ablehnt, da die Partei aus seiner Sicht eine Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien anstrebt.
    Würden die katalanischen Sozialisten mit der nationalistischen Esquerra koalieren, so würden sich die Wahlaussichten für die PSOE im kommenden Jahr erheblich verschlechtern. Maragall hat nun aus Sicht Madrids "völlig versagt". Damit ist seine politische Zukunft eigentlich besiegelt. Es ist der wirkliche Verlierer der Wahl, denn wie auch immer er sich entscheidet, er wird wohl kaum noch eine politische Rolle spielen können. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Linksbündnis zustande kommt, ist relativ begrenzt derzeit.

  3. Bündnis aller Fraktionen außer PP: Diese Koalition hat kaum eine Chance, denn sowohl die CiU als auch die PSC lehnen gegenseitig eine Koalition miteinander ab, zumal die PSC mit dem Wahlmotto des Wechsels in den Wahlkampf gegangen ist. Es wäre auch das politische Ende von Maragall. Die ERC verfolgt mit diesem Vorschlag nur ein taktisches Manöver, zum einen, um seinen Wert in den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen zu steigern, und zum zweiten, um gegenüber Madrid zu demonstrieren, dass die PP-Regierung in Katalonien unerwünscht ist. Da weder CiU noch PSC an einem "Abbruch" der Beziehungen zur Madrider Zentralregierung interessiert sind und sein können, so ist ein solches Bündnis von vornherein als gescheitert anzusehen.

  4. Eine letzte Möglichkeit, die realistisch ist, ist eine Minderheitsregierung der CiU. Wie in der vergangenen Legislaturperiode wurde die CiU, die über keine absolute Mehrheit verfügte, von dem PP toleriert. Die Pujol-Regierung war zwar über die letzten 4 Jahre durch die Stimmen des PP mehrheits- und handlungsfähig, aber die als "Koalition" angesehene Duldung durch den PP wurde seitens der Wähler abgestraft. Hieraus ergeben sich auch die teils herben Verluste der CiU insbesondere in den ländlichen Regionen um Barcelona.
    Die CiU sieht aber nun eine Chance, dass die ERC eine CiU-Minderheitsregierung eventuell tolerieren würde. Dennoch würde die CiU stets unter dem politischen Druck der ERC stehen, denn sie kann nach Gutdünken ihre Stimmen im Parlament verweigern, insbesondere dann, wenn der PP auch die Regierung unterstützt. Stimmt der PP mit, so würde sich dann die ERC verweigern. Die ERC kann - im Gegensatz zum PP in der letzten Legislaturperiode - immer mit dem "Bruch" der Duldung drohen. Diese Möglichkeit hatte der PP seinerzeit nicht.
    Wie auch immer die katalanische Regierung gebildet wird, sie sieht schwierigen Zeiten entgegen. Den Bruch mit Madrid kann sie sich politisch und wirtschaftlich nicht leisten. Geht die CiU in die Opposition, so droht die Convergencia auseinanderzufallen. Zwar hat Pujol in weiser Voraussicht den Vorsitz über die Convergencia bis November 2004 behalten, ob er jedoch die Spaltungsversuche innerhalb der Bewegung Convergencia verhindern kann, sei gegenwärtig dahingestellt.
    Artur Mas wäre in der Opposition politisch tot und müsste wahrscheinlich abtreten. Es läge an Pujol, der in Euphorie der unerwarteten besseren Ergebnisse der Wahl gesagt hat, "jetzt könne er beruhigt in Rente gehen", die Partei zusammenzuhalten und erneut aufzubauen. Die Suche nach einem geeigneten Nachfolger für Pujol müsste wieder aufgenommen werden.
    Ob der UDC-Vorsitzende Duran i Lleida, der auch schon in die Jahre gekommen ist, der Richtige ist, mag hier bezweifelt werden. Da er politisch moderat ist und über ein gewisses Charisma verfügt, könnte er diese Rolle übernehmen, jedoch nur als Übergangsvorsitzender. Eindeutig ist, dass die CiU, falls sie in die Opposition geht, neu aufgebaut werden muss, mit neuen Personen und neuen Programmen. Das Programm "Pujol" geht zuende.

  5. Wahlergebnisse in Katalonien vom 16. November 2003
    Partei 2003 1999
      in Prozent Sitze in Prozent Sitze
    CiU 30,93 46 37,7 56
    PSC 31,17 42 37,9 52
    ERC 16,47 23 8,7 12
    PP 11,87 15 9,5 12
    ICV 7,30 9 2,5 3

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Dr. Wilhelm Hofmeister

Wilhelm.Hofmeister@kas.de
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7. November 2003
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